Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.04.2001, Az.: 14 Sa 1705/00
Wirksamkeit einer Zweckbefristung; Kalendermäßige Bestimmung ; Rechtsfolge der Unwirksamkeit
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 05.04.2001
- Aktenzeichen
- 14 Sa 1705/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 23766
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2001:0405.14SA1705.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 05.07.2000 - AZ: 9 Ca 35/00
- nachfolgend
- BAG - 14.08.2002 - AZ: 7 AZR 266/01
Fundstelle
- ZTR 2001, 428
Amtlicher Leitsatz
Im Rahmen von § 1 II ÄAVtrG sind Zweckbefristungen nicht zulässig.
Rechtsfolge der Vereinbarung einer Zweckbefristung unter Verstoß gegen § 1 II ÄAVtrG ist das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses (im Anschluss an BAG 7 AZR 243/94 v. 09.11.1994 = AP Nr. 1 zu § 21 BErzGG).
Die Befristungsregelung "für die Dauer der Weiterbildung bis zur Facharztanerkennung" ist eine Zweckbefristung.
In dem Rechtsstreit
hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 15.02.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 05.07.2000 Az.: 9 Ca 35/00 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Dienstvertrag vom 20.08.1996 unwirksam ist.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist seit dem 01.09.1995 in der H. der städtischen Krankenanstalten der Beklagten beschäftigt.
In einem von der Beklagten gefertigten, jedoch noch nicht unterzeichneten Arbeitsvertrag vom 04.09.1995 war eine unbefristete Beschäftigung der Klägerin vorgesehen.
Die Klägerin unterzeichnete diesen Vertrag und sandte ihn an die Beklagte zurück, die ihn ihrerseits nicht unterzeichnete, sondern der Klägerin einen neuen Arbeitsvertrag anbot, der eine befristete Beschäftigung für die Zeit vom 01.09.1995 bis 31.08.1997 vorsieht, den die Klägerin ihrer Behauptung nach im Hinblick auf ihre Situation in der Probezeit unterzeichnete.
Mit Datum vom 20.08.1996 schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag, der zur Vertragsdauer folgende Regelungen enthält:
Frau Dr. N. wird für die Zeit vom 01.09.1997 an für die Dauer der Weiterbildung bis zur Facharztanerkennung als Assistenzärztin in den Dienst der städtischen Krankenanstalten, z. Z. Krankenhaus O. - H. - eingestellt.
Im Übrigen enthält der Vertrag eine Verweisung auf die Regelungen des BAT (VKA) und sieht eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe II BAT vor.
Mit Schreiben vom 20.06.1997 teilte die Beklagte der Klägerin mit:
im August letzten Jahres haben wir mit Ihnen einen Weiterbeschäftigungsvertrag ohne Datum der zeitlichen Befristung abgeschlossen, da das Ende Ihrer Weiterbildung nicht genau bestimmt werden konnte.
Nun teilte uns Herr Prof. Dr. K. die genaue zeitliche Befristung (bis zum 31.12.2000) mit.
Daher übersenden wir Ihnen mit diesem Schreiben zwei Ausfertigungen des Vertrages, den wir mit Ihnen abzuschließen beabsichtigen. Sollten Sie mit den Bedingungen einverstanden sein, bitten wir, beide Ausfertigungen zu unterschreiben und uns möglichst umgehend zurückzugeben.
Der dem Schreiben beigefügte Vertragsentwurf enthält zur Vertragsdauer Folgendes:
Frau Dr. N. wird für die Zeit vom 01.09.1997 bis zum 31.12.2000 (= Dauer der Weiterbildung bis zur Facharztanerkennung) als Assistenzärztin in den Dienst der städtischen Krankenanstalten, z. Z. Krankenhaus O. - H. - eingestellt.
Die Klägerin unterzeichnete diesen Vertrag nicht.
Sie setzte ihre Tätigkeit über den 01.09.1997 hinaus fort und bestand am 19.01.2000 die Facharztprüfung, nachdem sie am 09.01.2000 ein Kind geboren hatte.
Mit Schreiben vom 24.01.2000 hat die Klägerin geltend gemacht, dass die Befristung des Arbeitsvertrages vom 20.08.1996 rechtsunwirksam sei und hat ihre unbefristete Weiterbeschäftigung verlangt.
Nach einer Ablehnung seitens der Beklagten vom 01.02.2000 hat die Klägerin am 08.02.2000 Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung erhoben.
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass der im Arbeitsvertrag vom 20.08.1996 bestimmte Beendigungstatbestand der Facharztanerkennung den Anforderungen des § 1 des Gesetzes über befristete Arbeitsverhältnisses mit Ärzten in der Weiterbildung (ÄAVtrG) nicht entspreche und deshalb ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestehe.
Ferner hat die Klägerin behauptet, dass der Chefarzt Prof. Dr. K. sie wiederholt darauf angesprochen hätte, dass sie nach der Facharztanerkennung unbefristet in der Klinik weiterbeschäftigt werden könne, wovon nach dem Eintritt ihrer Schwangerschaft nicht mehr die Rede gewesen sei; statt dessen sei ein anderer Arzt unbefristet weiterbeschäftigt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Befristung des Dienstvertrages vom 20.08.1996 unwirksam ist und dass zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen über den 19.01.2000 hinaus unbefristet fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Befristungsregelung im Arbeitsvertrag vom 20.08.1996 um eine zulässige Zweckbefristung handelt, außerdem würde eine Unwirksamkeit der Befristung nicht zum Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses führen.
Ferner hat die Beklagte behauptet, dass der Klägerin zu keiner Zeit eine unbefristete Weiterbeschäftigung angeboten worden sei, die Entscheidung über eine unbefristete Weiterbeschäftigung eines anderen Arztes sei zudem getroffen worden, bevor sie Kenntnis der Schwangerschaft der Klägerin erlangt hätte.
Das Arbeitsgericht, auf dessen Urteil auch wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, wie er in erster Instanz zur Entscheidung vorgelegen hat, hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 03.03.2000 fortbestanden hat und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Dabei hat das Arbeitsgericht den Beendigungssachverhalt der Facharztanerkennung als Zweckbefristung angesehen, die wegen fehlender kalendermäßiger Bestimmbarkeit gegen § 1 II ÄAVtrG verstoße; dies führe jedoch nicht zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis; die in der Ungewissheit des Eintritts des Endzeitpunktes liegende Umgehung der Mindestkündigungsfristen erfordere lediglich die Gewährung einer bestimmten Zeitspanne, in der sich der Arbeitnehmer auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einstellen kann; insoweit sei eine Zeitspanne von 4 Wochen entsprechend der Regelung in Nr. 7 IV SR 2 y BAT ab der Beendigungsmitteilung der Beklagten ausreichend, was zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 03.03.2000 führe.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagziel weiter.
Die Klägerin meint weiterhin, dass der Beendigungstatbestand der Facharztanerkennung als auflösende Bedingung wie als kalendermäßig nicht bestimmte und auch nicht bestimmbare Zweckbefristung anzusehen sei dies zum Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses führe.
Die Klägerin beantragt,
unter teilweiser Abänderung des Urteils erster Instanz festzustellen, dass die Befristung des Dienstvertrages vom 20.06.1996 insgesamt unwirksam ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt weiterhin die Auffassung, dass sich eine zeitliche Bestimmbarkeit der Befristung aus der sich aus den entsprechenden Vorschriften ergebenden Weiterbildungszeit von insgesamt 4 1/2 Jahren in ausreichender Weise ergebe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist begründet.
Die Klage ist begründet.
Zwischen den Parteien besteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, da die Klägerin die Befristung des Arbeitsvertrages vom 20.08.1996 rechtzeitig angegriffen hat, in dem Arbeitsvertrag eine Zweckbefristung enthalten ist, die wegen Verstosses gegen § 1 II ÄAVtrG unwirksam ist und dies das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zur Folge hat.
Mit der am 08.02.2000 erhobenen Klage hat die Klägerin die Befristungsregelung des Arbeitsvertrages vom 20.08.1996 auch dann gemäß § 1 V BeschFG rechtzeitig angegriffen, wenn man für den Beginn der Klagfrist den 19.01.2000 als Tag der Prüfung ansieht, der im Rahmen der Regelung "Facharzt" als frühest möglicher Zeitpunkt in Betracht kommt.
Die Befristungsregelung "für die Dauer der Weiterbildung bis zur Facharztanerkennung" im Arbeitsvertrag vom 20.08.1996 ist als Zweckbefristung anzusehen, da das Arbeitsverhältnis nach dem in dieser Regelung zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien mit dem Eintritt des Ereignisses der Facharztanerkennung enden soll. Da die Klägerin die entsprechende Prüfung am 19.01.2000 bestanden hat, bedarf es hier keiner Entscheidung der Frage, wie es sich auf das Arbeitsverhältnis ausgewirkt hätte, wenn die Klägerin die Facharztanerkennung nicht erreicht hätte.
Die Zweckbefristung ist wegen Verstoßes gegen § 1 II ÄAVtrG unwirksam, da sie nicht kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar ist.
Dabei ist unter kalendermäßiger Bestimmung die Festlegung eines Kalenderdatums und unter kalendermäßiger Bestimmbarkeit eine Regelung zu verstehen, die unter Zuhilfenahme lediglich eines Kalenders die Bestimmung des konkreten Beendigungsdatums erlaubt (BAG AP NR. 1 zu § 21 BErzGG, BGH NJW 86, 2049, 2050; WM 92, 823, 825, WM 95, 439, 440, Palandt-Heinrichs BGB 60. Aufl. 2001 Rd.-Nr. 21 zu § 284 m. w. Nachw.). Regelungen bestimmter Zeiträume wie 14 Tage ab Bestellung oder 4 Wochen ab Beurkundung sind damit nur dann kalendermäßig bestimmbar, wenn der Ausgangspunkt für die Zeitberechnung im Zeitpunkt der Vereinbarung kalendermäßig feststeht, was in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (WM 92, 823; 95, 440)der Fall gewesen ist. Ein derartiger Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor, da im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 20.08.1996 der genaue Zeitpunkt einer möglichen Facharztanerkennung kalendermäßig nicht berechnet werden konnte (abweichend wohl Heinze NJW 87, 2278, 2279). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der auf der Grundlage der entsprechenden Vorschriften berechenbaren Dauer der Weiterbildungszeit, da damit der konkrete Zeitpunkt des Erreichens der Facharztanerkennung nicht berechnet werden kann.
Rechtsfolge der Unwirksamkeit der im Arbeitsvertrag vom 20.08.1996 vereinbarten Zweckbefristung ist das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses, da nach § 1 II ÄAVtrG Zweckbefristungen generell unzulässig sind. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Korrektur einer ansich zulässigen, für den Arbeitnehmer aber hinsichtlich ihres Eintritts nicht voraussehbaren oder nicht in überschaubarer Zeit liegenden Zweckbefristung über die Gewährung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist ab der Zweckerreichung (BAG AP Nr. 103 zu § 620 BGB Befristung), auf der auch das angefochtene Urteil beruht, ist hier nicht einschlägig. Das Gericht schließt sich insoweit der Begründung des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 09.11.1994 (7 AZR 243/94 = AP Nr. 1 zu § 21 BErzGG) an, das zu der wortgleichen Regelung des § 21 III BErzGG a. F. ergangen ist, und wo im Einzelnen ausgeführt ist, dass durch die Gewährung lediglich einer Auslauffrist dem gesetzlichen Verbot anderer als kalendermäßig bestimmter oder bestimmbarer Befristungen nicht ausreichend Rechnung getragen würde. Dies gilt auch für die wortgleiche Bestimmung des § 1 II ÄAVtrG (ebenso GK - Kündigungsrecht - Schmidt 2000 Rd.-Nr. 27 zu § 1 ÄAVtrG, abweichend wohl Schiller MedR 95, 489, 491).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 II Nr. 1 ArbGG.
Gegen dieses Urteil findet, wie sich aus der Urteilsformel ergibt, die Revision statt.