Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.03.2001, Az.: 12 Sa 1766/00
Außerordentliche Kündigung; Hemmung des Beginns der Ausschlußfrist bei Anhörung des Kündigungsgegners
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 06.03.2001
- Aktenzeichen
- 12 Sa 1766/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 10399
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2001:0306.12SA1766.00.0A
Amtlicher Leitsatz
Zur Hemmung des Beginns der Ausschlußfrist des § 626 II BGB bei Anhörung des Kündigungsgegners. Überschreitung der Regelfrist zur Anhörung (1 Woche) bei Urlaub des zu kündigenden Arbeitnehmers.
In dem Rechtsstreit
hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 06.03.2001
durch den Vorsitzenden
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 06. September 2000 - 1 Ca 276/00 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Streitwert: unverändert.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses.
Der am 12. Mai 1944 geborene Kläger war seit dem 11. Januar 1966 bei der Beklagten in deren Werk ... beschäftigt, zuletzt als Fachreferent mit einem monatlichen Bruttogehalt von durchschnittlich 10.500,00 DM.
Am 25. April 2000 wandten sich die Mitarbeiter ... der Konzernrevision an den Kläger, welcher am 24. Juni 1998 zum Vorsitzenden des Stadtsportbundes ... gewählt worden war. Sie erbaten von ihm vergeblich die Vorlage der Telefonabschreibungen für seinen Telefonapparat und befragten ihn hinsichtlich der Fahrten mit Geschäftsfahrzeugen der Beklagten zu privaten Zwecken d. h. zum Landessportbund (LSB) nach Hannover.
Auf den bei der Beklagten verwendeten Telefonabschreibungen ist stets am Ende folgender Text vermerkt:
"die in dieser Abrechnung privat angefallenen Gebühreneinheiten wurden gekennzeichnet und der belegführenden Stelle zur Weiterbelastung im Rahmen de Entgeltabrechnung aufgegeben (gemäß Organisations-Anweisung vo44).
Unterschrift: Mitarbeiter ... Aufbewahrungsfrist: 1 Jahr in ... der organisatorischen Einheit."
Am 25. April 2000 unterzeichnete der Kläger folgende Erklärung (Fotokopie Bl. 14 d. A.):
"Von der Konzern - Revision ... bin ich auf Vorgänge der persönlichen Bereicherung, im Zusammenhang, mit einem Ehrenamt des Stadtsportbundes aufmerksam gemacht worden.
Ich gebe zu, dass persönliche Bereicherungen zu Lasten VW AG erfolgt sind, ohne die Einzelfälle jetzt zu benennen."
Anschließend ging er vom 26. April bis zum 07. Mai 2000 in Urlaub. Nach seiner Rückkehr kennzeichnete er am 09. Mai 2000 die von ihm in der Zeit vom 01. Januar 1999 bis zum 31. März 2000 geführten Dienstgespräche. Unter dem 16. Mai 2000 nahm er schriftlich zu Revisionsfragen zum Thema Dienstreisen Stellung (vgl. Fotokopien Bl. 57, 58 d. A.). Unstreitig fuhr der Kläger am 12.10.99, 07.03.2000 und 04.04.2000 mit einem von ihm angeforderten Kraftfahrzeug der Beklagten nach Hannover und nahm dort an Sitzungen des LSB teil. Am 04.02.99, im Juni 1999 und am 16. November 1999 fuhr er mit einem Kraftfahrzeug der Beklagten nicht nur dienstlich nach Wolfsburg, sondern nahm auch zugleich in Hannover Termine beim LSB wahr.
Am 18. Mai 2000 fand im Büro des Personalleiters ... zwischen diesem, weiteren Mitarbeitern der Personalabteilung, dem Kläger und drei Betriebsratsmitgliedern ein Gespräch statt. Dem Kläger wurde dabei seitens der Personalabteilung angekündigt, dass ihm fristlos gekündigt werde und man davon nur dann absehe, wenn er sofort selbst zum 30. Juni 2000 kündige. Nach Beratung mit dem Personalausschuss des Betriebsrats unterschrieb der Kläger folgende Erklärung vom 18. Mai 2000:
"Kündigung
Hiermit bitte ich um Lösung meines Arbeitsverhältnisses mit Wirkung vom 30.06.2000. Grund: eigener Wunsch.
Emden, 18.05.2000."
Mit Schreiben vom 31. Mai 2000 (Fotokopie Bl. 5 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich fristlos und hilfsweise fristgemäß.
In Bezug auf seine Erklärung vom 18. Mai 2000 hat der Kläger mit einer der Beklagten am 15. Juni 2000 zugestellten Klageschrift vom 08. Juni 2000 die Anfechtung erklärt. Die Klage richtet sich dabei zugleich gegen die Kündigung der Beklagten vom 31. Mai 2000.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Eigenkündigung vom 18. Mai 2000 wirksam angefochten zu haben, denn zum einen habe die Beklagte am 18. Mai 2000 wegen Ablaufs der Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht mehr mit einer fristlosen Kündigung drohen dürfen und zum anderen fehle es auch an einem Kündigungsgrund. Die Kündigung vom 31. Mai 2000 sei rechtsunwirksam.
Der Kläger hat beantragt,
- 1.
festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien durch die Eigenkündigung des Klägers vom 18.05.2000 nicht mit dem 30.06.2000 beendet ist.
- 2.
festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien durch die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 31.05.2000 nicht beendet ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich darauf berufen, der Kläger habe strafbare Handlungen - Betrug und Unterschlagung - ihr gegenüber begangen durch nicht abgerechnete Privatgespräche (7423 Gesprächseinheiten) und diverse Privatfahrten zum Landessportbund nach Hannover. Sie habe ihm deshalb am 18. Mai 2000 mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung drohen dürfen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei noch nicht abgelaufen gewesen, da diese erst am 17. Mai 2000 mit der Vorlage des endgültigen Berichtes der Konzernrevision zu laufen begonnen habe.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 62 bis 66 d. A.) sowie den Inhalt der zu den Akten 1. Instanz gelangten Schriftsätze und Anlagen der Parteien und die arbeitsgerichtliche Sitzungsniederschrift vom 06. September 2000 (Bl. 56 d. A.) verwiesen.
Das Arbeitsgericht Emden hat durch das am 06. September 2000 verkündete, hiermit in Bezug genommene Urteil (Bl. 61 bis 71 d. A.) die Klage kostenpflichtig abgewiesen und den Streitwert auf 42.000,00 DM festgesetzt.
Es hat angenommen, die Klage sei unbegründet, denn die Erklärung des Klägers vom 18. Mai 2000 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien wirksam zum 30. Juni 2000 beendet. Bei der klägerischen Erklärung vom 18. Mai 2000 handele es sich um eine Eigenkündigung zum 30. Juni 2000. Diese Erklärung habe der Kläger nicht wirksam nach § 123 BGB angefochten.
Die Voraussetzungen einer nach § 123 BGB wirksamen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung seien nicht gegeben. In der Ankündigung des Ausspruchs einer fristlosen Kündigung liege eine Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB. Die Drohung sei dann nicht widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Es sei nicht erforderlich, dass die angekündigte Kündigung, wenn sie tatsächlich ausgesprochen worden wäre, in einem Kündigungsschutzprozess sich als rechtsbeständig erwiesen hätte. Der Anfechtungsprozess dürfe nicht wie ein fiktiver Kündigungsschutzprozess behandelt werden.
Im Streitfall sei die Androhung einer fristlosen Kündigung durch die Beklagte am 18. Mai 2000 nicht widerrechtlich gewesen. Der Kläger habe im Zeitraum vom 01. Januar 1999 bis zum 31. März 2000 unstreitig Privatgespräche in einem Umfang von 7243 Gesprächseinheiten zu Lasten der Beklagten geführt. Er habe die Privatgespräche gegenüber der Beklagten nicht abgerechnet, sondern die Telefonabschreibungen vernichtet. Zur Abrechnung seiner privaten Telefongespräche sei er aber verpflichtet gewesen. Es sei anerkannt, dass der Arbeitnehmer, der Vermögensdelikte zum Nachteil seines Arbeitgebers begehe, typischerweise einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung schaffe. Das unerlaubte private Telefonieren auf Kosten des Arbeitgebers könne den Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechtfertigen. Insbesondere im Hinblick auf den Umfang der vom Kläger geführten Privatgespräche habe die Beklagte schon allein abgestellt auf diesen Vorwurf vom Vorliegen der Voraussetzung des § 626 Abs. 1 BGB ausgehen dürfen. Die Beklagte habe ihr Kündigungsrecht auch nicht deshalb verbraucht, weil die Mitarbeiter der Konzernrevision dem Kläger am 25. April einen schönen Urlaub gewünscht hätten.
Ein verständiger Arbeitgeber habe auch im Hinblick auf § 626 Abs. 2 BGB noch am 18. Mai 2000 mit einer fristlosen Kündigung drohen dürfen. Zwar habe der Kläger mit Erklärung vom 25. April 2000 zugegeben, persönliche Bereicherung zu Lasten der Beklagten vorgenommen zu haben. Die Beklagte habe aber nicht vor dem 09. Mai 2000 Kenntnis vom Umfang der vom Kläger geführten Privatgespräche haben können. Erst an diesem Tage habe nämlich der Kläger eine Erklärung über die von ihm im einzelnen geführten Dienst- und Privatgespräche abgegeben. Gerechnet ab dem 09. Mai 2000 sei die 2-wöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB bei Abgabe der Erklärung des Klägers vom 18. Mai 2000 aber noch gewahrt. Die Frage, wann genau die Mitarbeiter der Konzernrevision den Personalleiter ... vom Kündigungssachverhalt in Kenntnis gesetzt hätten, könne mithin offen bleiben.
Da die Beklagte am 18. Mai 2000 bereits abgestellt auf die vom Kläger in der Zeit vom 01. Januar 1999 bis zum 31. März 2000 geführten Privatgespräche mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung habe drohen dürfen, entfalte die vom Kläger erklärte Anfechtung keine Wirkung, der Klageantrag zu 1) sei daher abzuweisen, ohne dass auf die Benutzung von Geschäftsfahrzeugen durch den Kläger für Fahrten - auch - zum LSB nach Hannover noch einzugehen sei.
Auch der Klageantrag zu 2) habe keinen Erfolg, denn ihm mangele es bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis, da die arbeitgeberseitige Kündigung vom 31. Mai 2000 nur vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit der vom Kläger erklärten Eigenkündigung ausgesprochen worden sei.
Gegen das ihm am 28. September 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. September 2000 Berufung eingelegt und diese am 26. Oktober 2000 begründet.
Er macht nach Maßgabe seines Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 25. Oktober 2000 (Bl. 89 bis 91 d. A.) insbesondere geltend, seine Anfechtung greife deshalb durch, weil die Drohung der Beklagten mit der fristlosen Kündigung am 18. Mai 2000 wegen Ablaufs der Frist aus § 626 Abs. 2 BGB rechtswidrig gewesen sei. Unstreitig sei bereits am 25. April 2000 der Beklagten bekannt gewesen, dass der Kläger die Telefonschreibungen nicht aufbewahrt habe und privat telefoniert habe, unbekannt sei nur der Umfang gewesen. Bekannt gewesen sei auch, dass er Dienstfahrzeuge bei Fahrten zum Landessportbund angefordert und erhalten habe. Die Beklagte sei gehalten gewesen, die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Beschleunigung aufzunehmen, zu beenden und den Kläger anzuhören. Dabei werde zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass trotz des Geständnisses des Klägers überhaupt noch weitere Ermittlungen zu führen gewesen seien. Wenn die Beklagte noch weitere Ermittlungen anstellen wollte, so habe sie den Kläger vor Urlaubsantritt auf die Notwendigkeit einer Anhörung während seines Urlaubs hinweisen müssen. Er hätte sich dann dafür zur Verfügung gehalten. Nur wenn er eine Anhörung während seines Urlaubs verweigert hätte, sei an eine Hemmung der Frist zu denken.
Im übrigen rechtfertige auch unabhängig von der Fristversäumung der festgestellte Sachverhalt die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses nicht. Hinsichtlich des Nichtabrechnens privater Telefongespräche hätte es einer vorherigen Abmahnung bedurft. Nichts anderes gelte hinsichtlich der Fahrzeuganforderungen und -benutzungen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 06.09.00, Az: 1 Ca 276/00 abzuändern und den in 1. Instanz gestellten Anträgen zu entsprechen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 12. Dezember 2000 (Bl. 110 bis 119 d. A.).
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden und die Klage abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Eigenkündigung des Klägers mit dem 30. Juni 2000 beendet worden, denn dieser hat seine Kündigungserklärung vom 18. Mai 2000 nicht wirksam angefochten.
Das Landesarbeitsgericht schließt sich der Begründung des Arbeitsgerichts an und sieht von einer nochmaligen ausführlichen Darlegung der Rechtslage deshalb gem. § 543 Abs. 1 ZPO ab. Im Hinblick auf die Angriffe der Berufung ist ergänzend noch folgendes auszuführen:
Zutreffend hat das Arbeitsgericht das Vorliegen einer widerrechtlichen Drohung verneint. Nur wenn unter verständiger Abwägung aller Umstände des Einzelfalles der Arbeitgeber davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die Kündigungserklärung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zu einer Eigenkündigung zu veranlassen (vgl. etwa BAG NZA 96, 875). Zu Recht ist das Arbeitsgericht zunächst davon ausgegangen, dass unerlaubte private Telefongespräche je nach den Umständen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können, wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, wie der Vorgang strafrechtlich zu würdigen ist. Es handelt sich dabei nicht nur um strafbare Handlungen im Betrieb zum Nachteil des Arbeitgebers (Betrug), sondern auch um schwerwiegende Vertragsverletzungen im Vertrauensbereich, die grundsätzlich ein an sich geeigneter Grund für eine ordentliche oder ggf. außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung sind. Auch eine Abmahnung kommt unter den gegebenen Umständen als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung nicht in Betracht. Zum einen ist bei eindeutig strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen - wie vorliegend - regelmäßig eine Abmahnung entbehrlich. Aber auch wenn man vom Erfordernis der Prüfung des Vorrangs einer Abmahnung bei Störungen im Vertrauensbereich ausgeht, braucht im Streitfall ein verständiger Arbeitgeber nicht davon ausgehen, dass unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch eine Abmahnung noch ausreichend gewesen wäre. Angesichts der Schwere des bewussten Fehlverhaltens des Klägers und des Schadens der Beklagten (Privatgespräche über den Zeitraum von 1 1/4 Jahr i. H. v. 7243 Gesprächseinheiten, was bei einem Preis von 23 Pfennig pro Einheit den Betrag von 1.665,89 DM ausmacht) konnte der Kläger nicht ernsthaft mit einer Billigung seines Verhaltens durch die Beklagte rechnen und hat deshalb bewusst seinen Arbeitsplatz aufs Spiel gesetzt und die Beklagte konnte deshalb ohne vorherige Abmahnung kündigen. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe etwa die klägerischen Vertragsverstöße jahrelang hingenommen, weil er während seiner gesamten Tätigkeit niemals Telefonabschreibungen vorlegte. Aus der Nichtvorlage von Telefonabschreibungen kann noch nicht geschlossen werden, dass der Kläger überhaupt und in welchem Umfang Privatgespräche unerlaubt geführt hat. Der Kläger konnte deshalb nicht annehmen, sein Fehlverhalten werde von der Beklagten als nicht erheblich angesehen und gefährde den Bestand seines Arbeitsplatzes nicht.
Auch die vom Arbeitgeber vorzunehmende sorgfältige Interessenabwägung führt nicht dazu, anzunehmen, dass ein vernünftiger Arbeitgeber im Streitfall eine Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. In die Interessenabwägung ist zu Gunsten des Klägers die lange Dauer des Arbeitsverhältnisses (über 34 Jahre) einzubeziehen. Ins Gewicht fällt aber ganz erschwerend zu Ungunsten des Klägers die Intensität seiner Telefonbetrügereien über einen längeren Zeitraum und die damit verbundene Erschütterung des für eine Vertragsbeziehung unerlässlichen Mindestvertrauens des Arbeitgebers. Insbesondere ist zu beachten, dass es sich um eine Vielzahl unerlaubter privater Telefonate handelt und nicht etwa um einen einmaligen Ausrutscher. Berücksichtigt man diese Umstände der Tatbegehung und deren Strafbarkeit sowie, dass es bei der hier vorzunehmenden Beurteilung der Widerrechtlichkeit der Drohung nicht darauf ankommt, ob sämtliche Kündigungsvoraussetzungen mit letzte Sicherheit vorliegen, so durfte die Beklagte im Rahmen der Interessenabwägung die außerordentliche Kündigung des Klägers in Betracht ziehen.
Nach Auffassung der Kammer ist auch davon auszugehen, dass die Beklagte am 18. Mai 2000 die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten hat.
Eine außerordentliche Kündigung kann nur innerhalb von 2 Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (§ 626 Abs. 2 BGB). Diese materiell-rechtliche Ausschlussfrist (sogenannte Kündigungserklärungsfrist) ist vorliegend eingehalten worden. Sie lief spätestens am 22. Mai 2000 ab, so dass die Erklärung des Klägers vom 18. Mai 2000 nicht verfristet ist.
Die Ausschlussfrist beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der kündigungserheblichen Tatsachen hat. Zu den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Ohne Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt kann das Kündigungsrecht nicht verwirken. Es ist allgemein anerkannt, dass der Kündigungsberechtigte zur Aufklärung des Sachverhalts die ihm nach pflichtgemäßen Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführen kann. Er kann insbesondere weitere Ermittlungen anstellen und auch den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt (vgl. etwa Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 7. Aufl. 1999, RdNr. 476 mit weiteren Nachweisen). Durch derartige Maßnahmen kann die Ausschlussfrist aber nicht länger als unbedingt nötig hinausgeschoben werden. Ihr Beginn ist nur so lange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte aus verständlichen Gründen mit der gebotenen Eile noch Ermittlungen anstellt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (vgl. etwa BAG AP Nr. 27 zu § 626 BGB Ausschlussfrist). Bei der Anhörung des Kündigungsgegners ist von einer Regelfrist von 1 Woche auszugehen, die nur aus "sachlich erheblichen" bzw. "verständigen" Gründen überschritten werden darf (vgl. BAG AP Nr. 6, 27 zu § 626 BGB Ausschlussfrist). Derartige Gründe liegen im Streitfall vor. Zwar hatte der Kläger bereits am 25. April 2000 schriftlich erklärt, er gebe zu, dass persönliche Bereicherungen zu Lasten der Beklagten erfolgt seien, ohne die Einzelfälle jetzt zu benennen. Dieses Geständnis bietet jedoch noch keine ausreichende Beurteilungsgrundlage für die Beklagte, denn es enthält keinerlei Einzelfälle und läßt deshalb den Umfang der Bereicherungen im Unklaren. Durch das Geständnis ist deshalb die Ausschlussfrist nicht unmittelbar in Lauf gesetzt und die Beklagte durfte den Kläger zwecks näherer Aufklärung noch weiter anhören. Die dabei notwendige Aufklärung musste von ihr zwar mit der gebotenen Eile, jedoch nicht überhastet oder hektisch betrieben werden. Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass die Beklagte den Urlaub des Klägers abwarten durfte und der Beginn der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB so lange gehemmt wurde, bis der Kläger wieder aus dem Urlaub zurückgekehrt war. Zwar hat das Landesarbeitsgericht Frankfurt (DB 80, 1079) für den Fall einer Erkrankung des anzuhörenden Arbeitnehmers entschieden, dass der Arbeitgeber nicht stets das Ende der Krankheit abwarten dürfe, sondern es sei vom Arbeitgeber zu klären, ob der Arbeitnehmer trotzdem in der Lage ist, die erforderliche Aufklärung zu geben. Dem folgt die Kammer für den Fall des Urlaubs nicht. Die 1-wöchige Regelfrist zur Anhörung des Kündigungsgegners ist auf jeden Fall einzuhalten, wenn dieser im Betrieb anwesend ist. Befindet er sich jedoch im Urlaub, so muss auf die Dauer des Urlaubs und damit der Abwesenheit des Arbeitnehmers abgestellt werden. Eine Pflicht zum Tätigwerden für den Arbeitgeber, d. h. zu einer Anhörung während des Urlaubs, besteht nach Auffassung der Kammer erst bei längerer Urlaubsabwesenheit, und zwar bei einem Urlaub über 2 Wochen. Es stellt eine verständige Erwägung des Arbeitgebers (Kündigungsberechtigten) dar, wenn er seine Nachforschungen beim Arbeitnehmer angesichts dessen urlaubsbedingter Abwesenheit bei einem Kurzurlaub sofort im Anschluss an den Urlaub aufnimmt. Eine Aufschiebung der Anhörung um höchstens 2 Wochen erscheint der Kammer sachgerecht. Für den Streitfall bedeutet dies, dass die Frist zur Anhörung des Klägers durch dessen 12-tägigen Urlaub vom 26. April bis 07. Mai 2000 gehemmt worden ist und erst wieder am 08. Mai 2000 begann. Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB endete folglich erst am 22. Mai 2000 und damit durfte die Beklagte dem Kläger am 18. Mai 2000 noch eine fristlose Kündigung androhen.
Nach alledem durfte die Beklagte eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung ernsthaft in Erwägung ziehen und deshalb auch dem Kläger in Aussicht stellen. Die Drohung ist daher nicht als widerrechtlich anzusehen, so dass die Anfechtung der Eigenkündiugng nicht auf § 123 Abs. 1, 2. Alternative BGB gestützt werden kann und die Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.