Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.06.2001, Az.: 16 Sa 2085/00

Rückzahlungspflicht bei Ausbildungskosten

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
15.06.2001
Aktenzeichen
16 Sa 2085/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 10907
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2001:0615.16SA2085.00.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 16.01.2003 - AZ: 6 AZR 384/01

Amtlicher Leitsatz

Entscheidungserhebliche Begründung auf S. markiert

Eine Rückzahlungspflicht bei Ausbildungskosten besteht nicht, wenn sich der Arbeitnehmer verpflichtet, anschließend bei einem anderen Arbeitgeber tätig zu werden und dort nicht vor Ablauf von vier Jahren auszuscheiden. Dieses gilt jedenfalls dann, wenn bei Abschluss des Ausbildungsvertrages weder der neue Arbeitgeber noch die Arbeitsbedingungen bei dem neuen Arbeitgeber feststehen.

In dem Rechtsstreit
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 11.05.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.08.2000, Az. 5 Ca 184/00, abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.708,33 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31.03.1999 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Beklagte hat den Kläger aus einer Bürgschaft in Anspruch genommen. Der Kläger begehrt mit der Klage Rückzahlung dieses Betrages.

2

Der Beklagte ist der Dachverband der ... Beratungsringe im Bereich der ... Mitglieder dieses Dachverbandes sind verschiedene regionale Beratungsringe. Bis zum 31.12.2000 war der Beklagte angegliedert an die Landwirtschaftskammer H., die als Aufgabe u. a. auch die Betreuung der Beratungsringe hatte, vor denen es im Kammerbezirk über 100 gibt. Der Geschäftsführer des Beklagten war ein Beamter der Landwirtschaftskammer.

3

Der Kläger, der ein abgeschlossenes Hochschulstudium mit der Fachrichtung Agrarwissenschaft absolviert hat und den Titel Agrar-Diplomingenieur führt, hat mit dem eingetragenen Verein L., Beratungsringe im Kreis He. einen Anstellungsvertrag, befristet für den Zeitraum vom 01.04.1996 bis 31.03.1997, geschlossen. Die Einstellung erfolgte als Berateranwärter nach Zustimmung des Beklagten und der Landwirtschaftskammer H. Vereinbart mit dem Kläger war insoweit, dass die Vorbereitung auf die Tätigkeit als Landwirtschaftsberater in Abstimmung mit dem Beklagten erfolgte nach dem jeweils geltenden Einarbeitungsplan der Landwirtschaftskammer H. sowie den jeweils geltenden Richtlinien und Erlassen des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die als Anlage des Vertrages gelten sollten. Der Kläger erhielt für diesen Zeitraum eine Vergütung von 85 % der Vergütungsgruppe V a des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) in der jeweils gültigen Fassung.

4

In Ziffer 14 des Anstellungsvertrages ist folgendes vereinbart:

5

14.

6

Nach erfolgreichem Abschluß der Ausbildung ist der Einsatz als fest angestellter Berater in einem Beratungsring vorgesehen. Die Ausbildungskosten werden mit 25.000,00 DM pauschaliert und vom Arbeitgeber übernommen. Der Berateranwärter verpflichtet sich, diese Aufwendungen dem Arbeitgeber zurückzuzahlen, wenn er vor Ablauf von vier Jahren nach Ablegung der Prüfung durch eigene Kündigung oder aus einem anderen von ihm zu vertretenen Grund aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet oder er im Anschluß an die Ausbildung das Angebot zur Übernahme einer ihm zumutbaren Tätigkeit bei einem Beratungsring ablehnt. Der Rückzahlungsanspruch verringert sich monatlich um je 1/48 des ursprünglich zurückzuzahlenden Betrages.

7

Bricht der Berateranwärter den Lehrgangsbesuch nach der Probezeit aus einem von ihm zu vertretenen Grund ab, so sind für jeden vollen Ausbildungsmonat 1/12 der Ausbildungskosten zu erstatten.

8

Die Rückerstattung der Ausbildungskosten ist über eine Bankbürgschaft i.H. v. 25.000,00 DM abzusichern. Die Bankbürgschaft ist nach der Probezeit unaufgefordert durch den Berateranwärter vorzulegen.

9

Wegen des Inhalts des Anstellungsvertrages im Übrigen wird auf diesen (Blatt 7, 7 Rückseite d. A.) verwiesen.

10

Der Bürgschaftsvertrag entsprechend diesem Anstellungsvertrag ist zugunsten des Beklagten geschlossen worden.

11

Die Finanzierung der Tätigkeit des Klägers als Berateranwärter erfolgte in der Weise, dass der L., Beratungsringe im Kreis H. aus eigenem Vermögen während dieses Jahres DM 1.500,- gezahlt hat. Die restliche Vergütung, die dem Kläger nach diesem Anstellungsvertrag zustand, kam als Zuschuss aus dem Landwirtschaftsministerium wie auch aus einem Geldpool des Beklagten, in den alle Beratungsringe für die Ausbildung einzahlen und der von der Landwirtschaftskammer verwaltet wird, jedoch dem Beklagten zusteht.

12

Das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat eine Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Wirtschaftsberatung und von Leistungsprüfungen in der tierischen Erzeugung durch Beratungs- und Kontrollringe mit Datum vom 25.04.1997 erlassen. Als Anlage ist diesem ein Einarbeitungsplan für Berateranwärter beigefügt. Wegen des Inhalts wird auf diese (Blatt 42 bis 46 d. A.) verwiesen.

13

Während dieser Zeit fanden sechs Wochenlehrgänge statt. Wegen des Inhalts dieser Wochenlehrgänge wird auf die Beschreibung des Beklagten als Anlage zum Schriftsatz vom 20.04.2000 (Blatt 47 bis 53 d. A.) verwiesen.

14

Der Beklagte hat ferner in der letzten mündlichen Verhandlung einen Einarbeitungsplan mit Qualifikationsnachweis zum Berater für Berateranwärter des Beklagten zu den Akten gereicht (Blatt 139 bis 144 d. A.) und nach Schluss der mündlichen Verhandlung einen weiteren Einarbeitungsplan vorgelegt. Wegen des Inhalts wird auf diesen (Blatt 170 bis 178 d. A.) verwiesen.

15

Nach Abschluss und Nachweis der Eignung vor der zuständigen Kommission hat der Kläger eine Urkunde über die Qualifikation als landwirtschaftlicher Berater erhalten. Wegen des Inhalts dieser Urkunde wird auf diese (Blatt 136 bis 138 d. A.) verwiesen.

16

Unter dem Datum des 01.04.1997 schloss der Kläger sodann mit dem Beratungsring V. in B. einen weiteren Anstellungsvertrag, nach dem der Kläger ab 01.04.1997 als Ringleiter/Berater mit einer Vergütung in Anlehnung an Vergütungsgruppe IV a BAT in der jeweils geltenden Fassung eingestellt wurde. Wegen des Inhalts dieses Anstellungsvertrages wird auf diesen (Blatt 8 bis 9 Rückseite d. A.) verwiesen.

17

Der Kläger kündigte letzteren Arbeitsvertrag mit Datum vom 15.03.1998 zum 31.05.1998 gegenüber dem Beklagten auf. Unter Hinweis auf den Anstellungsvertrag mit dem L., Beratungsringe im Kreis He. geschlossenen Anstellungsvertrag machte nunmehr der Beklagte die Rückzahlung von Einarbeitungskosten geltend in Höhe von 25.000,00 DM unter Einbeziehung der Verkürzung der Verpflichtungszeit um 36 Monate, so dass sich ein Rückzahlungsbetrag von letztlich 17.708,33 DM ergab. Die Parteien führten insoweit umfangreicheren Schriftverkehr. Insoweit wird auf diesen (Blatt 11 bis 19 d. A.) verwiesen. Letztlich forderte der Beklagte mit Schreiben vom 10.02.1999 gegenüber der Bank des Klägers aus dem Bürgschaftsvertrag vom 20.03.1997 die Rückzahlung von 17.708,33 DM. Die Sparkasse zahlte daraufhin zu Lasten des Klägers diesen Betrag an den Beklagten aus.

18

Nach Beendigung der Kündigungsfrist war der Kläger zunächst arbeitslos. Seit dem 01.07.1998 wurde er sodann in einem landwirtschaftlichen Betrieb zu einer Bruttovergütung von 4.000,00 DM beschäftigt. Diese Beschäftigung endete am 15.12.1998. Seit dem 01.07.1999 ist der Kläger in einem anderen landwirtschaftlichen Betrieb tätig.

19

Der Kläger hält die Rückforderung der Ausbildungskosten für unzulässig, so dass er die Auffassung vertritt, er sei zu Unrecht aus der Bürgschaftserklärung in Anspruch genommen.

20

Der Kläger hat vorgetragen, seine Kündigung sei aus persönlichen von ihm nicht zu vertretenden Gründen erfolgt. Er sei der Aufgabenstellung mangels praktischer Erfahrung und zu hohem Arbeitsaufkommens nicht gewachsen gewesen, so dass er aus gesundheitlichen Gründen auf Grund des permanenten Dauerstresses die Kündigung habe aussprechen müssen. Insoweit habe der behandelnde Arzt gegenüber dem Arbeitsamt G. eine entsprechende Erklärung abgegeben. Insoweit wird auf die Erklärungen vom 14.05.1998 (Blatt 10 Rückseite d. A.) verwiesen.

21

Im Übrigen sei die Vereinbarung einer Pauschale in Höhe von 25.000,00 DM unzulässig, da ihm die Möglichkeit abgeschnitten werde, dem Beklagten nachzuweisen, dass tatsächlich nur geringere Ausbildungskosten angefallen seien. Die tatsächlichen Kosten beliefen sich tatsächlich auch nur auf einen Betrag von unter 2.000,00 DM. Seine Arbeitsvergütung gemäß dem Anstellungsvertrag sei nicht einzubeziehen gewesen. Nach dieser Vereinbarung habe er tatsächlich sein gesamtes Gehalt nach dem Anstellungsvertrag zurückzahlen müssen, obwohl er tatsächliche Arbeitsleistung erbracht habe.

22

Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, dass die Ausbildung für ihn keine zusätzliche Qualifikation erbracht habe, die ihm auf dem Arbeitsmarkt Vorteile bringen können, zumal er bereits ein Hochschulstudium gehabt habe. Tatsächlich sei er auch nur eingearbeitet worden und tatsächlich als Berater von Anbeginn an tätig gewesen, wobei ihm zwei Ausbilder über die Schulter geschaut hätten, jedoch eine Arbeitsleistung mit einem eigenständigen Wert erbracht worden sei.

23

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 17.708,33 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31.03.1999 zu zahlen.

24

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

25

Er hat vorgetragen, dass alleine der Kläger die Kündigung zu vertreten habe. Es habe keinen Hinweis darauf gegeben, dass der Kläger die Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht habe verrichten können. Insbesondere habe der Kläger selbst weder eine Mitteilung gemacht noch eine Krankmeldung bei dem Beklagten abgegeben.

26

Es seien tatsächlich Kosten in Höhe von mehr als 25.000,00 DM angefallen. Unter Einbeziehung der Vergütung des Klägers sowie der Lehrgangskosten ergäben sich Nettoausbildungskosten von über 25.000,00 DM. Insoweit wird auf die Anlagen 3 und 4 zum Schriftsatz des Beklagten vom 20.04.2000 (Blatt 54/55 d. A.) verwiesen.

27

Die Ausbildung habe für den Kläger auch einen geldwerten Vorteil erbracht. Es handele sich um einen anerkannten Qualifikationsnachweis als landwirtschaftlicher Berater, der dem Kläger auch außerhalb der Beratungsringe erhebliche wirtschaftliche Vorteile bringe. Der Kläger sei auch im Wesentlichen während der Ausbildungszeit ausgebildet worden und habe nur ca. 10 % einer normalen Arbeitskraft als Berater erbringen können. Außer den sechs einwöchigen Lehrgängen erfolge eine praktische Tätigkeit und Unterweisung in einem Beratungsring, zum Teil im anstellenden, zum Teil in einem fremden Betrieb, zum Teil bei der Landwirtschaftskammer selber. Es handele sich um ein sogenanntes "learning by doing". Der Kläger habe kleinere Beratungsaufträge erledigt unter abschließender Kontrolle des verantwortlichen Ringleiters. Dem Kläger werde auch regelmäßig anschließend eine Stelle angeboten, da nur so viele Berater ausgebildet würden, wie tatsächlich später benötigt würden.

28

Durch Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.08.2000 wurde die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt und der Streitwert auf 17.708,33 DM festgesetzt.

29

Wegen des Inhalts des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses (Blatt 76 bis 81 d. A.) verwiesen.

30

Dieses Urteil wurde dem Kläger am 03.11.2000 zugestellt. Hiergegen legte dieser am 30.11.2000 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 30.01.2001 am 30.01.2001.

31

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, er halte die Rückzahlungsklausel für unwirksam, da der Kläger in unangemessener Weise benachteiligt werde. Eine verschuldensunabhängige Rückzahlungsverpflichtung sei letztlich unwirksam, den Kläger treffe jedoch kein Verschulden an dem Ausscheiden, da er aus Krankheitsgründen die Tätigkeit nicht mehr habe verrichten können, wobei es auf die objektive Lage im Zeitpunkt des Ausscheidens ankomme.

32

Des Weiteren sei dem Kläger die Möglichkeit abgeschnitten darzulegen und nachzuweisen, dass tatsächlich für die Beratertätigkeit nur geringere Kosten angefallen seien. Die Pauschalierung der Rückzahlungsverpflichtung sei in Wirklichkeit eine verdeckte Vertragsstrafe und als solche unzulässig. Im Übrigen könnten auch die tatsächlichen Gehälter nach dem Anstellungsvertrag den Ausbildungskosten nicht hinzugerechnet werden.

33

Zumindest wäre eine Reduzierung dieser als Vertragsstrafe anzusehenen Rückzahlungsverpflichtung erforderlich gewesen.

34

Schließlich habe der Kläger keine beruflichen Vorteile von der Ausbildung erhalten. Bei den bereits vorhandenen Kenntnissen hätten die sechs Lehrgänge für jeweils eine Woche keine Zusatzqualifikation einbringen können.

35

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.08.2000, Az. 5 Ca 184/00, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 17.708,33 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31.03.1999 zu zahlen.

36

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

37

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 30.03.2001. Hierauf wird verwiesen (Blatt 112 bis 116 d. A.). Ferner wird auf den nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz des Beklagten vom 23.05.2001 (Blatt 156 bis 161 d. A.) verwiesen.

Gründe

38

Die Berufung des Klägers ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Beschwerdewert übersteigt 1.200,00 DM. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO).

39

Die Zuständigkeit des Landesarbeitsgerichts ergibt sich zumindest aus § 65 ArbGG.

40

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Dem Kläger steht der Anspruch auf Rückzahlung der abgeforderten Einarbeitungskosten zu. Der Beklagte hatte mangels eines Rechtsanspruchs gegenüber dem Kläger kein Recht, den Bürgen in Anspruch zu nehmen, so dass der Beklagte insoweit gegenüber dem Kläger ungerechtfertigt bereichert ist. Der Kläger hat deshalb gemäß § 812 BGB einen Anspruch gegenüber dem Beklagten auf Rückzahlung des eingeklagten Betrages.

41

Nach der vorliegenden Vertragskonstellation hat sich der Kläger gegenüber dem L., Beratungsringe im Kreis He. verpflichtet, Ausbildungskosten pauschaliert in Höhe von 25.000,00 DM an diesen zurückzuzahlen, sofern er vor Ablauf von vier Jahren nach Ablegung der Prüfung durch eigene Kündigung oder einem anderen von ihm zu vertretenden Grund aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet oder er im Anschluss an die Ausbildung das Angebot zur Übernahme einer ihm zumutbaren Tätigkeit bei einem Beratungsring ablehnt. Der Kläger war jedoch bei diesem Arbeitgeber nicht weiter tätig, ist vielmehr dort zum 31.03.1997 ausgeschieden und hat sodann bei einem neuen Arbeitgeber, dem V., einen neuen Vertrag geschlossen. Diesen Vertrag hat der Kläger vorzeitig gekündigt. Bei dem Beklagten war der Kläger zu keinem Zeitpunkt beschäftigt.

42

Die Kammer lässt es letztlich dahingestellt bleiben, ob der Verein L., Beratungsring im Kreis He. die an sich ihm zustehende Forderung auf Rückzahlung von Aufwendungen abgetreten hat, denn die Kammer vertritt die Auffassung, dass die Ziffer 14) des Anstellungsvertrages vom 01.04.1996 aus zweierlei Gründen unwirksam ist.

43

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitsvertragsparteien zwar vereinbaren, dass Ausbildungskosten, die für den Arbeitnehmer aufgewandt worden sind, von diesem zurückzuzahlen sind, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf bestimmter Fristen endet. Da jedoch derartige Zahlungsverpflichtungen das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Artikel 12 GG beeinträchtigen können und damit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, können derartige Vereinbarungen nicht uneingeschränkt abgeschlossen werden. Die Rückzahlungspflicht von Ausbildungskosten muss vielmehr vom Standpunkt eines verständigen Betrachters einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Der Arbeitnehmer muss mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Es ist insgesamt zu prüfen, ob die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar ist. Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Auf Grund einer Güter- und Interessenabwägung sind dabei alle Umstände einzubeziehen, wobei es u. a. auf die Dauer der Bindung, auf den Umfang der Fortbildungsmaßnahme, die Höhe des Rückzahlungsbetrages und dessen Abwicklung ankommt (vgl. hierzu Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 06.06.1984, Az. 5 AZR 605/82, nicht amtlich veröffentlicht; vom 03.07.1985, Az. 5 AZR 573/84, nicht amtlich veröffentlicht; vom 30.11.1994, Az. 5 AZR 715/93, in NZA 95, 727 bis 729; vom 14.06.1995, Az. 5 AZR 960/93, in NZA 95, 1108/1109; vom 06.09.1995, Az. 5 AZR 241/94, in NZA 96, 314 bis 317; vom 05.07.2000, Az. 5 AZR 883/98, in AP Nr. 29 zu § 611 BGB, Ausbildungsbeihilfe).

44

Die vorliegende Vertragsgestaltung führte zur Überzeugung der Kammer dazu, dass eine Rückzahlungspflicht nicht entsteht. Der Kläger verpflichtete sich nämlich im Vertrag vom 01.04.1996 zu einer vierjährigen Tätigkeit bei dem Verein L. Beratungsring im Kreis He., wohl auch zu einer zumutbaren Tätigkeit bei einem anderen Beratungsring, d. h. auch bei einem anderen Arbeitgeber. Tatsächlich ist der Kläger sodann auch ab 01.04.1997 bei einem anderen Arbeitgeber tätig geworden, wobei er letztlich das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vier Jahre gekündigt hat, weil er diese Tätigkeit nicht mehr ausüben wollte. Da die Beratungsringe jeweils eingetragene Vereine sind und damit eigene Rechtspersönlichkeiten, so beinhaltete der Vertrag vom 01.04.1996 die Verpflichtung des Klägers, bei einem anderen, ihm bei Abschluss des Vertrages nicht bekannten Arbeitgeber tätig zu werden, ohne auch zu wissen, zu welchen Bedingungen dieses letztlich geschehen sollte. Zwar ist in der Klausel vereinbart, dass er das Angebot zur Übernahme einer zumutbaren Tätigkeit erklären muss, sofern er nicht zur Rückzahlung der Ausbildungskosten verpflichtet sein soll, jedoch steht zu diesem Zeitpunkt für den Kläger weder fest, um welchen Verein es sich handelt, an welchem Ort der Kläger im Bereich der Landwirtschaftskammer H. tätig werden wird, zu welcher Vergütung dies geschehen wird und unter welchen konkreten Umständen die Arbeit zu verrichten ist. Obwohl der Kläger eine akademische Ausbildung besitzt, die nach den Richtlinien für Berateranwärter eine der Voraussetzungen für den Abschluss eines Berateranwärtervertrages sein soll, ist dem Kläger z. B. im Rahmen des neu abgeschlossenen Vertrages ab 01.04.1997 nur eine Vergütung in Anlehnung an Vergütungsgruppe IV a BAT zugesagt worden, ohne dass ein Bewährungsaufstieg vereinbart worden ist. Wird aber dem Berateranwärter bei Beginn seines Anstellungsvertrages als Berateranwärter weder im Einzelnen erklärt, weiche Tätigkeit sich anschließt und unter welchen Bedingungen dies geschehen kann und besteht die Möglichkeit, spätere Anstellungsverträge erst auszuhandeln, insbesondere auch hinsichtlich der Vergütung, so wird dem Kläger bei Abschluss des Berateranwärteranstellungsvertrages eine Pflicht auferlegt, ohne dass es ihm ermöglicht wird, seine spätere berufliche Tätigkeit einzuschätzen, insbesondere auch eine Einschätzung vornehmen zu können, ob er vier Jahre bei einem anderen Arbeitgeber tätig werden kann, ohne vorher die Umstände zu kennen.

45

Dass der Anstellungsvertrag mit dem Beratungsring nach Abschluss der Berateranwärterzeit auch die Möglichkeit eröffnet, z. B. über die Höhe der Vergütung Verhandlungen zu führen, ergibt sich aus dem Muster des Anstellungsvertrages vom 01.04.1997, da dort in Ziffer 2 die Möglichkeit besteht, die Höhe der Vergütung gesondert einzutragen, wie auch einen möglichen Bewährungsaufstieg zu vereinbaren. Zum Übrigen hat der Beklagte der letzten mündlichen Verhandlung erklärt, dass dieses durchaus Verhandlungssache zwischen dem Beratungsring und dem einzustellenden Bewerber ist.

46

Es entspricht jedoch nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, wenn der Kläger eine lange Bindungsdauer eingeht, ohne die Bedingungen zu kennen, zu denen er zu einem späteren Zeitpunkt tätig werden kann. Dieses unterscheidet auch den vorliegenden Fall von dem des Urteils des BAG vom 05.07.2000 (a. a. O.), in dem es um eine Beratungsanwärterin ging bei der Bundesanstalt für Arbeit und diese dann anschließend bei der Bundesanstalt tätig werden sollte. Vorliegend sind dem Kläger gerade nicht alle Folgen, die sich für ihn aus dem Abschluss dieser Vereinbarung ergeben, zu Beginn der Ausbildung klar gewesen. Ihm sind auch nicht etwa Musterarbeitsverträge mit späteren Arbeitgebern vorgelegt worden, zu denen er ein Anstellungsverhältnis aufnehmen kann. Es fehlt vorliegend auch an unmissverständlichen Hinweisen des ursprünglichen Arbeitgebers, unter welchen Bedingungen die Arbeit fortzusetzen ist.

47

Selbst wenn man aber die Beratungsringe einschließlich des Beklagten als wirtschaftliche Einheit betrachtet und damit die Arbeitgeber der Anstellungsverträge vom 01.04.1996 und 01.04.1997 als einheitlich betrachtet, so ist zur Überzeugung der Kammer jedoch auch ein Rückzahlungsanspruch für die Ausbildungskosten des Klägers nicht gegeben. Eine Rückzahlungsklausel ist auch dann unwirksam, wenn die durchgeführte Fortbildung gerade Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages ist. Das ist dann der Fall, wenn die Fortbildung gerade im Interesse des Arbeitgebers liegt, weil es zur Einarbeitung auf dem konkreten Arbeitsplatz einer besonderen Einarbeitung bedarf und der Arbeitnehmer mit den spezifischen Anforderungen an den neuen Arbeitsplatz vertraut gemacht werden muss, ansonsten die Tätigkeit nicht verrichtet werden könnte (vgl. Urteil des BAG vom 29.06.1962, Az. 1 AZR 350/61, in AP Nr. 26 zu Art. 12 GG; Urteil des LAG Hamm vom 15.05.1998, Az. 10 Sa 1465/97, in NZA-RR 99, 405 bis 408).

48

Vorliegend ist in der Wirtschaftseinheit der Beratungsringe geplant worden, dass Ringleiter/Berater ausgebildet werden im Rahmen einer Berateranwärterschaft, wobei nur so viele Berateranwärter einen Anstellungsvertrag erhielten wie auch absehbar war, dass Stellen tatsächlich frei wurden. Damit erfolgte eine von vornherein zielgerichtete auf die Belange der Beratungsringe abgestimmte Fortbildung, ohne die eine Tätigkeit bei dem Beratungsringen nicht durchgeführt werden konnte. Die Fortbildung war demzufolge gerade Voraussetzung für die später durchzuführende Tätigkeit bei den Beratungsringen. Eine Einstellung bei einem Beratungsring als Ringleiter/Berater erfolgte nach den Richtlinien der Landwirtschaftskammer nicht, wenn nicht die entsprechende Fortbildung durchgeführt worden ist. Damit gehörte die Fortbildung zum Inhalt der geschlossenen Arbeitsverträge der Wirtschaftseinheit der Beratungsringe. Es bestand deshalb keine Berechtigung, eine Rückzahlungsklausel zu vereinbaren, weil diese Fortbildung gerade Inhalt der arbeitsvertraglichen Beziehungen innerhalb der Beratungsringe war.

49

Auch dieses unterscheidet sich erheblich von dem Fall, der der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 05.07.2000 (a. a. O.) zu Grunde lag, denn dort erfolgte eine Qualifikation für die Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Dienstes der Bundesanstalt für Arbeit, der eine Vielzahl von Tätigkeiten bei der Bundesanstalt eröffnete.

50

Nach alledem ist die Berufung des Klägers begründet. Auf die weiteren Rechtsproblematiken, ob eine Rückzahlung geschuldet war, weil nach der Behauptung des Klägers ihn an der Aufhebung des Arbeitsvertrages kein Verschulden traf, ob eine Pauschalierung aus Berufskosten zulässig gewesen ist und ob tatsächlich auch die Vergütung mit einberechnet werden durfte, nachdem der Kläger keinen Ausbildungs-, sondern einen normalen Anstellungsvertrag geschlossen hatte, kommt es demzufolge nicht mehr an.

51

Auf die Berufung war deshalb das erstinstanzliche Urteil abzuändern und der Beklagte zur Zahlung zu verurteilen.

52

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 246, 284, 286 BGB.

53

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

54

Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 ArbGG.