Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.06.2001, Az.: 5 Sa 1832/00
Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 11.06.2001
- Aktenzeichen
- 5 Sa 1832/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 10905
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2001:0611.5SA1832.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Lüneburg - 14.09.2000 - AZ: 2 Ca 1545/00
- nachfolgend
- BAG - 05.12.2002 - AZ: 2 AZR 549/01
Fundstellen
- BB 2001, 2379-2380 (amtl. Leitsatz)
- NZI 2002, 53
- ZInsO 2002, 48 (red. Leitsatz)
- schnellbrief 2002, 4-5
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit geringfügig unterschiedlichen Arbeitszeiten sind im Rahmen der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG einander jedenfalls dann vergleichbar, wenn der kündigungsbedrohte Arbeitnehmer die fortbestehende Arbeitsstelle übernehmen kann, ohne dass eine Anpassung anderer Arbeitsverträge erforderlich wird. Nach den Entscheidungen des BAG vom 03.12.1998 - 2 AZR 341/98 - einerseits sowie des EUGH vom 26.09.2000 - C - 322/98 - andererseits bleibt offen, inwieweit darüber hinaus auch Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Arbeitszeiten in die soziale Auswahl einzubeziehen sind.
- 2.
Nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen sind Arbeitnehmer, bei denen die ordentliche Kündigung durch Tarifvertrag ausgeschlossen ist, sofern der Arbeitsplatzschutz drittbetroffener Arbeitnehmer in der tarifvertraglichen Regelung nicht nur ganz ungenügend berücksichtigt wurde.
- 3.
Innerhalb der Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer sind in erster Linie die sozialen Gesichtspunkte der Dauer der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters sowie der aktuellen Unterhaltspflichten zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber kann eine Vorauswahl mit Hilfe eines Auswahlschemas treffen; die abschließende Entscheidung muss stets durch eine "Handsteuerung" erfolgen. Eine solche Vorauswahl ist nur zulässig, wenn in dem Schema die maßgeblichen sozialen Gesichtspunkte in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander berücksichtigt sind. Ist das Auswahlschema nicht zwischen den Betriebs- bzw. Tarifvertragsparteien nach § 1 Abs. 4 KSchG schriftlich vereinbart, steht dem Arbeitgeber dabei nur ein gewisser Wertungsspielraum zu; das Ergebnis ist dann nicht nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen (entgegen LAG Köln 03.05.2000 - 2 Sa 272/00 -).
- 4.
Als nicht mehr ausgewogen ist ein Auswahlschema anzusehen, das im Ausgangspunkt für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit und für jedes volle Lebensjahr gleichermaßen einen Punkt vorsieht und für verheiratete Arbeitnehmer zusätzlich 8 Punkte vergibt. Hat ein Arbeitgeber dieses Schema, das vom BAG im Urteil vom 18.01.1990 - 2 AZR 357/89 - noch als zulässig angesehen worden ist, im Vertrauen auf diese Rechtsprechung angewendet, kann ihm daraus allerdings kein Nachteil entstehen (zum Vertrauensschutz bei der Veränderung von Handlungspflichten durch die Rechtsprechung zuletzt BAG 18.01.2001 - 2 AZR 616/99).
- 5.
Der Auswahlfehler durch den Arbeitgeber begründet nur dann die Unwirksamkeit der Kündigung, wenn die soziale Auswahl auch unter Berücksichtigung des Wertungsspielraums eindeutig fehlerhaft ist. Sie ist folglich nicht zu beanstanden, wenn der Kläger auch bei zutreffender Würdigung der Sozialdaten und bei jedem zulässigen Abwägungsergebnis zur Kündigung angestanden hätte.
In dem Rechtsstreit
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 11.06.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 14.09.2000 - 2 Ca 1545/00 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
Die Klägerin absolvierte in der Zeit vom 01.09.1989 bis zum 31.08.1990 das "Anerkennungsjahr" zur Erzieherin bei der Beklagten, die in B. einen Kindergarten betreibt und regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Anschließend wurde die Klägerin ununterbrochen als Erzieherin beschäftigt, zunächst auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages vom 15.08.1990 bis zum 31.07.1991 mit 33 Stunden wöchentlich, ab dem 19.08.1991 im Rahmen eines unbefristeten Vertrages mit 25 Stunden wöchentlich, dann vom 01.03.1992 an wiederum befristet bis zum 31.07.1993 im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung. Das Arbeitsverhältnis wurde über den 31.07.1993 fortgesetzt, wobei die wöchentliche Arbeitszeit jeweils durch Nachtrag zum Dienstvertrag mehrfach neu festgesetzt wurde. Unter dem 17.06.1994 vereinbarten die Parteien eine Wochenarbeitszeit von 30 Stunden, am 27.09.1994 wurde die Arbeitszeit auf 38,5 Stunden angehoben, unter dem 18.04.1996 auf 25 Stunden abgesenkt, am 08.07.1997 auf 23/75 Stunden festgesetzt und am 17.12.1999 schließlich auf 26,25 Stunden angehoben. In diesem Umfang war die Klägerin zuletzt bei der Beklagten beschäftigt.
Die Beklagte unterhält in dem Kindergarten Gruppen, die sie jeweils halbtäglich betreut. Zu 4 relativ gleichmäßig belegten Vormittags- und einer Nachmittagsgruppe, die aus etwa 25 Kindern besteht, richtete die Beklagte am 01.12.1999 für den Nachmittag eine Kleingruppe für weitere 10 Kinder ein. Eine Kleingruppe wird von der Erzieherin alleine betreut, während für eine volle Gruppe 2 Erzieherinnen vorgesehen sind.
Aufgrund rückläufiger Anmeldungen entschied die Beklagte, für das Kindergartenjahr 01.08.2000 bis 31.07.2001 die Kleingruppe wieder zu schließen.
Für den Betrieb der verbleibenden 5 Gruppen benötigte sie von den vertraglich zur Verfügung stehenden 300 Mitarbeiterstunden pro Woche einschließlich der Vorbereitungs- und Sonderzeiten nur 275 Mitarbeiterstunden wöchentlich.
Die Beklagte fasste daraufhin den Entschluss, von den 10 bei ihr beschäftigten Erzieherinnen der Klägerin betriebsbedingt zu kündigen, wobei sie die Auswahlentscheidungen mit Hilfe folgenden, mit der Mitarbeitervertretung abgestimmten Schemas traf:
"Auswahlgesichtspunkte (Sozialauswahl) bei "Ordentlicher Kündigung"
Grunddaten für die Auswahl:
- a)
Dauer der Betriebszugehörigkeit
Die aktuelle Beschäftigungszeit und die frühere Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber
- b)
Lebensalter des/der Mitarbeiter/in
Vorruhestand, Altersteilzeitarbeit und Rentenbezugsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen
- c)
Unterhaltsverpflichtungen
Gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen/-ansprüche, Verdienst des Ehegatten - insbes. Doppelverdienst
- d)
Sonstige Gründe
Arbeitsmarktchancen
Vermögensverhältnisse bleiben außer Betracht, weil auf der privaten Lebensführung des/der Mitarbeiters/in beruhend und kündigungsrechtlich irrelevant sind
Gesundheitszustand
Punkteschema für die Gewichtung der Kriterien
1. | je Dienstjahr Betriebszugehörigkeit | 1 | Punkt |
---|---|---|---|
ab dem 11. Dienstjahr je Dienstjahr | 2 | Punkte | |
bis max. zum 55. Lebensjahr, d. h. max. | 70 | Punkte | |
2. | Lebensalter für jedes volle Lebensjahr | 1 | Punkt |
bis max. zum 55. Lebensjahr, d. h. max | 55 | Punkte | |
3. | je unterhaltsberechtigtem Kind | 4 | Punkte |
verheiratet | 8 | Punkte | |
4. | Schwerbehinderung bis 50 % | 5 | Punkte |
über 50 % je 10 % | 1 | Punkt | |
5. | Endgültige Auswahl unter Abwägung weiterer Gesichtspunkte wie z. B. Pflegebedürftigkeit von Familienmitgliedern, Schwierigkeiten bei der Arbeitsvermittlung, Alleinverdienerschaft, soziale Härten im Einzelfall." |
Von den Erzieherinnen bezog die Beklagte die Leiterin des Kindergartens sowie die Mitarbeiterinnen mit tariflichem Sonderkündigungsschutz nicht mit in die soziale Auswahl ein und traf die Auswahlentscheidung somit zwischen der Klägerin und den mit jeweils 23,75 Stunden wöchentlich beschäftigten Kolleginnen E., Claudia B. und M., wobei Frau M. zusätzlich 5 Stunden Mittagsdienst versehen hat. Bei Anwendung des Schemas ergibt sich aufgrund folgender, von der Beklagten berücksichtigter Sozialdaten die nachstehende Reihenfolge:
- Die am 30.01.1949 geborene Frau E. ist verheiratet, seit dem 15.11.1997 bei der Beklagten beschäftigt: 61 Punkte.
- Die am 14.06.1964 geborene Frau M. ist ledig, seit dem 01.04.1988 bei der Beklagten beschäftigt: 53 Punkte.
- Die am 19.03.1968 geborene Frau B. ist verheiratet, seit dem 01.10.1991 bei der Beklagten beschäftigt: 48 Punkte. Frau B. ist Mutter zweier unterhaltsberechtigter Kinder, die nicht mitberücksichtigt wurden.
- Die am 28.01.1969 geborene Klägerin ist ledig, seit dem 19.08.1991 bei der Beklagten beschäftigt: 40 Punkte. Das befristete Arbeitsverhältnis ab dem 15.08.1990 wurde ebensowenig berücksichtigt wie Zeiten des davor liegenden Anerkennungsjahres.
Die Beklagte sah keinen Anlass, von dem Ergebnis der Vorauswahl in ihrer Kündigungsentscheidung abzuweichen.
Die Beklagte bemühte sich vergeblich, im Rahmen eines Arbeitsplatzsicherungsverfahrens nach der Dienstvertragsordnung der Klägerin einen vergleichbaren Arbeitsplatz bei anderen Trägern des kirchlichen oder diakonischen Dienstes in räumlicher Nähe zu vermitteln; sie selbst verfügte über keine anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten.
Sie beantragte zunächst unter dem 11.05.2000 und nach Abschluss des Arbeitsplatzsicherungsverfahrens mit Schreiben vom 14.07.2000 nochmals die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Zusätzlich zu den schriftlichen Anträgen erörterte Herr R. als Personalsachgebietsleiter des Kirchenamtes mit dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung G. die vorstehenden Kündigungsgründe.
Am 11.07.2000 beschloss der Kirchenvorstand die Kündigung. Dieser Beschluss wurde vom Kirchenkreisvorstand als zuständiger Aufsichtsbehörde am 12.07.2000 genehmigt.
Mit Schreiben vom 28.07.2000 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31.12.2000.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und daher unwirksam. Sie hat das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse bestritten. Durch die Einführung der Kleingruppe am Nachmittag sei das Personal nicht aufgestockt worden, folglich könne auch die Schließung dieser Gruppe wirtschaftliche Zwänge zur Kündigung nicht begründen. Die Anmeldung der Kinder unterliege naturgemäß Schwankungen, auf die die Beklagte in der Vergangenheit jeweils durch Anpassung der Stundenzahlen reagiert habe.
Außerdem habe die Beklagte eine fehlerhafte soziale Auswahl getroffen, weil die Erzieherinnen E. und B. sozial weniger schutzbedürftig seien. Die Beklagte könne ihre Auswahlentscheidung auch nicht mit dem angewandten Punkteschema rechtfertigen, indem die Dauer der Betriebszugehörigkeit im Verhältnis zum Lebensalter und dem Personenstand unausgewogen berücksichtigt sei. Es sei nicht angemessen, wenn eine verheiratete Arbeitnehmerin 8 Punkte erhalte, obwohl sie aufgrund der Unterhaltsberechtigung gegenüber ihrem Ehemann weniger auf den Arbeitsplatz angewiesen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 28.07.2000 zum 31.12.2000 unwirksam ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Die Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin sei weggefallen, weil infolge unzureichender Anmeldungen nur noch eine Nachmittagsgruppe habe gebildet werden können. Die soziale Auswahl, die sie in Absprache mit der Mitarbeitervertretung unter Berücksichtigung des Punkteschemas vorgenommen habe, sei nicht zu beanstanden. Für die Klägerin habe sich mit Abstand die geringste Punktzahl errechnet.
Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 14.09.2000 mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte habe eine unzutreffende soziale Auswahl vorgenommen. Bei der Beurteilung, ob sie im Hinblick auf die Kündigung der Klägerin soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt habe, sei das Gericht nicht an das von ihr zugrunde gelegte Punktesystem gebunden gewesen. Für die Anwendung eines solchen Punktesystems fehle eine gesetzliche Legitimation. Die Beurteilung hänge vielmehr wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab. Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Gesichtspunkte, nämlich der Dauer der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters und der Unterhaltspflichten, sei festzustellen, dass Frau B. bei im Ergebnis gleichwertiger Betriebszugehörigkeit und Lebensalter "wesentlich" weniger schutzbedürftig sei. Beide Arbeitnehmerinnen hätten keine unterhaltsberechtigten Kinder. Frau B. sei im Gegensatz zu der Klägerin aber verheiratet. Zwar sei sie damit ihrem Ehemann gegenüber theoretisch unterhaltsverpflichtet, tatsächlich sei sie ihm gegenüber aber auch unterhaltsberechtigt. Daraus folge, dass die Klägerin dringender auf den Arbeitsplatz angewiesen sei als Frau B., die auf die existenzsichernden Einkünfte ihres Ehemanns zurückgreifen könne.
Das Urteil ist der Beklagten am 22.09.2000 zugestellt worden. Mit ihrer am 16.10.2000 eingelegten und zugleich begründeten Berufung verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie berichtigt ihren erstinstanzlichen Vortrag, den sie auch der sozialen Auswahl zugrunde gelegt hat, dahin, dass Frau B. zwei unterhaltsberechtigte Kinder im Alter von 7 und 10 Jahren habe. Beide Kinder hätten zusätzlich mit je 4 Punkten bewertet werden müssen. Die Punktetabelle sei auch rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte behauptet, das Schema sei mit der Mitarbeitervertretung vereinbart worden, und meint deshalb, es sei nur auf grobe Unbilligkeit zu überprüfen.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 14.09.2000 - 2 Ca 1545/00 - die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung vor allem mit der Auffassung, das von der Beklagten angewandte Punkteschema sei nicht geeignet, eine sachgerechte Sozialauswahl durchzuführen. Die Anwendung des Schemas führe zu einer überproportionalen Wertigkeit des Lebensalters und des Familienstands der Ehe, die ohnehin - wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt habe - zu einer Absicherung des verheirateten Arbeitnehmers führe und deshalb einen zusätzlichen sozialen Schutz vor dem Verlust des Arbeitsplatzes nicht begründen könne. Die dadurch erworbene Punktzahl ließe sich im Ergebnis durch andere Sozialfaktoren nicht mehr kompensieren. Dies wirke sich im Verhältnis zu der Kollegin ... E. aus, die erst 2 Jahre bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei (2 Punkte) und durch die Überbetonung des Lebensalters (51 Punkte) sowie des Familienstandes (8 Punkte) im Ergebnis einen uneinholbaren Vorsprung aufweise. Ihre eigene Betriebszugehörigkeit mit 9 Jahren, wobei die Beklagte selbst ohne das Anerkennungsjahr richtigerweise von 10 Jahren habe ausgehen müssen, sei dagegen in ihrer Wertigkeit nicht angemessen berücksichtigt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Gründe
I.
Die nach dem Beschwerdewert statthafte (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und form- sowie fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 518 Abs. 1 und 2, 519 Abs. 2 und 3 ZPO) ist zulässig.
II.
Sie ist auch begründet, weil die Klage unbegründet ist. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat durch die Kündigung der Beklagten vom 28.07.2000 mit Ablauf des 31.12.2000 geendet.
1.
Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam, weil sie nicht sozial ungerechtfertigt ist.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Das Arbeitsverhältnis ist am 15.08.1990 begründet worden und hat damit zum Zeitpunkt der Kündigung länger als 6 Monate bestanden, so dass die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt ist. Die Beklagte ist von dem Kündigungsschutz auch nicht ausgenommen. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als 5 Arbeitnehmer im Sinne des § 23 KSchG und fällt damit nicht unter die "Kleinbetriebsklausel". Die Klägerin hat ihre Klage am 14.08.2000 innerhalb der 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG erhoben.
2.
Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG unter anderem dann, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Kündigung entgegenstehen, bedingt ist. Nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG liegt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen beim Arbeitgeber.
a)
Betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich aus inner- oder außerbetrieblichen Gründen ergeben, auf deren Grundlage der Unternehmer eine Entscheidung trifft, in deren Konsequenz der Beschäftigungsbedarf für den gekündigten Arbeitnehmer wegfällt. Die unternehmerische Entscheidung ist dabei nach ständiger Rechtsprechung nur darauf zu überprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. nur BAG 09.05.1996 - 2 AZR 438/95 - NZA 1996, 1145 [BAG 09.05.1996 - 2 AZR 438/95] = EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 85 m. Anm. Franzen). Liegen die Unternehmerentscheidung und die kontrollbedürftige Kündigung nahe beieinander, muß der Arbeitgeber sein Konzept anhand nachvollziehbaren Sachvortrags verdeutlichen (zur deshalb erforderlichen Abstufung der Darlegungs- und Beweislast BAG 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 - NZA 1999, 1098 = EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102 m. Anm. Rieble). Die Gerichte müssen nämlich in die Lage versetzt werden, vorgeschobene von wirklichen unternehmerischen Konzepten zu unterscheiden (ausführlich APS/Kiel § 1 KSchG Rd-Nr. 465 ff.). Voll nachzuprüfen haben die Gerichte dagegen, ob der Arbeitgeber die Unternehmerentscheidung überhaupt getroffen hat und ob dadurch ein Überhang an Arbeitskräften in einem Bereich entstanden ist, in dem der gekündigte Arbeitnehmer beschäftigt ist; nicht abzustellen ist auf den Wegfall eines konkreten räumlichen bzw. gegenständlichen Arbeitsplatzes (vgl. BAG 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 - a. a. O. und APS/Kiel § 1 KSchG Rd-Nr. 472).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze liegen betriebliche Erfordernisse vor. Die Beklagte hat die rückläufigen Anmeldungen, bei denen es sich um einen außerbetrieblichen Umstand handelt, zum Anlass genommen, die am 01.12.1999 zusätzlich eingerichtete Kleingruppe für das Kindergartenjahr 01.08.2000 bis 31.07.2001 wieder zu schließen und aufgrund der Tendenz der Anmeldungen auch in absehbarer Zeit nicht wieder anzubieten. Selbst wenn die Anmeldung von Kindern naturgemäß Schwankungen unterliegt, ist die Einschätzung der Beklagten und die daraufhin getroffene unternehmerische Entscheidung unter dem Gesichtspunkt einer Willkürkontrolle nicht zu beanstanden. Es besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Prognose offensichtlich unzutreffend ist. Die Streichung einer Kindergartengruppe und damit eröffneten Möglichkeit der Reduzierung des Personals trägt zur Kostenentlastung bei. Es besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass durch die Streichung der Nachmittagsgruppe gesetzliche Anforderungen oder das selbstbestimmte Betreuungskonzept in Frage gestellt werden. Die angemeldeten Kinder können von den verbleibenden Erzieherinnen-/Kinderpflegerinnen in den 4 Vormittags- sowie der Nachmittagsgruppe betreut werden. Für den Betrieb der verbleibenden 5 Gruppen benötigt die Beklagte von den ihr vertraglich zur Verfügung stehenden 300 Mitarbeiterstunden pro Woche einschließlich der Vorbereitungs- und Sonderzeiten nur 275 Mitarbeiterstunden. Der infolge der Schließung der Kleingruppe entstandene Überhang von 25 Stunden entspricht in etwa dem Beschäftigungsvolumen der Klägerin, die zuletzt 26/25 Stunden wöchentlich bei der Beklagten beschäftigt gewesen ist. Der Überhang von 1/25 Stunden betrifft Vorbereitungs- und Sonderzeiten, die von anderen Mitarbeiterinnen im Rahmen ihrer vertraglichen Arbeitszeit mit wahrgenommen werden können.
b)
Die somit vorliegenden betrieblichen Erfordernisse müssen weiterhin "dringende" sein. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch Kündigung entsprochen werden kann (BAG 26.06.1997 - 2 AZR 494/96 - NZA 1997, 1286 = EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 93). Auch insoweit kann es sich allerdings als problematisch erweisen, wenn ein Gericht, welches die Möglichkeiten anderer betriebsorganisatorischer Maßnahmen prüft, letztlich die organisatorische Zweckmäßigkeit einer unternehmerischen Entscheidung durch eine eigene ersetzt (dazu ausführlich APS/Kiel § 1 KSchG Rd-Nr. 563 ff. m. w. Nachw.). Soweit im vorliegenden Fall daran zu denken ist, dass die Beklagte eine Kündigung der Klägerin dadurch hätte vermeiden können, dass sie - wie schon in der Vergangenheit - den ordentlich kündbaren Erzieherinnen gekürzte Stundenverpflichtungen anbietet und gegebenenfalls entsprechende Änderungskündigungen ausspricht, würde dies bei einem einzusparenden Stundenvolumen von 25 Stunden nicht nur für die einzelnen Erzieherinnen zu einem beträchtlichen Einschnitt führen. Darin bestände auch für die Beklagte ein Eingriff in ihr unternehmerisches Gestaltungsermessen. Danach steht es einem Arbeitgeber frei zu entscheiden, ob er zur Vermeidung von Beendigungskündigungen eine Mehrzahl von Änderungskündigungen ausspricht oder ob er auf das gesunkene Beschäftigungsvolumen durch Kündigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer reagiert (BAG 24.04.1997 - 2 AZR 352/96 - NZA 1997, 1047 = EzA § 2 KSchG Nr. 26 m. Anm. Henssler). Mit Ausnahme der besonders geregelten sozialen Auswahl ist das Kündigungsschutzgesetz vertragsbezogen, sodass der Arbeitgeber nicht zu einem Eingriff in Arbeitsverhältnisse anderer Arbeitnehmer gezwungen werden kann (APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 578).
c)
Die dringenden betrieblichen Erfordernisse "bedingen" auch eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, weil für die Klägerin keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Eine Kündigung ist nämlich nur dann nicht erforderlich, wenn ein anderer freier und geeigneter Arbeitsplatz beim Arbeitgeber vorhanden ist und mit dem anderenfalls zu kündigenden Arbeitnehmer besetzt werden könnte (BAG 15.12.1994 - 2 AZR 327/94 - NZA 1995, 521 = EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 75 m. Anm. von Hoyningen-Huene; APS/Kiel § 1 KSchG Rd-Nr. 600 ff.).
Soweit die Beklagte durch die sogenannte Sicherungsordnung (Anlage 9 zur Dienstvertragsordnung) verpflichtet ist, das nach Nr. 4 vorgesehene sogenannte Arbeitsplatzsicherungsverfahren durchzuführen, liegt darin eine über § 1 Abs. 2 KSchG hinausgehende Verpflichtung. Auch der Versuch, der Klägerin einen vergleichbaren Arbeitsplatz bei einem anderen Anstellungsträger des kirchlichen oder diakonischen Dienstes in räumlicher Nähe nachzuweisen, ist jedoch erfolglos geblieben.
3.
Auch die von der Beklagten getroffene soziale Auswahl hält im Ergebnis einer gerichtlichen Überprüfung stand.
a)
Eine aus dringenden betrieblichen Erfordernissen ausgesprochene Kündigung ist nach § 1 Abs. 3 KSchG trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Berücksichtigung des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Fallen also in einem Betrieb Beschäftigungsmöglichkeiten weg, hat der Arbeitsgeber durch eine soziale Auswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG zu entscheiden, welche der zur Kündigung anstehenden, vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebes er weiterbeschäftigen kann bzw. muss. Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG hat dabei der Arbeitnehmer die Tatsachen zu beweisen, die zur Annahme eines Auswahlfehlers führen.
aa)
Die soziale Auswahl findet nur zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern statt. Vergleichbar sind solche Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie nach dem Vertragsinhalt einander austauschbar sind.
Die Frage, ob vollzeit- und teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer oder teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Arbeitszeiten einander vergleichbar sind, ist vom BAG grundsätzlich bejaht worden (03.12.1998 - 2 AZR 341/98 - NZA 1999, 431 [BAG 03.12.1998 - 2 AZR 341/98] = EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl m. Anm. von Preis/Bütefisch, sofern dem keine entgegenstehende Organisationsentscheidung voransteht; zustimmend APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 681; instruktiv Bütefisch, die Sozialauswahl, S. 160 ff.). Sie ist nach der neueren Rechtsprechung des EUGH jedoch wieder offen (EUGH 26.09.2000 - C-322/98 - NZA 2000, 1155 = EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 45). Eine vertragliche Austauschbarkeit ist trotz geringfügiger Unterschiede der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit jedenfalls dann anzunehmen, wenn der kündigungsbedrohte Arbeitnehmer den fortbestehenden Arbeitsplatz übernehmen kann, ohne dass dadurch eine Anpassung anderer Arbeitsverträge erforderlich wird (vgl. Bütefisch a. a. O. S. 179).
Nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen sind dagegen Arbeitnehmer, bei denen die ordentliche Kündigung durch Tarifvertrag ausgeschlossen ist (unter anderem Bütefisch a. a. O. S. 145; Erfurter Kommentar/Ascheid § 1 KSchG Rn. 513; KR/Etzel § 5 KSchG Rd-Nr. 679; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis Rn. 662; anderer Auffassung Münchner Arbeitsrecht/Berkowsky § 135 Rn. 103; Hueck/von Hoyningen Huene § 1 KSchG Rn. 458; Linck AR-Blattei SD 1020.1.2 Rn. 36 ff.). Nur wenn der Kündigungsausschluss die drittbetroffenen Arbeitnehmergruppen in Ausnahmefällen sachwidrig benachteiligt, indem deren durch Artikel 12 GG abgesicherter Arbeitsplatzschutz nur ganz ungenügend berücksichtigt worden ist, bedarf es einer verfassungkonformen Reduktion der Tarifnorm (dazu APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 696 f.).
bb)
Die in § 1 Abs. 3 KSchG vorausgesetzten "sozialen Gesichtspunkte" sind ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in der aktuellen gesetzlichen Fassung nicht näher konkretisiert ist. Wesentliche soziale Gesichtspunkte sind jedenfalls die drei Grunddaten der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters und der Unterhaltspflichten, auch wenn die zwischenzeitliche gesetzliche Beschränkung auf diese drei Kriterien seit dem 01.01.1999 wieder aufgegeben worden ist (LAG Köln 03.05.2000 - 2 Sa 272/00 - LAGE § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 33; APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 706). Keinem dieser drei sozialen Gesichtspunkte kommt ein allgemeiner Vorrang zu; entscheidend ist die Abwägung im Einzelfall. Punktesysteme zur Systematisierung führen nicht in jedem Fall zu einer richtigen sozialen Auswahl, weil sie das Gewicht der sozialen Gesichtspunkte schematisch festlegen (LAG Köln 02.05.2000 - 2 Sa 272/00 - a. a. O. und BAG 24.03.1983 - 2 AZR 21/82 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 21). Der Arbeitgeber kann folglich zwar eine Vorauswahl anhand eines Punkteschemas vornehmen, bei dem die drei Grunddaten angemessen berücksichtigt werden; er muß aber stets eine einzelfallbezogene Abschlussprüfung durchführen (BAG 18.01.1990 - 2 AZR 357/89 - NZA 1990, 729 = EzA § 1 KSchG soziale Auswahl Nr. 28). Ein Schema kann folglich ein Hilfsmittel sein, den Abwägungsvorgang aber nicht ersetzen; eine "Handsteuerung" ist unverzichtbar (APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 728; Bütefisch a. a. O. S. 275).
Der Arbeitgeber muß soziale Gesichtspunkte dabei nur "ausreichend" berücksichtigen; ihm ist damit ein "gewisser Wertungsspielraum" eingeräumt (BAG 18.01.1990 - 2 AZR 357/89 - NZA 1990, 730 [BAG 18.01.1990 - 2 AZR 357/89] = EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 28), sodass sich in Grenzfällen mehrere Entscheidungen als zutreffend erweisen können (APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 726 m. w. N.). Weitergehend hat das LAG Köln im Urteil vom 03.05.2000 (2 Sa 272/00 - a. a. O.) unter Berufung auf KR/Etzel § 1 KSchG Rn. 694) entschieden, dass nur eine "grob fehlerhafte" Gewichtung von Sozialdaten zur Sozialwidrigkeit einer Kündigung führe. Der Arbeitgeber müsse jedes Kriterium überhaupt und in nicht unbeachtlichem Umfang berücksichtigen. Dieser Kontrollrahmen ist dem Berufungsgericht im Rahmen der Vorgaben des § 1 Abs. 3 KSchG - im Gegensatz zu dem groberen Prüfungsraster nach § 1 Abs. 4 KSchG - zu weit gefasst (ebenso Bütefisch a. a. O. S. 269).
cc)
Das BAG hat das von der Beklagten angewandte Prüfungsschema als Maßstab für eine Vorauswahl im Urteil vom 18.01.1990 (2 AZR 357/89) gebilligt. Es handelte sich dabei im entschiedenen Fall zwar um einen mit dem Betriebsrat vereinbarten Interessenauserleich/Sozialplan. Da den Betriebsparteien zum damaligen Zeitpunkt aber kein erweiterter Beurteilungsrahmen nach § 1 Abs. 3 KSchG zur Verfügung stand, konnte auch der einzelne Arbeitgeber auf das vom BAG nicht beanstandete Punkteschema in der Vorauswahl zurückgreifen. Dieses Urteil ist vielfach veröffentlicht und in sämtlichen einschlägigen Kommentierungen als Beispiel für Grundsätze einer zulässigen Vorauswahl zitiert. Das Berufungsgericht wendet diese Rechtsprechung deshalb auf den vorliegenden Fall aufgrund eines Vertrauensschutzes trotz grundlegender Bedenken an der Ausgewogenheit der Bewertungsfaktoren an. Im einzelnen gilt:
Es ist schon sehr zweifelhaft, ob die Dauer der Betriebszugehörigkeit, bei der es sich um den sozialen Gesichtspunkt handelt, den der Arbeitnehmer sich selbst erarbeitet, im Verhältnis zum Lebensalter angemessen berücksichtigt ist, wenn beide Sozialdaten mit einem Punkt pro Jahr bewertet werden (offen gelassen LAG Köln 03.05.2000 - 2 Sa 272/00 a. a. O.; ablehnend von Hoyningen-Huene/Linck DB 1997, 44; kritisch auch Kiel/Koch, Die betriebsbedingte Kündigung, Rn. 354: "jedenfalls kein grober Auswahlfehler nach § 1 Abs. 4 KSchG"). Kommt aber hinzu, dass allein der Personenstand mit 8 Punkten der Ehe bewertet (und folglich erst nach 8-jähriger Betriebszugehörigkeit ausgeglichen wird), ergibt sich daraus, dass ein erheblich älterer verheirateter Arbeitnehmer aufgrund allein dieser beiden Sozialdaten einen solchen Schutz genießt, dass auch eine lange Betriebszugehörigkeitsdauer dieses nicht aufwiegen kann, selbst wenn für die zu erreichenden Punktzahlen Obergrenzen festgelegt sind. Zwar ist das Berufungsgericht nicht der Auffassung der Vorinstanz, dass ein lediger Arbeitnehmer grundsätzlich schutzbedürftiger ist als ein verheirateter und somit unterhaltsberechtigter Arbeitnehmer mit verdienendem Ehepartner. Diese Sichtweise verkennt, dass der verheiratete Ehepartner des Arbeitnehmers im Fall des Verlustes seines Arbeitsplatzes Unterhaltsansprüche geltend machen kann. Allerdings ist die Ehe dann ein "neutraler" Faktor, wenn der Ehegatte über ein eigenes Einkommen verfügt, sofern dadurch kein oder nur geringfügiger Anspruch auf Ehegattenunterhalt nach § 1360 BGB besteht (vgl. BAG 08.08.1985 - 2 AZR 464/84 - NZA 1986, 679 = EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 21; APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 717, eingehend Bütefisch a. a. O. S. 223 - 237). Eine weitergehende Berücksichtigung des sogenannten "Doppelverdienstes" zu Lasten des verheirateten Arbeitnehmers würde aber eine sachlich nicht gerechtfertigte mittelbare Diskriminierung von Frauen nach § 611 a BGB und Art. 1 der EG Richtlinie 76/207 darstellen. Denn das Einkommensniveau berufstätiger Frauen liegt statistisch erheblich unter dem der männlichen Arbeitnehmer. In der Konsequenz müssen sich Frauen erheblich häufiger entgegenhalten lassen, sie seien durch das höhere Einkommen ihres Ehemannes versorgt und könnten auf ihr niedrigeres Einkommen eher verzichten (APS/Kiel § 1 KSchG Rd-Nr. 723 m. w. N.). Im Übrigen läge in einer Benachteiligung verheirateter Ehepartner ein Verstoß gegen die auch im Rahmen der Rechtsprechung zu berücksichtigende Schutzpflicht aus Artikel 6 GG. Dies ändert indes nichts daran, dass eine undifferenzierte Bewertung der sozialen Auswahl mit 8 Punkten in dem angewandten Schema im Verhältnis zur erworbenen Betriebsseniorität in keinem angemessenen Verhältnis mehr steht.
Auch wenn aus diesen Gründen an der Rechtsprechung für die Zukunft nicht mehr festgehalten werden kann, ist sie aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit für den vorliegenden Fall noch anzuwenden. Auszugehen ist dabei davon, dass bei Geltung eines kodifizierten Rechts - anders als im Fallrecht - gerichtliche Entscheidungen keine gesetzesgleiche Bindungswirkung haben. Das Gericht kann vielmehr in einem neuen Rechtsstreit von seiner früheren Rechtsprechung abweichen. Zu beachten ist aber auch, dass sich die Rechtspraxis auf das Fortbestehen einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung einstellt, weshalb ein oberstes Bundesgericht von einer gefestigten Rechtsprechung nicht abweichen soll, wenn sowohl für die eine wie für die andere Ansicht gute Gründe sprechen. Bei einer durch gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung ausgeformten Auslegung treten die Rechtswerte der Rechtssicherheit und des Vertrauenschutzes in den Vordergrund und verlangen im Allgemeinen ein Festhalten an der eingeschlagenen Rechtsentwicklung (vgl. BAG 17.10.1963 - 1 ABR 1/63 - AP Nr. 13 zu § 76 BetrVG und BGHZ - GS - 85, 64, 87, 150, 155). Sprechen aber - wie hier - deutlich überwiegende Gründe für eine Änderung der Rechtsprechung, darf dadurch eine Partei, die sich - wie die Beklagte - auf eine bestimmte Rechtsprechung eingestellt hat, durch die erforderliche Rechtsprechungsänderung keinen Nachteil erleiden. Dies gilt zumal dann, wenn der Gesetzgeber den Gerichten einen weiten Ausgestaltungsspielraum bei der Konkretisierung sehr unbestimmter Rechtgsbegriffe zugewiesen hat (hier: "soziale Gesichtspunkte" müssen "ausreichende" Berücksichtigung finden). In diesen Fällen verlangt der Vertrauensschutz eine Anwendung der Rechtssätze für die Vergangenheit, ohne für die Zukunft eine zutreffendere Auslegung zu blockieren (zum Vertrauenschutz in eine gefestigte Rechtsprechung BAG 27.09.1984 - 2 AZR 62/83 - NZA 1985, 455 = EzA § 2 KSchG Nr. 5 unter II. 4. b sowie BAG 29.03.1984 - 2 AZR 429/83 (A) - 2 AZR 429/83 - NZA 1984, 169 = EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 31 unter III. 4. und 5. der Gründe m. w. N., zuletzt BAG 18.01.2001 - 2 AZR 616/99).
dd)
Schließlich begründet ein Auswahlfehler aber nur dann die Sozialwidrigkeit der Kündigung, wenn sich die fehlerhafte Gewichtung der Sozialdaten auf das Ergebnis bei jedem zulässigen Abwägungsergebnis auswirkt. Hat der Arbeitgeber aufgrund fehlerhafter Überlegungen den sozial stärkeren Arbeitnehmer entlassen, ist die Kündigung nicht sozial ungerechtfertigt (LAG Köln 03.05.2000 - 2 Sa 252/00 a. a. O.; ferner APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 776). Die fehlerhafte Bewertung sozialer Gesichtspunkte durch den Arbeitgeber bindet die Gerichte dabei nicht. Die soziale Auswahl ist folglich nicht zu beanstanden, wenn der Kläger bei zutreffender Würdigung der Sozialdaten unter Berücksichtigung eines dem Arbeitgeber zustehenden Wertungsspielraums eindeutig am wenigsten sozialschutzbedürftig ist (vgl. APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 784; Bütefisch a. a. O. Rn. 356).
ee)
Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 BetrVG oder in einer entsprechenden Richtlinie nach dem Personalvertretungsgesetz festgelegt, welche sozialen Gesichtspunkte nach Abs. 3 Satz 1 zu berücksichtigen sind, darf die soziale Auswahl der Arbeitnehmer von den Arbeitsgerichten nach § 1 Abs. 4 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
Ob für die in der Vorschrift nicht genannten Dienstvereinbarungen in kirchlichen, diakonischen und karitativen Einrichtungen eine planwidrige Gesetzeslücke und folglich eine entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 4 KSchG anzunehmen ist, hängt davon ab, ob das jeweilige Mitarbeitervertretungsgesetz einen Mitbestimmungstatbestand zur Bildung von Auswahlrichtlinien enthält. Soweit dies der Fall ist, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um Kollektivvereinbarungen handelt, die den im Gesetz genannten gleichwertig sind, die der Gesetzgeber aber - ebenso wie z. B. den Interessenausgleich nach § 111 BetrVG (vgl. APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 761 m. w. N.) - planwidrig nicht bedacht hat. Es entspricht dem gesetzlichen Regelungsziel, den Tarif- und Betriebsparteien einen größeren Beurteilungsspielraum einzuräumen als dem einzelnen Arbeitgeber und unter diesen Voraussetzungen eine größere Rechtssicherheit zu schaffen.
Die Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsraums nach § 1 Abs. 4 KSchG auf den Maßstab grober Fehlerhaftigkeit setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen einer förmlichen Betriebsvereinbarung voraus. Entsprechendes muss für Dienstvereinbarungen gelten (APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 758 a. E.).
b)
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze hat die Beklagte die soziale Auswahl nicht unzutreffend vorgenommen.
aa)
In den Kreis vergleichbarer Arbeitnehmer sind weder die Leiterin des Kindergartens, deren Beschäftigung im Anforderungsprofil nicht vergleichbar ist, einzubeziehen noch die Kolleginnen der Klägerin, deren Arbeitsverhältnis nach § 53 Abs. 3 BAT nach 15 Jahren und Erreichen des 40. Lebensjahres ordentlich nicht mehr gekündigt werden konnte. Diese tarifvertragliche Regelung führt zu keiner unangemessenen Benachteiligung der übrigen Arbeitnehmer, die nur durch das Kündigungsschutzgesetz vor ordentlichen Kündigungen geschützt sind. Dass im konkreten Fall der Beklagten bei der Bildung der Vergleichsgruppe ein Fehler unterlaufen ist, hat die darlegungsbelastete Klägerin weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Es ist nicht erkennbar, welche Arbeitnehmerin zusätzlich in die soziale Auswahl hätte einbezogen werden müssen.
Einander vergleichbar sind damit die Klägerin und ihre Kolleginnen E. M. und B. die als Erzieherinnen bzw. Kinderpflegerinnen mit der Betreuung der jeweiligen Kindergruppen im Wesentlichen die gleichen Aufgaben verrichtet haben. Soweit die Klägerin mit einem geschuldeten Arbeitszeitvolumen von 26,25 Stunden nach ihrem Arbeitsvertrag wöchentlich 3 Stunden mehr gearbeitet hat als Frau E. und Frau B., steht dies einer Vergleichbarkeit ebensowenig entgegen wie der Umstand, dass Frau M. zusätzlich zu den geschuldeten 23,75 Wochenstunden 5 Stunden Mittagsdienst verrichtet hat. Es steht außer Streit, dass die Beklagte die jeweiligen Arbeitsaufgaben einschließlich anfallender Zusatz- und Vorbereitungsaufgaben so hätte organisieren können, dass die Klägerin die Tätigkeiten der anderen Arbeitnehmerinnen hätte wahrnehmen können.
Die Beklagte hat die soziale Auswahl somit zutreffend unter diesen 4 vergleichbaren Arbeitnehmerinnen vorgenommen.
bb)
Bei der Überprüfung, ob die sozialen Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt worden sind, ist § 1 Abs. 4 KSchG nicht anwendbar, sodass der Prüfungsmaßstab nicht auf grobe Fehlerhaftigkeit reduziert ist. Zum einen sieht das Mitarbeitervertretungsgesetz der Konföderation evanglischer Kirchen in N. keinen Mitbestimmungstatbestand für eine personelle Auswahlrichtlinie vor. Zum anderen handelt es sich bei dem mit einem Stempel der Mitarbeitervertretung versehenen Formular mit den Auswahlrichtlinien der Beklagten um keine förmliche Dienstvereinbarung, sondern allenfalls um eine Regelungsabsprache, die nach § 1 Abs. 4 KSchG nicht ausreicht.
cc)
Auf der Grundlage der vorstehenden Rechtsgrundsätze ist aber auch im Rahmen der Überprüfung sozialer Gesichtspunkte nach § 1 Abs. 3 KSchG kein Auswahlfehler erkennbar.
Die Klägerin verfügt selbst bei einer richtigerweise zu berücksichtigenden Betriebszugehörigkeit seit dem 15.08.1990 nach dem angewandten Auswahlschema über die geringste Punktzahl (41). Frau B. sind für ihre beiden Kinder, die zunächst von der Beklagten durch einen Fehler nicht berücksichtigt worden sind und in die erstinstanzliche Entscheidung nicht einfließen konnten, 8 Punkte hinzuzurechnen, sodass sich für sie insgesamt 56 Punkte ergeben. Sie liegt damit noch über Frau M. die dem Betrieb länger angehört als die Klägerin, älter und - unverheiratet - einem Kind unterhaltsverpflichtet ist; sie erzielt 53 Punkte. Im Verhältnis zu diesen Arbeitnehmerinnen ist die Klägerin selbst ohne die Vorauswahl nach dem Punkteschema unter keinem Gesichtspunkt sozial schutzbedürftiger.
Frau E. hingegen liegt mit 61 Punkten rechnerisch immerhin 1/3 über dem für die Klägerin geltenden Wert (41 Punkte) und weist gegenüber allen vergleichbaren Arbeitnehmerinnen somit den stärksten Schutzbedarf aus. Sieht man die Tabelle als zulässig an, was nach Auffassung des Berufungsgerichts aus den dargelegten Gründen für die Vergangenheit der Fall sein muss, ist kein Gesichtspunkt erkennbar, der einen Ausgleich dieses beträchtlichen Vorsprungs im Wege der "Handsteuerung" hätte rechtfertigen können.
Das Berufungsgericht konnte entgegen der Entscheidung des LAG Köln vom 03.05.2000 - 2 Sa 272/00 - a. a. O.) die Frage der Zulässigkeit des Punkteschemas nicht dahin stehenlassen. Wäre diese Tabelle nicht mehr anzuwenden, wäre die getroffene Auswahlentscheidung auch unter Berücksichtigung eines dem Arbeitgeber zustehenden Wertungsspielraumes nicht mehr zu vereinbaren: Setzt man die Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter zueinander ins Verhältnis, gleicht auch ein zugunsten von Frau E. bestehender Altersunterschied von 20 Jahren keine 5-mal längere Betriebszugehörigkeitsdauer der Klägerin aus. Von dem Umstand der Verheiratung geht für Frau E. kein erheblicher zusätzlicher Schutzbedarf aus, weil ihr Ehemann selbst in einem Arbeitsverhältnis steht und somit über eigene Bezüge verfügt.
4.
Die Beklagte hat die Kündigung nach ordnungsgemäßer Beteiligung der Mitarbeitervertretung nach § 42 Nr. 2 MVG ausgesprochen. Sie hat zunächst unter dem 11.05.2000 und ergänzend nach Abschluss des Arbeitsplatzsicherungsverfahrens mit Schreiben vom 14.07.2000 die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung beantragt. Zusätzlich zu den schriftlichen Anträgen hat der Personalsachgebietsleiter des Kirchenkreisamtes R. die Kündigungsgründe sowie die Überlegungen zur sozialen Auswahl mit dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung G. erörtert. Nachdem die Mitarbeitervertretung innerhalb der 14-Tage-Frist nach § 39 Abs. 3 MVG nicht widersprochen hat, gilt die Zustimmung als erteilt.
c)
Das Berufungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.