Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.02.2001, Az.: 16 Sa 1427/00

Berufung auf eine fehlerhafte Sozialauswahl; Anhörung des Betriebsrats

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
23.02.2001
Aktenzeichen
16 Sa 1427/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 10916
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2001:0223.16SA1427.00.0A

Amtlicher Leitsatz

Die Berufung der Klägerin auf eine fehlerhafte Sozialauswahl ist mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar, wenn diese sich auf eine andere Mitarbeiterin beruft, mit der sie meint, vergleichbar zu sein, wenn auch diese Mitarbeiterin im Rahmen der Sozialauswahl zu kündigen gewesen wäre.

In dem Rechtsstreitverfahren
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 23.02.2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ...,
den ehrenamtlichen Richter ... und
die ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 28.07.2000 abgeändert unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen.

Der Feststellungsantrag wird abgewiesen.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin jedenfalls bis zum 31.03.2001 zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 75 %, die Beklagte zu 25 %.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen eine betriebsbedingte Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 28.03.2000 zum 30.09.2000. Sie begehrt darüber hinaus ihre Weiterbeschäftigung als Küchenhilfe.

2

Die am ... geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.04.1994, zuletzt als Küchenhilfe, zu einer Bruttovergütung von zuletzt 3.300,00 DM in Vollzeit beschäftigt. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. Die Klägerin war in der ... eingesetzt.

3

Unter dem Datum des 17.03.2000 wurde im Betrieb der Beklagten ein Interessenausgleich und Sozialplan vereinbart. Die dem Interessenausgleich zugrunde liegende Betriebsänderung lag darin, dass der Reinigungsdienst in der ... fremdvergeben werden sollte und damit die Betriebsabteilung "Reinigungsdienst" geschlossen werden sollte, wobei die Umsetzung zum 30.09.2000 beabsichtigt war.

4

Durch die Schließung der Betriebsabteilung entfiel ein Arbeitsvolumen von 35,69 Vollzeitkräften. Wegen des Inhalts des Interessenausgleichs sowie des Sozialplanes wird auf diese (Blatt 20 bis 26 d. A.) verwiesen.

5

Von den bei der Beklagten beschäftigten ca. 500 Arbeitnehmern befanden sich insgesamt 56 Mitarbeiter im Reinigungsdienst. Die Arbeitsverträge bei der Beklagten erhalten durchgängig eine Versetzungsklausel, aus der sich die Verpflichtung der Arbeitnehmer ergibt, alle den Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeiten zu verrichten, die zugemutet werden können.

6

Die Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter erfolgte in der Weise, dass die nach Ansicht der Beklagten vergleichbaren Mitarbeiter, nämlich die Reinigungskräfte und die Küchenhilfen sowie weitere Hilfskräfte nach einem sogenannten Sozialranking ausgewählt wurden. Dabei wurden die Kriterien des Lebensalters, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und der Umfang der Unterhaltsverpflichtungen zugrunde gelegt, wobei nach einem Punktsystem die Betriebszugehörigkeit bis zu zehn Jahren je Dienstjahr mit einem Punkt, ab dem elften Jahr mit je zwei Punkten bewertet wurden, wobei berücksichtigt wurden Zeiten bis zum vollendeten 65. Lebensjahr. Bezüglich des Lebensalters wurde bei den in die Sozialauswahl einbezogenen Mitarbeitern je vollendetem Lebensjahr ein Punkt berücksichtigt, wobei ebenfalls nur eine Berücksichtigung bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres erfolgte. Bezüglich der unterhaltsberechtigten Kinder wurde auf die einschlägigen Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte abgestellt und für jedes unterhaltsberechtigte Kind vier Sozialpunkte berücksichtigt. Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung ab 50 % sowie Gleichgestellte erhielten darüber hinaus zusätzlich fünf Sozialpunkte.

7

Auf Grund der Sozialdaten der Klägerin wurde bei der Klägerin eine Gesamtpunktzahl von 55 festgestellt. Sie gehörte nach diesem Auswahlsystem zu den zu kündigenden Mitarbeitern. Bezüglich der seitens der Beklagten aufgestellten Liste der Mitarbeiter nebst Sozialdaten wird auf diese (Blatt 27/28 d. A.) verwiesen.

8

Die Mitarbeiterin J. wurde seitens der Beklagten nicht in die Sozialauswahl einbezogen. Diese war bei der Beklagten seit dem 01.02.1996 beschäftigt. Sie ist am ... geboren, verheiratet und hat zwei Kinder. Diese Mitarbeiterin hat einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt. Frau J. wurde durch die Beklagte seit Beginn ihres Arbeitsverhältnisses in der Näherei beschäftigt. Bezüglich der von ihr verrichteten Tätigkeiten im einzelnen besteht Streit zwischen den Parteien. Frau J. hat keine Ausbildung als Näherei. Wegen des von dieser Mitarbeiterin bei der Beklagten vorgelegten Arbeitszeugnisses bezüglich ihrer vorherigen Tätigkeit wird auf dieses (Blatt 49 d. A.) Bezug genommen. Frau J. ist zwischenzeitlich aufgrund eines Aufhebungsvertrages, der nach der Kündigung der Klägerin abgeschlossen wurde, zum 30.09.2000 bei der Beklagten ausgeschieden.

9

Der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat wurde mit Schreiben vom 20.03.2000 zur Kündigung der Klägerin angehört. Wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf dieses (Blatt 29/30 d. A.) verwiesen. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 27.03.2000 mit der Begründung, dass die Klägerin mit der Mitarbeiterin J.; vergleichbar sei, diese jedoch nicht gekündigt worden sei. Die Sozialauswahl sei daher fehlerhaft.

10

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.03.2000 zum 30.09.2000 auf.

11

Zwischenzeitlich hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut am 28.08.2000 zum 31.03.2001 betriebsbedingt gekündigt.

12

Die Klägerin hält die ausgesprochene Kündigung für sozialwidrig.

13

Sie hat vorgetragen, sie sei mit der Mitarbeiterin J. vergleichbar, da diese nur leichte Flickarbeiten bei der Beklagten in der Näherei verrichtet habe, wofür eine kurze Anlernzeit ausreichend sei. Die Klägerin könne diese Tätigkeit nach einer solchen Anlernzeit jedenfalls ausüben.

14

Im Übrigen sei die Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß vorgenommen, da keine individuelle Prüfung der Sozialdaten der einzelnen Mitarbeiter zur Kontrolle stattgefunden habe.

15

Im Übrigen sei die Anhörung des Betriebsrates unwirksam, da der Arbeitgeber nicht alle aus seiner Sicht vergleichbaren Arbeitnehmer dem Betriebsrat gegenüber benannt habe.

16

Die Klägerin hat beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.03.2000 nicht beendet wird,

  2. 2.

    falls die Klägerin mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1) obsiegt, die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Bedingungen als Küchenhilfe weiter zu beschäftigen.

17

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

18

Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei betriebsbedingt erforderlich gewesen, da durch die betriebswirtschaftliche Entscheidung, den Reinigungsdienst Fremdleistern zu übergeben, der Wegfall des Arbeitsvolumens von 35,69 Vollzeitkräften zu verzeichnen sei. Zur Umsetzung dieser Maßnahme seien sowohl Vollzeit- wie Teilzeitbeschäftigte gekündigt worden, so dass dieses Volumen durch die Kündigungen erreicht sei.

19

Die Sozialauswahl sei ordnungsgemäß vorgenommen. Die Beklagte habe alle vergleichbaren Mitarbeiter in die Sozialauswahl einbezogen. Die Mitarbeiterin J. sei nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen, da sie qualifizierte Näharbeiten verrichte. Sie habe eine Berufserfahrung von über zehn Jahren. Da die Tätigkeit der Frau J., nämlich das Anfertigen neuer Stücke und die Reparatur vorhandener Stücke, der Ausbildung bedarf, die diese durch ihre Berufserfahrung erworben habe, erfülle sie das Anforderungsprofil für diese Position.

20

Selbst wenn die Mitarbeiterin J. in die Sozialauswahl einzubeziehen sei, führe diese fiktive Einbeziehung nicht zur Verhinderung der Kündigung der Klägerin, da Frau J. eine Punktzahl von 49 erreicht hätte und damit ein Austausch mit der Klägerin nicht dazu geführt hätte, dass die Klägerin im Betrieb verblieben wäre.

21

Im Übrigen sei Frau J. als 630,00 DM-Kraft tätig, so dass eine Vergleichbarkeit mit der Klägerin als Vollzeitkraft nicht gegeben sei.

22

Eine individuelle Prüfung nach Durchführung der Sozialauswahl im Rahmen des Punktsystemes habe tatsächlich stattgefunden. Die Sozialauswahl entspreche damit den Kriterien des Kündigungsschutzgesetzes.

23

Durch Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 28.07.2000 wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.03.2000 nicht beendet worden ist. Die Beklagte wurde weiter verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt und der Streitwert auf 13.200,00 DM festgesetzt. Wegen der Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses (Blatt 58 bis 82 d. A.) verwiesen.

24

Dieses Urteil wurde der Beklagten am 02.08.2000 zugestellt. Hiergegen legte diese am 08.08.2000 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 22.09.2000 am 21.09.2000.

25

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, die Kündigung sei betriebsbedingt gerechtfertigt. Der Arbeitsplatz der Klägerin sei durch die unternehmerische Entscheidung in Form der Stillegung der hauseigenen Reinigungsabteilung des Betriebes der ... zum 30.09.2000 entfallen. Insoweit wird auf die Berufungsbegründung vom 20.09.2000, Blatt 1 bis 3 (Blatt 127 bis 129 d. A.) verwiesen.

26

Die Mitarbeiterin J. sei nicht mit in die soziale Auswahl einzubeziehen gewesen.

27

Die Mitarbeiterin J. habe vor Ausspruch der Kündigung einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderte gestellt, der jedoch im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht beschieden worden sei. Sie habe damit bereits Sonderkündigungsschutz erworben, so dass sie von vornherein nicht in die Sozialauswahl habe einbezogen werden müssen.

28

Die Mitarbeiterin J. könne als 630,00 DM-Kraft nicht als vergleichbare Mitarbeiterin mit der Klägerin angesehen werden. Die Arbeitsverhältnisse seien nicht vergleichbar. Ein Austausch der Klägerin mit dieser Mitarbeiterin sei nicht möglich gewesen, insbesondere deshalb, weil die Arbeitszeit nicht habe einseitig geändert werden können.

29

Die Mitarbeiterin J. habe eine höhere berufliche Qualifikation als die Klägerin. Sie führe qualifizierte Näharbeiten aus. So mache sie auch Neuanfertigungen wie z. B. das Nähen von Vorhängen oder das Fertigen von Überwürfen. Sie fertige darüber hinaus Schonbezüge für Matratzen, Stühle und Liegen an. Hierfür sei ein einfaches hausfrauliches Geschick nicht ausreichend. Eine kurze Einarbeitungszeit genüge nicht, diese Tätigkeiten qualifiziert zu verrichten. Demgegenüber habe die Mitarbeiterin J. eine Berufserfahrung von mehr als zehn Jahren, so dass sie die Qualifikationsanforderungen der Beklagten erfülle.

30

Schließlich wäre die Mitarbeiterin J. auch zu kündigen gewesen, wenn sie in die Sozialauswahl einbezogen worden wäre. Es fehle damit an der Kausalität der fehlerhaften Sozialauswahl für die ausgesprochene Kündigung der Klägerin.

31

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 28.07.2000, Az. 3 Ca 225/00, die Klage abzuweisen.

32

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

33

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 27.11.2000. Hierauf wird verwiesen (Blatt 151 bis 154 d. A.).

Gründe

34

Die Berufung der Beklagten ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Beschwerdewert in dieser vermögensrechtlichen Streitigkeit übersteigt 800,00 DM. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO).

35

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 28.03.2000 zum 30.09.2000 beendet worden. Die Kündigung ist weder gemäß § 102 BetrVG noch gemäß § 1 KSchG unwirksam.

36

Gemäß § 102 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

37

Der Betriebsrat wurde zur Kündigung der Klägerin ordnungsgemäß angehört. An die Mitteilungspflicht der Arbeitgeberin bei der Betriebsratsanhörung sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess. Es gilt insoweit der Grundsatz der sogenannten subjektiven Determinierung, was bedeutet, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreiten muss. Teilt deshalb die Beklagte dem Betriebsrat möglicherweise objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen nicht mit, weil sie der Auffassung ist, dass sie für die Kündigung unerheblich oder unentbehrlich sind, ist die Anhörung trotzdem ordnungsgemäß. Die insoweit unvollständige Unterrichtung hat dann lediglich mittelbar die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge, wenn der mitgeteilte Sachverhalt zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung nicht ausreicht (vgl. hierzu Urteil des BAG vom 17.02.2000, Az. 2 AZR 913/98, in NJW 2000, 3801 bis 3804 m. w. N.).

38

Vorliegend hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dem Betriebsrat seien nicht alle vergleichbaren Mitarbeiter benannt worden im Rahmen des Anhörungsverfahrens, da ihm gegenüber die Mitarbeiterin J. nicht benannt worden sei. Da jedoch die Beklagte davon ausgeht, dass die Mitarbeiterin J. nicht vergleichbar sei, musste sie dem Betriebsrat deshalb im Rahmen des Anhörungsverfahren diese Mitarbeiterin auch nicht benennen. Sie hat dem Betriebsrat jedoch alle diejenigen Tatsachen genannt, die für sie für das Kündigungsbegehren erheblich waren.

39

Die Frage, ob die Mitarbeiterin J. in die Sozialauswahl einzubeziehen war, ist deshalb eine Frage der sozialen Rechtfertigung der Kündigung, so dass sich eine Unwirksamkeit nach § 102 BetrVG vorliegend nicht ergibt.

40

Die Kündigung der Beklagten ist sozial gerechtfertigt gemäß § 1 KSchG.

41

Gemäß § 1 KSchG ist eine Kündigung rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Gemäß § 1 Abs. 3 KSchG in der zur Zeit der Kündigung geltenden Fassung ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt für den Fall, dass aus berechtigten dringenden betrieblichen Erfordernissen gekündigt worden ist, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Dies gilt nicht, wenn betriebstechnische, wirtschaftliche oder sonstige berechtigte betriebliche Bedürfnisse die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer bestimmter Arbeitnehmer bedingen und damit der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten entgegenstehen. Dabei hat der Arbeitnehmer die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne dieser Vorschrift erscheinen lassen.

42

Die Kündigung ist vorliegend betriebsbedingt gerechtfertigt, da durch die betriebswirtschaftliche Entscheidung der Beklagten, das Arbeitsvolumen von 35,69 Vollzeitkräften entfallen zu lassen, auch der Arbeitsplatz der Klägerin entfallen ist. Zwar sind die Tätigkeiten als Küchenhilfe nach wie vor bei der Beklagten vorhanden, da die Entscheidung dahin geht, dass der Reinigungsdienst in der ... an einen Fremddienstleister vergeben wird. Jedoch waren bei der Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter diejenigen Mitarbeiter einzubeziehen, die vergleichbare Tätigkeiten verrichten. Damit ist die Klägerin, wie im Übrigen zwischen den Parteien unstreitig ist, als mit den Reinigungskräften vergleichbare Mitarbeiterin in die Entscheidung der Beklagten einzubeziehen. Die Beklagte musste für diesen Fall berechtigterweise davon ausgehen, dass insoweit die aus dieser Vergleichsgruppe sozial stärksten Arbeitnehmer zunächst gekündigt wurden und damit deren Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung bei der Beklagten entfiel. Ausweislich der Auflistung der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Mitarbeiterinnen handelte es sich hierbei um 79 Beschäftigte, wovon 23 Mitarbeiterinnen im Betrieb verbleiben konnten, während 56 Mitarbeiterinnen gekündigt wurden. Da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die 56 gekündigten Mitarbeiterinnen einem Gesamtvolumen von 35,69 Vollzeitkräften entspricht, die Beklagte sodann anhand der Punktzahlen diejenigen Mitarbeiterinnen gekündigt hat, die die wenigsten Punkte hatten, fällt die Klägerin unter die zu kündigenden Arbeitnehmer. Dabei war die Beklagte auch berechtigt, Teilzeit- und Vollzeitarbeitnehmerinnen gleichermaßen in die Sozialauswahl einzubeziehen, da es ihr darum ging, eine Verringerung des Beschäftigungsvolumen zu erreichen und es nicht entscheidend darauf ankam, welches Arbeitsvolumen die einzelne Mitarbeiterin zu verrichten hatte (vgl. hierzu Urteile des BAG vom 03.12.1998, Az. 2 AZR 341/98, in NZA 99, 431 bis 433 sowie Urteil des BAG vom 12.08.1999, Az. 2 AZR 12/999, in NZA 2000, 30, 31) [BAG 12.08.1999 - 2 AZR 12/99].

43

Damit ist das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung der Klägerin entfallen. Die Kündigung ist aus dringenden betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt.

44

Die Klägerin hat sich bezüglich der fehlerhaften Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG ausschließlich auf die Mitarbeiterin J. bezogen. In den Fällen, in denen die Klägerin, wie im vorliegenden Fall, die Namen der vergleichbaren Mitarbeiter und deren Sozialdaten kennt, ist sie verpflichtet, weniger schutzbedürftige Arbeitnehmer unter Angabe der Sozialdaten namentlich zu benennen, da das Gericht nicht von Amts wegen eine Auswahl treffen kann, die unter Umständen gerade auf den Arbeitnehmer fallen könnte, den der gekündigte Arbeitnehmer keineswegs verdrängen wollte. Insbesondere ist aber auch nur bei dem Berufen auf eine bestimmte Arbeitskraft eine Auseinandersetzung mit der Vergleichbarkeit dieses Arbeitnehmers möglich (vgl. Urteile des BAG vom 18.10.1984 in EzA § 1 KSchG, Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33 sowie vom 24.03.1998, EzA § 1 KSchG, Betriebsbedingte Kündigung Nr. 21).

45

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Herausnahme der Mitarbeiterin J. fehlerhaft war, denn jedenfalls fehlt es an der Kausalität der Herausnahme der Mitarbeiterin für die Sozialwidrigkeit der Kündigung der Klägerin gemäß § 1 Abs. 3 KSchG. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Mitarbeiterin J. auf Grund ihrer Qualifikation berechtigterweise aus der Sozialauswahl herausgenommen worden ist. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob bereits der Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft, über den noch nicht entschieden ist, und von dem ungewiss ist, ob als Ergebnis tatsächlich eine Schwerbehinderung festgestellt wird, die Beklagte berechtigt, diese Mitarbeiterin von der Sozialauswahl auszunehmen. Schließlich kann auch dahingestellt bleiben, ob die Tätigkeit der Mitarbeiterin J. als 630,00 DM-Kraft mit den hieraus sich möglicherweise für den Arbeitgeber ergebenden Vorteilen dazu führen kann, dass eine Vergleichbarkeit nicht gegeben ist. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin auch gekündigt worden wäre, wenn die Mitarbeiterin J. in die Sozialauswahl einbezogen worden wäre. Angesichts der Punktzahl, die die Klägerin erreicht hat, hätte auch eine Einbeziehung der Mitarbeiterin J. die Klägerin im Rahmen des "Sozialrankings" nicht aus der Liste der zu kündigenden Arbeitnehmerinnen herausgebracht. Dabei kann die Kammer auch letztlich dahingestellt sein lassen, ob die von der Beklagten aufgestellte Punkteliste letztlich den Wertungen des Kündigungsschutzgesetzes nach § 1 Abs. 3 KSchG entspricht. Jedenfalls ist aus der Liste der vergleichbaren Arbeitnehmer eindeutig zu entnehmen, dass die Klägerin auf Grund ihrer Sozialdaten als sozial stärker anzusehen ist als diejenigen Mitarbeiterinnen, die auf Grund der zugeteilten Punktzahl im Betrieb verblieben sind. Dieses gilt auch für die Mitarbeiterin J., die etwa vergleichbare Sozialdaten wie die Klägerin besitzt.

46

Die Berufung der Klägerin auf die fehlerhafte Sozialauswahl ist mit dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht zu vereinbaren. Die Klägerin erhielte durch die Möglichkeit, sich auf eine andere Mitarbeiterin im Rahmen der Sozialauswahl zu berufen, die auch gekündigt worden wäre, eine Rechtsposition, die ihr nicht zugestanden hätte, wenn die Beklagte insoweit rechtmäßig verfahren wäre. Vielmehr hätte sich der behauptete Fehler in der Sozialauswahl überhaupt nicht zugunsten der Klägerin ausgewirkt. Mit dem Landesarbeitsgericht Hamm ist deshalb davon auszugehen, dass es sich als unangemessene Ausnutzung der Rechtslage darstellte, wenn die Klägerin sich auf eine andere vergleichbare Mitarbeiterin berufen könnte, die bei Einbeziehung in die Sozialauswahl auch gekündigt worden wäre (vgl. Urteil des LAG Hamm vom 31.08.1994, Az. 10 (19) Sa 1907/93, in LAGE § 1 KSchG, Soziale Auswahl Nr. 13, vgl. auch Kiel/Koch, Die betriebsbedingte Kündigung, Rn. 401, 402 sowie Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 7. aufl., Rn. 670, vgl. auch Urteil des BAG vom 07.12.1995, Az. 2 AZR 1008/94, NZA 96, 473 bis 475).

47

Da vorliegend davon auszugehen ist, dass die Beklagte unter Berücksichtigung ihres eingeräumten Wertungsspielraumes gemäß § 1 Abs. 3 KSchG zu keiner anderen Entscheidung gelangt wäre, als die Klägerin zu kündigen, steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich der behauptete Auswahlfehler nicht kausal zugunsten der Klägerin ausgewirkt hätte. Dieses hat zur Folge, dass die Klägerin gehindert ist, sich auf die fehlerhafte Sozialauswahl insoweit zu berufen.

48

Da andere Gesichtspunkte nicht vorgetragen sind, aus denen sich eine fehlerhafte Sozialauswahl ergibt, steht damit zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Sozialauswahl ordnungsgemäß getroffen worden ist.

49

Damit stellt sich die Kündigung insgesamt als sozial gerechtfertigt dar. Auf die Berufung der Beklagten war deshalb insoweit das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

50

Der Klägerin steht jedoch gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG ein Weiterbeschäftigungsanspruch zu. Nach dieser Vorschrift muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiter beschäftigen, wenn der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen und der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist.

51

Diese Voraussetzungen liegen vorliegend vor. Der Betriebsrat hat der Kündigung gemäß § 102 Abs. 3 Ziff. 1 BetrVG ordnungsgemäß der Kündigung widersprochen, indem er unter Bezugnahme auf die Mitarbeiterin J. innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 BetrVG mitgeteilt hat, dass die Auswahl nicht ordnungsgemäß getroffen worden ist.

52

Der Antrag der Klägerin war jedoch zu beschränken auf den Zeitpunkt des 31.03.2001, nachdem die Beklagte eine neue Kündigung betriebsbedingt mit Datum vom 28.08.2000 zum 31.03.2001 ausgesprochen hat.

53

Da über diese neue Kündigung bislang eine arbeitsrechtliche Entscheidung nicht getroffen worden ist, steht im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht fest, inwieweit das Arbeitsverhältnis tatsächlich über den 31.03.2001 hinaus fortbesteht. Der Antrag gemäß § 102 Abs. 2 BetrVG wie auch der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch kann sich aber nur auf das vorliegende Verfahren beziehen. Tritt ein neuer Sachverhalt ein, der eine Beendigung zu einem neuen Zeitpunkt möglich macht, so kann das Gericht maximal bezüglich der Weiterbeschäftigung für den Zeitraum entscheiden, zu dem das Arbeitsverhältnis im vorliegenden Verfahren zu überprüfen ist. Ob der Klägerin über den 31.03.2001 ein weiterer Weiterbeschäftigungsanspruch zusteht, kann demzufolge nicht im vorliegenden Verfahren entschieden werden.

54

Nachdem die Klägerin auch ihren Weiterbeschäftigungsanspruch in der letzten mündlichen Verhandlung nur bis zum 31.03.2001 geltend gemacht hat, war die Beklagte insoweit zu verurteilen, die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

55

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

56

Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.