Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.10.2001, Az.: 13 Sa 553/01

Nichtigkeit eines Arbeitsvertrages

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
23.10.2001
Aktenzeichen
13 Sa 553/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 25259
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2001:1023.13SA553.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 20.02.2001 - 1 Ca 324/00

Amtlicher Leitsatz

Ein Arbeitsvertrag ist gemäß § 134 BGB nichtig, wenn der angestellte Meister keine Arbeitsleistung zu erbringen hat und durch den Vertrag nur die Eintragungsvoraussetzungen für die Handwerksrolle erfüllt werden sollen (Konzessionsträgervertrag).

In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 23.10.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 20.02.2001, 1 Ca 324/00, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 5.554,50 DM festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt für die Monate März bis September 2000 Netto Vergütung in Höhe von 7 × 793,50 DM = 5.554,50 DM.

2

Der Kläger wurde zum 01.01.1998 von der Beklagten, die einen Dachdeckereibetrieb unterhält, als Betriebsleiter eingestellt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden und einem Stundenlohn von 28,00 DM. Der Kläger ist Dachdeckermeister. Er war als Meister und Betriebsleiter für die Beklagte in der Handwerksrolle eingetragen und war ausbildungsberechtigt gemäß Handwerksordnung. Am 22.06.1998 erlitt er einen Arbeitsunfall und war zumindest bis Ende September 2000 arbeitsunfähig.

3

Zum 01.10.1999 schlössen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag (Bl. 35 d.A.) mit einer Arbeitszeit von 25 Stunden und einer Bereitschaftszeit von 14 Stunden wöchentlich bei 1.000,00 DM Bruttovergütung pro Monat. Der Kläger behauptet, dass er auch ab 01.10.1999 für die Beklagte keine Arbeitsleistung erbracht habe, trotzdem die vertragsgemäße Vergütung bis einschließlich Januar 2000 in Höhe von monatlich 793,50 DM netto erhalten habe. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe entsprechend den Vertragsbedingungen des Vertrages ab 01.10.1999 bis einschließlich Januar 2000 gearbeitet. Unstreitig hat der Kläger ab Februar 2000 keine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht.

4

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe ihn als Dachdeckermeister für den Betrieb des Handwerksbetriebes benötigt und ebenso für die Berufsausbildung. Zu diesem Zweck sei zur Vorlage bei der Handwerkskammer der Arbeitsvertrag zum 01.10.1999 geschlossen worden. Es sei aber Einverständnis darüber erzielt worden, dass er auf der Grundlage dieses Vertrages keine Arbeitsleistung zu erbringen habe und trotzdem die Vergütung von 1.000,00 DM brutto erhalte. Vor Unterzeichnung des Vertrages habe er auch erklärt, dass er aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage sei zu arbeiten.

5

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.554,50 DM nebst 12 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Sie hat vorgetragen, ab 01.10.1999 sei ein Teilzeitarbeitsverhältnis vereinbart worden, bis Januar 2000 habe der Kläger entsprechende Arbeitsleistung erbracht. Die Vergütungszahlung sei auch abhängig gewesen von einer Arbeitsleistung.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Änderungsvereinbarung zum 01.10.1999 entsprechend dem Klägervortrag sei sittenwidrig. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe.

9

Mit Berufung wiederholt der Kläger seinen Vortrag zur Vergütungsvereinbarung und vertritt im Übrigen die Auffassung, die Regelungen in §§ 21 ff. HandwO verstießen gegen Grundsätze des europäischen Gemeinschaftsrechts.

10

Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung.

11

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg zur Geschäfts-Nr. 1 Ca 324/00 vom 20. Februar 2001, zugestellt am 13. März 2001, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.554,50 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

12

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

13

Sie wiederholt nach Maßgabe der Berufungserwiderung ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil.

Gründe

14

Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO. Die Berufung ist nicht begründet.

15

Der Kläger hat für die Monate März bis September 2000 keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt für geleistete Arbeit gemäß § 611 BGB. Er hat unstreitig im fraglichen Zeitraum keine Arbeitsleistung erbracht. Er hat auch seine Arbeitsleistung nicht angeboten, so dass Annahmeverzug gemäß § 615 BGB nicht vorliegt.

16

Der Vergütungsanspruch ist nicht dann begründet, wenn entsprechend der Behauptung des Klägers bei Änderung des Arbeitsvertrages zum 01.10.1999 vereinbart worden ist, dass der Kläger keine Arbeitsleistung zu erbringen habe. Eine entsprechende Vereinbarung - die die Beklagte bestritten hat - ist gemäß § 134 BGB nichtig, es liegt ein Umgehungsgeschäft vor.

17

Nichtigkeit nach § 134 BGB kann auch dann vorliegen, wenn das Rechtsgeschäft selbst nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, es sich also scheinbar um ein erlaubtes Rechtsgeschäft handelt. In diesen Fällen kann ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot mit Nichtigkeitsfolge vorliegen. Auszugehen ist vom Zweck der umgangenen Vorschrift. Wird der Zweck der gesetzlichen Vorschrift vereitelt etwa durch missbräuchliche Verwendung anderer Gestaltungsmöglichkeiten, liegt der Umgehungstatbestand vor (BAG vom 12.10.1960, GS 1/59, NJW 1961, S. 798; MünchKomm zum BGB, 4. Aufl., § 134, Rnr. 16 ff.; Palandt, BGB, 60. Aufl, § 134, Rnr. 28 und 29). Konzessionsträgerverträge der vorliegenden Art werden überwiegend als Umgehungsgeschäfte mit Nichtigkeitsfolge bewertet (z. B. MünchKomm zum BGB, a.a.O., Rnr. 19; Palandt, a.a.O., Rnr. 29; Thüringer Landesarbeitsgericht vom 09.03.2001, 5 Sa 10/01, DB 2001, S. 1835; OLG Koblenz vom 11.02.1994, 8 U 535/93, NJW-RR 1994, S. 493; OLG Hamm vom 12.03.2001, 8 U 86/00 (bejaht Sittenwidrigkeit); a.A.: LAG Hamm vom 12.07.1990, 10 Sa 365/90; LAG Köln vom 04.07.1997, 11 Sa 838/96).

18

Das BAG hat in zwei Entscheidungen (Urteil vom 02.02.1994, 10 AZR 673/92, AP Nr. 8 zu § 705 BGB; Urteil vom 19.06.1996, 10 AZR 908/95, nicht amtlich veröffentlicht) die Haftung des Konzessionsträgers als BGB-Gesellschafter im Außenverhältnis bejaht. Die Frage der Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages im Innenverhältnis hat es im Urteil vom 19.06.1996 ausdrücklich offen gelassen.

19

Konzessionsträgerverträge im Handwerk sind nichtig. Nach § 1 HandwO ist der selbständige Betrieb des Handwerks nur gestattet bei Eintragung in die Handwerksrolle. Eintragung in die Handwerksrolle setzt nach § 7 Abs. 1 HandwO das Bestehen der Meisterprüfung voraus, nach § 7 Abs. 4 HandwO muss bei juristischen Personen der Betriebsleiter diese Eintragsvoraussetzung erfüllen. Ausnahmetatbestände regeln die §§ 8 und 9 HandwO. Nach § 13 HandwO wird die Eintragung in die Handwerks rolle gelöscht, wenn die Voraussetzungen für die Eintragung nicht vorliegen. Fachliche Eignung für die Berufsausbildung im Handwerk setzt nach § 21 HandwO die Meisterprüfung voraus (Ausnahmen: § 22 HandwO. Sinn und Zweck dieser Vorschriften ist es, dass der Betrieb des Handwerks geleitet und überwacht wird durch einen sachkundigen Betriebsleiter und dass die fachliche Berufsausbildung der Auszubildenden gewährleistet ist. Die gewerberechtlichen Voraussetzungen sollen Kundenschutz gewährleisten und den Kunden vor fachlich unqualifizierter Arbeit schützen. Entsprechend soll § 21 HandwO eine fachlich korrekte Ausbildung sicherstellen. Dieser gesetzliche Zweck kann nur erreicht werden, wenn der Konzessionsträger tatsächlich im Betrieb arbeitet, für die fachliche Anleitung von Gesellen und Auszubildenden zur Verfügung steht, die ausgeführten Arbeiten kontrolliert und abnimmt.

20

Soll der Konzessionsträger nach Vertrag die Betriebsleitung nicht ausüben, soll er keine Arbeit als Meister erbringen, sondern nur die Eintragung in der Handwerksrolle gewährleisten und die Beschäftigung von Auszubildenden ermöglichen, wird der Gesetzeszweck umgangen. Der Vertrag ist als Umgehungsgeschäft nichtig.

21

Dass die hier herangezogenen Vorschriften der HandwO gegen europäisches Recht verstoßen, ist nicht nachvollziehbar, zumal der Kläger eine bestimmte Vorschrift nicht benannt hat. Artikel 43 EGV gewährleistet Niederlassungsfreiheit, Artikel 136 EGV fordert die Angleichung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Diesen europarechtlichen Anforderungen genügt die HandwO. Für Innländer gibt es in § 8 HandwO die Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung vom Erfordernis der Meisterprüfung, eine entsprechende Regelung enthält § 9 HandwO für Angehörige der EWG-Mitgliedsstaaten. Europarechtlichen Anforderungen ist damit hinreichend Rechnung getragen.

22

Nach seinem Vortrag sollte der Kläger im Betrieb nicht tätig werden, die Vergütung war allein geschuldet für die Zurverfügungstellung des Meistertitels als Eintragungsvoraussetzung in der Handwerks rolle und als Voraussetzung für die Berufsausbildung. Der Vertrag ist deshalb nichtig, es besteht kein vertraglicher Vergütungsanspruch.

23

Der Zahlungsanspruch kann auch nicht auf ungerechtfertigte Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 BGB gestützt werden. Weil der Vertrag wegen Gesetzesverstoßes nach § 134 BGB nichtig ist, ist ein Bereicherungsanspruch nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen.

24

Da die Berufung zurückzuweisen war, trägt der Kläger die Kosten des Rechtsmittels, § 97 ZPO. .

25

Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 5.554,50 DM festgesetzt.

Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 3 ZPO