Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.02.2001, Az.: 8 Sa 2926/98 E

Streitigkeit über die Eingruppierung in eine bestimmte tarifliche Vergütungsgruppe; Einstellung eines Diplom-Ingenieurs (FH) Nachrichtentechnik als Systemprogrammierer in einem Rechenzentrum einer Universität; Vereinbarung der Anwendbarkeit des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT); Differenzierung zwischen Vergütungsgruppen ; Voraussetzungen der Verjährungsunterbrechung; Verjährung von Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis; Einhaltung einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist; Bindungswirkung der Feststellung einer Eingruppierung im Beschlussverfahren für den Arbeitgeber

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
19.02.2001
Aktenzeichen
8 Sa 2926/98 E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 25523
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2001:0219.8SA2926.98E.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Göttingen - 30.06.1998 - AZ: 1 Ca 561/91 E

Verfahrensgegenstand

Tarifgerechte Eingruppierung (Dipl. Ing. (FH)

Amtlicher Leitsatz

Zur Bildung von Arbeitsvorgängen bei einem Systemprogrammierer

Zur Auslegung und Ausfüllung des Begriffes "hohe Funktionsvielfalt" i.S.d. Protokollnotiz Nr. 1 zu den Vergütungsgruppen der Angestellten in der DV-Systemtechnik

In dem Rechtsstreit
hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 19.02.2001
durch
die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ...
den ehrenamtlichen Richter ... und
die ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 30.06.1998 - 1 Ca 561/91 E wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger 11.797,31 DM brutto zu zahlen und festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab 01.01.1992 Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT anstelle gezahlter Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV a BAT zu zahlen. Im übrigen wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 30.06.1998 - 1 Ca 561/91 E - teilweise abgeändert und die Klage (insoweit) abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

  3. 3.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers (zum Teil als Zahlungs-, zum Teil als Feststellungklage).

2

Der Kläger wurde auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 12.11.1976 ab 01.12.1976 als Systemprogrammierer eingestellt. Er ist Diplom-Ingenieur (FH) Nachrichtentechnik mit Vordiplom Mathematik. Die Beklagte betreibt ein Rechenzentrum, das die Institute der Universität G. und die M. Institute im G. Raum mit Großrechnerleistungen versorgt. Sie verfolgt den Zweck, im Dienste der Wissenschaft Probleme mit Hilfe von Rechenanlagen zu lösen, wissenschaftliche Forschung im Bereich der Informatik zu betreiben und die Ausbildung von Fachkräften für Rechenanlagen zu fördern (§ 3 des Gesellschaftsvertrages vom 29.04.1970). Die Gesellschaft soll die angegebenen Aufgaben erfüllen, indem sie

  1. 1.

    ein Rechenzentrum als Dienstleistungsbetrieb unterhält

  2. 2.

    wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Informatik durchführt

  3. 3.

    Fachkräfte für elektronische Datenverarbeitungsanlagen ausbildet (Richtlinien für die Arbeit der Gesellschaft vom 23.02.1976).

3

Gesellschafter der Beklagten sind das Land N. und die M. Gesellschaften.

4

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden vereinbarungsgemäß die Regelungen des Bundes-Angestellten-Tarifvertrages Anwendung (§ 2).

5

Zunächst wurde der Kläger in der Vergütungsgruppe V b und ab 01.12.1977 in die Vergütungsgruppe IV b BAT eingestuft.

6

Zum 01.10.1983 trat ein neuer Tarifvertrag über die Eingruppierung der Angestellten in der Datenverarbeitung in Kraft, der einen zuvor andauernden tariflosen Zustand beendete. Im Zusammenhang mit der Eingruppierung zum 01.10.1983 erfolgte durch die Beklagte eine Überprüfung des Arbeitsplatzes des Klägers. Ergebnis der Überprüfung war nach Auffassung der Beklagten eine weiter bestehende Eingruppierung in der Vergütungsgruppe IV b BAT bis zum 30.09.1983 und eine Höhergruppierung auf Grund des Bewährungsaufstieges ab 01.10.1984 in Vergütungsgruppe IV a BAT.

7

Seit dem 01.11.1984 zahlte die Beklagte dem Kläger Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV a BAT (Höhergruppierung im Wege des Bewährungsaufstieges).

8

Der Betriebsrat der Beklagten hielt die Eingruppierung durch die Beklagte nicht für zutreffend und verweigerte die Zustimmung hierzu. Wegen der Zustimmungsersetzung führten der Betriebsrat der Beklagten und die Beklagte mehrere Beschlussverfahren. In dem Beschlussverfahren 1 BV 20/86 (3 TaBV 7/87) ersetzte das Gericht die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe IV a BAT ab 01.11.1984 mit der Begründung, dass zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber im Ergebnis Einigkeit bestehe, dass der Kläger zumindest ab 01.11.1984 der Vergütungsgruppe IV a BAT zuzuordnen sei, auch wenn der Betriebsrat darüber hinaus die Auffassung vertrete, dass dies bereits seit dem 01.10.1983 der Fall sein müsse. Die "richtige" Fallgruppe mache lediglich einen Teil der entscheidenden Anspruchsgrundlagen aus und sei bis zur Erfüllung der vollen Bewährungszeit keine rechtlich geschützte Position, aus der heraus unmittelbar irgendwelche Ansprüche abgeleitet werden könnten. In dem Beschlussverfahren 1 BV 41/88 (14 TaBV 70/89) begehrte die Beklagte Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe IV b BAT zum 01.10.1983. Das Gericht wies diesen Antrag zurück, weil nicht festzustellen sei, dass der Kläger die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe IV b des BAT erfülle. Mit dem weiteren Beschlussverfahren 1 BV 12/92 (15 TaBV 30/93; 15 TaBV 96/94) begehrte der Betriebsrat der Beklagten Untersagung, die personelle Maßnahme "Eingruppierung des Klägers zum 01.10.1983 in die Vergütungsgruppe IV b BAT" aufrecht zu erhalten. Durch rechtskräftigen Beschluss vom 27.01.1995 wies das Landesarbeitsgericht Niedersachsen den Antrag des Betriebsrats zurück mit der Maßgabe, der Arbeitgeberin aufzugeben, für den Zeitraum vom 01.10.1983 bis zum 30.10.1984 den Kläger in eine andere als die Vergütungsgruppe IV b BAT einzugruppieren, zu dieser neuen Eingruppierung die Zustimmung des Betriebsrates zu beantragen und im Falle ihrer Verweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu betreiben. Das dann insoweit geführte Beschlussverfahren 1 BV 9/95 bei dem Arbeitsgericht Göttingen ersetzte die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung des Klägers in der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 für die Zeit vom 01.10.1983 bis zum 31.10.1984.

9

Mit der am 23.12.1991 beim Arbeitsgericht Göttingen erhobenen Klage begehrt der Kläger - soweit für die Berufungsinstanz noch von Interesse -die Feststellung, dass er ab 01.10.1989 auf Grund Bewährungsaufstieges in der Vergütungsgruppe III Fallgruppe 3 BAT eingruppiert und entsprechend zu vergüten sei. Gleichzeitig begehrt er Zahlung von Vergütung für die Zeit vom 01.10.1989 bis zum 31.12.1991.

10

Er hat die Auffassung vertreten, seine Tätigkeit habe seit dem 01.10.1983 folgenden Inhalt mit entsprechend zu bildenden Arbeitsvorgängen:

1.Bereitstellung, Implementierung, Überwachung und Fortentwicklung von Compilern und betriebssystemnaher Software49 %IVa. 1
2.Bereitstellung, Implementierung, Überwachung und Fortentwicklung von Software zur Unterstützung des Rechenzentrumsbetriebes13 %IVb. 1
3.Datenbanksoftware14 %IVa. 1
4.Kontingentierung10 %IVa. 1
5.Systemunterprogrammbibliotheken und 1 % IVb. 2 Bibliotheksgenerierung2 %Vb. 1
6.Spezialberatung für Benutzer5 %IVa. 1
7.Durchführung von Kursen einschließlich Musterlösungen zu der Vorlesung Rechnerbetriebssysteme6 %IVa. 1
100 %84 %IVa. 1
11

Hinsichtlich der dezidierten Tätigkeitsbeschreibung zu den einzelnen Arbeitsvorgängen wird Bezug genommen auf die Ausführungen des Klägers in dem Schriftsatz vom 18.03.1992 (Bl. 13-22, 24-27 d.A.).

12

Der Kläger hat beantragt,

  1. 1.

    Eingruppierung zum 01.10.1983 nach BAT IV a (1) und Auszahlung des Differenzbetrages zwischen den Vergütungsgruppen IV b und IV a für den Zeitraum vom 01.10.1983 bis 01.10.1984 in Höhe von 4.806,16 DM brutto;

  2. 2.

    Höhergruppierung im Wege des Bewährungsaufstiegs ab 01.10.1989 nach BAT III (3) sowie Auszahlung des Differenzbetrages zwischen den Vergütungsgruppen IV a und III BAT für die Zeit vom 01.10.1989 bis 31.12.1990 in Höhe von 11.797,31 DM.

13

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Sie hat den Einwand der Verjährung erhoben und die Auffassung vertreten, der Kläger sei (auch) ab 01.10.1989 zutreffend nach Vergütungsgruppe IV a BAT eingruppiert.

15

Sie hat im Übrigen vorgetragen:

16

Weder seien dem Kläger die von ihm aufgeführten Tätigkeiten übertragen noch ausgeübt worden. Der Kläger lasse beispielsweise niedrig zu bewertende Tätigkeiten wie die Ablage von Schriftstücken unberücksichtigt. Er habe alle Funktionen des Betriebssystems UNIVAC 1100 aufgeführt, obwohl er nur mit Teilaufgaben an einigen wenigen Funktionen betraut gewesen sei. Eine Beschreibung aller bei der Beklagten vorgehaltenen Systeme könnte nicht dazu führen, dass die Tätigkeit eines Mitarbeiters danach bewertet werde. Auch läge kein qualifizierter Bewährungsaufstieg vor, denn dieser setze voraus, dass die Angestellten übergreifende Kenntnisse auf den unterschiedlichen Teilgebieten und vertiefte Kenntnisse auf mindestens einem Teilgebiet der DV-Systemtechnik erworben und diese Kenntnisse unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der systemtechnischen Fragestellung anzuwenden hätten. Der Kläger besitze weder zusätzliche Kenntnisse noch habe er solche anzuwenden. Er habe dazu nicht einmal etwas vorgetragen.

17

Lediglich die Compiler PAS (zu 10 %) und UPAS (zu 1 %) erfüllten die Voraussetzung der Protokollnotizen Nr. 1 und 2. Die Spezialberatung für Benutzer (Ziffer 6 der vom Kläger dargestellten Arbeitsvorgänge) erfüllten die Voraussetzungen der Protokollnotizen Nr. 1 und 2 ebenso wie die Durchführung von Kursen (PASCAL) einschließlich Musterlösungen zu der Vorlesung Rechnerbetriebssysteme zu 6 %.

18

Desweiteren erfülle der Kläger nicht die Voraussetzung des Bewährungsaufstiegs nach BAT III Fallgruppe 3.

19

Im Übrigen definiere die Beklagte die Arbeitsvorgänge wie in der Anlage zum Schriftsatz vom 07.09.1992 (Bl. 64 d.A.), auf die Bezug genommen wird. Jede Programmbetreuung sei ein einzelner Arbeitsvorgang. Dieser bestehe aus der Programmierung, der Implementation, der Programmpflege, der Dokumentation sowie aus sonstigen Zusammenhangstätigkeiten. Jede Programmbetreuung ergebe ein abgeschlossenes Arbeitsergebnis. Die Betreuung jedes einzelnen Programms könne auch von einem Programmierer ohne weiteres auf einen anderen übertragen werden.

20

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 30.06.1998 festgestellt, dass der Kläger ab 01.10.1983 in die Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 und ab 01.10.1989 in die Vergütungsgruppe III Fallgruppe 3 der Anlage zum BAT eingruppiert ist, die Beklagte zur Zahlung von DM 11.797,31 brutto verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen, bei einer Kostenquotelung von 3/10 für den Kläger und 7/10 für die Beklagte und einer Streitwertfestsetzung von DM 16.604,00.

21

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass unerheblich sei, dass die Beklagte die Richtigkeit der Bewertung der Tätigkeiten des Klägers im vorliegenden Urteilsverfahren bestritten habe, weil dieses im Widerspruch zum zuletzt entschiedenen Beschlussverfahren 1 BV 9/95 stehe, in dem der Arbeitgeber beantragt habe, die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 BAT für den Zeitraum ab 01.10.1983 bis zum 31.10.1984 zu ersetzen. Diese Entscheidung habe Indizwirkung für das vorliegende Verfahren. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass sich nach dem 31.10.1984 die dem Kläger zugewiesenen Tätigkeiten verändert hätten, so dass der Kläger auch nach dem 31.10.1984 in die Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 BAT eingruppiert und nach Ablauf von sechs Jahren ab 01.10.1989 im Züge des Bewährungsaufstieges in die Vergütungsgruppe III Fallgruppe 3 des BAT eingruppiert sei. Die Ansprüche des Klägers aus den Jahren 1983/84 seien verjährt, der Zahlungsanspruch auf Vergütungsdifferenz zwischen den Vergütungsgruppen IV a und III BAT für den Zeitraum vom 01.10.1989 bis zum 31.12.1991 sei jedoch nicht verjährt und von der Beklagten zu erfüllen.

22

Gegen dieses ihr am 10.12.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 29.12.1998 beim Berufungsgericht eingegangen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 01.03.1999 - mit einem am 01.03.1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

23

Mit der Begründung verfolgt die Beklagte ihr ursprüngliches Klagbegehren nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 01.03.1999 (Bl. 115-118 d.A.) weiter. Die Kammer nimmt auf den Inhalt dieses Schriftsatzes Bezug. Die Beklagte rügt insbesondere, dass das Gericht sich mit den Eingruppierungskriterien so gut wie gar nicht befasst, sondern sich darauf beschränkt habe, sich auf die Beschlüsse in den Streitigkeiten mit dem Betriebsrat zu stützen. Zutreffend sei zwar gewesen, dass die Beklagte beantragt habe, den Kläger für die Zeit vom 01.10.1983 bis zum 31.10.1984 nach BAT IV a Fallgruppe 1 BAT einzugruppieren. Dies sei ausschließlich für jenen Zeitraum auf Zwang geschehen, weil der Beklagten dies im Verhältnis zum Betriebsrat aufgegeben worden sei. Eine Indizwirkung für die Zukunft folge daraus deswegen nicht, weil jedenfalls für die Zeit ab 01.11.1984 eine verbindliche Regelung zwischen den Parteien bisher noch nicht festgelegt worden sei.

24

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Göttingen vom 30.06.1998 die Klage abzuweisen.

25

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

26

Auf Hinweis des Gerichts hat der Kläger mit Zustimmung der Beklagten die Klage zurückgenommen, soweit es den Antrag auf Feststellung betrifft, dass der Kläger (bereits) ab 01.10.1983 in die Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 BAT eingruppiert worden ist.

27

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 06.04.1999, auf deren Inhalt die Kammer Bezug nimmt (Bl. 124 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe

28

Die zulässige Berufung ist überwiegend unbegründet.

29

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO).

30

II.

Soweit über die Klage noch zu entscheiden war, ist die Berufung zum überwiegenden Teil unbegründet (2.), zum Teil begründet (1.).

31

1.

Der Kläger hat die Geltendmachung seines Anspruchs auf Vergütungszahlung nach der Vergütungsgruppe III BAT nunmehr auf den Zeitraum ab 01.10.1989 beschränkt.

32

1.1

Soweit der Kläger ursprünglich beantragt hat festzustellen, dass er ab 01.10.1983 in die Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 eingruppiert ist, hat er die Klage in der Berufungsinstanz mit Zustimmung der Beklagten wirksam zurückgenommen (§ 263 ZPO). Die Klage auf Vergütungszahlung für die Zeit vom 01.10.1983 bis zum 01.10.1984 hat das erstinstanzliche Gericht wegen Verjährung rechtskräftig abgewiesen; ab 01.11.1984 hat der Kläger Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV a BAT erhalten.

33

1.2

Soweit es den Antrag des Klägers auf Feststellung der Eingruppierung für die Zeit vom 01.10.1989 bis zum 31.12.1991 betrifft, ist die Berufung begründet, denn diesem Antragsteil fehlt das Feststellungsinteresse. Für diesen Zeitraum hat der Kläger gleichzeitig einen Zahlungsantrag gestellt.

34

2.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

35

2.1

Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die im öffentlichen Dienst allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen, weil das nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere rechtliche Interesse an der Feststellung unbedenklich zu bejahen ist (BAG, Urteil vom 10.03.1993 - 4 AZR 204/92 (nicht amtlich veröffentlicht); vom 03.09.1986 - 4 AZR 355/85 - AP Nr. 125 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 19.03.1986 - 4 AZR 470/87 - AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

36

Mit dem Feststellungsantrag wird der gesamte "Status" des Angestellten mit umfasst.

37

Zwar besteht ein Anspruch auf "Eingruppierung" durch den Arbeitgeber nicht, weil der Anspruch auf entsprechende Vergütung nicht von einer Eingruppierung durch den Arbeitgeber, sondern von der Erfüllung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale abhängt (BAG, Urteil vom 16.10.1974 - 4 AZR 1/74 - AP Nr. 81 zu §§ 22, 23 BAT). Das BAG legt solche "Eingruppierungsanträge" jedoch inhaltlich so aus, dass der beklagte Arbeitgeber verpflichtet werden soll, den Angestellten nach der begehrten Vergütungsgruppe zu vergüten (vgl. BAG vom 19.03.1986, a.a.O.; BAG vom 20.04.1994 - 4 AZR 312/93 AP Nr. 11 zu § 11 BAT-O). Klarstellend war der Antrag insoweit umzuformulieren.

38

2.2

In diesem zulässigen Umfang ist die Klage begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT des Teils II, Abschnitt B, Unterabschnitt IV (Angestellte in der DV-Systemtechnik) der Anlage 1 a zum BAT anstelle gezahlter Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV a BAT für die Zeit ab 01.10.1989 zusteht, weil der Kläger richtigerweise seit dem 01.10.1983 in der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 BAT eingruppiert ist und die sechsjährige Bewährungszeit absolviert hat.

39

Dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch steht nicht die Einrede der Verjährung oder der Einwand der Verwirkung entgegen. Soweit der Kläger Vergütungsansprüche für die Zeit ab 01.10.1989 beansprucht, sind diese nicht (auch nicht teilweise) verjährt oder verwirkt.

40

Gemäß § 209 BGB wird die Verjährung durch Klagerhebung unterbrochen. Wird die Zustellung der Klage unmittelbar angeschlossen, wirken die Zustellung der Klage und die Verjährungsunterbrechung auf den Zeitpunkt der Klageinreichung zurück (vgl. für viele: Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Auflage 2000, zu § 209 BGB Anm. 1 ff.).

41

Da die Klage am 23.12.1991 beim Arbeitsgericht Göttingen eingereicht und der Beklagten am 21.01.1992 zugestellt worden ist, dieses ohne Verzögerung geschah, wirkt die Zustellung auf den Zeitpunkt der Klageinreichung, also auf den 23.12.1991, zurück.

42

Gemäß § 196 Abs. 1 Ziff. 8 BGB verjährt der geltend gemachte Anspruch als Forderung aus dem Arbeitsverhältnis in zwei Jahren, so dass die Ansprüche ab 01.10.1989 nicht verjährt sind (§§ 201, 198 BGB).

43

Die Ansprüche sind auch nicht verwirkt gemäß § 70 BAT. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft Parteivereinbarung im Arbeitsvertrag der Bundes-Angestellten-Tarifvertrag nebst den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen Anwendung. Gemäß § 70 Satz 1 BAT verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten schriftlich geltend gemacht werden. Zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis gehört auch der Anspruch auf tarifgerechte Vergütung. Bereits mit Schreiben vom 09.03.1990 hat der Kläger seinen Anspruch auf Höhergruppierung im Wege des Bewährungsaufstiegs ab 01.10.1989 nach BAT III (Fallgruppe 3) gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht. Dieses Schreiben genügt den Anforderungen, die der BAT an eine schriftliche Geltendmachung stellt. Der Anspruch ist in der Höhe und für den Zeitraum hinreichend deutlich gemacht (vgl. hierzu BAG vom 10.09.1975 - 4 AZR 485/74 - AP Nr. 12 zu § 23 a BAT).

44

Gemäß § 70 Satz 2 BAT reicht bei Vorliegen desselben Sachverhaltes auch für später fällig werdende Leistungen die einmalige Geltendmachung aus.

45

3.

Der Kläger ist auch zu Recht ab 01.10.1989 in Vergütungsgruppe III BAT eingruppiert, denn er erfüllt die Voraussetzungen dieser Vergütungsgruppe.

46

Gemäß § 22 BAT richtet sich die Eingruppierung der Angestellten nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung (Anlagen 1 a und 1 b). Der Angestellte erhält Vergütung nach der Vergütungsgruppe, in der er eingruppiert ist (§ 22 Abs. 1 BAT). Der Angestellte ist in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte, von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht (§ 22 Abs. 2 BAT). Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderung eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden, sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Unterabs. 2 Satz 1 bestimmte Maß, jedenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person des Angestellten bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein.

47

3.1

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllende Arbeitsvorgänge einem Tätigkeitsmerkmal der von ihm in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe III BAT entspricht (§ 22 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Satz 1 BAT, siehe oben).

48

Dabei ist von dem Begriff des Arbeitsvorganges auszugehen; darunter ist eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbstständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (BAG, Urteil vom 29.01.1986 - 4 AZR 465/84 - AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 19.03.1986 - 4 AZR 642/84 - AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 16.04.1986 - 4 AZR 595/84 - AP Nr. 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 03.02.1988 - 4 AZR 514/87 - AP Nr. 1 zu §§ 22, 23 BAT Datenverarbeitung).

49

Zutreffend hat der Kläger seine Gesamtarbeit in sieben Arbeitsvorgänge aufgeteilt.

50

Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits sind nur die Ziffern 1) und 7) der Arbeitsvorgänge erheblich, die zusammen einen Anteil von 55% der Gesamtarbeitszeit ausmachen.

51

Die Überwachung und Fortentwicklung von Compilern und betriebssystemnaher Software (hierzu gehören auch die Bereitstellung und Implementierung) stellen sich als ein Arbeitsvorgang im Tarif sinne dar, denn Arbeitsergebnis dieser Tätigkeit ist die Erhaltung und Fortentwicklung der Funktionsfähigkeit dieser Software (Arbeitsvorgang 1). Sämtliche Einzeltätigkeiten des Aufgabenbereichs sind dieser Aufgabe zumindest als Zusammenhangstätigkeit zuzuordnen (vgl. grundlegend BAG vom 25.03.1981 - 4 AZR 1026/78 - AP Nr. 43 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Dasselbe gilt für die Durchführung von Kursen einschließlich Musterlösungen zu der Vorlesung der Rechnerbetriebssysteme (Arbeitsvorgang 7), da auch sie eigenständige Aufgabenbereiche enthalten und eigenständige Arbeitsergebnisse präsentieren.

52

Demgegenüber ist die Auffassung der Beklagten nicht zutreffend, dass die Tätigkeiten des Klägers bezogen auf die verschiedenen Programme bzw. die verschiedenen Compiler jeweils als ein Arbeitsvorgang anzusehen seien. Die einzelnen Programme bzw. die Compiler oder die jeweilige Software selbst stellen nämlich nicht die Tätigkeit des Arbeitnehmers mit einem bestimmten Arbeitsergebnis dar, sondern sind das Objekt, an dem gearbeitet wird. Die von dem Kläger insoweit vorzunehmenden Arbeiten an den jeweiligen Compilern, Programmen und der Software dienen innerhalb der genannten Arbeitsvorgänge insgesamt dem Arbeitsergebnis. Arbeitsergebnis ist, dass die Datenverarbeitung richtig funktioniert, die Benutzer speziell beraten werden oder Kurse einschließlich Musterlösungen zu den Vorlesungen durchgeführt werden.

53

Ausgehend von diesen Arbeitsvorgängen entsprechen die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Klägers ausfüllende Arbeitsvorgänge einem Tätigkeitsmerkmal der von ihm in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe III BAT.

54

Bereits der Arbeitsvorgang zu Ziffer 1 zusammen genommen mit dem Arbeitsvorgang der Ziffer 7 erfüllt die Voraussetzungen. Da sie mehr als 50 % der Gesamtarbeitszeit des Klägers in Anspruch nehmen, konnten sie der tariflichen Bewertung der Tätigkeit des Klägers zugrunde gelegt werden.

55

3.2

Für die tarifliche Bewertung dieser Arbeitsvorgänge und die daraus folgende Eingruppierung des Klägers sind die Tätigkeitsmerkmale des Teils II, Abschnitt B, Unterabschnitt IV (Angestellte in der DV-Systemtechnik) der Anlage 1 a zum BAT heranzuziehen. Dies folgt aus der Vorbemerkung zu diesem Unterabschnitt, die folgenden Wortlaut hat:

"Vorbemerkung: Die DV-Systemtechnik umfasst unterschiedliche, abgrenzbare Teilgebiete, wie z. B. Betriebssysteme, Datenbank-Software, Datenfernverarbeitungsoftware, Programmiersprachen, Hardware-Konfigurationen, Datenübertragungsnetze. Dem Angestellten in der DV-Systemtechnik obliegt auf mindestens einem Teilgebiet der Entwurf, die Auswahl, Bereitstellung, Implementierung, Überwachung (Fehleranalyse und -beseitigung), Optimierung und Fortentwicklung der einzusetzenden bzw. eingesetzten Hardware- oder Softwarekomponenten sowie die Beratung und Unterstützung."

56

Der Kläger nimmt auf einem der in Satz 1 der Vorbemerkung genannten Teilgebiet Aufgaben wahr, denn ihm obliegen die Bereitstellung, Implementierung, Überwachung und Fortentwicklung der bei der Beklagten eingesetzten Software.

57

3.3

Der Kläger erfüllt auch die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe III BAT dieses Tarifabschnitts (Angestellte in der DV-Systemtechnik). Danach sind eingruppiert in Vergütungsgruppe III Fallgruppe 3 BAT:

Angestellte mit abgeschlossener einschlägiger Fachhochschulausbildung (z. B. Informatiker) und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,
die in der DV-Systemtechnik Aufgaben mit einer hohen Funktionsvielfalt selbständig bearbeiten und deren Tätigkeit sich durch die Größe des von ihnen auszufüllenden Gestaltungsspielraums aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 dieses Unterabschnitts heraushebt,
nach sechsjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 dieses Unterabschnitts.

58

In Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 BAT:

Angestellte mit abgeschlossener einschlägiger Fachhochschulausbildung (z. B. Informatiker) und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,
die in der DV-Systemtechnik Aufgaben mit einer hohen Funktionsvielfalt selbständig bearbeiten und deren Tätigkeit sich durch die Größe des von ihnen auszufüllenden Gestaltungsspielraumes aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 dieses Unterabschnitts heraushebt.

59

In Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 BAT:

Angestellte mit abgeschlossener einschlägiger Fachhochschulausbildung (z. B. Informatiker) und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,
die in der DV-Systemtechnik Aufgaben mit einer hohen Funktionsvielfalt selbständig bearbeiten.
Unter Anwendung dieser Vergütungsgruppen ergibt sich die Eingruppierung des Klägers in der Vergütungsgruppe III Fallgruppe 3 BAT.

60

3.3.1

Unstreitig erfüllt der Kläger die subjektiven Voraussetzungen für die Heranziehung dieser tariflichen Tätigkeitsmerkmale. Der Kläger ist seit dem 12.11.1976 Systemprogrammierer der Beklagten. Er ist Diplom-Ingenieur (FH) Nachrichtentechnik mit Vordiplom Mathematik.

61

3.3.2

Der Kläger bearbeitet auch selbständig in der DV-Systemtechnik Aufgaben mit einer hohen Funktionsvielfalt. Hohe Funktionsvielfalt definiert die Protokollnotiz Nr. 1. Sie hat folgenden Wortlaut:

62

Aufgaben der DV-Systemtechnik haben eine hohe Funktionsvielfalt, wenn bei Software-Aufgaben die Systemsoftware (Grund- und systemnahe Software) viele Funktionen erfüllt, z. B.

63

Betriebssoftware mit mindestens automatischer Job-Verwaltung, virtueller Speicherplatzverwaltung, paralleler Steuerung von mehreren Nutzungsformen (Betriebsarten, DIN 44300 Nr. 154 bis 162) oder vergleichbaren Funktionen, Datenfernverarbeitungssoftware mit Leitungssteuerung, Warteschlangenverwaltung, Sicherungs- und Wiederanlauffunktionen oder vergleichbaren Funktionen, Datenbanksoftware zur Verwaltung großer gegliederter Datenbestände mit wahlweiser Speicherplatz- und Zugriffsoptimierung oder vergleichbaren Funktionen, Job-Abrechnungssysteme auf DV-Anlagen mit hohem Systemdurchsatz, wechselnden Aufgabenprofilen (Art, Ausprägung, Menge der Aufgaben) und einer hohen Zahl von unterschiedlichen Aufträgen.

64

Nach dieser Definition ergibt sich für die Arbeitsvorgänge Nr. 1 und 7, dass diese Aufgaben hohe Funktionsvielfalt haben. Sowohl die Bereitstellung, Implementierung, Überwachung und Fortentwicklung von Compilern und betriebssystemnaher Software als auch die Durchführung von Kursen einschließlich Musterlösungen zu der Vorlesung Rechnerbetriebssysteme sind als Aufgaben mit einer hohen Funktionsvielfalt einzustufen.

65

Compiler sind Computerprogramme, die ein vollständiges, in einer problemorientierten höheren Programmiersprache formuliertes Quellprogramm in ein Maschinenprogramm übersetzen (Der Brockhaus, Lexikon in fünf Bänden, September 2000, Band 1 "Compiler"). Unstreitig stellen die Compiler "PAS" und "UPAS" Compiler mit hoher Funktionsvielfalt dar.

66

Die hohe Funktionsvielfalt der Aufgaben des Klägers in diesem Bereich zeigt sich darin, dass der Kläger die verschiedenen Funktionen beherrschen muss. Die Wartung und Weiterentwicklung von Compilern setzt nämlich voraus, dass der Kläger sämtliche Funktionen und Einsatzmöglichkeiten der einzelnen Compiler kennen muss. Insbesondere beim Testen der Compiler ist dies zu erkennen, weil es viele Möglichkeiten gibt, die bei der Prüfung durchgetestet werden müssen.

67

Es handelt sich um einen komplexen Vorgang. Insbesondere die vom Kläger angeführten Ziffern a) (Sichtung der Literatur), b) (Einsatzentscheidung), d) (Basistest), f) (Endtest), h) (Dokumentation erstellen und/oder bereitstellen), k) (Einbau lokaler Verbesserungen) weisen hierauf hin. Diese Tests wären nicht erforderlich, handelte es sich um Compiler mit nur wenigen Funktionen.

68

Auch in der Summe der verschiedenen zu betreuenden Programme kann eine hohe Funktionsvielfalt erkannt werden.

69

An dieser Stelle ist besonders zu berücksichtigen, dass die Anforderungen, die an dieses Tarifmerkmal gestellt werden, auf das Jahr 1983 und den Zeitraum bis zum 30.09.1989 bezogen werden müssen. Unerheblich ist es daher, dass sich zwischenzeitlich bis zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits in der EDV ein kompletter Strukturwandel vollzogen hat und die Anforderungen ganz anders beurteilt werden müssen als vor 15 Jahren.

70

Insbesondere auch die Pflege und Weiterentwicklung der betriebssystemnahen Software stellen Aufgaben der DV-Systemtechnik mit hoher Funktionsvielfalt dar, denn sie setzen allumfassende Kenntnisse voraus. Großsysteme wie die SPERRY1100/83 verfügten über eine virtuelle Speicherplatzverwaltung. Hierzu kann auf die ausführliche Beschreibung des Klägers in seinem Schriftsatz vom 18.03.1992, Seite 14 (Bl. 24 d.A.) verwiesen werden.

71

Desweiteren stellt der Aufgabenbereich der Durchführung von Kursen einschließlich Musterlösungen zu der Vorlesung Rechnerbetriebssysteme eine Tätigkeit in der DV-Systemtechnik mit hoher Funktionsvielfalt dar, denn zur Durchführung von Schulungen ist im allgemeinen erforderlich, allumfassend informiert zu sein sowie breiten Wissensstand und Kenntnisse auf dem Spezialgebiet präsent zu haben.

72

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass die vom Kläger vorgetragenen Tätigkeiten nicht sämtlichst übertragen worden seien, ist dieses Bestreiten unerheblich (§ 138 Abs. 4 ZPO). Um welche Tätigkeiten es sich im Einzelnen handelt, wird nämlich nicht dargestellt. Auch der Hinweis der Beklagten, der Kläger sei bezüglich des Betriebssystems der UNIVAC 1100 nur mit Teilaufgaben an einigen wenigen Funktionen betraut worden, ist dieser Einwand unerheblich, weil es nach der Protokollnotiz Nr. 1 genügt, dass auch Teilaufgaben der Softwareaufgaben erfüllt werden. Erforderlich ist insoweit nur, dass die Systemsoftware viele Funktionen erfüllt. Auch ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht erforderlich, niedrig zu bewertende Tätigkeiten wie die Ablage von Schriftstücken zu berücksichtigen, weil diese Tätigkeiten bedenkenlos zu dem jeweiligen Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sind.

73

Außerdem gilt folgendes:

74

Gemäß § 22 Abs. 2 BAT ist jeder einzelne Arbeitsvorgang als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. Daraus folgt, dass es genügt, wenn in einem Arbeitsvorgang höher zu bewertende Tätigkeiten anfallen. Unerheblich ist, ob die Tätigkeitsmerkmale innerhalb des Arbeitsvorganges zu 10 %, 20 % oder 45 % oder anders erfüllt sind. Der gesamte Arbeitsvorgang erfüllt dann die Anforderungen.

75

Für den vorliegenden Rechtsstreit bedeutet das, dass ausreichend ist, dass in dem einzelnen Arbeitsvorgang des Klägers die hohe Funktionsvielfalt zumindest teilweise vorgelegen hat. Die Voraussetzungen der hohen Funktionsvielfalt sind daher erfüllt.

76

3.3.3

Darüber hinaus hebt sich die Tätigkeit des Klägers durch die Größe des von ihm auszufüllenden Gestaltungsspielraums aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 BAT heraus.

77

Hierzu lautet die Protokollnotiz Nr. 2:

78

Ein großer Gestaltungsspielraum ist beim Entwurf, bei der Auswahl oder bei der Optimierung und Fortentwicklung von Systemsoftware oder von Hardware-Konfigurationen gegeben.

79

Zum einen besteht insoweit zwischen den Parteien kein Streit, zum anderen ergibt sich die Erfüllung dieses Tarifmerkmals bereits aus der Definition durch die Protokollnotiz. Ein großer Gestaltungsspielraum ist unter anderem auch bei der Fortentwicklung von Systemsoftware gegeben. Zumindest auf einem Teilgebiet sind dem Kläger der Entwurf, die Auswahl, die Bereitstellung, die Implementierung, die Überwachung, die Optimierung oder die Fortentwicklung der einzusetzenden bzw. der eingesetzten Software-Komponenten übertragen, ebenso wie die Beratung und Unterstützung übertragen, so dass das Vorliegen dieses Tarifmerkmals offensichtlich ist, zumal ausreichend ist, dass innerhalb des (der) Arbeitsvorgänge die tarifliche Anforderung der Größe des Gestaltungsspielraumes mindestens teilweise vorliegt (s. Ausführungen oben).

80

3.3.4

Darüber hinaus sind auch sowohl der volle Ablauf der Bewährungszeit als auch eine Bewährung im tariflichen Sinne gegeben.

81

Der Kläger übt die von ihm vorgetragenen Tätigkeiten seit 01.10.1983 ununterbrochen aus, so dass die geforderte sechsjährige Bewährung am 01.10.1989 abgelaufen ist.

82

Der Kläger hat sich auch - entgegen der Auffassung der Beklagten - im tariflichen Sinne bewährt (§ 23 a Nr. 1 und 2 BAT n.F.). Das Erfordernis der Bewährung ist erfüllt, wenn der Angestellte während der vorgeschriebenen Bewährungszeit sich den in der ihm übertragenen Tätigkeit auftretenden Anforderungen gewachsen gezeigt hat. Maßgebend ist hierbei die Tätigkeit, die der Vergütungsgruppe entspricht, in der der Angestellte eingruppiert ist. Der Angestellte muss nicht besonders gute oder mindestens "befriedigende" Leistungen erbracht haben. Es reicht vielmehr, wenn er sich den in seiner auszuübenden Tätigkeit auftretenden Anforderungen gewachsen gezeigt hat. Orientiert an der üblichen Notenvergabe heißt das: Die Leistungen des Angestellten müssen mindestens als "ausreichend" bewertet werden können. Dem Angestellten dürfen durchaus im Bürobetrieb übliche Fehler unterlaufen. Eine fehlerlose Leistung kann nicht gefordert werden (BAG Urteil vom 31.05.1972 - 4 AZR 310/71 - AP Nr. 53 zu §§ 22, 23 BAT; Urteil vom 02.12.1981 - 4 AZR 383/79 - AP Nr. 6 zu § 75 BPersVG). Die Bewährung ist zwar anspruchsbegründendes Merkmal, dessen tatsächliche Voraussetzungen vom Angestellten im Streitfall darzulegen und zu beweisen sind (vgl. BAG Urteil vom 04.11.1969 - 4 AZR 550/68 - AP Nr. 7 zu § 23 a BAT). Da dem Angestellten jedoch keine anderen Beweismittel zur Verfügung stehen, genügt dieser seiner Beweispflicht, wenn er vorträgt, er habe seine auszuübende Tätigkeit ohne entscheidungserhebliche Beanstandungen ausgeübt.

83

Da vorliegend auch seitens des Arbeitgebers, der Beklagten, keinerlei Einwände hinsichtlich der beanstandungsfreien Leistung des Klägers in dem Zeitraum vom 01.10.1983 bis zum 30.09.1989 vorgetragen worden sind, war von einer Bewährung des Klägers im tariflichen Sinne auszugehen.

84

Insgesamt war daher festzustellen, dass der Kläger die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 des BAT ab 01.10.1983 ebenso wie die Bewährung im tariflichen Sinne und die Bewährungszeit von sechs Jahren bis zum 30.09.1988 erfüllt, so dass er ab 01.10.1989 in Vergütungsgruppe III Fallgruppe 3 des BAT (Angestellte in der DV-Systemtechnik) tarifgerecht eingruppiert ist und entsprechende Vergütung zu beanspruchen hat.

85

4.

Dieses Ergebnis wird von folgender Zusatzüberlegung unterstützt: Durch die Entscheidung in dem Beschlussverfahren 1 BV 9/95 vom 05.09.1996 des Arbeitsgerichts Göttingen ist rechtskräftig festgestellt worden, dass der Kläger in der Zeit vom 01.10.1983 bis zum 30.04.1984 in Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 des BAT, die nach sechsjähriger Bewährungszeit die Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe III BAT vorsieht, eingruppiert ist. Diese Entscheidung hat für den Arbeitgeber rechtliche Verbindlichkeit. Nach der Rechtsprechung des BAG (Beschluss vom 03.05.1994 - 1 ABR 58/93 - AP Nr. 2 zu § 99 BetrVG 1972 "Eingruppierung") muss eine gerichtlich erzwungene Eingruppierung für den Arbeitgeber auch rechtliche Verbindlichkeit entfalten. Dies folgt daraus, dass in § 99 Abs. 4 BetrVG für den Fall, dass Arbeitgeber und Betriebsrat unterschiedlicher Auffassung über die zutreffende Eingruppierung sind, die gerichtliche Klärung vorgeschrieben ist. Die gesetzliche Regelung wäre widersprüchlich, wenn sie so zu verstehen wäre, dass die gerichtliche Entscheidung für den Arbeitgeber nur die Bedeutung einer unverbindlichen Meinungsäußerung hätte. Zum Wesen der Gerichtsentscheidung, mit der ein Verfahren beendet wird, gehört ihre Verbindlichkeit für die Verfahrensbeteiligten. Daraus folgt, dass jedenfalls dann, wenn ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG stattgefunden hat - wie vorliegend das Beschlussverfahren 1 BV 9/95 des Arbeitsgerichts Göttingen -, eine gerichtlich als zutreffend festgestellte Eingruppierung für den Arbeitgeber im Verhältnis zu dem betroffenen Arbeitnehmer verbindlich ist. Diese Wirkung tritt zumal dann ein, wenn das Gericht die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung ersetzt hat.

86

Mit dieser Entscheidung ist bereits rechtskräftig und für die Beklagte verbindlich festgestellt worden, dass der Kläger für die Zeit vom 01.10.1983 bis zum 30.09.1984 zu Recht in der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 BAT eingruppiert ist und entsprechend die tariflichen Merkmale, wie insbesondere "Aufgaben mit einer hohen Funktionsvielfalt selbständig bearbeiten" und "Heraushebung der Tätigkeit durch die Größe des von ihm auszufüllenden Gestaltungsspielraums" zu mindestens 50 % der Gesamtarbeitszeit vorliegen.

87

Gerade im Hinblick darauf, dass weder der Kläger noch die Beklagte von einer Änderung des Aufgabenbereiches in der Folgezeit (der Bewährungszeit bis zum 30.09.1989) ausgegangen sind und die Arbeitsinhalte des Klägers als unverändert vorgetragen haben, muss - wie das Arbeitsgericht Göttingen zu Recht ausgeführt hat - diesem Umstand mindestens Indizwirkung auch für die Zukunft beigemessen werden.

88

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

89

IV.

Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen worden.