Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.08.2001, Az.: 16 TaBV 101/00

Recht des Betriebsrats auf Einsicht der Bruttolohnlisten und Gehaltslisten; Einwand der unzulässigen Rechtsausübung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
17.08.2001
Aktenzeichen
16 TaBV 101/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 25257
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2001:0817.16TABV101.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Osnabrück - 13.10.2000 - AZ: 3 BV 11/00

Fundstelle

  • ZfSH/SGB 2002, 38-42

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Ausübung der Rechte des Betriebsrats gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG kann der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen.

  2. 2.

    Sofern übertarifliche Zulagen im Betrieb gezahlt werden und zudem unterschiedliche Entgelttarife im betrieb angewendet werden, was dazu führt, dass diese Zulagen sich unterschiedlich verändern, liegen sachliche Gründe für ein Einblicksrecht des Betriebsrats vor.

  3. 3.

    Dem steht nicht entgegen, dass hierdurch für den Betriebsrat zu erkennen war, für welche Arbeitnehmer welcher Tarifvertrag Anwendung findet und er damit auch erfährt, wer welcher Gewerkschaft beigetreten ist.

In dem Rechtsstreit
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
aufgrund der Anhörung am 17.08.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ...,
den ehrenamtlichen Richter ... und
die ehrenamtliche Richterin
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 13.10.2000, Az. 3 BV 11/00, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Vorsitzenden des Betriebsrates Einsicht in die Bruttolohn- und -gehaltslisten zu gewähren ist.

2

Der Antragsteller ist der im Betrieb der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat, der aus fünf Mitgliedern besteht. Im Betrieb werden ca. 80 Arbeitnehmer beschäftigt. Die letzte Einsichtnahme in die Bruttolohn- und -gehaltslisten erfolgte 1997. Der Betriebsrat in der gegenwärtigen Zusammensetzung ist seit 1998 im Amt.

3

Der Betriebsrat beschloss am 07.06.2000, durch seinen Vorsitzenden Einblick in die Bruttolohn- und -gehaltslisten zu nehmen. Daraufhin fand ein Gespräch zwischen den Beteiligten statt, in dem es zu einer Entscheidung nicht kam.

4

Der Betriebsrat wiederholte seine Forderung am 13.06.2000. Die Arbeitgeberin lehnte jedoch die Einsichtnahme daraufhin ab.

5

Die Antragsgegnerin ist Mitglied des Landesinnungsverbandes des Tischlerhandwerkes/Wirtschaftsverband des Holz-, Aluminium- und Kunststoff verarbeitenden Handwerks Niedersachsen/Bremen.

6

Bis zum Jahre 1997 galten die Tarifverträge, die dieser Verband mit der Gewerkschaft Holz und Kunststoff geschlossen hatte und die für den Bereich des Tischlerhandwerkes galten. Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen in der Holzbearbeitung und stellt Möbel und Inneneinrichtungen für Banken und Verwaltungen her.

7

Die Tarifverträge traten im Jahre 1997 außer Kraft. Neue Tarifverträge wurden mit der Gewerkschaft Holz und Kunststoff nicht geschlossen.

8

Ende 1999 erfolgte die Auflösung der Gewerkschaft Holz und Kunststoff. Zuständig wurde die IG Metall, jedoch wurden entsprechende Abschlüsse über einen Tarifvertrag mit der IG Metall seitens des Verbandes nicht durchgeführt. Dieser nahm vielmehr Verhandlungen mit der Christlichen Gewerkschaft Deutschlands (CGD) auf und schloss mit dieser im Jahre 1998 neue Tarifverträge.

9

Im April 2000 erfolgte das Angebot der Arbeitgeberin an die Mitarbeiter, die Tarifverträge, die seitens des Verbandes mit der CGD geschlossen wurden, zu vereinbaren und damit die Nachwirkung des bisherigen Tarifvertrages zu beenden. Insoweit wird auf das Anschreiben an die Mitarbeiter vom 07.04.2000 nebst Anlage (Blatt 32 bis 34 d. A.) verwiesen.

10

Im Anschluss an eine Betriebsversammlung wurde den Mitarbeitern seitens der Arbeitgeberin eine vorbereitete Erklärung übergeben. Wegen des Inhalts dieser Erklärung wird auf diese (Blatt 35 d. A.) verwiesen.

11

Der Betriebsrat, deren Mitglieder zumindest mehrheitlich der IG Metall angehören, war mit dieser vorbereiteten Erklärung nicht einverstanden und hat an die Mitarbeiter eine erneute vorbereitete Erklärung ausgeteilt und dabei eine vierte Möglichkeit der Entscheidung hinzugefügt, die wie folgt lautet:

"Ich fordere die Geschäftsleitung auf, in Tarif Verhandlungen mit der Rechtsnachfolgerin der GHK, hier die IG Metall zu treten."

12

Wegen des Inhalts dieser vorbereiteten Erklärung wird auf diese (Blatt 36 d. A.) verwiesen.

13

Im Anschluss an die Ausgabe dieser Erklärungen haben sich nach Angaben der Arbeitgeberin ca. 50 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür entschieden, die neuen Tarifverträge, geschlossen mit der CGD, zu vereinbaren.

14

Die ausgezahlten Löhne blieben zunächst gleich. Die Arbeitgeber in zahlte und zahlt in nicht unerheblichem Umfang übertarifliche Zulagen auf den Tariflohn.

15

Die letzte Entgelterhöhung war zuvor am 01.04.1998. Zum Zeitpunkt 01.05.2000 für die Angestellten und zum Zeitpunkt 01.06.2000 für die gewerblichen Arbeitnehmer wurden Entgelterhöhungen mit der CGD tariflich vereinbart. Daraufhin hat die Arbeitgeberin nach Maßgabe der Ecklohnerhöhung die Stundenlöhne aller gewerblichen Mitarbeiter, die sich für die Anwendung der CGD-Tarifverträge entschieden hatten, ab 01.06.2000 erhöht, woraus sich nunmehr unterschiedliche Stundenlöhne ergaben je nachdem, ob auf das Arbeitsverhältnis noch die alten GHK-Tarifverträge auf Grund Nachwirkung oder ob auf das Arbeitsverhältnis die CGD-Tarifverträge anzuwenden waren. Entsprechend ist mit den Angestellten verfahren worden. Die Arbeitgeberin hat insoweit die nunmehr im Betrieb vorhandene Lohnstruktur tabellenmäßig dargestellt und dem Betriebsrat bekannt gemacht. Insoweit wird auf diese Tabelle (Blatt 37 d. A.) verwiesen.

16

Zwischenzeitlich erfolgte eine neue Tariflohnerhöhung zum 01.07.2001. Zumindest bezüglich der gewerblichen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen hat die Arbeitgeberin die bisherigen gezahlten Löhne in gleicher Höhe beibehalten und zahlt damit die aus der Tabelle der Lohnstruktur ersichtlichen Löhne weiterhin an die gewerblichen Arbeitnehmer.

17

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass für sein Einsichtnahmerecht ein besonderer Anlass nicht erforderlich sei. Er betreibe eine eigenständige Betriebspolitik, weswegen er die Informationen benötige, die sich aus der Einsichtnahme in die Bruttolohn- und -gehaltslisten ergeben.

18

Da unterschiedliche übertarifliche Zulagen gezahlt würden, müsse der Betriebsrat prüfen, ob er das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ausüben müsse. Da es in der Vergangenheit Lohnerhöhungen gegeben habe mit zumindest teilweiser Anrechnung der übertariflichen Zulage, habe er zu prüfen, inwieweit er tätig werden müsse.

19

Darüber hinaus benötige er die Informationen, um die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Betrieb gemäß § 75 BetrVG zu überprüfen.

20

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Betriebsratsvorsitzenden Einblick in die Bruttolohn- und -gehaltslisten zu gewähren.

21

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

22

Sie hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe sein Recht zur Einsichtnahme nur bei tatsächlicher Erforderlichkeit zu fordern. Vorliegend würden diese Informationen aber zu einem missbräuchlichen Zweck verlangt.

23

Tatsächlich sei dem Betriebsrat sowohl die Höhe, die Lohngruppe wie auch die Eingruppierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekannt. Die Lohnstruktur sei dem Betriebsrat mitgeteilt worden. Tatsächlich kenne der Betriebsrat nicht, welche Mitarbeiter sich tatsächlich für die Anwendbarkeit des Tarifvertrages mit der CGD entschieden hätten. Aus dem Gesamtzusammenhang sei aber ersichtlich, dass der Betriebsrat mit der Einsichtnahme nur dieses wissen wolle.

24

Die Tarifverträge, geschlossen mit der CGD, passten auch nicht in das Konzept des Betriebsrates. Der Betriebsrat sowie die IG Metall forderten, einen Haustarifvertrag mit der IG Metall abzuschließen, was die Arbeitgeberin jedoch ablehne. Ersichtlich sei dieses dadurch, dass der Betriebsrat eine vierte Möglichkeit auf der vorbereiteten Erklärung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angekreuzt habe, was zeige, dass er die Mitarbeiter zur IG Metall hinführen wolle. Der Betriebsrat könnte deshalb durch die Einsichtnahme in die Bruttolohn- und -gehaltslisten erkennen, welche Mitarbeiter für die Anwendbarkeit des Tarifvertrages mit der CGD seien und welche die alten Tarifverträge weiterlaufen lassen wollten. Er könnte damit versuchen, in geeigneter Weise Einfluss auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszuüben, was einen Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit darstelle. Tatsächlich gehe es deshalb dem Betriebsrat nur um die Wahrnehmung gewerkschaftlicher Interessen. Für einen solchen Fall müsse der Betriebsrat jedoch weitere rechtfertigende Gründe angeben, da das Einsichtsrecht kollidiere mit der Koalitionsfreiheit der einzelnen Betroffenen.

25

Durch Beschluss des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 13.10.2000 wurde die Arbeitgeberin verpflichtet, dem Betriebsratsvorsitzenden Einblick in die Bruttolohn- und -gehaltslisten zu gewähren. Wegen des Inhalts des Beschlusses wird auf diesen (Blatt 49 bis 62 d. A.) verwiesen.

26

Dieser Beschluss wurde der Arbeitgeberin am 15.11.2000 zugestellt. Hiergegen legte diese am 14.12.2000 Beschwerde ein und begründete diese mit einem am Montag, dem 15.01.2001 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz.

27

Zur Beschwerdebegründung trägt die Arbeitgeberin vor, sie zahle seit jeher übertarifliche Zulagen, was sich aus der dargelegten Lohnstruktur ergebe und hieraus genau abzulesen sei. Die Stundenlöhne lägen deutlich über den Tariflöhnen, weshalb auch die tarifliche Lohnerhöhung im Jahre 1999 auf die übertariflichen Zulagen angerechnet worden sei. Alle gewerblichen Mitarbeiter erhielten bis 31.05.2000 bei gleicher Eingruppierung gleich hohe Vergütungen. Entsprechendes gelte auch für die Angestellten.

28

Das Einsichtsrecht stehe dem Betriebsrat nur zu, soweit dieses letztlich für seine Arbeit erforderlich sei. Das Einsichtsrecht bestehe zur Prüfung der Einhaltung der Kollektivregelungen, der Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie der Beachtung von Recht und Billigkeit bei Zahlung der Vergütung durch die Arbeitgeberin. Der Betriebsrat sei jedoch über die Höhe des Lohnes und Gehaltes vollständig informiert, darüber hinaus auch darüber, in welcher Lohn- oder Gehaltsgruppe der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin sei und welches Entgelt gezahlt werde. Zwar werde seit Mai/Juni 2000 zwischen Arbeitnehmergruppen unterschieden, was auf Grund der unterschiedlich anzuwendenden Tarifverträge gerechtfertigt sei. Es bestehe jedoch kein Zweifel, dass diese Löhne an die Belegschaft auch gezahlt würden.

29

Der Betriebsrat wolle die Arbeitgeberin weiterhin zum Abschluss von Tarifverträgen mit der IG Metall drängen, was sich insbesondere auch aus der inhaltlichen Veränderung des Mitarbeiterrundschreibens ergebe. Der Betriebsrat wolle ersichtlich sehen, welcher Mitarbeiter sich wofür entschieden habe, was zur Folge habe, dass der Betriebsrat versuchen könnte, in geeigneter Weise Einfluss auf die Belegschaft auszuüben. Aus diesem Grunde benötige der Betriebsrat in diesem besonderen Fall rechtfertigende Gründe für die Einsichtnahme, da das Einsichtsrecht mit der Koalitionsfreiheit der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie auch der Arbeitgeberin selbst kollidiere.

30

Die Gründe, die der Betriebsrat geltend mache, seien nur vorgeschoben. Tatsache sei, dass die Arbeitgeberin alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gleich behandele, lediglich innerhalb der Tarif Systeme unterschiedliche Zahlungen vornehme.

31

Eine Anrechnungsüberprüfung seitens des Betriebsrates sei nicht erforderlich. Auch insoweit sei dem Betriebsrat bekannt, in welcher Weise und in welcher Form Anrechnungen in welchen Jahren erfolgt seien.

32

Zudem sei eine Einzelfallprüfung durch den Betriebsrat ebenfalls nicht möglich. Der Betriebsrat müsste darlegen, dass im Einzelfall eine konkrete Vermutung bestehe, dass nicht tarifgerecht bezahlt werde. Dieses bezweifele der Betriebsrat jedoch nicht.

33

Die Befürchtung der Arbeitgeberin sei nicht nur spekulativ. Die Arbeitgeberin habe Anlass zur Annahme, der Betriebsrat werde die Informationen rechtsmissbräuchlich gebrauchen aus der Tatsache, dass er den Antwortbogen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verändert habe, aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Einsichtnahmeverlangen und vorausgegangener Befragung sowie der Tatsache, dass er einen Tarifvertrag mit der IG Metall bevorzuge. Da bereits die Gefährdung des Grundrechtes auf Koalitionsfreiheit ausreiche und eine Drucksituation im Betrieb entstehe, habe die Arbeitgeberin vorliegend das Recht der Verweigerung.

34

Die Arbeitgeberin beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 13.10.2000, Az. 3 BV 11/00, den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.

35

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

36

Er verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 20.02.2001. Hierauf wird verwiesen.

37

II.

Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit insgesamt zulässig (§§ 87 Abs. 2, 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO).

38

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist jedoch nicht begründet.

39

Mit dem Bundesarbeitsgericht geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass auch in kleineren Betrieben ein entsprechendes Einblicksrecht gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG gegeben ist. Die Rechte des Betriebsrates sind in größeren wie in kleineren Betrieben gleichermaßen geregelt. Der Betriebsrat hat in Klein- wie in Großbetrieben dieselben allgemeinen Aufgaben, wie sie in § 80 BetrVG genannt sind. Auch stehen dem Betriebsrat in kleineren Betrieben die Mitbestimmungsrechte des § 87 BetrVG sowie eine Reihe von weiteren Rechten zu, die nur dann sinnvoll ausgeübt werden können, wenn der Betriebsrat entsprechende Informationen besitzt. Aus diesem Grunde ist auch in § 80 Abs. 2 BetrVG grundsätzlich vom Betriebsrat die Rede. Es wird lediglich zusätzlich klargestellt, dass auch ein Ausschuss, sofern er gebildet ist, berechtigt ist, in die Listen Einblick zu nehmen (vgl. BAG in AP Nr. 2 und 3 zu § 80 BetrVG 1972).

40

Die Arbeitgeberin ist gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG verpflichtet, dem Vorsitzenden des Betriebsrates Einblick in die Bruttolohn- und -gehaltslisten zu geben. Es gehört zu den Aufgaben des Betriebsrates, die Einhaltung der kollektiven Entgeltregelungen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen sowie der Grundsätze von Recht und Billigkeit bei der Vergütung der Arbeitnehmer und die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu überwachen. Dieses macht den Einblick in die Entgeltlisten auch ohne besonderen Anlass erforderlich (vgl. hierzu Beschluss des BAG vom 10.02.1987, Az. 1 ABR 43/84, in NZA 87, 385 bis 386 sowie Beschluss des BAG vom 14.05.1987, Az. 6 ABR 39/84, in DB 88, 2569 bis 2570, m. w. N.).

41

Der Durchsetzung dieses Anspruches kann jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen, da die in den §§ 242, 826 BGB zum Ausdruck gekommene Einrede der unzulässigen Rechtsausübung auch im Betriebsverfassungsrecht Anwendung findet. So kann einem Ausschuss des Betriebsrates auch das Einblicksrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG verwehrt werden, wenn seine Geltendmachung eine unzulässige Rechtsausübung darstellt. Gegenüber zwingenden gesetzlichen Ansprüchen greift der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung jedoch nur in besonders krassen Fällen durch. Es ist jeweils auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen und eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen (so Beschluss des BAG vom 14.05.1987 a.a.O.).

42

Vorliegend steht dem Betriebsrat ein Einsichtsrecht durch seinen Vorsitzenden zu, da er jedenfalls das Recht hat, Höhe und Gesamtumfang der übertariflichen Zulagen festzustellen und zu überprüfen, um damit entscheiden zu können, ob er Rechte gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG geltend machen will.

43

Unstreitig zahlt die Arbeitgeberin in nicht unerheblichem Umfange übertarifliche Zulagen. Unstreitig sind Anrechnungen der Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen in den Jahren 1999 und 2001 erfolgt. Im Jahre 2001 erfolgte diese Anrechnung auf jeden Fall in der Weise, dass zwar die Tarifgehälter gemäß Tarifvertrag mit der CGD erhöht wurden, diese Tariflohnerhöhung jedoch an den Teil der Mitarbeiter nicht weitergegeben wurde, die die Anwendbarkeit dieses Tarifvertrages mit der Arbeitgeberin vereinbart haben. Dieses hat gleichzeitig zur Folge, dass diese in geringerem Umfange übertarifliche Zulagen erhielten. Da sich die Reallöhne insgesamt nicht verändert hatten, hat dieses zur Folge, dass sich für einen Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die übertariflichen Zulagen verringert haben, während diese für den anderen Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die kraft Nachwirkung der ursprüngliche Tarifvertrag weiter gilt, nicht verändert worden sind. Damit hat sich das Verhältnis der Höhe der Zulagenregelung verändert, was das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auslösen kann. Jedenfalls hat der Betriebsrat insoweit die rechtliche Verpflichtung zu überprüfen, inwieweit die Grundsätze von Recht und Billigkeit bei der Vergütung der Arbeitnehmer nach wie vor gewahrt sind oder ob er insoweit sein Initiativrecht ausüben will, zu einer betrieblichen Vereinbarung über die übertariflichen Zulagen zu kommen. Angesichts der Tatsache, dass der Betriebsrat die genaue Zahl der Mitarbeiter nicht kennt, die sich für die Anwendbarkeit des Tarifvertrages mit der CGD entschlossen haben, kennt er auch nicht den genauen Umfang, in dem die Arbeitgeberin übertarifliche Zulagen im Betrieb insgesamt zahlt. Gerade diesen Umfang, den die Arbeitgeberin vorgibt, muss der Betriebsrat kennen, wenn er seine Betriebspolitik in dieser Weise gegenüber der Arbeitgeberin festlegt. Ob letztlich der Betriebsrat sein Initiativrecht ausübt oder nicht und die Anrechnung der übertariflichen Zulagen akzeptiert, damit die tatsächlich gezahlten Löhne nicht weiter auseinanderklaffen, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Hierzu bedarf es einer entsprechenden Willensbildung innerhalb des Betriebsrates und einer Entscheidung durch diesen. Vorliegend geht es nur um die Voraussetzungen dafür, dass eine solche Entscheidung überhaupt getroffen werden kann.

44

Damit liegen zur Überzeugung der Kammer jedenfalls sachliche Gründe des Betriebsrates vor, die Einsichtnahme zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorzunehmen. Die Einsichtnahme soll gerade erst die Feststellung ermöglichen, ob überhaupt das Problem der übertariflichen Zahlungen zum Gegenstand von Verhandlungen mit dem Arbeitgeber gemacht werden sollen und der Feststellung, ob bei der Differenzierung der Zulagen aus sachlichen Kriterien und nicht einseitig nach den Interessen des Unternehmens verfahren wird. Diesem Interesse des Betriebsrates steht das Interesse der Arbeitgeberin gegenüber, einer Gefährdung der Koalitionsfreiheit entgegenzuwirken.

45

Zur Überzeugung der Kammer führt letzteres Interesse der Arbeitgeberin jedoch nicht dazu, dass ein besonders krasser Fall einer unzulässigen Rechtsausübung des Betriebsrates zu erwarten ist.

46

Zum einen unterliegen die Betriebsratsmitglieder gemäß § 79 BetrVG der Verschwiegenheit und sind bei Pflichtverstößen nicht nur eines Ausschlussverfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG oder auch eines Strafverfahrens nach § 120 BetrVG ausgesetzt, vielmehr auch der Gefahr einer außerordentlichen Kündigung und der Stellung von Schadensersatzansprüchen. Die Betriebsratsmitglieder sind deshalb nicht ohne weiteres in der Lage, die erworbenen Kenntnisse offen im Betrieb zu verwerten.

47

Des Weiteren ergeben sich, wie bereits ausgeführt, sachliche Gründe für das Erfordernis der Einsichtnahme in die Listen. Schließlich gibt es keine ausreichenden Tatsachen, die den berechtigten Schluss zulassen, der Betriebsrat werde seine Kenntnisse in der von der Arbeitgeberin befürchteten Weise ausüben. Weder in der Vergangenheit noch im Laufe des vorliegenden Verfahrens hat der Betriebsrat dargestellt, dass er in ungerechtfertigter Weise Einfluss auf die Belegschaft oder die Arbeitgeberseite nehmen wolle, für einen Tarifabschluss mit der IG Metall weiter zu werben. Die Tatsache, dass der Betriebsrat dem Fragebogen an die Arbeitnehmerschaft, nachdem dieser an die Belegschaft verteilt wurde, eine weitere Fragestellung hinzugefügt hat und diese erneut hat im Betrieb verteilen lassen, lässt eine entsprechende Befürchtung nicht zu. Die Arbeitnehmer hatten zu diesem Zeitpunkt die freie Wahl, eines der Kästchen anzukreuzen und so ihre Entscheidung kundzutun. Die Erweiterung des Fragebogens war eine weitere Option, die der Betriebsrat eingeführt hat und bei der deutlich erkennbar war, dass diese nicht auf Veranlassung des Arbeitgebers enthalten war, da dieser seine Fragebogen bereits verteilt hatte und der Fragebogen mit dem Zusatz sodann vom Betriebsrat anschließend verteilt wurde. In der Folgezeit sind sodann die Entscheidungen der Arbeitnehmer gefallen und es haben sich nach Angaben der Arbeitgeberseite ca. 50 % der Belegschaft für die Anwendbarkeit der Tarifverträge mit der CGD entschieden. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der Betriebsrat weiterhin Einfluss genommen hat oder Einfluss nehmen will auf die Zahlung eines Tariflohnes. Die Arbeitgeberseite hat hierzu konkrete Tatsachen nicht genannt, die eine solche Befürchtung seit Mitte des Jahres 2000 hat aufkommen lassen.

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Im Gegenteil ist hierzu auszuführen, dass auf der Grundlage des Sozialstaatsprinzips gemäß Artikel 20 Abs. 1 GG der Gesetzgeber Schutzregelungen zu Gunsten wirtschaftlich und sozial schwächerer Gruppen zu schaffen hatte und dieses im Betriebsverfassungsgesetz dadurch zum Ausdruck gekommen ist, dass der Betriebsrat als gewähltes Organ der Arbeitnehmerschaft Überwachungs- und Beteiligungsrechte hat und damit teilweise auch den kollektiven Interessen der Belegschaft Vorrang vor individuellen Interessen einzelner Arbeitnehmer oder des Arbeitgebers einräumt. Wenn demzufolge das Betriebsverfassungsgesetz entsprechende Rechte einräumt und ein besonderer Anlass für die Einsichtnahme nicht erforderlich ist, so besteht stets die Gefahr, dass mit den gewonnenen Erkenntnissen Missbrauch betrieben werden kann. Erst dann aber, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Betriebsrat auch diese Erkenntnisse in rechtsmissbräuchlicher Weise verwenden wird, ist eine Einschränkung geboten. Dieses ist, wie bereits ausgeführt, vorliegend nicht der Fall.

49

Die Richtigkeit dieser Position wird dadurch gestärkt, dass vorliegend bei einer Verneinung des Rechtes der Einsichtnahme nicht erkennbar wäre, ob und ggf. wann der Betriebsrat wieder ein solches Recht auf Einsichtnahme in die Bruttolohn- und -gehaltslisten in Anspruch nehmen könnte. Da derzeit nicht erkennbar ist, wie sich die tarifliche Situation verändert und insbesondere die Arbeitgeberin an der unterschiedlichen Lohnzahlung festhalten will, wozu sie berechtigt ist, wäre es auf unabsehbare Zeit für den Betriebsrat nicht möglich, eine solche Einsichtnahme vorzunehmen. Die Tatsache, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Anwendbarkeit des Tarifvertrages mit der CGD entschlossen haben, andere nicht, setzt sich auf derzeit nicht bestimmbare Zeit fort. Würde man derzeit die Einsichtnahme ablehnen, so bliebe diese Ablehnung bestehen auf nicht absehbare Zeit, sofern sich nicht neue Tatsachen ergeben, die nunmehr eine Einsichtnahme ermöglichen. Die Kammer wäre derzeit nicht in der Lage, einen solchen Termin zu bestimmen. Eine derart dauerhafte Ablehnung des Einsichtsrechtes führte aber zu einer entsprechenden Benachteiligung des Betriebsrates in Bezug auf seine gesetzlichen Aufgaben, so dass auch insoweit die Interessenabwägung ergibt, dass die Interessen des Betriebsrates und damit auch der Belegschaft Vorrang gegeben werden muss.

50

Nach alledem ist die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

51

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt gemäß §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG.