Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.08.2001, Az.: 14 Sa 2255/00
Vereinbarung zweistufiger vertraglicher Ausschlussfrist mit Fristen von jeweils zwei Monaten
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 09.08.2001
- Aktenzeichen
- 14 Sa 2255/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 10402
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2001:0809.14SA2255.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Verden - 28.11.2000 - AZ: 2 Ca 669/00
- ArbG Vreden - 28.11.2000 - AZ: 2 Ca 669/00
- LAG Niedersachsen - 10.05.2001 - AZ: 14 Sa 2255/00
- nachfolgend
- BAG - 15.08.2002 - AZ: 2 AZR 473/01
Amtlicher Leitsatz
Zweistufige vertragliche Ausschlussfristen mit Fristen von jeweils zwei Monaten für schriftliche Geltendmachung ab Fälligkeit und für die gerichtliche Geltendmachung ab Ablehnung des Anspruchs, spätestens nach zwei Wochen ab Geltendmachung, können einzelvertraglich vereinbart werden (BAG AP Nr. 1 zu § 241 BGB).
Hinsichtlich der Frist für die gerichtliche Geltendmachung ist im Fall einer Klagrücknahme § 212 II 1 BGB auch bei vertraglich vereinbarten Verfallfristen nicht anwendbar (BAG AP Nr. 108 zu § 4 TVG Ausschlussfristen für tarifliche Verfallfristen).
Bei vorzeitiger schriftlicher Geltendmachung vor Fälligkeit und einer ebenfalls vorzeitigen Ablehnung des Anspruchs durch die Gegenpartei beginnt die Frist für die gerichtliche Geltendmachung unmittelbar mit der Fälligkeit des Anspruchs.
In dem Rechtsstreit
hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 10.05.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgericht Verden vom 28.11.2000 Az.: 2 Ca 669/00 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.11.1997 als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen.
In Ziffer 15 des Anstellungsvertrages vom 12.05.1999 sind folgende Ausschlussfristen vereinbart:
Gegenseitige Ansprüche aller Art aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb einer Ausschlussfrist von 2 Monaten seit Fälligkeit des Anspruchs schriftlich gelten zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verwirkt. Die Ausschlussfrist beginnt nicht, bevor der Berechtigte Kenntnis von anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt hat. Dies gilt nicht, wenn er es vorsätzlich oder grob fahrlässig unterläßt, Kenntnis zu erlangen.
Lehnt die Gegenpartei den Anspruch schriftlich ab oder erklärt sie sich nicht binnen einer Frist von 2 Wochen hierzu, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht binnen weiterer 2 Monate nach Ablehnung oder Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Von diesen Verfallsfristen sind strafbare und unerlaubte Handlungen ausgenommen.
Gegen eine Kündigung der Beklagten vom 28.10. zum 30.11.1999 hat der Kläger am 08.11.1999 Kündigungsschutzklage erhoben (Az.: 1 Ca 1164/99 Arbeitsgericht Verden) und die Klage mit Schriftsätzen vom 16.12.1999 und 19.01.2000 um einen Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des monatlichen Arbeitsentgelts von 3.854,00 DM brutto ab 01.12.1999 erweitert.
Die Beklagte hat im Vorprozess mit Schriftsatz vom 17.01.2000 ihren Klagabweisungsantrag im Einzelnen begründet.
Im Kammertermin des Vorprozesses am 05.04.2000 hat der Kläger den Zahlungsantrag zurückgenommen.
Hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags ist ein stattgebendes Urteil ergangen, das rechtskräftig geworden ist.
Mit Schreiben vom 26.04.2000 hat der Kläger der Beklagten mitgeteilt, dass er ab 15.03.2000 ein neues Arbeitsverhältnis habe und hat Zahlungsansprüche für die Zeit vom 01.12.1999 bis 15.03.2000 geltend gemacht.
Mit der am 05.06.2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage vom 02.06.2000 hat der Kläger eine entsprechende Zahlungsklage erhoben und zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen,
- an den Kläger 13.489,00 DM brutto abzüglich auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangener Ansprüche für gezahltes Arbeitslosengeld in Höhe von 4.101,40 DM netto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes auf den sich ergebenden Nettobetrag seit Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und zur Begründung im Wesentlichen auf die vertraglich vereinbarten Verfallfristen hingewiesen.
Das Arbeitsgericht, auf dessen Urteil auch wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, wie er in erster Instanz zur Entscheidung vorgelegen hat, hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass etwaige Ansprüche des Klägers verfallen seien, da eine insoweit fristwahrende Wirkung des Zahlungsantrags im Vorprozess durch die Rücknahme des Zahlungsantrags wieder entfallen sei und die neuerliche Klagerhebung die Verfallfristen nicht wahre.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Klagziel weiter. Er meint: Seine Zahlungsansprüche seien nicht verfallen, da die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Unanwendbarkeit von § 212 II BGB nur tarifliche Verfallfristen betreffe und es zudem sachlich geboten sei, im Bereich von Verfallfristen die Regelung des § 212 BGB entweder überhaupt nicht oder aber vollständig anzuwenden.
Der Kläger beantragt,
- das Urteil des Arbeitsgerichts Verden vom 28.11.2000 Az.: 2 Ca 669/00 abzuändern,
- und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.489,00 DM brutto abzüglich auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangenen Ansprüche für gezahltes Arbeitslosengeld in Höhe von 4.101,40 DM netto nebst 5 % Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes auf den sich ergebenden Nettobetrag seit Klagerhebung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und meint weiterhin, dass etwaige Ansprüche des Klägers verfallen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Dasselbe gilt für die Akten des Vorprozesses 1 Ca 1164/99 Arbeitsgericht Verden.
Gründe
Die Berufung ist nicht begründet.
Die Klage ist unbegründet, da die an sich unter dem Gesichtspunkt des Annahme Verzuges der Beklagten gegebenen Vergütungsansprüche des Klägers für die Zeit vom 01.12.1999 bis zum 15.03.2000 aufgrund der vertraglich vereinbarten Ausschlussfristen in Ziffer 15 des Anstellungsvertrages verfallen sind.
Die in Ziffer 15 des Anstellungsvertrages zulässigerweise vereinbarte zweistufige Ausschlussfrist ist durch den Zahlungsantrag im Kündigungsschutzprozess zunächst insgesamt eingehalten gewesen. Diese Wirkung ist durch die Rücknahme des Zahlungsantrags hinsichtlich des Erfordernisses einer gerichtlichen Geltendmachung entfallen und durch die neue Zahlungsklage erst nach dem Ablauf der dafür vorgesehenen Fristen nicht wiederhergestellt worden.
Für die Beurteilung ist davon auszugehen, dass Verfallklauseln grundsätzlich auch im Einzelarbeitsvertrag wirksam vereinbart werden können, die jedoch einer Inhaltskontrolle nach § 138 BGB unterliegen (BAG AP Nr. 1 zu § 241 BGB). Dabei ist die hier im Anstellungsvertrag vereinbarte zweistufige Ausschlussfrist mit Fristen von jeweils 2 Monaten für eine schriftliche und eine anschließende gerichtliche Geltendmachung, die sich in dieser Form auch in vielen Tarifverträgen findet, rechtlich nicht zu beanstanden (BAG a.a.O.). Von der vereinbarten zweistufigen Ausschlussfrist hat der Kläger mit der Erhebung der Zahlungsklage wie auch der Kündigungsschutzklage der Anforderung einer schriftlichen Geltendmachung genügt (BAG AP Nr. 114 zu § 4 TVG Ausschlussfristen). Dabei ist auch eine schriftliche Geltendmachung vor Fälligkeit möglich und ausreichend (BAG AP Nr. 134 zu § 4 TVG Ausschlussfristen). Diese Wirkungen sind durch die spätere Rücknahme des Zahlungsantrags nicht wieder entfallen, da die Rechtsfolgen einer Klagrücknahme sich nur auf die Wirkungen hinsichtlich der Klage als solcher beschränken und der Kläger zudem die Kündigungsschutzklage aufrecht erhalten hat (vgl. BAG AP Nr. 114 zu § 4 TVG Ausschlussfrist).
Die Wirkung einer Einhaltung der Frist für die Klagerhebung hinsichtlich der Zahlungsansprüche, die durch die Kündigungsschutzklage nicht gewahrt wird (BAG AP Nr. 31, 43, 63, 66 zu § 4 TVG Ausschlussfristen) und die nur durch den Zahlungsantrag gewahrt worden ist, ist durch die Rücknahme dieses Antrags im Kammertermin vom 05.04.2000 entfallen und durch die neue Klagerhebung am 05.06.2000 nicht (erneut) gewahrt. Die Regelung des § 212 II 1 BGB ist auf Verfallfristen nicht entsprechend anwendbar, da damit für eine Partei die Möglichkeit entstehen würde, die relativ kurzen Verfallfristen über eine Klagrücknahme und eine erneute Klagerhebung innerhalb von 6 Monaten einseitig um ein Vielfaches zu verlängern. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 11.07.1990 Az.: 5 AZR 609/89 = AP Nr. 108 zu § 4 TVG Ausschlussfristen) an, die ohne Weiteres auch auf vertraglich wirksam vereinbarte Ausschlussfristen anzuwenden ist. Dieser Rechtsprechung steht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.11.1991 (Az.: 2 AZR 34/91 = AP Nr. 114 zu § 4 TVG Ausschlussfristen) nicht entgegen, da diese Entscheidung nur die Frage einer schriftlichen Geltendmachung von Ansprüchen und nicht diejenige einer gerichtlichen Geltendmachung betrifft (a. a. O. unter B II 2 b dd der Gründe).
Durch die Erhebung der neuen Klage am 05.06.2000 ist die Ausschlussfrist für eine gerichtliche Geltendmachung nicht gewahrt. Die Frist für eine gerichtliche Geltendmachung beträgt gemäß Ziffer 15 des Anstellungsvertrages 2 Monate nach der schriftlichen Ablehnung der Ansprüche durch die Gegenpartei oder falls eine solche fehlt, 2 Wochen nach der schriftlichen Geltendmachung, die ihrerseits 2 Monate nach der Fälligkeit des Anspruchs zu erfolgen hat.
In dem hier vorliegenden Fall einer vorzeitigen schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs vor seiner Fälligkeit beginnt die Frist für die gerichtliche Geltendmachung jedoch erst ab der Fälligkeit des Anspruchs, da sonst eine gerichtliche Geltendmachung zu einem Zeitpunkt verlangt werden würde, in dem ein Anspruch wegen fehlender Fälligkeit regelmäßig gerichtlich noch nicht durchgesetzt werden könnte (BAG AP Nr. 134 zu § 4 TVG Ausschlussfristen).
Darüber hinaus beginnt auch eine der Gegenpartei eingeräumte Bedenkzeit nach einer schriftlichen Geltendmachung erst mit der Fälligkeit des Anspruchs, da die Gegenpartei regelmäßig keinen Anlass hat, sich zu noch nicht fälligen Ansprüchen zu äußern (BAG a. a. O.). Dieser Gesichtspunkt greift jedoch nicht ein, wenn die Gegenpartei den vorzeitig geltend gemachten Anspruch auch ihrerseits vorzeitig abgelehnt hat. In diesem Fall wird die Frist für eine erforderliche gerichtliche Geltendmachung mit der Fälligkeit des Anspruchs unmittelbar in Lauf gesetzt.
Auf dieser Beurteilungsgrundlage sind die Vergütungsansprüche für die Zeit vom 01.12.1999 bis zum 15.03.2000 insgesamt verfallen, da auch die Ansprüche für März 2000 spätestens am 01.04.2000 fällig geworden sind und die damit nach der vorzeitigen schriftlichen Geltendmachung und der ebenfalls vorzeitigen schriftlichen Ablehnung in Lauf gesetzte 2-monatige Frist für eine Klagerhebung mit der am 05.06.2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage nicht gewahrt ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 ArbGG.