Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.10.2001, Az.: 16 TaBV 21/01
Zuständigkeit einer vom Betriebsrat einberufenen Einigungsstelle über einen Sozialplan
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 26.10.2001
- Aktenzeichen
- 16 TaBV 21/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 10919
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2001:1026.16TABV21.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 10.01.2001 - AZ: 9 BV 6/00
- LAG Niedersachsen - 14.09.2001 - AZ: 16 TaBV 21/01
- nachfolgend
- BAG - 23.10.2002 - AZ: 7 ABR 55/01
Amtlicher Leitsatz
Bei einer grundlegenden Änderung einer Organisationsstruktur, die von einem bundesweit tätigen Versicherungsunternehmen durchgeführt wird und die den überwiegenden Teil der Einzelbetriebe, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, betrifft, ist der Gesamtbetriebsrat nicht nur für den Interessenausgleich, sondern auch für den Abschluss eines Sozialplans originär gemäß § 51 Abs. 1 BetrVG zuständig.
In dem Rechtsstreit
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
aufgrund der Anhörung am 14.09.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 10.01.2001, Az. 9 BV 6/00, wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beteiligte zu 1) ist der bei der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) im Betrieb H. gewählte Betriebsrat. In diesem Betrieb werden ca. 70 Mitarbeiter beschäftigt.
Die Parteien streiten um die Zuständigkeit einer vom Betriebsrat angerufenen Einigungsstelle zur Verhandlung und Entscheidung über einen Sozialplan zur Teilschließung der Bezirksdirektion H. der Arbeitgeberin,
Die Arbeitgeberin betreibt eine bundesweit tätige Versicherungsgesellschaft mit insgesamt ca. 3.375 Beschäftigten. Die bisherige Organisationsstruktur sah eine Unterteilung in eine Hauptverwaltung, vier Vertriebsdirektionen, fünf Vertriebsbezirksdirektionen sowie 31 Bezirksdirektionen im ganzen Bundesgebiet vor. Sie führt derzeit eine grundlegende Änderung ihrer Organisationsstruktur durch mit dem Ziel, in Zukunft die Arbeit wie folgt zu erledigen:
1 | Hauptverwaltung |
---|---|
5 | Niederlassungen (B., Br ..., D., K., M.) |
1 | Kunden-Service-Center (Call-Center), (N.) |
36 | Vertriebsbezirksdirektionen an den bisherigen Standorten |
4 | Vertriebsdirektionen an den bisherigen Standorten. |
Aus diesem Grunde werden bei den Bezirksdirektionen die Fachbereiche "Antrag, Leistung und Verwaltung" ausgegliedert und in die fünf Niederlassungen sowie das überörtliche Kunden-Service-Center eingegliedert. Hierbei ergeben sich Teilbetriebsschließungen in 25 Bezirksdirektionen, darunter auch derjenigen in H. Für die Mitarbeiter bieten sich insoweit Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in einer der fünf Niederlassungen oder im Kunden-Service-Center an. Soweit Arbeitsplätze in der Bezirksdirektion H. entfallen, erhalten diese Mitarbeiter Angebote für die Niederlassung in Br ...
Bei der Arbeitgeberin besteht ein Gesamtbetriebsrat. Dieser hat mit der Arbeitgeberin einen Teilinteressenausgleich vereinbart. Wegen des Inhalts wird auf diesen (Blatt 10 bis 14 d. A.) verwiesen.
Unter dem 04.10.1999 zog der Betriebsrat die ursprünglich erteilte Beauftragung des Gesamtbetriebsrats zur Verhandlung über einen Sozialplan zurück und beansprucht für sich das Recht, selbst über den Sozialplan bezüglich des Betriebes H. mit der Arbeitgeberin zu verhandeln.
Unter dem Datum des 21.12.1999 schlossen der Gesamtbetriebsrat sowie die Arbeitgeberin eine Ergänzung zum Teilinteressenausgleich vom 25.06.1999. Wegen des Inhalts wird auf diese (Blatt 17 bis 22 d. A.) verwiesen. Ebenfalls unter dem Datum des 21.12.1999 vereinbarten sie einen Interessenausgleich und Rahmensozialplan. Hierin ist u. a. Folgendes vereinbart:
"1.2
Interessenausgleich1.2.1
Gegenstand dieser Vereinbarung sind alle bis zum 01.01.2000 dem A. oder dem Gesamtbetriebsrat der V. ... AG schriftlich mitgeteilten ... Betriebsänderungen samt allen daraus abgeleiteten umgesetzten personellen Maßnahmen. Dazu gehörenNeue Struktur VK, neues Krankensystem (K2), Optimierung Inkassosystem (VGIN), SAP R/3-Fi/Co, Drucksachendistribution, VOSAB-Reengineering, Maschinelle Übermittlung von ... Rechnungsdaten im Rahmen der stationären ... Krankenhausbehandlung (DfÜ), AMIS.
1.2.2
Zu den in Ziffer 1.2.1 bezeichneten betriebsändernden Projekten und Maßnahmen beinhaltet diese Vereinbarung den Interessenausgleich im Sinne des § 112 Absatz 1 Satz 1 BetrVG. Das heißt, daß nach vorheriger umfassender und rechtzeitiger Beratung mit dem jeweils zuständigen betriebsverfassungsrechtlichen Organ auf der Grundlage dieser Vereinbarung Planungen, Vorhaben und Maßnahmen auch im Hinblick auf personelle Konsequenzen umgesetzt werden können. Der Interessensausgleich zur Neuen VK-Struktur ist Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung.1.2.3
Sonstige Mitbestimmungsrechte des Gesamtbetriebsrats aber auch der örtlichen Betriebsräte, die sich im Zusammenhang mit der Umsetzung dieser Vereinbarung ergeben können, werden durch den Interessenausgleich nicht eingeschränkt.1.3
Sozialplan und Rahmensozialplan1.3.1
Diese Vereinbarung enthält zugleich den Sozialplan für die Betriebsänderungen in Ziffer 1.2.1, also Regelungen zum Ausgleich und zur Milderung der sich für die Mitarbeiter aus diesen Maßnahmen im Einzelfall ergebenden wirtschaftlichen Machteile.1.3.2
Darüber hinaus ist diese Vereinbarung der Rahmensozialplan für alle sonstigen künftigen Betriebsänderungen.Besonderheiten, die aufgrund des Sachverhalts der künftigen Betriebsänderung einer ergänzenden Regelung bedürfen und hier nicht geregelt wurden, können entsprechend ergänzt werden."
Die Änderung der Organisationsstruktur ist dabei bezeichnet als "Struktur VK".
Wegen des Inhalts des Interessenausgleichs und Rahmensozialplans vom 21.12.1999 im Übrigen wird auf diesen (Blatt 23 bis 37 d. A.) verwiesen.
Da die Arbeitgeberin die Führung von Sozialplanverhandlungen mit dem örtlichen Betriebsrat in H. ablehnte, leitete dieser ein Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Hannover auf Einsetzung einer Einigungsstelle ein. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des örtlichen Betriebsrats zur Einsetzung einer Einigungsstelle zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wurde der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover abgeändert und zum Vorsitzenden der Einigungsstelle mit dem Gegenstand "Verhandlung und Entscheidung über einen Sozialplan zur Teilschließung der Bezirksdirektion in H." der Richter am Arbeitsgericht ... bestellt. Wegen des Inhalts des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 24.02.2000, Az. 1 TaBV 5/00, wird auf diesen (Blatt 38 bis 45 d. A.) verwiesen.
Daraufhin tagte die Einigungsstelle am 14.07.2000 und 15.09.2000. Durch Beschluss der Einigungsstelle vom 15.09.2000 wurde festgestellt, dass die Einigungsstelle zur Aufstellung eines Sozialplans nicht zuständig ist. Wegen des Protokolls der Sitzung der Einigungsstelle vom 15.09.2000 sowie wegen des Inhalts des Beschlusses der Einigungsstelle wird auf diese (Blatt 50 bis 54 d. A.) verwiesen.
Der Beschluss der Einigungsstelle wurde dem örtlichen Betriebsrat am 05.10.2000 zugestellt. Dieser leitete daraufhin mit einem am 19.10.2000 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz das vorliegende Verfahren ein.
Der örtliche Betriebsrat vertritt die Ansicht, er sei für die Verhandlungen und den Abschluss eines Sozialplanes zur Teilschließung der Bezirksdirektion H. zuständig, so dass die Einigungsstelle ihre Zuständigkeit zu Unrecht verneint habe.
Es sei eine deutliche Differenzierung vorzunehmen zwischen einem Interessenausgleich einerseits und einem Sozialplan andererseits. Aus diesem Grunde sei die Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats gesondert für Interessenausgleich und Sozialplan zu prüfen, und zwar nach der jeweiligen Zielrichtung des Beteiligungsrechtes.
Die Veränderung der Betriebsorganisation wirke sich auf die Bezirksdirektionen sehr unterschiedlich aus.
Es seien von der Betriebsänderung sowohl die Bezirksdirektionen wie auch die Vertriebsbezirksdirektionen wie auch die Vertriebsdirektionen betroffen. Diese unterschieden sich dem Umfange der Aufgaben nach, so dass auch unterschiedliche Bereiche jeweils wegfielen, da nicht in allen Bereichen gleiche Aufgaben angesiedelt seien. Aus diesem Grunde seien die Möglichkeiten sehr unterschiedlich, innerhalb der Betriebe andere Arbeitsplätze im Rahmen der Betriebsänderung anzubieten, so dass sich auch die Folgen unterschiedlich darstellten.
Zum Zweiten würden die Betriebsänderungen an den Standorten unterschiedlich vollzogen. Da künftig fünf Standorte Niederlassungen sein sollten, die zuvor auch Bezirksdirektionen gewesen seien, seien dort andere Veränderungen vorgenommen worden als z. B. im Betrieb in H. Die Frage, ob und welche Nachteile für die Mitarbeiter auftreten, sei deshalb sehr unterschiedlich zu beantworten, je nachdem, ob man am Standort einer Niederlassung oder einer Vertriebsbezirksdirektion arbeite. Zudem bestehe ein regional unterschiedlicher Arbeitsmarkt, so dass sich die Auswirkungen auf die Mitarbeiter unterschiedlich zeigten, so dass es erforderlich sei, einen möglichst konkreten Ausgleich der Nachteile zu vereinbaren, was nur auf örtlicher Ebene möglich sei.
Zum Dritten gebe es unterschiedliche qualitative Auswirkungen in den einzelnen Vertriebsbezirksdirektionen, was den Wegfall von Arbeitsplätzen betreffe. Insoweit seien einerseits unterschiedliche Maßnahmen vorhanden, andererseits eine unterschiedliche Zahl von Mitarbeitern betroffen.
Zum Vierten sei ein Kunden-Service-Center in N. eingerichtet. Dieses führe dazu, dass es dort weitere Beschäftigungsmöglichkeiten gäbe, und zwar andere als an den anderen Standorten.
Zum Fünften ergebe sich aus der Bildung der Niederlassungen und der Verlagerungen von bisher in den Bezirksdirektionen angesiedelten Funktionen, dass unterschiedliche reale Möglichkeiten bestünden, einen Arbeitsplatz in der Niederlassung anzunehmen. In der Niederlassung Br ... werde eine geringere Zahl von Arbeitnehmern die Möglichkeit haben, zu arbeiten, als dies in anderen Bezirksdirektionen der Fall sei.
Die Zielvorstellung des Betriebsrats gehe deshalb dahin, eine möglichst konkrete Erfassung der Nachteile zu erreichen, eine Auswahl- und Fortbildungspolitik zu vereinbaren, wonach Arbeitnehmer andere Arbeitsaufgabenunternehmen auch wahrnehmen könnten, eine Regelung zu treffen über Beschäftitungsmöglichkeiten bei der Obergesellschaft, der A. AG, und schließlich, falls eine Beschäftigung nicht erreicht werden könne, die Höhe der Sozialplanabfindung nach den konkreten Gegebenheiten festzulegen.
Der örtliche Betriebsrat hat beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses der Einigungsstelle vom 15.09.2000 festzustellen, dass die vom Antragsteller angerufene Einigungsstelle zur Verhandlung und Entscheidung über einen Sozialplan zur Teilschließung der Bezirksdirektion H. der V. ... AG zuständig ist.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Einigungsstelle ihre Zuständigkeit zu Recht verneint habe, da der Gesamtbetriebsrat bei der Arbeitgeberin originär zuständig sei. Dieses folge zum einen aus der Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Unternehmen. In Fällen, in denen eine unternehmenseinheitliche Maßnahme zum Nachteil einzelner Arbeitnehmer führen könne und deshalb auch der Ausgleich dieser Nachteile zu regeln sei, sei dieses deshalb durch den Gesamtbetriebsrat durchzuführen.
Zum Weiteren habe die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Differenzierung vorgenommen zwischen den Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan bei einer derartigen unternehmenseinheitlichen Maßnahme. Diese Regelungen gingen ineinander über und stellten einen einheitlichen Sachverhalt dar, nämlich den der Betriebsänderung, für den insoweit insgesamt der Gesamtbetriebsrat zuständig sei.
Zum Dritten sei beim Gesamtbetriebsrat auch eine höhere Sachkompetenz vorhanden.
Zum Vierten sei es auch Aufgabe des Gesamtbetriebsrates, kollidierende Interessen der Einzelbetriebsräte zu vertreten. Tatsächlich seien kollidierende Interessen vorhanden, da jeder örtliche Betriebsrat versuchen würde, die für seine Mitarbeiter günstigste Regelung zu treffen, was die Gefahr hervorrufe, dass das Wohl des Unternehmens und damit der Gesamtbelegschaft nicht ausreichend berücksichtigt werden könne. Ziel des Sozialplanes sei aber auch die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit die Nichtüberforderung des Unternehmens in diesem Bereich.
Zum Fünften wirke sich die Änderung der Betriebsorganisation im Rahmen des unternehmerischen Konzepts gleichermaßen auf alle Bezirksdirektionen aus. Zwar sei jeweils eine unterschiedliche Anzahl von Mitarbeitern betroffen. Der Wegfall der Anzahl der Arbeitsplätze geschehe jedoch proportional zum bisherigen Umfang der vorhandenen Arbeitsplätze.
Zum Sechsten sei die Arbeitgeberseite auch nicht handlungsfähig, wenn sie Verhandlungen und möglicherweise Einigungsstellen in allen Betrieben durchführen müsste, um die Auswirkungen der Umstrukturierung für den jeweiligen Betrieb zu regeln.
Durch Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 10.01.2001 wurde der Antrag des Betriebsrats abgewiesen.
Das Arbeitsgericht vertritt in diesem Beschluss die Auffassung, dass die Regelungen des Sozialplans zwingend notwendig einheitlich unternehmensweit für das Unternehmen der Arbeitgeberin durch den Gesamtbetriebsrat zu regeln sind. Bei der Prüfung der Zuständigkeit sei auf den jeweiligen Gegenstand des Beteiligungstatbestandes abzustellen. Die ausgleichspflichtigen Nachteile und die damit im Sozialplan zu regelnden Aspekte seien in den verbleibenden 21 Bezirksdirektionen identisch. Es gehe jeweils darum, dass entweder Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlören oder neue Arbeitsplätze in einer Niederlassung annähmen und daraus erhöhte Fahrtkosten resultierten. Diese Nachteile seien im Rahmen des Sozialplanes auszugleichen. Dabei sei es dem Unternehmen nicht zumutbar, mit den einzelnen örtlichen Betriebsräten über einen Sozialplan zu verhandeln. Im Interesse einer wirtschaftlichen ökonomischen und praktikabelen Vorgehensweise sei es vielmehr geboten, eine einheitliche Regelung mit dem Gesamtbetriebsrat zu treffen. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die verschiedenen Betriebsräte miteinander konkurrierten bzw. nur und ausschließlich die Interessen ihrer örtlichen Belegschaft verfolgten und damit berechtigte Interessen der übrigen Belegschaft gefährdeten und das Gesamtunternehmen überforderten.
In diesem Zusammenhang sei auch das berechtigte Anliegen des Unternehmens zu berücksichtigen, für die Mitarbeiter unter dem Aspekt der gebotenen Gleichbehandlung und der daraus folgenden Akzeptanz der Umstrukturierungen einheitlich unternehmensweite Regelungen zum Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile aufzustellen.
Dieser Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover wurde dem Antragsteller am 28.02.2001 zugestellt. Hiergegen legte dieser am 23.03.2001 Beschwerde ein und begründete diese gleichzeitig.
Zur Begründung der Beschwerde trägt der örtliche Betriebsrat vor, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts richte sich die Zuständigkeit für den örtlichen Betriebsrat nicht nach den tatsächlich getroffenen Regelungen, sondern nach dem Gegenstand der begehrten Regelung. Die Aufgabenstellung des Sozialplanes sei, einen möglichst konkreten Ausgleich der Nachteile für die Arbeitnehmer zu regeln, Rücksicht zu nehmen auf die Gegebenheiten des Einzelfalles, die Aussichten der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt einzubeziehen sowie besondere persönliche Belange der Arbeitnehmer des betreffenden Betriebes sowie schließlich auch die arbeitsmarktbedingte Situation in der Region zu berücksichtigen.
Aus diesen Gründen sei eine auf den Einzelfall bezogene differenzierte Behandlung erforderlich, was nur auf örtlicher Ebene geschehen könne. Aus diesem Grunde sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts der örtliche Betriebsrat auch bei einer unternehmensweiten Umstrukturierung zuständig. Zwar könne insoweit für den Interessenausgleich eine Zuständigkeit begründet sein, jedoch nicht auch für den Sozialplan, da dieser von der Aufgabenstellung unterschiedlich sei.
Der Betriebsrat beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses und unter Aufhebung des Beschlusses der Einigungsstelle vom 15.09.2000 festzustellen, dass die vom Antragsteller angerufene Einigungsstelle zur Verhandlung und Entscheidung über einen Sozialplan zur Teilschließung der Bezirksdirektion H. der V. ... AG zuständig ist.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.
Sie verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 28.05.2001. Hierauf wird verwiesen (Blatt 198 bis 217 d. A.).
Die Arbeitgeberin wiederholt vollständig den Vortrag aus der ersten Instanz.
II.
Die Beschwerde des Betriebsrats ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit insgesamt zulässig (§§ 86, 87 Abs. 2, 89 ArbGG).
Die Beschwerde des Betriebsrats ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass eine Zuständigkeit der Einigungsstelle für den örtlichen Betriebsrat nicht gegeben ist.
Die Zuständigkeit ergibt sich aus § 50 Abs. 1 BetrVG. Danach ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.
Beide Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Bei der Umstrukturierung der Arbeitgeberin handelt es sich um eine überbetriebliche Angelegenheit, da eine unternehmensweite Veränderung der Strukturen in wesentlichen Bereichen geplant ist.
Bei der Frage, ob eine betriebliche Regelungsmöglichkeit bestand, kommt es nicht darauf an, ob eine Regelung durch den Einzelbetriebsrat objektiv unmöglich ist. Ausreichend, aber auch zu verlangen ist, dass ein zwingendes Erfordernis für eine Unternehmens einheitliche oder zumindest betriebsübergreifende Regelung besteht. Dabei sind die Verhältnisse des einzelnen konkreten Unternehmens und der konkreten Betriebe maßgebend. Reine Zweckmäßigkeitsgründe oder das Koordinierungsinteresse des Arbeitgebers allein genügen nicht. Inhalt und Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts sind zu berücksichtigen (so: Urteil des BAG vom 26.01.1993, Az. 1 AZR 303/92, in NZA 93, 714 sowie BAG, Beschluss vom 16.06.1998, Az. 1 ABR 68/97, in NZA 99, 49 bis 52).
Zwar geht es vorliegend um die Konkretisierung der Regelung der Nachteile auf Grund der unstreitig durchgeführten bzw. durchzuführenden Betriebsänderung. Die beabsichtigten Regelungen betreffen jedoch die gesamte Struktur und damit auch die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens insgesamt. Damit stehen die Verhältnisse des Unternehmens im Vordergrund, so dass eine Unternehmens einheitliche Regelung zu treffen war.
Dabei geht die Kammer von folgenden Voraussetzungen aus:
1.
Die Prüfung der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats richtet sich nicht nach der getroffenen Regelung, wie sie bereits vorliegt, vielmehr nach dem Gegenstand der durchgeführten Betriebsänderung und damit der insoweit von Arbeitnehmerseite begehrten Regelung. Ausgangspunkt für die Überlegung, welche Zuständigkeit auf Betriebsratsseite besteht, ist die Rechtslage bei Ausübung des Mitbestimmungsrechtes. Aus diesem Grunde kann nicht rückwirkend auf Grund einer tatsächlich getroffenen Regelung bestimmt werden, welche Zuständigkeit ursprünglich bestanden hat, vielmehr muss diese Prüfung zu Beginn erfolgen und sich danach richten, ob im konkreten Einzelfall eine Regelung durch die örtlichen Betriebsräte gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG getroffen werden kann.
2.
Die Prüfung der Zuständigkeit richtet sich nicht danach, ob eine Betriebsänderung vorliegt, die betriebsübergreifend ist, was automatisch zur Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats auch für den Sozialplan führen würde, sondern danach, welches konkrete Mitbestimmungsrecht ausgeübt wird. Danach ist zwischen der Regelung eines Interessenausgleichs sowie der Regelung eines Sozialplanes entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu unterscheiden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass grundsätzlich eine unterschiedliche Zuständigkeit für die Regelung eines Interessenausgleichs und Sozialplanes gegeben ist.
Der Sozialplan, über den die Einigungsstelle auch gemäß § 112 Abs. 6 BetrVG verbindlich entscheiden kann, knüpft an diejenigen wirtschaftlichen Nachteile an, die den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern trotz einer möglichst schonungsvollen Durchführung der Betriebsänderung noch tatsächlich entstehen. Nur das, was zum Ausgleich oder zur Milderung dieser gleichwohl noch entstehenden wirtschaftlichen Machteile geschehen soll, kann im Sozialplan geregelt und durch die Einigungsstelle verbindlich entschieden werden (so: Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 17.09.1991, Az. 1 ABR 23/91, in NZA 92, 227 bis 231, vgl. auch hierzu Urteil des BAG vom 20.04.1994, Az. 10 AZR 186/93, in AP Nr. 27 zu § 113 BetrVG 1972).
Diese beiden Voraussetzungen vorausgeschickt, ergibt sich vorliegend die Notwendigkeit, dass eine einheitliche Regelung auch für den Sozialplan gegeben ist.
Vorliegend geht es nicht um den Fall einer Betriebsänderung, die beinhaltet, dass alle betroffenen Betriebe gleichermaßen und gleichartig betroffen sind. Dieses ist insbesondere bei einer Stilllegung aller Betriebe der Fall. Hierbei ist das Bundesarbeitsgericht stillschweigend davon ausgegangen, dass eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gegeben ist, da diese Entscheidung nur einheitlich getroffen werden konnte (vgl. Urteil des BAG vom 17.02.1981, Az. 1 AZR 290/78, in AP Nr. 11 zu § 112 BetrVG 1972, vgl. auch BAG vom 20.04.1994 in AP Nr. 27 zu § 113 BetrVG 1972).
Für den Fall, dass bei einer einheitlichen Durchführung einer Betriebsänderung Nachteile nur für die Belegschaft eines der beteiligten Betriebe vorhanden sind, ist dagegen von der Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats auszugehen.
Für den in diesem Verfahren zu Grunde liegenden Streit geht es jedoch darum, dass eine bundeseinheitliche Betriebsänderung durchgeführt wird, hiervon mehrere Betriebe betroffen sind, die Auswirkungen auf die betroffenen Betriebe jedoch unterschiedlich sind.
Insoweit geht es bei weiteren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts jedoch im Wesentlichen darum, dass die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Interessenausgleich zu prüfen war, insbesondere vor dem Hintergrund von Ansprüchen aus § 113 BetrVG.
Aber auch für den Fall des Abschlusses eines Sozialplans ist vorliegend die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gegeben.
Das zwingende Erfordernis für eine Unternehmens einheitliche und betriebsübergreifende Regelung besteht darin, dass Interessenausgleich und Sozialplan wirtschaftlich so eng miteinander verbunden sind, dass eine unternehmensweite einheitliche Regelung über die Folgen der Betriebsänderung erforderlich ist. Beabsichtigt ein Unternehmen, Strukturveränderungen durchzuführen, die gleichzeitig eine Betriebsänderung beinhalten, so hat der Interessenausgleich im Einzelnen festzulegen, wie diese Maßnahme durchzuführen ist. Von gleicher Bedeutung für das Unternehmen ist jedoch, welche Folgewirkungen diese Maßnahme hat, welche Kosten also auf das Unternehmen zukommen. Eine Betriebsänderung wie die vorliegende beinhaltet eine Veränderung der Kostenstruktur. Es soll eine kostengünstigere und effektivere Unternehmenspolitik betrieben werden. Wird diese Maßnahme durchgeführt und verpflichtet sich die Arbeitgeberin im Sozialplan zu der Art und Weise der Durchführung der Betriebsänderung, so muss dem Unternehmen gleichzeitig bekannt sein, welche wirtschaftlichen Folgen auf sie zukommen. Müsste das Unternehmen sodann Sozialplanverhandlungen mit einzelnen örtlichen Betriebsräten führen, so könnte nicht gleichzeitig mit den Verhandlungen über einen Interessenausgleich auch hierüber mit dem Gesamtbetriebsrat verhandelt werden, vielmehr müssten auf anderer Ebene und zu anderen Zeiten weitere Verhandlungen durchgeführt werden, was zur Folge hätte, dass im Zeitpunkt der Verhandlungen über den Interessenausgleich nicht gleichzeitig abgeschätzt werden kann, welche finanziellen Folgen, etwa durch Abfindungszahlungen, Fahrtkostenerstattungen, Umzugskostenzusagen o. ä. auf sie zukommen würden. Dieses macht es zwingend notwendig, Unternehmens einheitlich auch Sozialplanverhandlungen mit dem Betriebsrat zu führen, damit die Interessenausgleichsverhandlungen Folgewirkungen mit einbeziehen können.
Zum Zweiten beeinflusste eine Regelung des Sozialplanes in einem Betrieb notwendigerweise inhaltlich eine Regelung des Sozialplanes in einem anderen Betrieb. Zwar gibt es nicht, wie bei Gratifikationszahlungen und Ausübung des Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eine vom Arbeitgeber bestimmte Obergrenze für Abfindungszahlungen. Jedoch hat die Einigungsstelle gemäß § 112 Abs. 5 BetrVG bei ihrer Entscheidung über die Höhe des Sozialplanes auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Die Einigungsstelle hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.
Dieses gilt generell auch für Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über einen Sozialplan außerhalb einer Einigungsstelle. Diese insoweit zwar nicht vom Volumen festgesetzte Obergrenze, jedoch als Rahmen insgesamt zu beachtende Vorgabe führt dazu, dass ein örtlicher Betriebsrat nicht unabhängig von der Regelung in anderen Betrieben Verhandlungen führen kann, da sämtliche Betriebsräte gleichermaßen diese Vorgabe zu beachten haben.
Da insoweit unterschiedliche Wertungen möglich sind, ist eine spätere Verhandlung über einen Sozialplan abhängig von den bereits zuvor abgeschlossenen Sozialplänen anderer Betriebe. Hieraus folgt eine Einschränkung des Verhandlungsspielraumes nachfolgender Betriebsräte sowie der Arbeitgeberseite.
Hieraus folgt aber auch gleichzeitig die Notwendigkeit, betriebsübergreifend entsprechende Verhandlungen zu führen, so dass sich auch hieraus die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates ergibt.
Diesen Notwendigkeiten steht auf der anderen Seite gegenüber, dass ein Ausgleich konkreter Nachteile der Arbeitnehmerschaft durch den Sozialplan erreicht werden soll. Insoweit dürfte unstreitig eine größere Sachnähe beim örtlichen Betriebsrat bestehen, der unterschiedliche Arbeitsmarkt lagen in der Region und eine unterschiedliche Mobilität der Arbeitnehmerschaft berücksichtigen kann. Dieses ist auch das grundsätzliche Ziel des § 50 Abs. 1 BetrVG, der vorrangig eine Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats sieht (vgl. hierzu Urteil des BAG vom 23.08.1988 in AP Nr. 46 zu § 112 BetrVG 1972 sowie Beschluss des BAG vom 14.09.1994, Az. 10 ABR 7/94, in AP Nr. 87 zu § 112 BetrVG 1972). Diese Vorgabe des Gesetzes ist abzuwägen mit den bereits ausgeführten Notwendigkeiten einer unternehmenseinheitlichen Regelung auch für den Sozialplan. Zur Überzeugung der Kammer überwiegen jedoch die zwingenden sachlichen Gründe für eine einheitliche Regelung der Angelegenheit auf Unternehmensebene. Der Gesamtbetriebsrat ist zusammengesetzt aus entsendeten Mitgliedern der einzelnen Betriebsräte, so dass die Interessen der einzelnen Betriebsräte auch im Gesamtbetriebsrat vertreten sind. Gemäß § 53 BetrVG ist die Einberufung einer Betriebsräteversammlung jederzeit möglich. Eine Kommunikation zwischen Gesamtbetriebsrat und örtlichen Betriebsräten ist deshalb jederzeit gegeben. Der Gesamtbetriebsrat hat darüber hinaus die Möglichkeit, im Rahmen des Interessenausgleichs und Sozialplanes zu vereinbaren, welche vorherigen Anhörungen oder Beratungen mit dem örtlichen Betriebsrat durchzuführen sind. Der Gesamtbetriebsrat ist deshalb in der Lage, örtliche Gegebenheiten in der Region, besondere Schwierigkeiten in einzelnen Betrieben oder einzelner Mitarbeiter oder im Rahmen einer Härtefallregelung besondere Vereinbarungen mit der Arbeitgeberseite auch für den einzelnen Betrieb zu treffen. Insoweit ergibt sich gegenüber dem zwingenden Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche Regelung kein Grund dafür, vorrangig eine Regelungsbefugnis der einzelnen Betriebsräte anzunehmen.
Das Begehren des örtlichen Betriebsrats ist deshalb zurückzuweisen.
Die Zulassung der Beschwerde erfolgt gemäß §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2, Ziffer 1 ArbGG).