Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.02.2001, Az.: 10 Sa 1155/00
Feststellung einer Arbeitnehmereigenschaft eines Volkshochschuldozenten
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 09.02.2001
- Aktenzeichen
- 10 Sa 1155/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 10400
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2001:0209.10SA1155.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hameln - 10.05.2000 - AZ: 2 Ca 531/99
- nachfolgend
- BAG - 29.05.2002 - AZ: 5 AZR 161/01
Verfahrensgegenstand
Bestehen eines Arbeitsverhältnisses;
hier: Feststellung einer Arbeitnehmereigenschaft eines Volkshochschuldozenten
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Volkshochschuldozenten, die Unterricht in von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Kursen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung nach §§ 77 ff. SGB III erteilen (hier: Deutsch für Aussiedler), sind Arbeitnehmer, wenn ihnen der Unterrichtsträger Unterrichtsinhalte und -ziele in Lehrplänen vorgibt, wenn sie in erheblichem Umfang zu Nebenarbeiten wie Durchführung und Korrektur von Tests, Teilnahme an Konferenzen und Durchführung von Exkursionen verpflichtet sind und entschuldigte und unentschuldigte Fehlzeiten der Teilnehmer in einem Klassenbuch detailliert zu dokumentieren haben. Das gilt auch dann, wenn die konkrete Arbeitszeit von den Lehrkräften selbst festgelegt wird.
- 2.
Hat sich ein Volkshochschuldozent auf den Hinweis des Unterrichtsträgers, dass eine Fortführung der drittmittelfinanzierten Maßnahme aus wirtschaftlichen Gründen nur möglich sei, wenn der Unterricht im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erteilt werde, jahrelang mit dieser Handhabung einverstanden erklärt und hat sich der Unterrichtsträger auf diese Vertragspraxis eingestellt, so steht einer rückwirkenden Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Es ist dem Unterrichtsträger unzumutbar, die Rechtsbeziehung der Parteien rückwirkend als Arbeitsverhältnis zu behandeln. Die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft kann daher erst für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Statusfeststellungsklage begehrt werden.
In dem Rechtsstreit
hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 09.02.2001
durch
die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und
für Recht erkannt:
Tenor:
- I
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 10.05.2000 - 2 Ca 531/99 - teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
- 1.
Es wird festgestellt, dass seit dem 03.01.2000 zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, das über den 02.06.2000 hinaus fortbesteht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 2.
Die Kosten werden zu 1/3 der Klägerin, zu 2/3 der Beklagten auferlegt.
- 3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen seit dem 1. Januar 1996 ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die Klägerin ist seit Februar 1990 für die Beklagte tätig. Sie unterrichtete seit Beginn ihrer Tätigkeit als Lehrerin im Rahmen von Deutschkursen, die in der von der Beklagten unterhaltenen Volkshochschule erteilt werden. Sie erteilte etwa 700 Unterrichtsstunden jährlich in Deutschkursen für Aussiedler, Asylberechtigte und Kontingentflüchtlinge, ferner etwa 80 Unterrichtsstunden je Jahr in den Kursen "Deutsch als Fremdsprache". Sie erhielt je Stunde zwischen 30,00 DM und 36,00 DM, durchschnittlich insgesamt 2.400,00 DM im Monat. Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer wurden von der Beklagten nicht abgeführt, vielmehr wurde die Rechtsbeziehung der Parteien als freies Mitarbeiterverhältnis behandelt. Schriftliche Verträge wurden zwischen den Parteien nicht geschlossen.
Die Deutschkurse für Aussiedler wurden von der Bundesanstalt für Arbeit im Rahmen der Förderung der beruflichen Weiterbildung (§§ 77 ff. SGB III) finanziert. Das "Projekt Aussiedler" wurde für jeweils ein Jahr genehmigt. Nach Zuweisung der für einen Lehrgang erforderlichen Anzahl von etwa 20 Teilnehmern wurde der Unterricht in diesem Lehrgang aufgenommen, der sechs Monate dauerte. Nach Zuweisung der nächsten 20 Teilnehmer begann der nächste Kurs. Innerhalb eines Projektes wurden demnach mehrere, aufeinander folgende Kurse durchgeführt, in denen in der Regel jeweils drei Lehrkräfte eingesetzt wurden. Der Inhalt der Deutschkurse für Aussiedler war in dem seit 1994 gültigen Lehrplan/Stoffverteilungsplan der Beklagten geregelt, der sich an den Vorgaben der Bundesanstalt für Arbeit orientierte und ihr vorzulegen war. Die Einhaltung der Pläne wurde von der Bundesanstalt für Arbeit stichprobenartig überprüft. Die Lehrkräfte waren von der Beklagten angewiesen, nach diesen Plänen zu arbeiten. Danach waren 910 Unterrichtsstunden à 45 Minuten in 35 Unterrichtswochen zu erteilen. Die Sprachausbildung hatte in drei Stufen zu erfolgen, wobei das Erreichen des Lernzieles jeder Stufe durch Tests zu überprüfen war, die von den Lehrkräften zu korrigieren waren. Die Tests waren auf Veranlassung der Beklagten von zwei Lehrkräften erstellt worden. Diese Tests waren von den Lehrkräften durchzuführen. Die einzusetzenden Lehrbücher waren aufgeführt, die von der Klägerin während der gesamten Zeit ihrer Tätigkeit für die Beklagte in der jeweils aktuellen Auflage eingesetzt wurden. Für jede Stufe waren Themen vorgegeben, die zusätzlich zu den Unterrichtsthemen der Lehrbücher zu vermitteln waren, etwa die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Umgang mit Behörden und Ämtern, Darstellung des Schul- und Ausbildungssystems in Deutschland, Arbeitsplatzsuche, Wohnungssuche, Rollenspiele über Alltagssituationen. Ferner war angegeben, dass und wie in der 3. Stufe das Hör- und Leseverstehen der Teilnehmer sowie ihre kommunikative Kompetenz zu schulen waren. Die Lehrkräfte hatten zusätzlich zum laufenden Sprachunterricht zur Förderung des aktiven Spracherwerbs der Teilnehmer mit diesen Exkursionen wie Betriebsbesichtigungen, Behörden- oder Museumsbesuche oder ähnliches durchzuführen. Solche außerunterrichtlichen Aktivitäten fanden auch tatsächlich regelmäßig statt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Lehrplan/Stoffverteilungsplan (Bl. 26-34 d.A.) Bezug genommen.
Die Kurse schlossen mit einer mündlichen und schriftlichen Abschlussprüfung. Abhängig vom Lernerfolg der Teilnehmer erfolgte diese auf dem Niveau der Prüfung zum Grundbaustein der Prüfungszentrale des DVV oder des Zertifikats Deutsch als Fremdsprache. Auch die Abschlussprüfung war von den Lehrkräften durchzuführen, die schriftliche Prüfung war von ihnen zu korrigieren. Der Lernerfolg war in einem Zeugnis zu dokumentieren.
Die Klägerin war verpflichtet, an wöchentlichen Konferenzen der Lehrkräfte, in denen der Unterrichtsverlauf abgestimmt wurde, teilzunehmen. Sie erhielt dafür eine Pauschalvergütung von sechs Unterrichtsstunden im Monat. Sie hatte ferner ein Klassenbuch zu führen, in dem das jeweilige Unterrichtsthema sowie das Fehlen oder die Verspätung einzelner Teilnehmer zu dokumentieren und besondere Vorkommnisse festzuhalten waren. Hinsichtlich der äußeren Form des Klassenbuchs wird auf die Anlage K 11 (Bl. 116-119 d.A.) verwiesen. Im Klassenbuch waren auch bestimmte, berechtigte Fehlzeiten der Teilnehmer, zum Beispiel bei Umzug, Eheschließung, Erkrankungen oder Todesfällen von Angehörigen sowie notwendigen Behördengängen zu dokumentieren. Für diese Zeiten stand jedem Teilnehmer ein bestimmtes Kontingent an Einzelstunden beziehungsweise Tagen, an denen er entschuldigt fehlen durfte, zur Verfügung. Die entschuldigten Fehlzeiten waren ferner in Listen, geordnet nach der jeweiligen Fallgruppe, festzuhalten. Hinsichtlich der insoweit zu beachtenden Einzelheiten wird auf die Anweisung vom 2. April 1998 (Anlage K 6, Bl. 38-43 d.A.) Bezug genommen.
Diese Dokumentationspflicht beruhte auf den Vorgaben der Bundesanstalt für Arbeit gegenüber der Beklagten. Die Bundesanstalt für Arbeit hatte der Beklagten Auskunfts- und Mitteilungspflichten über solche Tatsachen auferlegt, die Aufschluss darüber geben konnten, ob und inwieweit die Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung zu Recht erbracht wurden. Dementsprechend war das zuständige Wohnarbeitsamt unverzüglich zu unterrichten, wenn - etwa wegen häufiger Fehlzeiten - das Erreichen des Maßnahmeziels gefährdet war, wenn ein Teilnehmer die Maßnahme nicht antrat, vorzeitig beendete oder die Prüfung nicht bestand. Hinsichtlich der Einzelheiten der erteilten Auflagen wird beispielhaft auf den Bescheid vom 4. März 1999 für das Projekt vom 1. April 1999 bis zum 31. März 2000 (Bl. 20 f. d.A.) Bezug genommen.
Der Unterricht war - mit Ausnahme der außerunterrichtlichen Aktivitäten - von Montags bis Freitags zwischen 8.00 und 15.00 Uhr in den von der Beklagten extra für das Projekt "Deutsch für Aussiedler" angemieteten Räumen zu erbringen. Ausfallender Unterricht war vor- oder nachzuarbeiten. Die Beklagte machte den Lehrkräften keine Vorgaben, welcher Kurs wann in welchen Räumen stattzufinden hatte. Bis 1994 war ein Angestellter der Beklagten, Herr E., ausschließlich für das Projekt "Deutsch für Aussiedler" zuständig. Dieser erstellte unter anderem die Stundenpläne. Seit 1994 wurde das Projekt "Deutsch für Aussiedler" wegen zurückgehender Teilnehmerzahlen vom Leiter des Fachbereichs Zweiter Bildungsweg der Beklagten, Herrn B., nebenbei mitbetreut. Seitdem legten die Lehrkräfte durch Absprache untereinander fest, wer welchen Kurs erteilte, wobei soweit als angesichts der zeitlichen Vorgaben des Lehr-/Stoffverteilungsplanes möglich die Wünsche der einzelnen Lehrkräfte berücksichtigt wurden. Die Lehrgangsleiterin L. erstellte sodann die entsprechenden Stundenpläne. Sobald ein Kurs endete, so dass bis zum Erreichen der für einen neuen Kurs erforderlichen Teilnehmerzahl vorübergehend die insgesamt zu unterrichtende Gesamtstundenzahl absank, verteilten die Lehrkräfte die verbleibenden Stunden neu unter sich, wobei die Klägerin aus sozialen Gründen häufig ihre Stundenzahl vorübergehend zugunsten anderer Lehrkräfte absenkte. Die Lehrkräfte regelten auch die Vertretung untereinander. Die Vergütung für den vertretungsweise erteilten Unterricht erhielt die Vertretung. War eine interne Vertretung unmöglich, konnte die Klägerin keine Person von außerhalb als Vertretung stellen. Vielmehr sorgte dann die Beklagte für eine Vertretung. Urlaub musste die Klägerin weder bei der Beklagten beantragen noch ihr die Dauer ihrer Abwesenheit mitteilen.
Die Beklagte beantragte letztmals die Bewilligung einer Bildungsmaßnahme "Deutsch für Aussiedler" bei der Bundesanstalt für Arbeit am 16. Februar 1999 für die Zeit vom 1. April 1999 bis zum 31. März 2000. Vor der Antragstellung hatte sie sich - wie angesichts der zurückgehenden Teilnehmerzahlen stets seit 1994 - vergewissert, ob weiter Interesse an einer Lehrtätigkeit ausschließlich auf Honorarbasis bestünde. Bis 1994 waren die Lehrgangsleiterinnen L. und Br. im Rahmen befristeter Arbeitsverträge beschäftigt worden. Nachdem diese Klage auf Feststellung unbefristeter Arbeitsverhältnisse erhoben hatten erklärte die Beklagte, man werde alle drittmittelfinanzierten Fremdsprachenkurse einstellen, wenn die Klagen nicht zurückgenommen würden. Eine Fortführung des Projekts "Deutsch für Aussiedler" könne nur erfolgen, wenn alle Lehrkräfte im Rahmen freier Mitarbeiterverträge beschäftigt würden. Frau L. und Frau Br. nahmen daraufhin ihre Klage zurück und wurden wie alle übrigen Lehrkräfte fortan als freie Mitarbeiterinnen tätig.
Die Beklagte beschloss nach Bewilligung der Maßnahme für die Zeit vom 1. April 1999 bis zum 31. März 2000, das Projekt "Deutsch für Aussiedler" auslaufen zu lassen. Lediglich der letzte, im Dezember 1999 begonnene Kurs wurde nach Absprache mit der Bundesanstalt für Arbeit noch beendet. Nach seinem Abschluss am 2. Juni 2000 wurde das Projekt "Deutsch für Aussiedler" seitens der Beklagten eingestellt. Am 10. oder 17. Dezember 1999 erklärte der Leiter der Volkshochschule der Klägerin, dass das Projekt "Deutsch für Aussiedler" auslaufe und es keine weiteren Kurse geben werde. Gegen diese vermeintliche Kündigungserklärung hat die Klägerin am 24. Dezember 1999 Klage erhoben. Zugleich begehrt sie die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien seit dem 1. Januar 1996 und Feststellung des Fortbestands dieses Arbeitsverhältnis über den 2. Juni 2000 hinaus. Die Klage ist am 3. Januar 2000 zugestellt worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 22. November 2000 haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Kündigungsschutzklage übereinstimmend für erledigt erklärt.
Durch das der Beklagten am 25. Mai 2000 zugestellte Urteil vom 10. Mai 2000, auf das hiermit zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis. Die Beklagte habe der Klägerin den Gegenstand des Unterrichts einseitig vorgegeben und auch zeitliche Vorgaben erteilt. Auch die Pflicht zu Nebenarbeiten spreche für ein Arbeitsverhältnis. Das Begehren der Klägerin sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Dies wäre nur der Fall, wenn die Klägerin auf eigenen, nicht von der Beklagten veranlassten Wunsch an einem freien Dienstverhältnis habe festhalten wollen. Die Feststellung habe auch für die Zeit ab dem 1. Januar 1996 zu erfolgen, weil sich seit diesem Zeitpunkt an der Organisation des Unterrichts nichts geändert habe.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die am Montag, den 26. Juni 2000 eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. August 2000 am 21. August 2000 begründet worden ist.
Die Beklagte ist der Ansicht, zwischen den Parteien bestehe kein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin habe lediglich den Auftrag erhalten, Deutschkurse auf der Grundlage der von der Bundesanstalt für Arbeit festgelegten Lehrinhalte zu erteilen. Sie sei damit nicht an die Weisungen der Beklagten gebunden gewesen. Sie sei nicht in die Organisation der Volkshochschule der Beklagten eingegliedert gewesen.
Das freie Mitarbeiterverhältnis sei jeweils auf die Durchführung eines Kurses befristet worden. Jedenfalls liege in der Klagerhebung eine unzulässige Rechtsausübung. Die Klägerin habe sich in Kenntnis der Alternative, nämlich Einstellung des Projekts "Deutsch für Aussiedler", mit dem Abschluss eines freien Mitarbeitervertrages einverstanden erklärt. Hinsichtlich der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 92-100 d.A.) sowie ihren Schriftsatz vom 22. Januar 2001 (Bl. 147-150 d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hameln vom 10. Mai 2000 - 2 Ca 531/99 - die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Ansicht, es bestehe wegen des dichten, ihr vorgegebenen Regelwerks ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien. Eine Befristungsabrede zwischen den Parteien gebe es nicht. Jedenfalls fehle es an einem Sachgrund für eine solche Abrede. Ihre Klagerhebung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, weil es vorliegend an einer Vertragsparität gefehlt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf ihre Schriftsätze vom 25. Februar 2000 (Bl. 11-19 d.A.), vom 7. September 2000 (Bl. 110-115 d.A.) sowie vom 22. Dezember 2000 (Bl. 134-137 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO).
B.
Die Berufung ist nur zum Teil begründet. Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis, das nicht mit dem 2. Juni 2000 beendet worden ist. Die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin konnte jedoch erst auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Statusfeststellungsklage, d. h. den 3. Januar 2000, erfolgen. Einer weitergehenden rückwirkenden Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft steht das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.
I.
Die Statusfeststellungsklage ist zulässig. Dies gilt auch für die rückwirkende Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft.
1.
Klagen von Beschäftigten auf Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, sind als gegenwartsbezogene Feststellungsklagen zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses auf dieses sofort die zwingenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden sind, die ein Arbeitsverhältnis gestalten. Nur bei Klagen, die ausschließlich auf die Feststellung gerichtet sind, dass in der Vergangenheit ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, ist zur Bejahung des Feststellungsinteresses erforderlich, dass sich gerade aus der Feststellung eines Arbeitsverhältnisses Folgen für Gegenwart oder Zukunft ergeben. Es muss in diesen Fällen bereits mit der Feststellung des Arbeitsverhältnisses feststehen, dass eigene Ansprüche zumindest dem Grunde nach bestehen oder gegnerische Ansprüche zumindest in bestimmten Umfang nicht mehr gegeben sind (BAG, 03.03.1999, 5 AZR 275/98, AP Nr. 53 zu § 256 ZPO 1977; 15.12.1999, 5 AZR 457/98, EzA § 256 ZPO Nr. 2 <I 2 d. Gr.>).
2.
Die Klägerin begehrt nicht nur die Feststellung eines bereits beendeten Arbeitsverhältnisses, sondern sie will festgestellt wissen, dass sie seit dem 1. Januar 1996 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten steht. Ihre Feststellungsklage ist damit auch gegenwartsbezogen. Ihr Interesse an der begehrten Feststellung ergibt sich daher bereits daraus, dass bei einer rückwirkenden Feststellung eines Arbeitsverhältnisses ihr an die Dauer der Betriebszugehörigkeit anknüpfender Sozialstatus, insbesondere hinsichtlich der Länge der Kündigungsfrist und ihrer Position bei einer eventuell erforderlichen sozialen Auswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung, erheblich stärker ist als bei einer Feststellung erst auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Statusfeststellungsklage. Eines weitergehenden Feststellungsinteresses auch für die rückwirkende Feststellung des Arbeitsverhältnisses bedarf es nicht (vgl. BAG, 15.12.1999, 5 AZR 3/99, AP Nr. 5 zu § 92 HGB<I d.Gr.>).
Soweit Schranken für die zeitliche Begrenzung der rückwirkenden Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft als erforderlich angesehen werden (Griebeling, ZUM 2000, S. 646 <650>; Hochrathner, NZA 2000, S. 1083 <1084>[BAG 23.02.2000 - 7 AZR 825/98]), lassen sich daher diese in den Fällen, in denen wie vorliegend vergangenheits- und gegenwartsbezogene Statusfeststellungsklagen miteinander verbunden werden, dem Prozessrecht nicht entnehmen.
II.
Die Klägerin ist Arbeitnehmerin. Das hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung erkannt.
1.
Arbeitnehmer ist, wer in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert ist. Die Eingliederung zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 121 GewO). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist namentlich der Mitarbeiter, der nicht im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt auch von der Eigenart und der Organisation der zu leistenden Tätigkeit ab. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen. Letztlich kommt es auf eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles an (BAG, stRspr, vgl. nur Urteil vom 06.05.1998, 5 AZR 347/97, AP Nr. 94 zu § 611 BGB - Abhängigkeit <I 1 d.Gr.>).
Diese Grundsätze gelten auch für Unterrichtstätigkeiten. Entscheidend ist, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist und in welchem Umfang sie Unterrichtsinhalt, Art und Weise der Erteilung des Unterrichts, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten kann. Für Volkshochschuldozenten hat der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts, dessen Rechtsprechung die Kammer sich anschließt, diese allgemeinen Grundsätze wie folgt konkretisiert: Volkshochschuldozenten, die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichten, können sowohl als Arbeitnehmer als auch als freie Mitarbeiter beschäftigt werden. Sie sind Arbeitnehmer, wenn im Einzelfall festzustellende Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Grad der persönlichen Abhängigkeit gegeben ist. Solche Umstände können etwa im Recht des Schulträgers, die zeitliche Lage der Unterrichtsstunden zu bestimmen, den Unterrichtsgegenstand oder Art und Ausmaß der Nebenarbeiten einseitig festzulegen, eine intensivere Kontrolle nicht nur des jeweiligen Leistungsstandes der Schüler, sondern auch des Unterrichts selbst durchzuführen oder in der Inanspruchnahme sonstiger Weisungsrechte liegen (BAG, 24.06.1992, 5 AZR 384/91, AP Nr. 61 zu § 611 BGB - Abhängigkeit <II 2 b bb d.Gr.>; 11.10.2000, 5 AZR 289/99, n.v. <I d.Gr.>; vgl. auch Reinecke, ZTR 2000, S. 535 <540>).
2.
Im vorliegenden Fall ist der zur Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin erforderliche Grad ihrer persönlichen Abhängigkeit von der Beklagten erreicht.
a)
Die von der Klägerin unterrichteten Teilnehmer der Kurse "Deutsch für Aussiedler" unterlagen zwar keinem Schulzwang. Wollten sie aber weiterhin die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit für die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung wie Unterhaltsgeld (§§ 153 ff. SGB III) oder Übernahme der Weiterbildungskosten (§§ 81 ff. SGB III) erhalten, so waren sie zur regelmäßigen Teilnahme an der Maßnahme verpflichtet. Unterhaltsgeld wird nämlich grundsätzlich nur für Zeiten des tatsächlichen Besuchs der Unterrichtsveranstaltungen gewährt. Nur in bestimmten Sonderfällen, etwa Fehlen aus wichtigem Grund oder Arbeitsunfähigkeit, wird auch bei Nichtteilnahme an der Weiterbildung weiterhin Unterhaltsgeld gewährt (§ 155 SGB III). Die Teilnehmer der Kurse "Deutsch für Aussiedler" unterlagen damit einem faktischen Teilnahmezwang und konnten sich, wenn sie ihren Lebensunterhalt weiter sicherstellen wollten, nicht ohne Weiteres von der Volkshochschule lösen.
b)
Dieser gegenüber einem nicht drittmittelfinanzierten Volkshochschulkurs deutlich verstärkten Einbindung der Teilnehmer entsprach die stärkere persönliche Abhängigkeit der Klägerin.
aa)
Der Unterricht der Klägerin unterlag strikten inhaltlichen Vorgaben. Er war bis ins Einzelne durch den Lehr- und Stoffverteilungsplan (Bl. 26-34 d.A.) reglementiert. Der Klägerin waren dadurch zum einen die Unterrichtsziele und -inhalte genau vorgegeben. Sie hatte den Teilnehmern in drei Stufen zunächst die grundlegenden Sprachkompetenzen zu vermitteln, die anschließend zu erweitern, zu vertiefen und praxisbezogen anzuwenden waren, und in der dritten Stufe die Teilnehmer auf Stellensuche und Bewerbungen sowie die Abschlussprüfung vorzubereiten. Ihr waren in Ziffer 4 des Stoffverteilungsplanes (Bl. 28-30) bis ins Einzelne die unterrichtsbegleitend zu vermittelnden Themen wie Umgang mit Behörden, Darstellung der sozialen Systeme sowie des Schul- und Ausbildungssystems der Bundesrepublik Deutschland und Durchführung der Arbeitsplatzsuche vorgegeben. Im Lehrplan waren auch die von der Klägerin einzusetzenden Lehrbücher aufgeführt, die sie während der Zeit ihres Unterrichts seit 1994 auch tatsächlich in der jeweils aktuellen Auflage eingesetzt hat. Schließlich waren such Art und Ausmaß sowie Zeitpunkt der Tests von der Beklagten festgelegt (vgl. Anlage K 3, Bl. 24 d.A.).
Der Klägerin waren zum anderen auch jedenfalls teilweise Methodik und Didaktik vorgeschrieben, soweit ihr Ziffer 4 des Stoffverteilungsplans das Abhalten von Rollenspielen und Ziffer 8 des Stoffverteilungsplanes die Durchführung von Exkursionen vorschrieb. Ihr war in Ziffer 4 des Stoffverteilungsplanes auch aufgegeben, dass und wie sie das Lese- und Hörverstehen sowie die kommunikative Kompetenz der Teilnehmer zu schulen hatte, nämlich unter anderem durch das Abfassen von Anzeigen und Anträgen, durch Abhören von Telefonansagen und Hören von TV- und Radiosendungen.
Die Klägerin konnte damit ihren Unterricht inhaltlich nicht frei gestalten. Unerheblich ist dabei, dass der Lehr- und Stoffverteilungsplan sich an den Vorgaben der Bundesanstalt für Arbeit orientierte. Kann die Lehrkraft infolge staatlicher Anordnungen ihren Unterricht nicht frei gestalten und kontrolliert in erster Linie der Dienstgeber selbst die Einhaltung der Anordnungen, so kann dies zur Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft führen (vgl. BAG, 12.09.1996, 5 AZR 104/95, AP Nr. 122 zu § 611 BGB - Lehrer, Dozenten <II 3 a d.Gr.>). Auch wenn im vorliegenden Fall die Einhaltung der Lehrpläne stichprobenartig von der Bundesanstalt für Arbeit überprüft wurde, so war die Klägerin doch vorrangig von der Beklagten angewiesen, nach diesen Plänen zu arbeiten. Es lag im ureigensten Interesse der Beklagten, sicher zu stellen, dass tatsächlich nach diesen Plänen gearbeitet wurde, um so zu verhindern, dass die Anerkennung für die Weiterbildungsförderung widerrufen wurde (§ 93 Abs. 2 SGB III). Die Klägerin war damit bei der Erteilung ihres Unterrichts an Vorgaben der Beklagten gebunden, die es der Klägerin unmöglich machten, Unterrichtsinhalt und -ziele frei zu bestimmen.
Dass die Beklagte jedenfalls seit 1995 von ihrem Weisungsrecht hinsichtlich des Unterrichtsinhalts nur noch zurückhaltend Gebrauch gemacht hat, lag offenkundig daran, dass der Lehr- und Stoffverteilungsplan seit 1994 reibungslos beachtet wurde und die einmal erteilte Weisung, diesen Plan dem Unterricht zugrunde zu legen, fortwirkte. Die zurückhaltende Ausübung des Weisungsrechts machte die Klägerin damit nicht zu einer freien Mitarbeiterin (BAG, 12.09.1996, 5 AZR 1066/94, AP Nr. 1 zu § 611 BGB - freier Mitarbeiter <Leitsatz 1>).
bb)
Damit die zur Abhaltung der Kurse "Deutsch für Aussiedler" aufgewandten öffentlichen Mittel sachgemäße Verwendung fanden, unterlag die Klägerin einer verstärkten Aufsicht und Kontrolle, die weit über das Maß der Kontrolle in einem nicht drittmittelfinanzierten Volkshochschulkurs hinausging.
Sie war verpflichtet, die jeweiligen Unterrichtsthemen sowie die Abwesenheit oder Verspätung der Teilnehmer in einem Klassenbuch und zusätzlichen separaten Listen zu dokumentieren. Zuzuteilen und festzuhalten waren auch bestimmte berechtigte Fehlzeiten. Dabei hatte die Beklagte in der Anweisung vom 2. April 1998 (Anlage K 6, Bl. 38-43 d.A.) einen genauen Schlüssel vorgegeben, für welche Fallgruppen wie viel Fehlzeiten zu bewilligen waren. Diese Dokumentationspflichten ermöglichte nicht nur eine Kontrolle der Teilnehmer, sondern auch eine stärkere Kontrolle der Klägerin als Lehrkraft. Zudem bedeuteten die Zwischentests und Abschlussprüfungen der einzelnen Teilnehmer mittelbar auch eine Kontrolle der Klägerin als Unterrichtskraft auf die Effizienz des von ihr erteilten Unterrichts (vgl. BAG, AP Nr. 122 zu § 611 BGB - Lehrer, Dozenten <II 1 d.Gr.>).
cc)
Die Beklagte verfügte auch außerhalb des eigentlichen Unterrichts in erheblichem Umfang über die Arbeitskraft der Klägerin, indem sie sie zu Nebenarbeiten heranzog.
In jedem sechs Monate dauernden Kurs waren drei Zwischentests und eine mündliche und schriftliche Abschlussprüfung durchzuführen, die von der jeweiligen Kursleiterin nicht nur vorzubereiten (so die Konstellation im der Entscheidung des BAG vom 07.02.1990, 5 AZR 89/89, EzA Nr. 31 zu § 611 BGB - Arbeitnehmerbegriff <II 2 d.Gr.> zugrundeliegenden Fall), sondern auch durchzuführen und zu korrigieren waren.
Die Klägerin hatte ferner mit den Teilnehmern der von ihr betreuten Kurse Exkursionen zu Behörden oder Museen etc. durchzuführen. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich dabei nicht in jedem Fall die Einhaltung der vorgegebenen Unterrichtszeiten sicherstellen ließ.
Die Klägerin hatte schließlich wöchentlich an Konferenzen teilzunehmen, in denen zur Sicherstellung der Erreichung des angestrebten Unterrichtszieles, nämlich der Vermittlung der erforderlichen Sprachkenntnisse, der Unterrichtsverlauf koordiniert wurde. Sie erhielt dafür eine pauschale Vergütung von sechs Unterrichtsstunden/Monat.
d)
In der Gesamtschau dieser Umstände lag eine Bindung der Klägerin an Weisungen und Vorgaben der Beklagten vor, die mit einer Stellung als freie Mitarbeiterin nicht mehr zu vereinbaren war. Demgegenüber fiel nicht entscheidend ins Gewicht, dass die Beklagte auf eine Vorgabe der Arbeitszeit und des Stundenkontingents weitgehend verzichtet und nur den Zeitrahmen, nämlich Montag bis Freitag von 8.00 Uhr bis 15.00, die Gesamtzahl und - dauer der Unterrichtsstunden, die Dauer des Kurses insgesamt und den Unterrichtsort vorgegeben hatte und im Übrigen lediglich das Vor- oder Nacharbeiten ausgefallenen Unterrichts verlangte. Insoweit folgt die Kammer nicht der Ansicht der Klägerin, die Stundenpläne seien ihr durch die Beklagte, vertreten durch die Lehrgangsleiterin L., einseitig vorgegeben worden. Vielmehr haben die Lehrkräfte unter Beachtung dieser allgemeinen Rahmenbedingungen die Arbeitszeit unter sich eingeteilt. Frau L. hat dann lediglich die so vereinbarte Zeiteinteilung in Stundenpläne gefasst.
Die Arbeitszeit ist jedoch nur eine der bei der Abwägung der Gesamtumstände zu beachtenden Komponenten (a.A. BAG, 30.10.1991, 7 ABR 19/91, AP Nr. 59 zu § 611 BGB - Abhängigkeit <B II 4 d d.Gr.>). Die Freiheit in der Arbeitszeiteinteilung, die die Klägerin genoss, kann die strikten inhaltlichen Vorgaben, der ihre Tätigkeit unterlag, nicht aufwiegen. Insoweit besteht kein wesentlicher Unterschied zu Lehrern an allgemeinbildenden Schulen, bei denen bei der Erstellung des Stundenplanes auch oft die Wünsche der Lehrkraft, wann sie unterrichten wolle, Berücksichtigung finden (vgl. BAG, AP Nr. 1 zu § 611 BGB - freier Mitarbeiter <III 2 d.Gr.>).
III.
Die Feststellung des Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin kann nur auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, d. h. den 3. Januar 2000, rückwirkend erfolgen. Die Klägerin verhält sich widersprüchlich, wenn sie eine weitergehende rückwirkende Feststellung eines Arbeitsverhältnisses anstrebt. Insoweit steht ihrem Begehren der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen.
1.
Grundsätzlich steht es jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs frei, sein Verhalten oder seine Rechtsansicht zu ändern und sich damit in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten zu setzen. Jede Partei kann daher ein unter ihrer Beteiligung zustande gekommenes Rechtsgeschäft angreifen (BGH, 20.03.1986, III ZR 236/84, NJW 1986, S. 2104 <II 7 a d.Gr.>; BGH, 05.06.1997, X ZR 73/95, NJW 1997, 3377; Singer, NZA 1998, S. 1309 <1310>[BAG 04.12.1997 - 2 AZR 799/96]). Ein solches Verhalten verstößt erst dann gegen Treu und Glauben, wenn der eine Vertragspartner einen Vertrag über längere Zeit in einer bestimmten Weise ausgelegt hat und der andere Vertragspartner daraus den Schluss ziehen durfte, der Partner werde den Vertrag so gegen sich gelten lassen, wie er bisher gehandhabt worden ist. Dann ist ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden (vgl. RG, 08.03.1934, IV 5/34, RGZ 144, 89 <91>). Dies gilt im Besonderen dann, wenn die über lange Zeit in einem bestimmten Sinn angewandte Regelung in ihrer Auslegung zweifelhaft war (RG, a.a.O. <92>). Hat sich der Vertragspartner zudem auf die gleichbleibende Einstellung des anderen Vertragspartners eingerichtet und ist ihm eine Inanspruchnahme mit einer anderen rechtlichen Begründung nicht zuzumuten, dann ist es mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, die Vertragsauslegung ohne aus dem Vertragsverhältnis herrührende zwingende Gründe nachträglich und unvermutet zu ändern (BGH, 22.05.1985, IV a ZR 153/83, BGHZ 94, 344 <352, 354>; BAG, 11.12.1996, 5 AZR 855/95, AP Nr. 35 zu § 242 BGB - Unzulässige Rechtsausübung/Verwirkung <1 d.Gr.>); Singer, a.a.O., m.w.N. zu FN 25).
2.
Bei Anlegung dieses Maßstabs verstößt die Klägerin gegen Treu und Glauben, wenn sie die Feststellung ihrer Arbeitnehmereigenschaft für die Zeit vor der Rechtshängigkeit der Statusfeststellungsklage begehrt.
a)
Die Klägerin hat einen Vertrauenstatbestand bei der Beklagten dahin geschaffen, dass zwischen den Parteien ein freies Mitarbeiterverhältnis bestand.
Die Klägerin war seit 1990 im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses für die Beklagte tätig. Seit 1994 hat die Beklagte stets deutlich gemacht, dass sie nur wegen der Bereitschaft der Klägerin und aller übrigen Lehrkräfte, den Unterricht in den Kursen "Deutsch für Aussiedler" im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses zu erteilen, das Projekt fortgeführt und angesichts zurückgehender Teilnehmer zahlen nicht schon 1994 eingestellt hat. Die Klägerin hat sich mit dieser Vertragshandhabung ausdrücklich einverstanden erklärt. Dabei musste beiden Parteien angesichts der gerade bei Volkshochschuldozenten auf den Einzelfall abstellenden Rechtsprechung klar sein, dass die rechtliche Einordnung ihrer Rechtsbeziehung zweifelhaft war. Die Beklagte durfte daher davon ausgehen, dass die Klägerin jedenfalls nicht für die Vergangenheit die Vertragsdurchführung nachträglich ändern würde.
Dem steht nicht entgegen, dass - wovon die Kammer zugunsten der Klägerin ausgeht - diese sich auch unter dem Druck der Verhältnisse, insbesondere der Arbeitsmarktsituation, mit der Durchführung der Rechtsbeziehung der Parteien als freies Mitarbeiterverhältnis einverstanden erklärt hat, weil die Alternative die Arbeitslosigkeit gewesen wäre. Die Beklagte hat nämlich der Klägerin das freie Mitarbeiterverhältnis nicht etwa zur bewussten Umgehung von Arbeitnehmerschutzrechten angeboten. Vielmehr hat sie nur im Hinblick auf den ohnehin Ungewissen Status der Klägerin und die angesichts zurückgehender Teilnehmerzahlen eingeschränkten Mittelzuweisungen der Bundesanstalt für Arbeit deutlich gemacht, dass eine Fortführung des Projekts "Deutsch für Aussiedler" ihr aus Haushaltsgründen nur im Rahmen freier Mitarbeiterverhältnisse möglich sei. Sie durfte, nachdem sich die Klägerin diesen finanziellen Notwendigkeiten gefügt hatte, darauf vertrauen, dass die Klägerin diese weiterhin akzeptieren und nicht nachträglich rückwirkend die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses begehren würde.
b)
Die Beklagte hat sich auf die Durchführung der Vertragsbeziehung der Parteien als freies Mitarbeiterverhältnis auch eingerichtet. Sie hat im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten das Projekt "Deutsch für Aussiedler" seit 1994 stets fortgeführt, ohne Rücklagen für eventuelle rückwirkende Feststellungsklagen zu bilden.
c)
Es ist der Beklagten auch nicht zumutbar, die Rechtsbeziehung der Parteien rückwirkend als Arbeitsverhältnis zu behandeln. Bei einer rückwirkenden Statusfeststellung hat die Beklagte erhebliche Kosten zu tragen. Zudem führt die umfassende Rückabwicklung der Rechtsbeziehung der Parteien zu einem untragbaren zeitlichen Aufwand und erheblichen praktischen Schwierigkeiten.
aa)
Die Beklagte ist für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zahlungspflichtig (§ 28 e Abs. 1 SGB IV) und kann den Arbeitnehmeranteil wegen des unterbliebenen Abzugs nur bei den nächsten drei Lohnnachzahlungen einbehalten (§ 28 g S. 3 SGB IV). Unbegrenzt zulässig ist der Beitragsabzug nur, wenn den Arbeitgeber hieran kein Verschulden trifft, was nach der Gesetzesbegründung immer dann der Fall ist, wenn der Arbeitgeber von der zuständigen Einzugsstelle unrichtig beraten wurde (BT-Drs 11/2221, S. 24, zu § 28g SGB IV). Der bloße Rechtsirrtum über die rechtliche Einstufung der Rechtsbeziehung der Parteien berechtigt demnach den Arbeitgeber nicht zu einem unbegrenzten Beitragsabzug (Küttner-Schlegel, Personalhandbuch 2000, Lohnabzugsverfahren, Rz. 27). Im Ergebnis trägt also die Beklagte für die Zeit einer Nachversicherung der Klägerin die Sozialversicherungsabgaben weitgehend allein.
Die Beklagte haftet ferner für etwaige Steuernachzahlungen der Klägerin im Außenverhältnis gegenüber den Finanzbehörden. Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen (§ 38 Abs. 3, § 41 a Abs. 1 Nr. 2 EStG). Für die richtige Abführung haftet er (§ 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG), insoweit sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gesamtschuldner. Das zuständige Finanzamt kann die Steuerschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen (§ 42 d Abs. 3 Satz 1 und 2 ESG). Ob die Inanspruchnahme der Beklagten durch das Finanzamt ermessensfehlerfrei wäre oder ob die Beklagte sich erfolgreich darauf berufen könnte, sie habe sich bei der Annahme, es habe kein Arbeitsverhältnis vorgelegen, in einem entschuldbaren Tatsachenirrtum befunden, ist ungewiss und setzt sie den Risiken und Kosten eines Prozesses vor der Finanzgerichtsbarkeit aus.
bb)
Die rückwirkende Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin zwingt die Beklagte darüber hinaus zu einer umfassenden Rückabwicklung der Rechtsbeziehung der Parteien auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses. Dieser Aufwand ist ihr weder von dem damit verbundenen zeitlichen Aufwand zur Feststellung der dazu erforderlichen Tatsachen noch den aus eventuellen Vergütungsnachzahlungen an die Klägerin resultierenden Kosten her zumutbar, zumal nur sie Nachzahlungen an die Klägerin zu leisten hätte, die Klägerin aber die Überzahlung der einzelnen geleisteten Unterrichtsstunden nicht ausgleichen müsste.
Allerdings kommt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Abwicklung der Rechtsbeziehung nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung nicht in Betracht. Eine Anpassung der Vertragsbeziehung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage soll nur für die Zukunft möglich sein (BAG, 09.07.1986, 5 AZR 44/85, AP Nr. 7 zu § 242 BGB - Geschäftsgrundlage). Dieser Rechtsprechung ist jedoch nicht zu folgen (vgl. Griebeling, ZUM 2000, S. 646 <651>).
(1)
Eine Rückabwicklung nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung kommt in der Tat nicht in Betracht. Die wechselseitigen Leistungen der Parteien sind auf den zwischen ihnen bestehenden Vertrag und damit mit Rechtsgrund erbracht worden. Unerheblich ist, dass dieser Vertrag anders zu bewerten ist als es die Parteien getan haben (vgl. Meyer-Maly, Anm. zu BAG AP Nr. 7 zu § 242 BGB - Geschäftsgrundlage <Bl. 848>). Dieser Rechtsgrund ist auch nicht nachträglich entfallen (§ 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. BGB), er unterliegt nur einer anderen rechtlichen Beurteilung.
(2)
Eine Anpassung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage scheidet ebenfalls aus. Geschäftsgrundlage sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die nicht zum Vertragsinhalt erhobenen, aber bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien oder die dem Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei vom Fortbestand oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (zuletzt BGH, 15.11.2000, VIII ZR 324/99<II 1 a d.Gr.>). Hier ist jedoch gerade die Beschäftigung der Klägerin als freie Mitarbeiterin zum Vertragsinhalt geworden. Dass die Rechtslage tatsächlich eine andere war, berührt die Geschäftsgrundlage daher nicht (vgl. Meyer-Maly, Anm. zu BAG, AP Nr. 7 zu § 242 BGB - Geschäftsgrundlage <Bl. 847/R>).
(3)
Die Rechtsbeziehung der Parteien ist aber rückwirkend nach der objektiven Rechtslage zu behandeln. Die Rechtsbeziehung der Parteien wäre daher - unter Beachtung der Verjährungsvorschriften und gegebenenfalls des Einwands der Verwirkung - rückwirkend als Arbeitsverhältnis zu behandeln. Daraus ergäben sich jedoch zum einen für die Beklagte praktisch unlösbare Schwierigkeiten, weil auch Urlaubs- und Arbeitsunfähigkeitszeiten zu berücksichtigen wären, die wegen der Stellung der Klägerin als freier Mitarbeiterin nicht in judiziabler Weise festgehalten worden sein dürften. Zum anderen kann die Beklagte erhebliche Nachzahlungen leisten müssen. Zwar hat die Klägerin mangels Vereinbarung eines Arbeitsentgelts nur Anspruch auf Zahlung der üblichen Vergütung (§ 612 Abs. 2 BGB). Dafür, dass die Parteien vereinbart haben, dass der Klägerin auch dann das ihr gezahlte Honorar zustehen sollte, wenn sie als Arbeitnehmerin tätig war, ist nichts ersichtlich (vgl. BAG, 21.01.1998, 5 AZR 50/97, AP Nr. 55 zu § 612 BGB <2 d.Gr.>). Die übliche Vergütung dürfte unter dem der Klägerin gezahlten Stundenlohn von 30,- bis 36,00 DM je Stunde liegen. Da die Beklagte jedoch auch in erheblichem Umfang Zeiten vergüten müsste, für die bisher kein Entgelt gezahlt worden ist, z. B. Entgeltfortzahlung und Urlaubsentgelt gewähren müsste, müsste sie erhebliche, noch nicht feststehende Nachzahlungen leisten. Demgegenüber könnte sie die Überzahlung für die einzelnen geleisteten Unterrichtsstunden von der Klägerin nicht rückerstattet verlangen, weil - wie ausgeführt - diese Zahlungen nicht rechtsgrundlos geleistet sind.
d)
Letztlich würde damit die Klägerin für die Zeit der rückwirkenden Feststellung ihrer Arbeitnehmereigenschaft die Vorteile von Arbeitsverhältnis und freiem Mitarbeiterverhältnis kumulieren. Sie behielte die höhere Vergütung, die ihr während des freien Mitarbeiterverhältnisses gezahlt worden ist, erhielte erhebliche Nachzahlungen von Arbeitsentgelt für Urlaubs- und Arbeitsunfähigkeitszeiten und würde rückwirkend weitgehend ohne eigenen Beitrag sozialversichert. Diese Konsequenz ist von der Rechtsordnung nicht zu tolerieren.
3.
Die Klägerin kann jedoch Feststellung ihrer Arbeitnehmereigenschaft auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ihrer Statusfeststellungsklage verlangen. Die Beklagte hat mit ihrer Bekanntgabe im Dezember 1999, dass das Projekt "Deutsch für Aussiedler" eingestellt werde, selbst die gesamte Rechtsbeziehung der Parteien in Frage gestellt. Die Klägerin war daher berechtigt, den Inhalt dieser Rechtsbeziehung für die Zukunft gerichtlich überprüfen zu lassen und die Zubilligung von Arbeitnehmerschutzrechten zu begehren. Nachdem sie diesen Willen durch Zustellung der Statusfeststellungsklage der Bekannten kundgemacht hatte, stand der Einwand des widersprüchlichen Verhaltens ihrem Begehren nicht mehr entgegen (i.E. ebenso Hochrathner, NZA 2000, S. 1083 <1084>[BAG 23.02.2000 - 7 AZR 825/98]).
IV.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist mit Auslaufen des letzten Projektes "Deutsch für Aussiedler" am 2. Juni 2000 nicht beendet worden.
1.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Parteien eine hinreichend eindeutige Befristungsabrede getroffen haben. Bereits das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte nicht dargelegt hat, wie genau sich die Klägerin vor Beginn eines jeden neuen Projektes mit einer Befristung gerade auf den Zeitraum dieses Projektes einverstanden erklärt hat.
2.
Darüber hinaus ist kein Befristungsgrund ersichtlich. Auch darauf hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend abgestellt. Die bloße Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs reicht als Befristungsgrund nicht aus. Die sachliche Rechtfertigung einer Befristungsabrede wegen eines zeitweiligen Bedarfs verlangt vielmehr die Darlegung, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Abschlusses des letzten befristeten Vertrages aufgrund konkreter Tatsachen mit hinreichender Sicherheit die Prognose stellen durfte, dass für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers über das vorgesehene Vertragsende hinaus kein Bedarf bestand (BAG, 22.03.2000, 7 AZR 758/98, AP Nr. 221 zu § 620 BGB - befristetes Arbeitsverhältnis <II 3 a d.Gr.>).
Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Beklagten nicht. Diese behauptet selbst nicht, bei Beantragung des letzten Projektes am 16. Februar 1999 eine Prognose erstellt zu haben, wonach bei Abschluss des Projektes am 31. März 2000 kein Bedarf für die Beschäftigung der Klägerin mehr bestehe. Die Beklagte hat auch keine Tatsachen vorgetragen, die eine derartige Prognose hätten rechtfertigen können.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Soweit auch über die Kosten der Erledigung des Rechtsstreits hinsichtlich der Kündigungsschutzklage zu entscheiden war, war zwar über die gesamten Kosten des Rechtsstreits eine Kostenmischentscheidung zu treffen. Durch die Kündigungsschutzklage sind jedoch vorliegend keine besonderen Kosten entstanden, weil der Streitwert für das gesamte Begehren der Klägerin, dass das Arbeitsverhältnis über den 2. Juni 2000 hinaus fortbestehe und weder durch eine Kündigung noch durch Befristung beendet sei, nur auf drei Monatsgehälter festzusetzen war.
VI.
Die Revision war zuzulassen (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG).