Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.11.2001, Az.: 10 Sa 1046/01

Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
30.11.2001
Aktenzeichen
10 Sa 1046/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 10922
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2001:1130.10SA1046.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Osnabrück - 21.06.2001 - AZ: 2 Ca 184/01

Fundstelle

  • NZA-RR 2002, 242-244 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Schriftform des § 623 ist bei einer vom Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers ausgesprochen Schriftsatzkündigung grundsätzlich nur gewährt, wenn die dem Arbeitnehmer zugehende Abschrift vom Prozessbevollmächtigten des Arbeitgebers als Erklärenden unterzeichnet ist.

  2. 2.

    Ausnahmsweise ist die Schriftform des § 623 BGB auch gewahrt, wenn

    1. a)

      die dem Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers zugegangene Abschrift beglaubigt ist und der Arbeitgebers den Beglaubigungsvermerk selbst unterschrieben hat und

    2. b)

      die dem Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers zum Empfang der Kündigung bevollmächtigt ist.

      Dies ist der Fall, wenn die Schriftsatzkündigung zur Rechtsverteidigung hinsichtlich eines anhängigen Rechtsstreits abgegeben worden ist, die Kündigung sich also auf den Streitgegenstand des anhängigen Prozess bezieht. Dies ist bei der Verbindung einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG mit einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO der Fall.

  3. 3.

    Zur Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung.

In dem Rechtsstreit
hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2001
durch
die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Spelge und
die ehrenamtlichen Richter Heimlich und Deppe
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 21.06.2001 - 2 Ca 184/01 - teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 10.04.2001 nicht mit dem 18.04.2001 beendet worden ist, sondern bis zum 31.05.2001 fortbestanden hat.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens werden zu 2/3 dem Kläger, zu 1/3 dem Beklagten auferlegt.

  3. 3.

    Der Wert wird auf 6.199,08 DM festgesetzt.

  4. 4.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie um Lohn aus Annahmeverzug für die Zeit vom 18.04. bis zum 30.06.2001.

2

Der Kläger war als Tischler seit dem 10.05.1999 bei dem Beklagten beschäftigt. Das Kündigungsschutzgesetz fand keine Anwendung, weil der Beklagte nur vier Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger verdiente durchschnittlich 2.600,00 DM brutto. Er war bis einschließlich Freitag, den 09.03.2001 arbeitsunfähig. Ab Montag, den 12.03.2001 erschien er nicht mehr zur Arbeit. Er meldete sich auch nicht telefonisch beim Beklagten. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen legte er nicht vor. Der Beklagte versuchte wiederholt, den Kläger telefonisch zu erreichen. Ende März 2001 fand ein Telefonat zwischen dem Beklagten und dem Großvater des Klägers statt, dessen Inhalt im Einzelnen streitig ist. Im Anschluss an dieses Gespräch nahm der Kläger Kontakt zum Arbeitsamt auf. Der Beklagte erhielt am 05.04.2001 die Bescheinigung gemäß § 312 SGB III, übersandte daraufhin dem Kläger die Arbeitspapiere und rechnete das Arbeitsverhältnis für März 2001 ab. Den sich ergebenden Nettobetrag zahlte er an den Kläger aus.

3

Der Kläger erhob am 30.03.2001 Klage gegen eine seiner Auffassung nach am 28.03.2001 telefonisch erklärte Kündigung mit dem Antrag,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mündliche Kündigung des Beklagten vom 28.03.2001 nicht beendet ist, sondern unbefristet fortbesteht.

4

Mit Klagerwiderung vom 10.04.2001 sprach der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in dessen Namen wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung eine außerordentliche Kündigung aus. Dieser Schriftsatz war vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten unterschrieben. Ihm waren zwei Abschriften beigefügt. Die beglaubigte Abschrift, die in der Handakte des Prozessbevollmächtigten des Klägers verblieb, war nicht unterschrieben, enthielt jedoch einen vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten selbst unterschriebenen Beglaubigungsvermerk. Hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes wird auf die zur Akte gelangte Kopie der beglaubigten Abschrift (Bl. 50 f. d. A.) Bezug genommen. Die beglaubigte Abschrift ging dem Klägervertreter am 18.04.2001 zu. Am 19.04.2001 wurde dem Kläger die weitere einfache, nicht beglaubigte und nicht unterschriebene Abschrift des Schriftsatzes vom 10.04.2001 übergeben. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten war ausweislich der Prozessvollmacht vom 09.04.2001 (Bl. 6 d. A.) zum Ausspruch von Kündigungen bevollmächtigt.

5

Der Kläger erweiterte seine Klage mit Schriftsatz vom 18.04.2001 mit dem Antrag,

festzustellen, dass auch durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 10.04.2001, zugestellt am 18.04.2001, das Arbeitsverhältnis nicht beendet ist, sondern unbefristet fortbesteht.

6

Mit Schriftsatz vom 10.05.2001 kündigte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten das Arbeitsverhältnis vorsorglich nochmals fristgemäß. Der Schriftsatz ging dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15.05.2001 zu. Diese Kündigung lässt der Kläger zum 30.06.2001 gegen sich gelten. Er begehrt nur noch die Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 10.04.2001 und Zahlung des Entgelts für die Zeit vom 18.04. bis zum 30.06.2001.

7

Der Kläger erhielt für die Zeit vom 01.04. bis zum 30.06.2001 4.509,96 DM Arbeitslosengeld. Im Termin vom 30.11.2001 hat er zu Protokoll erklärt, dass er mit dem Arbeitsamt die Vereinbarung getroffen habe, das erhaltene Arbeitslosengeld zurückzuzahlen, dies aber noch bis zu einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hinauszögere.

8

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.06.2001 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 10.04.2001, sondern erst aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Beklagten vom 10.05.2001, zugegangen am 15.05.2001, mit Ablauf des 30.06.2001 beendet worden ist, und den Beklagten verurteilt, an den Kläger 6.190,48 DM brutto Entgelt für die Zeit vom 18.04, bis zum 30.06.2001 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zu zahlen.

9

Gegen dieses ihm am 28.06.2001 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 20.07.2001 Berufung eingelegt und diese am 17.08.2001 begründet. Der Beklagte meint, das Arbeitsverhältnis sei einvernehmlich beendet worden, weil der Kläger sich arbeitslos gemeldet und er ihm daraufhin die Arbeitspapiere zugesandt habe. Er hält die fristlose Kündigung vom 10.04.2001 für wirksam, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt fast einen Monat unentschuldigt gefehlt habe. Jedenfalls sei die Kündigung in eine ordentliche Kündigung umzudeuten. Er ist der Auffassung, dem Kläger stehe jedenfalls kein Lohn unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zu, weil er nicht mehr habe arbeiten wollen.

10

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 21.06.2001 - 2 Ca 184/01 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

11

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

12

Der Kläger hält die außerordentliche Kündigung vom 10.04.2001 für unwirksam. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 30.11.2001 hat er vorgetragen, dass er auch nach dem 12.03.2001 noch arbeitsunfähig krank gewesen sei. Er sei am Montag, den 12.03.2001 zum Arzt gegangen und, weil das Wartezimmer voll gewesen sei, wieder weggegangen. Ein paar Tage später sei er erneut zum Arzt gegangen. Dieser habe ihn krank geschrieben. Die Bescheinigung habe der Arzt an den Arbeitgeber weiterleiten wollen. Er sei zu diesem Zeitpunkt etwa drei Wochen arbeitsunfähig krank gewesen. Er hat ferner im Termin vom 30.11.2001 vortragen lassen, dass er bis zur Klagerhebung krank gewesen sei und anschließend nicht mehr zur Arbeit gekommen sei, weil der Beklagte am 28.03.2001 telefonisch die Kündigung erklärt habe.

Gründe

13

Die Berufung ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO). Sie ist zum größten Teil begründet.

14

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die in eine ordentliche Kündigung umzudeutende Kündigung des Beklagten vom 10.04.2001 mit dem 31.05.2001 beendet worden. Entgeltansprüche stehen dem Kläger nicht mehr zu.

15

I.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht einvernehmlich beendet worden, weil keine schriftliche Aufhebungsvereinbarung geschlossen worden ist (§ 623 BGB). Umstände, die das Berufen des Klägers auf die Formnichtigkeit als treuwidrig erscheinen lassen, sind nicht erkennbar.

16

II.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist jedoch durch die Kündigung seitens des Beklagten vom 10.04.2001 mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31.05.2001 beendet worden.

17

1.

Die mit Schriftsatz vom 10.04.2001 durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten ausgesprochene Kündigung wahrt die Form des § 623 BGB. Danach bedarf die Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Sie muss daher grundsätzlich vom Erklärenden eigenhändig unterschrieben und - da es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt - in dieser Form dem Erklärungsempfänger gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB auch zugegangen sein. Ist die Kündigung - wie hier - in einem prozessualen Schriftsatz enthalten, so ist deshalb der Zugang einer vom Erklärenden, d. h. dem Prozessbevollmächtigten, unterzeichneten Abschrift des Schriftsatzes beim Arbeitnehmer erforderlich. Die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers über das Arbeitsgericht zugeleiteten Abschriften des Schriftsatzes vom 10.04.2001 waren nicht unterschrieben. Allerdings war die in der Handakte des Prozessbevollmächtigten des Klägers verbliebene Abschrift beglaubigt. Der Zugang einer lediglich beglaubigten Abschrift genügt zwar grundsätzlich zur Wahrung der Schriftform nicht. Hier hat jedoch der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Kündigung selbst ausgesprochen und den Beglaubigungsvermerk auf der für den Prozessbevollmächtigten des Klägers bestimmten beglaubigten Abschrift eigenhändig unterschrieben. Mit dem auf die Abschrift der Urkunde gesetzten Beglaubigungsvermerk wird zwar regelmäßig nur ihre Übereinstimmung mit der Urschrift bezeugt, der Prozessbevollmächtigte übernimmt jedoch bei einem von ihm selbst unterschriebenen Beglaubigungsvermerk im Allgemeinen zugleich die Verantwortung auch für den Inhalt der Urkunde. Im Hinblick auf den vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten selbst unterschriebenen Beglaubigungsvermerk stellt daher auch die Abschrift des Schriftsatzes vom 10.04.2001 eine eigenhändig unterzeichnete Kündigungserklärung dar und wahrt die Schriftform des § 623 BGB (vgl. BGH, 04.07.1986, V ZR 41/86, WM 1986, S. 1419 <II 3 der Gründe> für die Schriftform der Kündigung nach § 7 BKleingG).

18

2.

Die Kündigungserklärung ist dem Kläger durch Eingang der beglaubigten Abschrift des Schriftsatzes vom 10.04.2001 bei seinem Prozessbevollmächtigten am 18.04.2001 zugegangen. Dieser war bevollmächtigt, die Kündigungserklärung mit Wirkung für den Kläger entgegenzunehmen.

19

Die Prozessvollmacht ermächtigt zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen (§ 81 ZPO). Prozesshandlungen in diesem Sinn sind Handlungen, die dem Betreiben, der Entscheidung oder der Beendigung des Rechtsstreits oder der Durchführung der Entscheidung dienen. Dazu gehören auch materiell-rechtliche Willenserklärungen, wenn sie im Prozess abzugeben sind wie etwa Kündigungen. In denselben Grenzen, in denen die Vollmacht zur Vornahme von Prozesshandlungen berechtigt, ist der Prozessbevollmächtigte auch befugt, Prozesshandlungen des Gerichts oder des Gegners entgegenzunehmen (vgl. BAG, 27.10.1988, 2 AZR 160/88, RzK I 2 b 9 <II 1 a der Gründe>). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers war damit zur Entgegennahme von sämtlichen Willenserklärungen, die sich auf den Streitgegenstand des anhängigen Prozesses bezogen, bevollmächtigt.

20

Streitgegenstand des mit Klagschrift vom 29.03.2001 anhängig gemachten Rechtsstreites war die Frage, ob das Arbeitsverhältnis bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz weder durch die ausdrücklich angegriffene Kündigung vom 28.03.2001 noch aus irgendeinem anderen Grund beendet werden würde. Der Kläger hat nämlich nicht lediglich eine Klage nach § 4 KSchG erhoben, sondern seinen Antrag zugleich mit einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO verbunden. Die Schriftsatzkündigung vom 10.04.2001 betraf damit den anhängigen Rechtsstreit, für den die Prozessvollmacht des Prozessbevollmächtigten des Beklagten erteilt worden war. Sie war geeignet, den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses zu beeinflussen, weil dem Begehren des Klägers auf Feststellung eines unbefristet fortbestehenden Arbeitsverhältnisses bei Wirksamkeit der Kündigung vom 10.04.2001 nur für die Zeit bis zum Zugang der fristlosen Kündigungserklärung hätte entsprochen werden können (vgl. BAG, 27.10.1988, a.a.O.).

21

3.

Die Kündigung des Beklagten vom 10.04.2001 hat das Arbeitsverhältnis nicht mit Zugang dieser Kündigungserklärung am 18.04.2001 fristlos beendet. Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass Tatsachen vorliegen, aufgrund derer ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, d. h. dem 31.05.2001, nicht zugemutet werden konnte (§ 626 Abs. 1 BGB).

22

a)

Allerdings ist eine nachhaltige rechtswidrige und schuldhafte Arbeitsverweigerung an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet. Eine beharrliche Arbeitsverweigerung setzt in der Person des Arbeitnehmers Nachhaltigkeit im Willen voraus. Der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen (vgl. BAG, ständige Rechtsprechung, zuletzt 05.04.2001, 2 AZR 580/99, NZA 2001, S. 893 <II 2 a der Gründe>). Entscheidend für die Frage einer wirksamen fristlosen Kündigung wegen beharrlicher. Arbeitsverweigerung ist, ob aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers zu prognostizieren ist, dass er auch in Zukunft seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen werde, oder ob das vergangene Ereignis sich auch künftig belastend auswirkt (vgl. BAG, 21.11.1996, 2 AZR 357/95, AP Nr. 130 zu § 626 <II 4 a der Gründe>).

23

b)

Es kann dahinstehen, ob der Kläger seit dem 12.03.2001 unentschuldigt gefehlt hat oder - wie er im Termin vom 30.11.2001 vorgetragen hat - auch über den 12.03.2001 hinaus arbeitsunfähig erkrankt war. Selbst wenn der Kläger seit dem 12.03.2001 unentschuldigt gefehlt haben sollte und damit beharrlich die Arbeitsleistung ohne ersichtlichen Grund verweigert hätte, hat der Beklagte nicht dargelegt, warum ihm dieses Verhalten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von 4 Wochen zum 15. oder Monatsende unzumutbar gemacht hat. Im Gegenteil hat er selbst vorgetragen, dass er den Kläger immer wieder zur Arbeit aufgefordert hat und seine Arbeitsleistung bei Erscheinen entgegengenommen hätte. Umstände, die ihm die Entgegennahme der Arbeitsleistung jedenfalls für die Zeit der Kündigungsfrist nach dem 10.04.2001 unzumutbar machten, hat der Beklagte damit nicht dargelegt.

24

4.

Die unwirksame außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 10.04.2001 war jedoch in eine ordentliche Kündigung zum 31.05.2001 umzudeuten.

25

a)

§ 11 Abs. 2 Satz 1 KSchG 1951, der durch Art. 1 Nr. 9 ArbRBerG vom 14.08.1969 (BGBl. I S. 1106) gestrichen wurde, sah vor, dass eine unwirksame fristlose Kündigung im Zweifel nicht als Kündigung für den nächsten zulässigen Kündigungszeitpunkt gilt. Seit der Streichung dieser Norm spricht somit keine Vermutung mehr gegen die Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung. Die Voraussetzungen für eine Umdeutung werden vielmehr allein durch § 140 BGB bestimmt. Danach ist maßgeblich, ob der Kündigende Tatsachen vorgetragen hat, die darauf hindeuten, dass die Umdeutung in eine ordentliche Kündigung nach den gegebenen Umständen seinem mutmaßlichen Willen entsprach. Es muss sich daher aus dem Vortrag des Kündigenden entnehmen lassen, dass als wirtschaftliche Folge der außerordentlichen Kündigung gewollt war, das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall zu beenden. Der Kündigende muss also im Prozess Tatsachen vortragen, aus denen sich ergibt, dass er für den Fall der Unwirksamkeit dieser Kündigung eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hätte. Darüber hinaus ist erforderlich, dass dieser Wille dem Gekündigten auch erkennbar geworden ist. Die für die Umdeutung und damit für die Ermittlung des hypothetischen Willens des Kündigenden maßgebenden objektiven und subjektiven Wertungsgrundlagen müssen also auch für den Erklärungsempfänger erkennbar gewesen sein (vgl. BAG, 03.12.1987, 2 AZR 462/87, RzK I 6 h Nr. 4 <III 1 und 3 der Gründe>).

26

b)

Bei Anlegung dieses Maßstabes ist die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 10.04.2001 in eine ordentliche umzudeuten.

27

aa)

Der Beklagte hat mit der Kündigung vom 10.04.2001 hinreichend deutlich gemacht, dass er das Arbeitsverhältnis in jedem Fall beenden wollte. Er hat sich darauf berufen, dass aufgrund des wochenlangen unentschuldigten Fehlens des Klägers und der Zusendung der Bescheinigung gemäß § 312 SGB III durch das Arbeitsamt für ihn klar gewesen sei, dass der Kläger selbst das Arbeitsverhältnis nicht mehr fortsetzen wolle. Jedenfalls sei durch das Verhalten des Klägers die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos geworden, weswegen er das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hat. Damit hat er hinreichend eindeutig Tatsachen vorgetragen, aus denen der Rückschluss zu ziehen ist, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall beenden wollte.

28

Der Beklagte hat sich in der Berufungsbegründung auch ausdrücklich darauf berufen, dass die fristlose in eine ordentliche Kündigung umzudeuten ist. Dieses Vorbringen war auch in der Berufungsinstanz noch zulässig (vgl. BAG, 14.08.1974, 5 AZR 497/73, AP Nr. 3 zu § 13 KSchG <I 3 c der Gründe>).

29

Aus dem Umstand, dass der Beklagte mit Schriftsatz vom 10.05.2001 das Arbeitsverhältnis "vorsorglich nochmals fristgemäß gekündigt" hat, folgt nicht, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis nicht bereits durch die erste Kündigung vom 10.04.2001 zum frühestmöglichen Termin beendet wissen wollte. Für die Frage der Umdeutung ist allein maßgeblich, ob der Beklagte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung vom 10.04.2001 das Arbeitsverhältnis jedenfalls mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beenden wollte (vgl. LAG Köln, 16.03.1995, 6 Sa 395/94, LAGE Nr. 11 zu § 140 BGB). Dies ist, wie ausgeführt, zu bejahen. Auf seine Willensrichtung im Zeitpunkt des Zugangs der ordentlichen Kündigung vom 10.05.2001 kommt es damit nicht mehr an.

30

bb)

Dem Kläger war auch erkennbar, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis in jedem Fall, ggf. auch erst nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, mit der Kündigung vom 10.04.2001 beenden wollte. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger die Kündigung vom 10.04.2001 nicht nur mit dem Antrag angegriffen hat, die Unwirksamkeit dieser Kündigung, sondern auch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festzustellen. Er hat damit zu erkennen gegeben, dass er die Kündigung vom 10.04.2001 so interpretiert hat, dass der Beklagte sich notfalls auch durch ordentliche Kündigung von ihm trennen wollte und er sich auch dagegen zur Wehr setzen wollte (vgl. BAG, 12.03.1981, 2 AZR 1156/78<II 1 b der Gründe>).

31

c)

Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterfiel nicht dem Kündigungsschutzgesetz. Das Arbeitsverhältnis ist daher durch die am 18.04.2001 zugegangene Kündigung mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von 4 Wochen zum Monatsende (§ 622 Abs. 1 BGB) mit dem 31.05.2001 beendet worden.

32

III.

Dem Kläger steht kein Entgelt für die Zeit vom 18.04. bis 31.05.2001 zu.

33

1.

Dem Kläger fehlt die erforderliche Aktivlegitimation, soweit er für die Zeit vom 18.04. bis 31.05.2001, d. h. 44 Tage, Arbeitslosengeld von je 49,56 DM, d. h. insgesamt 2.180,64 DM, erhalten hat. Insoweit ist der Anspruch gemäß § 115 SGB X auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen. Die bloße Vereinbarung, das erhaltene Arbeitslosengeld bei einer Zurückweisung der Berufung des Beklagten an das Arbeitsamt zurückzuzahlen, bewirkt noch nicht den Rückfall des Anspruches an den Kläger. Der Kläger ist daher nur aktiv legitimiert, soweit er die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 3.590,48 DM brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes von 2.180,64 DM beantragt.

34

2.

Auch soweit der Kläger aktiv legitimiert ist, hat er keinen Anspruch auf Entgelt unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges (§ 615 BGB).

35

a)

Der Annahmeverzug setzt neben dem Leistungsangebot auch einen ernsthaften Leistungswillen und die objektive Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers voraus (§ 297 BGB). Daran hat sich nichts dadurch geändert, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Arbeitgeber bereits mit dem Zugang einer unwirksamen fristlosen Kündigung in Annahmeverzug gerät, weil er von diesem Zeitpunkt an seiner geschuldeten Mitwirkungshandlung, dem Arbeitnehmer Arbeit zuzuweisen, nicht mehr nachkommt (§ 296 Satz 1 BGB). Die in § 297 BGB geregelten weiteren Voraussetzungen des Annahmeverzugs, nämlich Leistungsfähigkeit und Leistungswille, sind auch bei Vorliegen eines Angebots bzw. dessen Entbehrlichkeitzusätzlich erforderlich (vgl. BAG, 06.11.1986, 2 AZR 744/85, RzK I 13 b Nr. 4 <II 2 c der Gründe>).

36

b)

Dem Kläger fehlte die erforderliche Leistungsfähigkeit.

37

Der Kläger hat im Termin vom 30.11.2001 vor dem Landesarbeitsgericht selbst geltend gemacht, er sei über den 12.03.2001 hinaus bis zur Klagerhebung, d. h. bis zum 30.03.2001, arbeitsunfähig krank gewesen. Nach dem Eindruck, den die Kammer vom Gesundheitszustand des im Termin vom 30.11.2001 persönlich anwesenden Klägers gewonnen hat, ist er jedenfalls gegenwärtig außerstande, irgendeiner geregelten Arbeitsleistung nachzugehen. Für die Beurteilung des Leistungsvermögens kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung des Schuldners, sondern nur auf die objektiven Umstände der Leistungsfähigkeit an (vgl. BAG, 29.10.1998, 2 AZR 666/97, AP Nr. 77 zu § 615 BGB <II 2 b der Gründe>). Zwar trägt die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Leistungsunfähigkeit des Klägers der Arbeitgeber (vgl. BAG, 06.11.1986, a.a.O., <II 2 a der Gründe>). Im Hinblick darauf, dass der Beklagte aus eigenem Wissen keinerlei Angaben zum Gesundheitszustand des Klägers machen kann und damit außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufes steht, trifft den Kläger jedoch eine sekundäre Behauptungslast. In Erfüllung dieser sekundären Behauptungslast hätte der Kläger substantiiert vortragen müssen, an welcher Erkrankung er litt und wann, durch welchen Arzt, aufgrund welcher Behandlung oder sonstigen Umstände seine Genesung festgestellt worden ist. Derartigen Vortrag hat der Kläger nicht erbracht. Damit musste die Kammer davon ausgehen, dass der Kläger, wie von ihm selbst vorgetragen, auch über den 12.03.2001 hinaus arbeitsunfähig krank gewesen ist. Mangels einlassungsfähigen Vortrages des Klägers zu seiner Genesung musste sie ferner davon ausgehen, dass sich an diesem Gesundheitszustand bis zum 31.05.2001 nichts geändert hat, der Kläger also arbeitsunfähig krank geblieben ist.

38

3.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung vom 18.04. bis zum 31.05.2001.

39

Der Kläger hat im Termin vom 30.11.2001 vorgetragen, er sei seit dem 19.02.2001 arbeitsunfähig krank gewesen. Der Entgeltfortzahlungszeitraum von 6 Wochen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG) war damit am 02.04.2001 abgelaufen. In der Zeit vom 18.04.2001 bis zum 31.05.2001 bestanden daher Krankengeld-, aber keine Entgeltfortzahlungsansprüche.

40

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

41

V.

Der Gegenstandswert war in Höhe des für die Zeit vom 18.04. bis 30.06.2001 geschuldeten Entgelts festzusetzen. Wegen wirtschaftlicher Identität war der gesondert gestellte Zahlungsantrag nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen.

42

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG), bestanden nicht. Auf die Möglichkeit der Nichtzulasungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

Spelge,
Heimlich,
Deppe