Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.04.2001, Az.: 16 Sa 2125/00
Möglichkeit der Kündigung mit Ausfallfrist eines unkündbaren Angestellten
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 27.04.2001
- Aktenzeichen
- 16 Sa 2125/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 25260
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2001:0427.16SA2125.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Lingen - 16.11.2000 - AZ: 1 Ca 156/00
- nachfolgend
- BAG - 27.06.2002 - AZ: 2 AZR 367/01
Fundstellen
- NZA-RR 2002, 555-557 (Volltext mit amtl. LS)
- ZTR 2001, 368
Verfahrensgegenstand
Außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist;
unkündbarer Angestellter nach §§ 53, 55 BAT
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Es bleibt offen, ob bei Schließung einer Musikschule einer Gemeindeverwaltung die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist eines nach §§ 53, 55 BAT unkündbaren Angestellten zugelassen werden muss.
- 2.
Jedenfalls hat die Gemeindeverwaltung aufgrund des Ausnahmecharakters einer solchen Kündigung auch andere geeignete Arbeitsplätze frei zu kündigen, sofern dieses zumutbar ist.
Ferner hat sie die Bemühungen gemäß §§ 3, 4 des Tarifvertrags über den Rationalisierungsschutz vor Ausspruch der Kündigung vorzunehmen und im Verfähren darzustellen, weshalb dieses letztlich gescheitert ist.
In dem Rechtsstreit
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 27.04.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht und
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 16.11.2000, Az. 1 Ca 156/00, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen eine außerordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 02.03.2000, die mit einer Auslauffrist bis zum 30.09.2000 ausgesprochen worden ist.
Der am ... geborene Kläger war zunächst bei dem Zweckverband "Musikschule B. und S." in B. seit dem 01.12.1980 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 11.03.1981 (Blatt 271/272 d. A.) beschäftigt. Mit Arbeitsvertrag vom 16.07.1985 vereinbarten der Kläger und der Zweckverband sodann, dass der Kläger ab 01.09.1985 mit 21/28 Unterrichtsstunden wöchentlich als Musiklehrer für die Musikschule B. und S. eingestellt wird. Gemäß § 2 dieses Arbeitsvertrages richtete sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.02.1991 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Wegen des Inhalts dieses Arbeitsvertrages im Übrigen wird auf diesen (Blatt 273/274 d. A.) verwiesen. Zwischen dem Zweckverband und dem Kläger wurde sodann am 01.04.1993 vereinbart, dass der Kläger mit Wirkung ab 01.04.1993 die ständige Vertretung der Leiterin/des Leiters der Musikschule (stellvertretender Schulleiter) übernimmt. Die regelmäßige Arbeitszeit wurde mit 36,5 Stunden wöchentlich festgelegt, wobei von 23 Unterrichtsstunden und 7 Zeitstunden zur Wahrnehmung der Funktion des stellvertretenden Schulleiters ausgegangen wurde. Wegen des Inhalts dieser Vereinbarung wird auf diese (Blatt 49 d. A.) verwiesen.
Die Musikschule wurde seit 1974 in der Form des Zweckverbandes geführt, wobei Träger die Stadt B. und die Samtgemeinde S. waren. Die Musikschule erwirtschaftete ein Defizit, so dass Mitte der neunziger Jahre der Zwang zur Haushaltskonsolidierung sowohl in S. als auch in B. spürbar wurde, so dass die Musikschule aufgefordert wurde, ihre Kosten zu senken. Im Sommer 1997 wurde der Musikschulbetrieb einer Untersuchung durch den Landesverband Niedersächsischer Musikschulen unterzogen. Nennenswerte Einsparmöglichkeiten konnten jedoch nicht aufgezeigt werden. Im November 1997 wurde Verbindung zu einem privaten Musikschulanbieter aufgenommen, der sich zunächst zur Übernahme bereit erklärte. Zwischen den beiden Trägern des Zweckverbandes konnte jedoch eine Einigkeit über die Privatisierung nicht erzielt werden, so dass der Schule im Rahmen des Zweckverbandes noch eine Chance gegeben wurde. Ab November 1998 wurde die/der Schulleiter/in abgelöst und die Leitung drei Personen übertragen, darunter dem Kläger, wobei der Kläger als Leiter und Geschäftsführer des Zweckverbandes fungierte. Insoweit wurde der Kläger bis 19.05.1999 tätig. Eine Konsolidierung konnte auch insoweit nicht erzielt werden, so dass die drei vollbeschäftigten Musiklehrer und der Kläger nicht vollständig ausgelastet waren. So gab der Kläger im Oktober 1999 10,66 Wochenstunden Unterricht, wurde aber für 23 Wochenstunden bezahlt.
Daraufhin wurden die Verhandlungen mit dem privaten Betreiber wieder aufgenommen, der jedoch nicht mehr bereit war, zu den bisher ausgehandelten Bedingungen die Musikschule zu übernehmen. Daraufhin wurde mit den vier unkündbaren und vollbeschäftigten bzw. fast vollbeschäftigten Musiklehrern am 17.11.1999 ein Gespräch geführt. Die Beklagte fasste den Inhalt dieses Gesprächs mit Schreiben vom 18.11.1999 zusammen. Hierauf wird verwiesen (Blatt 95/96 d. A.).
Mit Schreiben vom 26.11.1999 bestätigte die Beklagte dem Kläger, dass die vertragliche Stundenzahl sofort angehoben werden würde, sobald sich mehr Schüler für das Fach "Trompete" interessierten. Der Kläger hat weder auf das Schreiben vom 18.11.1999 noch auf das Schreiben vom 26.11.1999 reagiert.
Die Verbandsversammlung des Zweckverbandes Musikschule B. und S. hat in ihrer Sitzung vom 16.12.1999 die Auflösung des Zweckverbandes mit Ablauf des 31.12.1999 beschlossen. Auf Grund einer insoweit getroffenen öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen der Stadt B. und der Samtgemeinde S. gingen die bisherigen Aufgaben des Zweckverbandes mit allen Rechten und Pflichten zunächst auf die Stadt B. über. Damit ging auch das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die Beklagte über, die nunmehr alle bisherigen Aufgaben des Zweckverbandes übernahm. Dieses wurde dem Kläger mit Schreiben vom 17.12.1999 (Blatt 97 d. A.) mitgeteilt.
Auf Grund eines Ratsbeschlusses der Beklagten vom 31.01.2000 wurde die Musikschule zum 31.07.2000 geschlossen. Der Verwaltungsausschuss der Beklagten beschloss darüber hinaus am 02.03.2000, die Arbeitsverhältnisse mit den Musikschullehrern zu beenden. Daraufhin wurden die außerordentlichen Kündigungen bezüglich der unkündbaren Mitarbeiter unter einer Auslauffrist ausgesprochen. Die Beklagte hat am 14.02.2000 einen Antrag auf Zustimmung zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung bei dem Personalrat gestellt (Blatt 99/100 d. A.). Der Personalrat teilte mit Schreiben vom 25.02.2000 mit, dass er der Kündigung des Klägers zum 30.09.2000 nicht widerspreche. Insoweit wird auf das Schreiben vom 25.02.2000 (Blatt 101 d. A.) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 02.03.2000 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis sodann außerordentlich mit einer Frist zum 30.09.2000 auf (Blatt 6 d. A.).
Der Kläger hat diese Kündigung für unwirksam gehalten. Er hat die Auffassung vertreten, auf Grund der Sondervorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages sei eine Kündigung betriebsbedingt nicht möglich. Im Übrigen habe die Beklagte zunächst mit allen zumutbaren Mitteln seine Weiterbeschäftigung versuchen müssen.
Die Auflösung des Zweckverbandes sei rechtlich nicht zulässig gewesen, da eine Auflösung erst erfolgen könne nach Erfüllung aller Verbindlichkeiten, wozu auch die dauerhafte Übernahme durch die Beklagte gehöre.
Die Übernahme sei im Übrigen nur erfolgt, um sich des unkündbaren Personales zu entledigen. Die Schülerzahlen seien tatsächlich nicht rückläufig gewesen bis zum Jahre 1999, der Zuschussbedarf sei laufend gesunken.
Der Kläger habe darüber hinaus weiterhin bei der Beklagten im Schulbereich, im Bereich der Kulturverwaltung oder im Jugendamt beschäftigt werden können. Der Kläger habe auch bisher zu ca. 20 % seiner Tätigkeit im Verwaltungsbereich gearbeitet.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass das seit dem 01.12.1980 auf der Grundlage der Arbeitsverträge vom 11.03.1981, 16.07.1985 und 01.04.1993 bestehende Arbeitsverhältnis zwischen dem Zweckverband Musikschule B. und ... und dem Kläger durch Kündigung der Beklagten vom 02.03.2000 nicht beendet worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Arbeitsplatz des Klägers sei weggefallen auf Grund der dauerhaften Schließung der Musikschule. Gründe hierfür seien die Defizite der Musikschule in den letzten Jahren gewesen, die schlechtere Reputation der Musikschule insgesamt, die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses innerhalb des Kollegiums und die Tatsache, dass eine Privatisierung endgültig nicht möglich gewesen sei, da die Lösungsvorschläge, die die Beklagte gemacht habe, letztlich auch daran gescheitert seien, dass der Kläger sich weder mit einer Reduzierung seiner Stundenzahl noch mit dem Abschlag seines Gehaltes einverstanden erklärt habe, so dass der private Betreiber abgesprungen sei.
Tatsächlich handele es sich um eine Teilbetriebsstilllegung im Bereich der Verwaltung, so dass ein sachlicher Grund vorhanden sei. Tatsächlich seien die Schülerzahlen ständig zurückgegangen, die Zuschüsse der Gemeinden erheblich gewesen. Insoweit wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 17.05.2000, Seiten 4, 5 (Band 29, 30 d. A.) verwiesen.
Freie Arbeitsplätze habe es im Bereich der Beklagten nicht gegeben.
Auch seien vergleichbare Arbeitnehmer bei der Beklagten nicht beschäftigt.
Dem Kläger stehe zwar der Sonderkündigungsschutz des BAT zu, so dass eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen sei. Der vorliegende Fall, dass eine Beschäftigung unter keinen Umständen mehr möglich sei, rechtfertige es aber, eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist auszusprechen. Der Kläger habe auch nicht unter Einsatz aller zumutbaren Mittel weiterbeschäftigt werden können.
Ein Einsatz in den von dem Kläger genannten Bereichen sei nicht möglich, zumal der Kläger keinen Bezug zur Verwaltung gehabt habe. Spätere Verhandlungen nach Ausspruch der Kündigung mit anderen Musikschulen hätten gezeigt, dass auch ein Interesse anderer Musikschulen nicht vorhanden gewesen sei.
Durch Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 16.11.2000 wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 02.03.2000 nicht zum 30.09.2000 aufgelöst worden ist. Weiter wurden die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt und der Streitwert auf 15.600,00 DM festgesetzt. Wegen der Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses (Blatt 169 bis 178 d. A.) Bezug genommen.
Dieses Urteil wurde der Beklagten am 20.11.2000 zugestellt. Hiergegen legte diese am 07.12.2000 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 07.02.2001 am 07.02.2001.
Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, es hätten tatsächlich dringende betriebliche Gründe für eine Kündigung vorgelegen, die letztlich auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigten. Ein Ausschluss einer außerordentlichen Kündigung durch BAT sei für den Fall, dass unter keinen Umständen unter zumutbaren Bedingungen eine Weiterbeschäftigung erfolgen könne, rechtlich zulässig. Die Regelung des BAT verstoße insoweit gegen § 626 BGB sowie Art. 12 GG. Im Übrigen sei die Regelung des § 55 Abs. 2 BAT nicht einschlägig.
Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger sei auch tatsächlich unzumutbar gewesen. Angesichts der nicht vorhandenen Möglichkeit der Weiterbeschäftigung bedeute die vollständige Unkündbarkeit aus betriebsbedingten Gründen einen unzumutbaren Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Es könne kein Zwang bestehen, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis weiterhin auf Dauer fortzusetzen.
Eine anderweitige Möglichkeit der Beschäftigung habe tatsächlich nicht bestanden. Der Kläger sei darlegungs- und beweispflichtig für seine Behauptungen, er könne anderweitig beschäftigt werden. Der Kläger müsse zumindest darlegen, wie er sich eine anderweitige Tätigkeit tatsächlich vorstelle. Der Kläger sei aber ausgebildeter Musiker und habe keine Verwaltungskenntnisse. Weder im Kultur-, noch im Sozial-, noch im Schulbereich sei eine Tätigkeit erkennbar, die der Kläger hätte verrichten können. Ein Kulturamt gebe es bei der Beklagten nicht, da dieses durch den Leiter des Fremdenverkehr samt es verwaltet werde und dieser auch für kulturelle Angelegenheiten zu 10 bis 15 % seiner Arbeitszeit zuständig sei. Im Sozialamt sei ein Bedarf nicht vorhanden. Aus dem Stellenplan ergebe sich, dass auch nicht in absehbarer Zeit geeignete Stellen für den Kläger frei sein werden. Der Kläger könne auch mangels Verwaltungskenntnissen nicht als Sachbearbeiter eingesetzt werden, da hierfür eine zumindest dreijährige Ausbildung erforderlich sei.
Im Schulbereich könne ein Einsatz nicht erfolgen, da die Schulen durch das Land betrieben würden. Andere öffentliche Arbeitgeber oder private Musikschulen hätten kein Interesse an der Beschäftigung des Klägers gehabt, wie sich aus Gesprächen nach Ausspruch der Kündigung herausgestellt habe. Nicht vor, sondern nach Ausspruch der Kündigung sei insoweit mit anderen Musikschulen verhandelt worden, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat. Dort habe aber nur ein Interesse an freien Mitarbeitern bestanden.
Die Beklagte sei auch zu finanziellen Zugeständnissen bereit gewesen, um eine Weiterbeschäftigung zu erreichen. Sie habe deshalb eine einvernehmliche Vertragsänderung mit dem Kläger versucht, die dieser nicht angenommen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 16.11.2000, Az. 1 Ca 156/00, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 19.02.2001 (Blatt 236 bis 240 d. A.), vom 21.02.2001 (Blatt 242, 243 d. A.) sowie vom 11.04.2001 (Blatt 263 bis 267 d. A.). Hierauf wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Es handelt sich um eine Rechtsstreitigkeit über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO).
Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch außerordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 02.03.2000 zum 30.09.2000 beendet worden. Auf das Arbeitsverhältnis findet der BAT kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung Anwendung. Nach der mit § 626 BGB inhaltsgleichen Vorschrift des § 54 BAT ist der Arbeitgeber berechtigt, das Arbeitsverhältnis aus einem wichtigen Grunde fristlos zu kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine außerordentliche Kündigung aus Gesichtspunkten des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann in Betracht kommt, wenn andere nach den jeweiligen Umständen mögliche und angemessene mildere Mittel wie Abmahnung, Versetzung, Änderungskündigung oder ordentliche Kündigung erschöpft sind. Die außerordentliche Beendigungskündigung ist die unausweichlich letzte Maßnahme des Kündigungsberechtigten. Danach ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben und auch bei der Berücksichtigung dieses Umstandes die Interessenabwägung ergibt, dass die konkrete Kündigung im Einzelfall gerechtfertigt ist.
Eine Einschränkung erfährt das Recht zur außerordentlichen Kündigung durch die Vorschriften der §§ 53 Abs. 3 und 55 BAT. Gemäß § 53 Abs. 3 BAT ist der Angestellte unkündbar nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren, frühestens jedoch nach Vollendung des 40. Lebensjahres, was auf den Kläger zutrifft. Für diesen sogenannten unkündbaren Angestellten gilt, dass diesem nur aus in seiner Person oder seinem Verhalten liegenden wichtigen Gründen fristlos gekündigt werden kann. Gemäß § 55 Abs. 2 BAT berechtigen den Arbeitgeber andere wichtige Gründe, insbesondere dringliche betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Angestellten entgegenstehen, nicht zur Kündigung. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch, wenn eine Beschäftigung zu bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist, zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen. Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis ferner zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen, wenn der Angestellte dauernd außer Stande ist, diejenigen Arbeitsleistungen zu erfüllen, für die er eingestellt ist und die die Voraussetzung für seine Eingruppierung in die bisherige Vergütungsgruppe bilden, und ihm andere Arbeiten, die die Tätigkeitsmerkmale seiner bisherigen Vergütungsgruppe erfüllen, nicht übertragen werden können. Vorliegend hat die Beklagte jedoch aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Die Kammer geht davon aus, dass derartige betriebsbedingte Kündigungsgründe tatsächlich vorgelegen haben, da die Beklagte durch Ratsbeschluss entschieden hat, dass die Musikschule zum 31.07.2000 geschlossen wird. Dieses ist der Niederschrift über die Sitzung des Rates der Beklagten vom 31.01.2000 (Blatt 34 bis 37 d. A.) zu entnehmen. Danach ist zum 31.07.2000 tatsächlich eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Klägers am bisherigen Arbeitsplatz entfallen. Dieses hat die Beklagte zum Anlass der Kündigung des Klägers genommen.
In Rechtsprechung und Literatur ist eine einheitliche Auffassung darüber, ob der Ausschluss einer außerordentlichen Kündigung in diesen Fällen berechtigt ist, umstritten. Während einerseits vertreten wird, dass § 55 BAT nicht gegen die Unabdingbarkeit des § 626 BGB verstößt, da die Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf bestimmte im Tarifvertrag festumrissene Tatbestände zulässig ist und keine unzumutbare Erschwerung des Rechts der außerordentlichen Kündigung vorliegt, da eine außerordentliche Kündigung nicht gänzlich ausgeschlossen wird, sondern in Form einer Änderungskündigung möglich bleibt, wird auf der anderen Seite die Auffassung vertreten, dass es für einen Arbeitgeber unzumutbar sein muss, einen Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen, der unter keinen zumutbaren Bedingungen mehr beschäftigt werden kann und damit eine Verpflichtung bestünde, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten. Letzteres wird für den Bereich der privaten Wirtschaft hergeleitet aus dem Grundsatz der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) sowie der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, für den Bereich des öffentlichen Dienstes aus einem unzulässigen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung eines demokratisch gewählten Gremiums, das über den Wefall von Arbeitsplätzen durch Schließung einer Einrichtung entscheiden kann, was verfassungsrechtlich ebenfalls abgesichert ist (vgl. hierzu Urteile des BAG vom 17.05.1984, 2 AZR 161/83, in AP Nr. 3 zu § 55 BAT; vom 18.04.1986, 7 AZR 114/85, in NZA 87, 94/95; vom 31.01.1996, 2 AZR 158/95, in NZA 96, 581 bis 585; vom 05.02.1998, 2 AZR 227/97, in NZA 98, 771 bis 775; vom 17.09.1998, 2 AZR 419/987, in NZA 99, 258 bis 262 sowie Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 14.09.1995, 2 SA 114/95; Urteil des LAG Potsdam vom 28.01.1997, 8 SA 815/96, in MedR 97, 368 bis 370; LAG Hamburg vom 10.11.1999, 8 Sa 74/99; Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 22.11.1999, 15 Sa 69/99, in EZ BAT § 54 BAT, Unkündbare Angestellte, Nr. 10 sowie Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 31.01.1996, 2 AZR 158/95, in NZA 96, 581 bis 585; vom 05.02.1998, 2 AZR 227/97, in NZA 98, 771 bis 775; vom 17.09.1998, 2 AZR 419/987, in NZA 99, 258 bis 262 sowie Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 14.09.1995, 2 SA 114/95; Urteil des LAG Potsdam vom 28.01.1997, 8 SA 815/96, in MedR 97, 368 bis 370; LAG Hamburg vom 10.11.1999, 8 Sa 74/99; Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 22.11.1999, 15 Sa 69/99, in EZ BAT § 54 BAT, Unkündbare Angestellte, Nr. 10 sowie Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 26.03.1999, 6 Ca 17/99).
Die Kammer lässt es letztlich dahingestellt bleiben, welche dieser Auffassungen zutreffend ist, denn selbst für den Fall, dass zumindest bei kleineren Gemeindeverwaltungen wie der der Beklagten eine außerordentliche Kündigungsfrist mit Auslauffrist ermöglicht werden muss, da ansonsten ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis auf Dauer fortgesetzt werden müsste, ergibt vorliegend eine Interessenabwägung, dass die außerordentliche Kündigung nicht berechtigt ist.
Muss bei einer betriebsbedingten Kündigung schon das Bedürfnis für die Kündigung dringend sein, d. h. die Kündigung nicht vermeidbar sein durch Angebot eines anderweitigen Arbeitsplatzes innerhalb derselben Vergütungsgruppe oder durch Änderungskündigung auf einen anderen Arbeitsplatz mit niedrigerer Vergütungsgruppe, so müssen an die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung weitergehende Anforderungen an die Arbeitgeberseite gestellt werden, um die Kündigung letztlich zu vermeiden. Die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung muss sich als das allerletzte Mittel darstellen, nachdem alle anderen Versuche gescheitert sind, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Bereich des öffentlichen Dienstes zu sichern. Die betriebsbedingte außerordentliche Kündigung muss eine Ausnahmesituation darstellen, da ansonsten dem besonderen Schutzgedanken des § 55 BAT nicht Rechnung getragen wird.
Hierbei sind zur Überzeugung der Kammer zwei Voraussetzungen aufzustellen.
Zum einen ist die Beklagte verpflichtet, in ihrem Bereich nicht nur freie Arbeitsplätze anzubieten, sie ist vielmehr verpflichtet, im gesamten Bereich der Gemeindeverwaltung zu prüfen, inwieweit Arbeitsplätze vorhanden sind, die dem Kläger angeboten werden können und die für den Kläger noch zumutbar sind. Dabei ist die Beklagte berechtigt, entsprechend der tariflichen Regelung die Vergütung des Klägers um eine Vergütungsgruppe im Rahmen der Änderungskündigung zu mindern, sie ist zur Überzeugung der Kammer jedoch auch berechtigt, dem Kläger darüber hinaus Arbeitsplätze anzubieten, die auch noch unter einer solchen Vergütungsgruppe liegen, soweit sie für den Kläger noch als zumutbar zu betrachten sind. Angesichts des besonderen Schutzgedankens der tariflichen Regelung wäre die Beklagte für diesen Fall auch verpflichtet, dem Kläger für seine Tätigkeit eine übertarifliche Vergütung zu zahlen, um letztlich die betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden.
Hierzu muss die Beklagte im einzelnen vortragen, welche Arbeitsplätze im Bereich der Gemeindeverwaltung vorhanden sind, welche Arbeitsplätze sie für den Kläger als noch geeignet und zumutbar hält und darzulegen, weshalb dieser Arbeitsplatz nicht zu Gunsten des Klägers freigekündigt werden kann, wobei die Beklagte vorliegend zu beachten hatte, dass der Kläger eine Ausbildung als Dipl.-Musikschullehrer nach niederländischem Recht hat und damit eine akademische Ausbildung und dem Kläger darüber hinaus die stellvertretende Schulleitung, zum Schluss eine kommissarische Leitung der Schule, übertragen worden ist mit entsprechenden Verwaltungstätigkeiten, wobei der Kläger auch als stellvertretender Schulleiter mit einer bestimmten Stundenzahl für Verwaltungstätigkeiten freigestellt worden war. Es ist deshalb davon auszugehen, dass tatsächlich Verwaltungskenntnisse, zumindest in gewissem Umfange, vorhanden waren, die der Kläger für seine Tätigkeit einsetzen konnte. Die Auffassung der Beklagten, der Kläger könne als Trompeter keine anderweitige Tätigkeit in der Gemeindeverwaltung ausüben, ist deshalb überzogen. Die Beklagte muss sich daran festhalten lassen, dass sie dem Kläger in der Vergangenheit bereits Verwaltungstätigkeiten übertragen hat.
Die Beklagte hat aber vorliegend ihrer Pflicht zur Darstellung nicht dadurch genügt, dass sie einen Stellenplan eingereicht hat. Vielmehr gehört hierzu ein substantiiertes Vorbringen, auf das sich der Kläger im einzelnen einlassen kann.
Zum zweiten sind zur Überzeugung der Kammer an eine derartige betriebsbedingte Kündigung die Voraussetzungen zu stellen, die sich aus § 3 des Tarifvertrages über den Rationalisierungsschutz für Angestellte ergeben, der auch durch die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände mit abgeschlossen worden ist. Zwar gilt dieser Tarifvertrag nicht für den vorliegenden Fall, da gemäß § 1 dieses Tarifvertrages Rationalisierungsmaßnahmen als vom Arbeitgeber veranlasste erhebliche Änderungen der Arbeitstechnik oder wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise gelten, die zu einem Wechsel der Beschäftigung oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Hierzu zählt auch die Stillegung oder Auflösung eines Verwaltungsteiles. Die Schließung der Musikschule führt zwar vorliegend nicht zu Änderungen der Arbeitstechnik oder beinhaltet wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise, jedoch ist eine parallele Interessenlage in Bezug auf die Kündigung des Klägers gegeben.
An sich würde die vorliegende Rationalisierungsmaßnahme auch zu einer betriebsbedingten Kündigung führen. Der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte enthält jedoch Einschränkungen, da ein besonderer Kündigungsschutz für diesen Fall für die Angestellten des öffentlichen Dienstes gewährleistet sein soll.
Vergleichbar enthalten die Vorschriften der §§ 53, 55 BAT Einschränkungen für unkündbare Angestellte für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung, wobei nach dem Tarifvertrag sogar die betriebsbedingte Kündigung gänzlich als Beendigungskündigung ausgeschlossen sein soll. Wenn die Tarif Vertragsparteien für den Fall der Rationalisierungsmaßnahme eine besondere Arbeitsplatzsicherung vorsehen, so muss dieses erst recht geltend für den Fall der betriebsbedingten Beendigungskündigung eines unkündbaren Arbeitnehmers.
Diese Arbeitsplatzsicherung beinhaltet aber nicht nur die Sicherung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes bei demselben Arbeitgeber innerhalb derselben Verwaltung an demselben oder anderen Ort oder auch in einer anderen Verwaltung an einem anderen Ort, sondern auch die Verpflichtung zum Angebot eines anderen Arbeitsplatzes und darüber hinaus die Verpflichtung des Arbeitgebers, sich um einen Arbeitsplatz bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, auch im Sinne des § 29 Abschnitt B Abs. 7. BAT, vorzugsweise an demselben Ort, aber auch ggf. an einem anderen Ort, zu bemühen.
Zwar hat sich die Beklagte vor Ausspruch der Beendigungskündigung bemüht, die Musikschule auf einen anderen privaten Betreiber zu übertragen. Nachdem dieses nicht möglich gewesen ist, war die Beklagte deshalb auch verpflichtet, vor Ausspruch der Kündigung entsprechende Bemühungen anzustellen. Dieses ist jedoch nach eigenem Vortrag nicht oder nur eingeschränkt geschehen. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte klargestellt, dass derartige Bemühungen erst erfolgt sind, wie auch erstinstanzlich vorgetragen, nach Ausspruch der Kündigung. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Sachverhaltes ist jedoch der Zeitpunkt der Ausspruch der Kündigung. Zu diesem Zeitpunkt sind entsprechende Versuche nicht gemacht worden.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Versuche von vornherein aussichtslos gewesen wären. Wird eine solche Verpflichtung im Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte getroffen, so müssen auch Verfahren zur Verfügung gestellt werden, wie derartige Bemühungen des Arbeitgebers erfolgen können, etwa durch Schaffung eines internen Arbeitsmarktes oder durch Rundschreiben der kommunalen Gebietskörperschaften. Ist derartiges nicht vorhanden, so musste die Beklagte, und zwar nicht nur bei einigen wenigen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes, Initiativen entwickeln, um einen anderen Arbeitsplatz nachweisen zu können. Erst wenn dieses vergeblich war, hätte eine betriebsbedingte Beendigungskündigung ausgesprochen werden können (vgl. § 5 Abs. 2 des Tarifvertrages über den Rationalisierungsschutz für Angestellte).
Schließlich vertritt die Kammer die Auffassung, dass eine Fortbildung des Klägers für den Bereich der Verwaltung möglich gewesen wäre. Auch diese Verpflichtung ist in § 4 des Tarifvertrages über den Rationalisierungsschutz enthalten. Die Beklagte war deshalb verpflichtet, um dem Kläger geeignete Arbeitsplätze anderer Art nachweisen zu können, Fortbildungsmaßnahmen anzubieten. Auch insoweit hätte es eines konkreten Vortrags der Beklagten bedurft, welche Fortbildungsmaßnahmen innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes möglich sind, die den Kläger auch zu einer anders gearteten Angestelltentätigkeit qualifizieren und welche Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger vorhanden gewesen wären. Auch hierfür fehlt es an einem substantiierten Vortrag der Beklagten.
Nach alledem ist die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.
Gegen dieses Urteil findet, wie sich aus der Urteilsformel ergibt, die Revision statt.