Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.02.2001, Az.: 10 Sa 2056/00

Rückzahlung von Gratifikationen; Pfändbarkeit eines Urlaubsabgeltungsanspruchs

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
02.02.2001
Aktenzeichen
10 Sa 2056/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 24336
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2001:0202.10SA2056.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 18.10.2000 - AZ: 11 Ca 287/00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Sieht eine Rückzahlungsklausel eine Bindung des Arbeitnehmers bis einschließlich 31.03. des Folgejahres vor, so darf der Arbeitnehmer eine Gratifikation, die die Höhe eines vollen Monatsbezugs erreicht, nur behalten, wenn er unter Auslassung der Kündigungsmöglichkeit zum 31.03. des Folgejahres das Arbeitsverhältnis erst zum ersten Kündigungstermin nach dem 31.03. des Folgejahres unter Beachtung der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Kündigungsfrist beendet.

  2. 2.

    Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt im selben Umfang der Pfändung wie Arbeitsentgelt.

In dem Rechtsstreit
hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2001
durch
die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 18.10.2000 - 11 Ca 287/00 - abgeändert.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

  3. 3.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte zu Recht die gezahlte Sonderzuwendung vom letzten Gehalt des Klägers einbehalten hat.

2

Der Kläger war seit März 1996 bei der Beklagten unter Anrechnung seiner Betriebszugehörigkeit bei einer anderen Firma seit August 1995 beschäftigt. Er erhielt ein Monatsgehalt von 5.464,00 DM brutto. Er ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Kraft einzelvertraglicher Vereinbarung unterfiel das Arbeitsverhältnis dem Tarifvertrag für die Beschäftigten bei öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren vom 19. Dezember 1950 i.d.F. vom 30. April 1999 (künftig: TV). Dieser regelt unter anderem:

§ 2 Einstellung und Kündigung
...

6.
Die Kündigungsfrist für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Angestellten oder Arbeiters beträgt bei der Kündigung durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer 6 Wochen zum Abschluß eines Kalendervierteljahres. Die Kündigungsfrist richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens 5 Jahre bestanden hat.
...

§ 9 Gehaltsregelung

D Sonderzuwendungen

1.
Der Arbeitnehmer ... erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, die spätestens am 10. Dezember zu zahlen ist, wenn das Arbeitsverhältnis am 1.12. des Jahres von keiner der Parteien gekündigt worden ist.

2.
Scheidet der Arbeitnehmer ... bis einschließlich dem 31.03. des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus, so hat er die Zuwendung an den Arbeitgeber zurückzuzahlen. Dies gilt nicht, wenn
...

b)
der Arbeitnehmer wegen Erreichens der Altersgrenze oder der Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes aus dem Berufsleben ausscheidet.

3

Die Beklagte zahlte im Dezember 1999 eine Zuwendung von 5.464,00 DM brutto, aus der sich ein Nettozahlbetrag von 4.357,20 DM ergab, an den Kläger. Dieser kündigte mit Schreiben vom 20. Januar 2000 das Arbeitsverhältnis "fristgemäß zum 01.04.2000". Der 1. April 2000 war ein Samstag, die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers war auf die Tage Montag bis Freitag verteilt, so dass sein letzter Arbeitstag der 31. März 2000 war.

4

Die Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis für März 2000 mit 11.757,88 DM brutto ab. Dieser Betrag setzte sich aus dem Gehalt für März von 5.464,00 DM, der Urlaubsabgeltung von 4.290,89 DM, Mehrarbeitsvergütung von 1.924,99 DM sowie vermögenswirksamen Leistungen von 78,00 DM zusammen. Ohne die Mehrarbeitsvergütung ergab sich ein Bruttobetrag von 9.832,89 DM. Daraus errechnete sich ein Nettobetrag von 7.964,80 DM (Bl. 5 d.A.). Die Beklagte zog davon den Nettobetrag der Zuwendung von 4.357,20 DM ab, so dass ein Auszahlungsbetrag von 3.607,60 DM verblieb. Ferner führte sie 78,00 DM vermögenswirksame Leistungen ab.

5

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung des einbehaltenen Nettobetrags der Zuwendung für 1999.

6

Durch das der Beklagten am 24. Oktober 2000 zugestellte Urteil vom 18. Oktober 2000 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die am 22. November 2000 eingelegt und zugleich begründet worden ist.

7

Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe zum Ablauf des 31. März 2000 gekündigt, was sich aus dem Zusatz "fristgemäß" in seinem Kündigungsschreiben ergebe. Jedenfalls könne die Rückzahlungsklausel nicht durch einen willkürlich gewählten Kündigungstermin umgangen werden.

8

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 18. Oktober 2000 - 11 Ca 287/00 - die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

10

Der Kläger ist der Ansicht, er sei schon deshalb nicht zur Rückzahlung der Zuwendung verpflichtet, weil er nicht vor dem 31. März 2000 ausgeschieden sei. Jedenfalls habe er zum 1. April 2000 gekündigt und das auch gewollt, so dass auch deshalb die Rückzahlungsklausel nicht eingreife. Schließlich habe die Beklagte die Pfändungsgrenzen nicht beachtet.

Gründe

11

A.

Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Beklagte erst im Termin einen förmlichen Berufungsantrag gestellt hat. Die Berufung ist auch dann zulässig, wenn klar ersichtlich ist, dass nach dem Begehren des Rechtsmittelklägers das gesamte vorinstanzliche Urteil aufgehoben werden soll (BAG, 22.05.1985, 4 AZR 88/84, AP Nr. 6 zu § 1 TVG - Tarifverträge Bundesbahn). Dies ist hier der Fall. Die Berufung ist daher zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO).

12

B.

Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der einbehaltenen Zuwendung gegen die Beklagte (§ 812 Abs. 1 BGB). Diese hat aufgrund der Rückzahlungsklausel (§ 9 D Ziffer 2 TV) den Nettobetrag der Zuwendung berechtigt einbehalten. Sie hat dabei auch die Pfändungsfreibeträge beachtet. Die Urlaubsabgeltung unterliegt im selben Umfang der Pfändung wie Arbeitsentgelt.

13

I.

Der Kläger musste die für das Kalenderjahr 1999 erhaltene Sonderzuwendung an die Beklagte zurückzahlen (§ 9 D Ziffer 2 TV). Die Voraussetzungen dieser Rückzahlungsklausel sind erfüllt.

14

1.

Der Kläger hat das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt. Er ist damit auf eigenen Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.

15

2.

§ 9 D Ziffer 2 TV lässt eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer ohne Rückzahlungsverpflichtung nur zu, wenn dieser unter Auslassung der Kündigungsmöglichkeit zum 31. März des Folgejahres das Arbeitsverhältnis erst zum ersten Kündigungstermin nach dem 31. März des Folgejahres unter Beachtung der tariflichen Kündigungsfrist beendet. Die "fristgemäße Kündigung zum 1. April 2000" durch den Kläger verpflichtet diesen damit zur Rückzahlung der erhaltenen Zuwendung für das Jahr 1999.

16

a)

Die Tarifvertragsparteien haben eine Bindung des Arbeitnehmers bis einschließlich dem 31. März des Folgejahres begründet. Diese Bindungsfrist endet erst mit Ablauf des 31. März (§ 188 BGB). Der Zeitpunkt des Ablaufs eines Tages gehört noch zu diesem Tag und damit zu der Frist, in die der Tag fällt (BAG, 09.06.1993, 10 AZR 529/92, AP Nr. 150 zu § 611 BGB - Gratifikation <II 2 d.Gr.>). Die Tarifvertragsparteien wollten damit eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Rückzahlungsverpflichtung erst nach dem 31. März des Folgejahres unter Beachtung der tariflichen Kündigungsfristen und -termine zulassen. Dies ergibt die Auslegung der Rückzahlungsklausel.

17

Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung der Zuwendung ist der ungekündigte Bestand des Arbeitsverhältnisses am 1. Dezember des Zahlungsjahres (§ 9 D Zf. 1 TV). Ist das Arbeitsverhältnis am 1. Dezember noch nicht gekündigt, ist die erste ordentliche Kündigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer in den ersten fünf Jahren seiner Betriebszugehörigkeit der 31. März des Folgejahres (§ 2 Ziffer 6 Satz 1 TV). Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien soll der Arbeitnehmer diese Kündigungsmöglichkeit auslassen, um die Zuwendung zu behalten. Das bedeutet jedoch, dass er anschließend nicht etwa zu einem beliebigen Termin nach dem 31. März des Folgejahres kündigen kann, sondern die tariflichen Fristen und Kündigungstermine beachten muss. Andernfalls liefe die tarifliche Rückzahlungsverpflichtung weitgehend leer (vgl. BAG, 20.03.1974, 5 AZR 327/73, AP Nr. 82 zu § 611 BGB - Gratifikation <1 d.Gr.>; 26.05.1992, 10 AZR 199/90<II 2 c>).

18

b)

Die Rückzahlungsklausel des § 9 D Ziffer 2 TV ist wirksam. Sie bewirkt keine unzulässige Kündigungserschwerung. Der Kläger hat eine Gratifikation in Höhe eines vollen Monatsbezuges erhalten. Damit war schon einzelvertraglich die Vereinbarung einer Bindung über den 31. März des Folgejahres hinaus bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin zulässig (BAG, AP Nr. 82 zu § 611 BGB - Gratifikation <1 d.Gr.>). Erst recht durften die Tarifvertragsparteien eine derartige Bindung der Arbeitnehmer regeln (zur größeren Regelungsfreiheit der Tarifvertragsparteien: BAG, 31.03.1966, 5 AZR 516/65, AP Nr., 54 zu § 611 BGB - Gratifikation, seitdem stRspr).

19

c)

Es kann daher dahinstehen, ob der Kläger mit seiner Kündigung zum 1. April 2000 tatsächlich zum Ablauf des 31. März 2000 kündigen wollte und die Kündigung nur deshalb "zum 1. April 2000" ausgesprochen hat, weil noch bis einschließlich 31. März 2000 eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung bestand, oder ob er das Arbeitsverhältnis unter Umgehung der tariflichen Rückzahlungsklausel wirklich erst zum Ablauf des 1. April 2000 beenden wollte. Da in jedem Fall keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst zum 30. Juni 2000, der nächsten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit für den Kläger, gewollt war, sind die Voraussetzungen des § 9 D Ziffer 2 TV erfüllt.

20

3.

Da die Beklagte nur den Nettobetrag der gezahlten Zuwendung einbehalten hat, kann dahinstehen, ob sich die tarifliche Rückzahlungsverpflichtung auch auf die abgeführten Steuern (dazu BAG, 15.3.00, 10 AZR 101/99, AP Nr. 24 zu §§ 23, 23 BAT - Zuwendungs-TV <II B 1 d.Gr.>) und Sozialversicherungsbeiträge bezieht.

21

II.

Die Aufrechnung der Beklagten mit ihrem Rückzahlungsanspruch aus § 9 D Ziffer 2 TV gegen die Zahlungsansprüche des Klägers für März 2000 ist wirksam. Eine Aufrechnung gegen eine Forderung ist nicht zulässig, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist (§ 394 BGB). Die Beklagte hat die Pfändungsverbote, die für Arbeitseinkommen gelten (§§ 850 ff. ZPO), jedoch beachtet. Die dem Kläger mit dem Entgelt für März 2000 ausgezahlte Urlaubsabgeltung unterliegt in gleichem Umfang der Pfändung wie Arbeitsentgelt.

22

1.

Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 12.02.1959, 1 AZR 43/56, AP Nr. 42 zu § 611 BGB - Urlaubsrecht; BAG, 21.01.1988, 2 AZR 581/86, AP Nr. 19 zu § 4 KSchG 1969 <C II 1 d.Gr.>) gegen einen Urlaubsabgeltungsanspruch die Aufrechnung nicht zulässig. Dies ergebe sich daraus, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht abgetreten werden könne (§ 399 BGB), so dass er unpfändbar sei (§ 851 ZPO).

23

2.

Der Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung unterliegt jedoch nicht dem Abtretungsverbot des § 399 BGB und ist daher in den Grenzen des § 850 c ZPO pfändbar (ebenso LAG Hamm, 03.09.1999, 10 Sa 2657/98<II 2 a cc d.Gr.> m.w.N.; das dagegen angestrengte Revisionsverfahren <9 AZR 611/99> ist übereinstimmend für erledigt erklärt worden).

24

a)

Nach § 399 1. Alt. BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. Dies ist der Fall bei höchstpersönlichen Ansprüchen oder unselbständigen akzessorischen Ansprüchen, bei denen ein Gläubigerwechsel schon rechtlich nicht vorstellbar ist. Eine Inhaltsänderung ist darüber hinaus dann anzunehmen, wenn durch die Abtretung die Leistungshandlung des Schuldners geändert wird, wenn der Schuldner aufgrund der Abtretung also etwas anderes als ursprünglich geschuldet zu leisten hat oder die Leistungshandlung als solche im Hinblick auf den Empfänger einen besonderen Charakter hat. Dann ist das Interesse des Schuldners an der Beibehaltung eines ganz bestimmten Gläubigers besonders schutzwürdig (BGH, 24.10.1985, VII ZR 31/85, BGHZ 96, 146 <II 2 b aa d.Gr.>).

25

b)

Bei Anlegung dieses Maßstabs ändert sich der Inhalt des Anspruchs auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung durch eine Abtretung nicht.

26

aa)

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist kein höchstpersönlicher Anspruch. Ein Gläubigerwechsel ist rechtlich vorstellbar.

27

(1)

Der Arbeitnehmer behält für die Dauer des Erholungsurlaubs den Anspruch auf die geschuldete Vergütung (§ 1 BUrlG). Der Urlaubsanspruch ist kein einheitlicher, untrennbar aus den beiden Wesenselementen Freizeitgewährung und Fortzahlung der Vergütung für die Urlaubszeit bestehender Anspruch (so aber die frühere Rspr des BAG, 03.06.1960, 1 AZR 251/59, AP Nr. 73 zu § 611 BGB - Urlaubsrecht). Vielmehr ist der Urlaubsanspruch ein außerhalb des Synallagmas stehender, durch das Bundesurlaubsgesetz bedingter Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, der mit der Fortentrichtung des normalen Arbeitsentgelts als eigenständiger vertraglicher Leistung lediglich verknüpft ist (BAG, stRspr seit 08.03.1984 - 6 AZR 600/82, AP Nr. 14 zu § 3 BUrlG - Rechtsmissbrauch <II 2 b d.Gr.>). Freistellungs- und Vergütungsanspruch sind damit rechtlich trennbar. Das Urlaubsentgelt ist lediglich Arbeitsentgelt, das während des Urlaubs des Arbeitnehmers gezahlt wird (BAG, 20.06.2000, 9 AZR 405/99, NZA 2001, S. 100 <II 2 a d.Gr.>).

28

Auch wenn der Urlaub selbst für eine vom Arbeitnehmer im Zweifel persönlich zu erbringende Arbeitsleistung geschuldet ist (§ 613 Satz 2 BGB), wird deshalb das für die Zeit der Freistellung fortzuzahlende Urlaubsentgelt nicht zu einer höchstpersönlichen, nur an den Arbeitnehmer selbst zu erbringenden Leistung (vgl. BAG, 11.01.1990, 8 AZR 440/88, AP Nr. 11 zu § 4 TVG - Gemeinsame Einrichtung <II d.Gr.>). Höchstpersönlicher Natur ist vielmehr nur die Arbeitspflicht, auf deren Beseitigung der Urlaubsanspruch gerichtet ist (Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 1 BUrlG, Rz. 113). Ebenso wie das Arbeitsentgelt kann daher das Urlaubsentgelt auch an einen anderen Gläubiger gezahlt werden. Der Urlaubsentgeltanspruch ist damit uneingeschränkt im gleichen Umfang wie Arbeitsentgelt pfändbar (BAG, NZA 2001, S. 100 <a.a.O.>).

29

(2)

Nichts anderes gilt für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Auch dieser Anspruch ist nicht höchstpersönlicher Natur, sondern kann wie Arbeits- und Urlaubsentgelt auch an einen anderen Gläubiger gezahlt werden.

30

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG, 17.01.1995, 9 AZR 664/93, AP Nr. 66 zu § 7 BUrlG - Abgeltung <1 c aa d.Gr.> m.w.N.) ist der Urlaubsabgeltungsanspruch lediglich der Ersatz für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Urlaubsanspruch, der im übrigen an die gleichen Voraussetzungen wie der Urlaubsanspruch gebunden ist. Der Arbeitnehmer soll fiktiv so gestellt werden, als würde weiterhin die Arbeitspflicht durch Gewährung des Urlaubs suspendiert werden können und daher weiterhin ein Urlaubsentgeltanspruch möglich sein.

31

Ist die Urlaubsabgeltung nur Ersatz des Urlaubsanspruchs, so besteht kein Anlass, den sich daraus ergebenden Zahlungsanspruch anders als den Urlaubsentgeltanspruch zu behandeln. Wäre der Urlaub in natura gewährt worden, hätte der Arbeitgeber das Urlaubsentgelt in den Grenzen der gesetzlichen Pfändungsfreibeträge an einen Dritten zahlen können, so dass dem Arbeitnehmer nur der Pfändungsfreibetrag zur Verfügung gestanden hätte. Auch der Urlaubsabgeltungsanspruch kann somit bei Beachtung der Pfändungsfreibeträge durch Zahlung an einen Dritten erfüllt werden.

32

Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Urlaubsabgeltung. Wird der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitslos und hat er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit des abgegoltenen Anspruchs (§ 143 Abs. 2 SGB III). Zweck dieser Regelung ist es, die Zahlung von Arbeitslosengeld durch die Versichertengemeinschaft in jenen Fällen zu verhindern, in denen der Arbeitslose auf die Gewährung der Lohnersatzleistung Arbeitslosengeld nicht angewiesen ist, weil er für sein Arbeitsentgelt bereits ein anderweitiges Surrogat erhält, zu dem auch eine Urlaubsabgeltung zählt (BSG 29.7.93 - 11 RAr 17/92, EzA § 117 AFG Nr. 9). Auch dies belegt, dass die Urlaubsabgeltung lediglich die Funktion von Arbeitsentgelt hat und rechtlich wie dieses zu behandeln ist.

33

bb)

Es besteht auch kein besonders schutzwürdiges Interesse der Beklagten als Schuldnerin des Urlaubsabgeltungsanspruches an der Beibehaltung gerade des Klägers als Gläubiger.

34

Auch bei einer Abtretung des Urlaubsabgeltungsanspruches hätte die Beklagte nichts anderes als ursprünglich geschuldet zu leisten. Sie schuldete dann nach wie vor die Zahlung einer bestimmten Summe als Surrogat des Urlaubsentgeltanspruchs.

35

Die Zahlung des Urlaubsabgeltung hat auch keinen besonderen Charakter im Hinblick auf den Kläger als Empfänger. Sie ist nicht an den Zweck gebunden, gerade und nur dem Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die zur Erholung erforderliche Freizeit zu verschaffen. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

36

3.

Da die Urlaubsabgeltung in voller Höhe der Pfändung unterliegt, war allein aus dem Gehalt des Klägers für März 2000 zuzüglich der Urlaubsabgeltung ein Betrag von 7.964,80 DM netto der Berechnung des pfändbaren Entgelts zugrundezulegen. Angesichts der Unterhaltspflicht des Klägers für drei Personen war gemäß der Anlage 1 zu § 850 c ZPO ein Betrag von 4.589,10 DM pfändbar, nämlich zunächst bei einem Nettoeinkommen von 3.796,00 DM ein Betrag von 420,30 DM, des Weiteren der Mehrbetrag über 3.796,00 DM in voller Höhe, also weitere 4.168,80 DM. Da die Beklagte nur in Höhe von 4.357,20 DM die Aufrechnung erklärt hat, greift ihre Aufrechnung auch unter Beachtung der Pfändungsfreibeträge in voller Höhe durch, ohne dass es auf die eingeschränkte Pfändbarkeit der Mehrarbeitsvergütung (§ 850 a Zf. 1 ZPO) ankommt.

37

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

38

IV.

Die Revision war zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG).