Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.07.2001, Az.: 7 Sa 426/01
Anspruch auf Urlaubsabgeltung, wenn ein Arbeitnehmer, dem Altersteilzeit nach dem Blockmodell gewährt wird, Urlaub während der Arbeitsphase in Folge von Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch nehmen konnte
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 26.07.2001
- Aktenzeichen
- 7 Sa 426/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 10039
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2001:0726.7SA426.01.0A
Fundstelle
- ZfSH/SGB 2002, 36-38
Amtlicher Leitsatz
Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung besteht nicht, wenn ein Arbeitnehmer, dem Altersteilzeit nach dem Blockmodell gewährt wird, Urlaub während der Arbeitsphase in Folge von Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch nehmen konnte.
In dem Rechtsstreit
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 26.07.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 13.03.2001, 1 Ca 97/01, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung zusteht, nachdem er im Rahmen der Altersteilzeit nach dem Blockmodell Urlaub während der Arbeitsphase infolge von Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch nehmen konnte.
Der am 04. Dezember 1941 geborene Kläger ist bei der Beklagten auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 01. Januar 1993 (Bl. 21, 22 d.A.) seit dem 02. Juni 1986 als Produktionsspezialist beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Chemische Industrie kraft Vereinbarung Anwendung.
Am 22. Juli 1999 schlossen die Parteien einen Altersteilzeit-Vertrag (Bl. 3-6 d.A.) für die Zeit vom 01. August 1999 bis zum 31. März 2002. Hiernach sollte der Kläger in der ersten Hälfte der Altersteilzeit seine Arbeitsleistung erbringen und dann ab dem 01. Dezember 2000 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt werden.
In der Zeit von August/September 2000 bis zum 30. November 2000 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Er konnte deshalb restliche 27 Urlaubstage nicht wie geplant in Anspruch nehmen. Hierfür begehrt er nunmehr Urlaubsabgeltung in unstreitiger Höhe.
Der Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit (Bl. 49-55 d.A.) enthält unter anderem folgende Regelungen:
§ 14
Urlaub
Für die Arbeitnehmer, die im Altersteilzeitarbeitsmodell II beschäftigt werden, besteht kein Urlaubsanspruch für die Zeit der Freistellung von der Arbeit. Im Kalenderjahr des Übergangs von der Beschäftigung zur Freistellung hat der Arbeitnehmer für jeden angefangenen Beschäftigungsmonat Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs.
§ 15
Sonstige allgemeine Arbeitsbedingungen
Die Bestimmungen des Manteltarifvertrages gelten für Altersteilzeitbeschäftigte, soweit sich nicht aus dem Wesen und der Gestaltung der Altersteilzeitarbeit etwas anderes ergibt. Soweit bei tariflichen Ansprüchen nicht bereits die jeweilige vertragliche Arbeitszeit maßgebend ist, ist das Verhältnis der vertraglichen zur tarifvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit zugrunde zu legen.
Der Manteltarifvertrag für die Chemische Industrie (B. 56-78 d.A) regelt in § 12 unter anderem folgendes:
IV.
Urlaubsabgeltung
Der Urlaub kann grundsätzlich nicht abgegolten werden.
Soweit jedoch bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch noch nicht erfüllt ist, ist er abzugelten. Nicht erfüllbare Urlaubsansprüche sind nicht abzugelten.
Die Urlaubsabgeltung ist für das Urlaubsjahr zulässig, in dem der Arbeitnehmer nach Erreichung der Altersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung oder wegen Erwerbsunfähigkeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.
Die Urlaubsabgeltung ist in Höhe des Urlaubsentgelts zuzüglich des Urlaubsgelds zu gewähren; das Urlaubsentgelt ist in diesem Falle nach dem Entgelt bzw. den Monatsbezügen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu berechnen.
Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist nicht übertragbar.
Das Arbeitsgericht hat durch ein den Parteien am 20. März 2001 zugestelltes Urteil vom 13. März 2001, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 30-35 d.A.), die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, eine Urlaubsabgeltung komme nach § 12 MTV nur bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder dem Ausscheiden des Arbeitnehmers wegen Erreichung der Altersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung oder wegen Erwerbsunfähigkeit in Betracht. Beide Ausnahmen von dem grundsätzlichen Abgeltungsverbot seien nicht erfüllt. Das Arbeitsverhältnis ende erst mit Ablauf des 31. März 2002.
§ 12 IV Nr. 2 MTV bestimme ferner ausdrücklich, dass nicht erfüllbare Urlaubsansprüche nicht abzugelten seien. Da für den Kläger in der zweiten Phase des Blockmodells ab dem 01. Dezember 2000 keine Arbeitsverpflichtung mehr bestehe, könne ihm in dieser Phase auch kein Urlaub gewährt werden. Dem stehe auch nicht das Wesen und die Gestaltung der Altersteilzeit entgegen. Hätten die Tarifvertragsparteien die Abgeltung der Urlaubsansprüche bei Beginn der Freistellungsphase gewollt, hätte es nahe gelegen, dieses ausdrücklich zu regeln.
Hiergegen richtet sich die am 22. März 2001 eingelegte und gleichzeitig begründete Berufung des Klägers.
Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die tariflichen Bestimmungen zu eng ausgelegt. Zwar stelle die Altersteilzeit keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar, sie beinhalte aber eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Die Vorschriften der Urlaubsabgeltung hätten deshalb entsprechend angewendet werden müssen. Der Kläger habe sich während des Jahres den Urlaub verdient. Weshalb der verdiente Jahresurlaub dem Arbeitgeber verbleiben solle, sei nicht zu erklären.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.775,30 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Schriftsatzes ihrer Prozessbevollmächtigten vom 09. April 2001 (Bl. 44-48 d.A.).
Gründe
Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 518, 519 ZPO, 64, 66 ArbGG.
Sie ist jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass dem Kläger ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung während des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses als Altersteilzeitverhältnis nicht zusteht. Das Berufungsgericht macht sich die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils zu eigen und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
Zusammenfassend und ergänzend ist im Hinblick auf den Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren folgendes auszuführen:
Zu Recht hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die tarifvertraglichen Regelungen eine Urlaubsabgeltung während des Fortbestandes des Altersteilzeitverhältnisses nach Beendigung der Beschäftigungsphase nicht vorsieht. Der Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit enthält in § 14 zwar Regelungen hinsichtlich des Urlaubs, eine Urlaubsabgeltung schreibt er jedoch nicht vor. Für § 15 dieses Tarifvertrages gilt deshalb § 12 des Manteltarifvertrages, dessen Voraussetzungen unstreitig nicht vorliegen. Denn das Arbeitsverhältnis der Parteien ist während der Freistellungsphase gerade nicht beendet, sondern besteht bis zum 31. März 2002 fort.
Entgegen der von dem Kläger vertretenen Auffassung kommt auch eine entsprechende Anwendung der Urlaubsabgeltungsvorschriften nicht in Betracht. Zwar bestimmt § 15 des Tarifvertrages zur Förderung der Altersteilzeit, dass die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Altersteilzeit - Beschäftigte nur gelten, "soweit sich nicht aus dem Wesen und der Gestaltung der Altersteilzeit etwas anderes ergibt". Diese Bestimmung rechtfertigt es nicht, auch bei der vorliegenden Fallkonstellation einen Urlaubsabgeltungsanspruch anzunehmen.
Aus dem Wesen der Altersteilzeit folgt auch im Rahmen des Altersteilzeit-Arbeitsmodell II (Blockzeit) nicht, dass ein am Ende der Beschäftigungsphase noch vorhandener Urlaubsanspruch noch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich in § 14 des Tarifvertrages zur Förderung der Altersteilzeit eine ausdrückliche Regelung für den Urlaub während der Altersteilzeit getroffen. Dabei wurde ausdrücklich geregelt, dass für die Zeit der Freistellung von der Arbeit kein Urlaubsanspruch und im Kalenderjahr des Übergangs von der Beschäftigung zur Freistellung lediglich für jeden angefangenen Beschäftigungsmonat ein Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs besteht. Die Tarifvertragsparteien haben demgegenüber nicht festgelegt, dass im Kalenderjahr des Übergangs von der Beschäftigung zur Freistellung ein Urlaubsabgeltungsanspruch abweichend von der manteltarifvertraglichen Regelung bestehen soll. Vielmehr wurde in § 15 der Manteltarifvertrag in Bezug genommen, dessen § 12 ausdrücklich regelt, dass nicht erfüllbare Urlaubsansprüche nicht abzugelten sind. Nicht erfüllbar war der Urlaubsanspruch des Klägers aber ab dem 01. Dezember 2000. Dies haben die Tarifvertragsparteien in § 14 Satz 1 des Tarifvertrages zur Förderung der Altersteilzeit insofern ausdrücklich geregelt, als hiernach für die Zeit der Freistellung von der Arbeit ein Urlaubsanspruch nicht besteht. Dies folgt für während der Arbeitsphase erworbene Urlaubsansprüche im übrigen daraus, dass aufgrund der Freistellung der Arbeit ohne Arbeitsverpflichtung ab dem 01. Dezember 2000 eine Freistellung zur Urlaubsgewährung nicht mehr möglich ist.
Aus diesen Gründen kommt auch eine analoge Anwendung der Urlaubsabgeltungsansprüche nicht in Betracht. Denn eine analoge Anwendung setzt voraus, dass zur Ausfüllung einer planwidrigen Lücke die Übertragung der Rechtsfolge eines gesetzlichen oder tariflichen Tatbestandes auf einen vergleichbaren, aber nicht geregelten Tatbestand erforderlich ist (BAG vom 11. Juli 2000, 1 ABR 39/99). Es muss mithin eine planwidrige Lücke vorliegen (BAG vom 26. April 1995, 4 AZR 97/95, BAGE 80, 61; BAG vom 21. Juli 1993, 7 ABR 25/92, BAGE 73, 378, 382ff.).
Eine planwidrige Regelungslücke liegt hier nicht vor. Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien, wie dargelegt, die Frage der Urlaubsabgeltung während der Altersteilzeit in dem Sinne geregelt, dass ein derartiger Anspruch nicht besteht.
Die Berufung des Klägers war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.