Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.03.2001, Az.: 12 Sa 1416/00
Konkurrentenklage auf Einstellung als Verwaltungsfachangestellter; Einstellungsanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG; Schadensersatzsanspruch; Ermessensreduzierung auf Null
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 13.03.2001
- Aktenzeichen
- 12 Sa 1416/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 10401
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2001:0313.12SA1416.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Emden - 14.06.2000 - AZ: 1 Ca 71/00 E
- nachfolgend
- BAG - 22.10.2001 - AZ: 9 AZN 622/01
Rechtsgrundlage
- Art. 33 Abs. 2 GG
In dem Rechtsstreit
hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 13.03.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Röder und
die ehrenamtlichen Richter Dr. Winfried Seeringer und Werner Brünig
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 14. Juni 2000 - 1 Ca 71/00 E - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Streitwert: unverändert.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Wege der Konkurrentenklage seine Einstellung als Verwaltungsfachangestellter beim beklagten Land hilfsweise Schadensersatz.
Der am 13.01.1958 geborene Kläger absolvierte ab 01.08.1994 bei der Bezirksregierung Weser-Ems in Aurich eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten und wurde anschließend als Verwaltungsfachangestellter vom 17.07.1997 bis zum 31.12.1999 befristet weiterbeschäftigt.
Das beklagte Land schrieb zum 01.01.2000 insgesamt 19 Arbeitsplätze für Angestellte bei dem Niedersächsischen Landesamt für Bezüge und Versorgung, Standort Aurich aus. Die Bewerbung des Klägers um einen dieser befristet zu besetzenden Arbeitsplätze wurde abschlägig beschrieben. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe gegen Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz verstoßen indem es seine Bewerbung nicht berücksichtigt habe. Auf jeden Fall müsse er aber eingestellt werden, nachdem der vom beklagten Land ausgewählte Bewerber ... eine Absage erteilt habe. Bei anderweitiger Besetzung der Stelle des Herrn ... stehe ihm auf jeden Fall ein Schadensersatzanspruch zu.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (B. 45-48 d. A.) sowie die vor dem Arbeitsgericht gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen und die erstinstanzlichen Sitzungsniederschriften vom 28.02.2000 (Bl. 16 d. A.) und 14.06.2000 (Bl. 41 d. A.) verwiesen.
Das Arbeitsgericht Emden hat durch das am 14.06.2000 verkündete, hiermit in Bezug genommene Urteil (Bl. 44-51 d. A.) die Klage kostenpflichtig abgewiesen und den Streitwert auf 21.377,25 DM festgesetzt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, das beklagte Land sei nicht verpflichtet, den Kläger als Verwaltungsfachangestellten einzustellen. Grundsätzlich könne ein Bewerber nur verlangen, dass die Behörde sein Einstellungsbegehren gemäß Art. 33 Abs. 2 GG nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung prüfe. Ein Anspruch auf Einstellung in ein öffentliches Amt könne sich ausnahmsweise unmittelbar aus Art. 33 Abs. 2 GG ergeben, wenn jede andere Entscheidung als die Einstellung des Bewerbers nach den Verhältnissen des Einzelfalles rechtswidrig oder sonst ermessensfehlerhaft wäre. Voraussetzung sei aber, dass die konkrete Arbeitsstelle noch frei sei. Durch die Einstellung eines Konkurrenten werde dem Dienstherren die Besetzung der konkreten Arbeitsstelle mit einem anderen Bewerber unmöglich und das Stellenbesetzungsverfahren sei dann endgültig beendet. Von einer Ermessenreduzierung auf "0" könne vorliegend nur ausgegangen werden, wenn - abgestellt auf den nach der Behauptung des Klägers durch Absage des Bewerbers ... freigewordenen und noch nicht besetzten Arbeitsplatz - der Kläger sowohl gegenüber dem namentlich benannten Bewerber ... als auch gegenüber allen übrigen Bewerbern für diese Stelle der am besten qualifizierteste Bewerber wäre. Ein substantiierter Vortrag des Klägers dazu, dass er aus dem vorgenannten Personenkreis der bestqualifizierteste Bewerber sei, fehle aber. Im übrigen sei auch der Bewerber ... besser als der Kläger geeignet, denn er habe nicht nur ein besseres Prüfungsergebnis, sondern sei auch zeitlich länger als der Kläger im öffentlichen Dienst tätig gewesen. Mangels dargelegter Bestqualifikation im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG sei hinsichtlich des Hauptantrags auf den weiteren Vortrag der Parteien nicht mehr einzugehen.
Dem Kläger stehe aber auch ein Schadensersatzanspruch weder aus culpa in contrahendo noch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 33 Abs. 2 GG oder einer sonstigen Rechtsvorschrift zu. Das beklagte Land könne eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Kläger nur dann treffen, wenn dieser auf eine der 19 ausgeschriebenen Stellen hätte eingestellt werden müssen. Insoweit habe der darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht substantiiert vorgetragen, einer der 19 am besten qualifiziertesten Bewerber sämlicher Bewerber um die 19 ausgeschriebenen Stellen gewesen zu sein. Mithin könne der Hilfsantrag auch keinen Erfolg haben.
Der Kläger hat gegen das ihm am 05. Juli 2000 zugestellte Urteil am 07.08.2000 (Montag) Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.10.2000 am nämlichen Tage begründet.
Er macht insbesondere geltend, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Verpflichtung des beklagten Landes, ihn als Verwaltungsfachangestellten einzustellen, abgelehnt. Sein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung sei seitens des beklagten Landes nicht erfüllt worden. Er sei nämlich gegenüber dem Bewerber ... als auch gegenüber dem Bewerber der am besten für diese Stelle qualifizierte Bewerber. Zwar habe er im Vergleich mit beiden anderen Bewerbern das schlechteste Prüfungsergebnis hinsichtlich der Verwaltungsfachangestelltenprüfung, jedoch habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass er in den letzten 4 Monaten vor der Abschlussprüfung zum Verwaltungsfachangestellten aufgrund einer schwerwiegenden Verletzung stationär im Krankenhaus gelegen habe. Da die durch den Bewerber ... nicht angetretene Stelle nach wie vor unbesetzt sei und der Bewerber ... auf eine andere Stelle eingestellt wurde, sei der Kläger auf die noch nicht besetzte Stelle einzustellen. Hinsichtlich des Schadensersatzanspruches sei dieser - ausgehend von der Besetzung der Stelle durch den Bewerber ... - sehr wohl gegeben. Aus der Sicht des Klägers ergebe sich eine Beweislastumkehr, da die Auswahlmaßnahme des Beklagten im Verhältnis zu den Bewerbern ... und ... nicht nachvollziehbar sei. Im übrigen sei der Kläger bereits im Verhältnis zum Bewerber ... vor dessen Absage besser qualifiziert gewesen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 14.06.2000 verkündeten und am 05.07.2000 zugestellten Urteils des Arbeitsgerichts Emden (Aktenzeichen 1 Ca 71/00 E)
- 1.
das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger als Verwaltungsfachangestellten einzustellen;
- 2.
hilfsweise, das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 8.550,90 DM brutto zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt,
- 1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 14.06.2000, Az. 1 Ca 71/00 E, wird zurückgewiesen.
- 2.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Es verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 13.11.2000 (Bl. 82-85 d. A.).
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zu Recht einen Einstellungsanspruch sowie Schadensersatzansprüche des Klägers verneint.
Die Berufungskammer hält die Ausführungen des Arbeitsgerichts für zutreffend und schließt sich den die Entscheidung tragenden Rechtssätzen in den Gründen des angefochtenen Urteils an, so dass von einer eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen werden konnte. Im Hinblick auf die Angriffe der Berufung ist ergänzend noch folgendes auszuführen:
In Bezug auf die arbeitsrechtliche Konkurrentenklage hat das Bundesarbeitsgericht zum möglichen Einstellungsanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG entschieden, dass dieser das Vorhandensein einer besetzungsfähigen und haushaltsrechtlich abgesicherten Stelle voraussetzt. Dem ist die Kammer gefolgt (Urteil vom 05.12.2000 - 12 Sa 927/00 - nicht veröffentlicht). Im Streitfall beruft sich der Kläger darauf, eine der 19 ausgeschriebenen Stellen sei noch nicht besetzt worden, da der ausgewählte Bewerber ... abgesagt habe. Die Beklagte behauptet demgegenüber für die vom Bewerber ... nicht angetretene Stelle sei der Bewerber eingestellt worden. Selbst, wenn dies nicht zuträfe und die Stelle noch nicht, wie von der Beklagten vorgesehen, mit dem Bewerber ... besetzt worden ist, besteht kein Einstellungsanspruch des Klägers. Aus Art. 33 Abs. 2 GG ist ein Anspruch auf Einstellung in den öffentlichen Dienst nur dann unmittelbar gegeben, wenn alle Voraussetzungen in der Person des Bewerbers für die angestrebte Stelle vorliegen und jede andere Entscheidung als die Einstellung des Bewerbers nach den Verhältnissen des Einzelfalles rechtswidrig oder sonst ermessensfehlerhaft wäre. Dabei kommt es vorliegend auf die Auswahlentscheidung des beklagten Landes für den Bewerber ... nicht an, denn dieser ist nicht eingestellt worden, so dass insoweit auch keine Konkurrenz mehr zum Kläger besteht. Zu vergleichen ist der Kläger jedoch mit dem Bewerber ... Die Übertragung der Stelle auf diesen Bewerber - wobei dahinstehen kann ob sie bereits erfolgt ist oder nicht - ist jedoch nicht zu beanstanden, denn er weist eine bessere Qualifikation als der Kläger auf, worauf das Arbeitsgericht bereits hingewiesen hat. Zum einen hat er seine erste Verwaltungsprüfung mit 2 Punkten besser (7,16 Punkte) als der Kläger (5,16 Punkte) abgelegt. Entscheidend ist dabei das Ergebnis der Prüfung und nicht, dass der Kläger in den letzten 4 Monaten vor seiner Abschlussprüfung sich stationär im Krankenhaus aufhalten musste. Art. 33 Abs. 2 GG gebietet die Berücksichtigung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung und stellt nicht etwa auf Billigkeitsgesichtspunkte ab. Zum anderen ist aber auch zugunsten des Mitbewerbers ... zu berücksichtigen, ob er neben der besseren Abschlussnote eine wesentlich längere berufspraktische Zeit aufweist (ab 07.02.1992) als der Kläger (ab 17.07.1997).
Auch ein Schadensersatzsanspruch, den der Kläger - ausgehend von der Besetzung der Stelle durch den Bewerber ... - hilfsweise geltend macht, ist nicht gegeben. Eine Schadensersatzklage kann nur Erfolg haben, wenn das beklagte Land seine Pflicht zur Bestenauslese verletzt hat und dies auf Verschulden beruht, sowie die unterbliebene Einstellung als Schaden durch die Pflichtverletzung adäquat verursacht worden ist. Entscheidend ist hierbei, ob eine Ermessensreduzierung auf "0" vorliegt und der Kläger hätte eingestellt werden müssen. Dabei kommt es auf den zunächst ausgewählten Bewerber ... wiederum nicht an, denn die Stelle ist mit ihm nicht besetzt worden. Hinsichtlich des Bewerbers ... kann der Kläger nicht gehört werden, dass ihm richtigerweise die Stelle hätte übertragen werden müssen, denn ... ist nicht der falsch ausgewählte Bewerber in Bezug auf den Kläger, weil er - wie bereits ausgeführt - besser als der Kläger geeignet ist und diesem gegenüber deshalb vorgezogen werden durfte.
Die Berufung des Klägers war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Gegen dieses Urteil findet daher die Revision nicht statt. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen (vgl. § 72 a ArbGG).
Dr. Seeringer,
Brünig