Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.12.2001, Az.: 10 Sa 797/01

Anspruch eines Arbeitnehmers auf Zahlung aus einem kausalen Schuldanerkenntnis

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
05.12.2001
Aktenzeichen
10 Sa 797/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 10904
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2001:1205.10SA797.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Osnabrück 1 Ca 606/00 vom 10.04.2001
LAG Niedersachsen 10 Sa 797/01 vom 16.11.2001
nachfolgend
BAG - 10.10.2002 - AZ: 8 AZR 8/02

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Anspruch des Arbeitgebers auf Zahlung aus einem kausalen Schuldanerkenntnis ist ein Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis und unterfällt daher der tariflichen Ausschlussfrist des § 16 BRTV-Bau.

  2. 2.

    Erhebt der Arbeitnehmer gegen die Wirksamkeit des kausalen Schuldanerkenntnisses selbst Einwendungen, indem er die Anfechtung erklärt, muss der Arbeitgeber innerhalb der Frist des § 16 Ziff. 2 BRTV-Bau Klage auf Zahlung aus dem Schuldanerkenntnis bzw. dem diesem zugrunde liegenden Anspruch erheben.

In dem Rechtsstreit
hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2001
durch
die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Spelge und
die ehrenamtlichen Richterinnen Brockhaus und Schrader-Pausewang
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 10.04.2001 - 1 Ca 606/00 - werden zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 10 %, der Beklagten zu 90 % auferlegt.

  3. 3.

    Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Für den Kläger wird sie nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Schadenersatz.

2

Der Kläger war seit 1999 bei der Beklagten als Monteur gegen einen Stundenlohn von 21,00 DM brutto beschäftigt. Diese firmiert unter der Bezeichnung "...". Sie führt Tischlerei- und Innenausbauarbeiten aus, insbesondere nimmt sie Verschalungen und Türenmontagen sowie Vorwandmontagen vor, ferner erstellt sie Rigips- und MF-Decken. Für das Arbeitsverhältnis waren zuletzt die Bestimmungen des befristeten Arbeitsvertrages vom 14. August 1999 maßgeblich. Dieser enthielt unter § 10 folgende Regelung:

3

Alle sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Ansprüche sind von den Vertragsschließenden binnen einer Frist von zwei Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Falle einer Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Frist von einem Monat einzuklagen.

4

Unter die vorstehende Ausschlussklausel fallen nicht solche Ansprüche, die auf eine strafbare Handlung oder eine unerlaubte Handlung gestützt werden. Für diese Ansprüche gelten die gesetzlichen Verjährungsvorschriften.

5

Ende Oktober 1999 machte die Beklagte dem Kläger gegenüber Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit mangelhaften Arbeitsleistungen des Klägers geltend, die Nachbesserungen notwendig machten. Nach einem Gespräch mit dem Bauleiter der Beklagten, Herrn W., am 25. Oktober 1999 unterzeichnete der Kläger am 26. Oktober 1999 eine als "Darlehnsvertrag" bezeichnete Vereinbarung. Danach wurde dem Kläger ein Darlehen von 7.600,00 DM gewährt, das in monatlichen Raten von 350,00 DM zu tilgen war. Die erste Rate von 700,00 DM war am 15. Dezember 1999 fällig und sollte vom Restlohn des Klägers abgezogen werden. Die jeweils darauffolgenden Raten waren spätestens am 5. eines jeden Monats fällig. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das bei der Akte befindliche Exemplar verwiesen (Bl. 9 d.A.).

6

Am Folgetag meldete sich der Kläger wegen einer Verletzung, die er aufgrund eines Arbeitsunfalls erlitten hatte, arbeitsunfähig krank. Noch am selben Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Wahrung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist zum 15. November 1999. Sie rechnete das Arbeitsverhältnis für Oktober und November 1999 unter Einbehalt der im Vertrag vom 26. Oktober 1999 vereinbarten 700,00 DM ab. Der Kläger nahm die Kündigung und den Lohnabzug hin, zahlte aber die am 5. Januar 2000 und 5. Februar 2000 fälligen Raten aus dem Vertrag vom 26. Oktober 1999 nicht. Die Beklagte mahnte die Zahlungen mit Schreiben vom 23. Februar 2000 (Bl. 10 d.A.) an. Daraufhin teilte der Kläger mit Schreiben vom 29. Februar 2000, auf das Bezug genommen wird (Bl. 11 f. d.A.), mit, dass er den Vertrag vom 26. Oktober 1999 wegen widerrechtlicher Drohung anfechte und weitere Leistungen auf den Darlehensvertrag nicht erbringen werde. Weitere Ratenzahlungen erfolgten tatsächlich nicht.

7

Der Kläger erhob am 6. September 2000 Zahlungsklage auf Rückzahlung der von seinem Lohn für Oktober/November 1999 einbehaltenen 700,00 DM. Im Kammertermin vom 10. April 2001 erhob die Beklagte Widerklage auf Zahlung des noch offenen Restbetrages aus dem Vertrag vom 26. Oktober 1999 von 6.900,00 DM.

8

Durch das dem Kläger am 8. Mai 2001 und der Beklagten am 9. Mai 2001 zugestellte Urteil vom 10. April 2001, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Klage und Widerklage abgewiesen, weil die wechselseitigen Ansprüche verfallen seien.

9

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die am Montag, den 11. Juni 2001 eingelegt und am 11. Juli 2001 begründet worden ist. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 17. August 2001 Anschlussberufung eingelegt und sie zugleich begründet.

10

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe grob fahrlässig gegen seine Arbeitspflichten verstoßen. Die Parteien hätten daher vereinbart, dass der Kläger einen Betrag von 7.600,00 DM als Schadenersatz zu tragen habe. Dabei habe die Beklagte den Schaden zunächst selbst beglichen und diesen Betrag dann dem Kläger darlehensweise zur Verfügung gestellt. Seine Schadenersatzverpflichtung habe der Kläger durch den Vertrag vom 26. Oktober 1999 bestätigt, der daher als Schuldanerkenntnis zu werten sei. Sie habe den Kläger bei der Unterzeichnung dieses Vertrages nicht unter Druck gesetzt oder mit dem Einbehalt von Lohn gedroht. Ihr Anspruch sei nicht verfallen, weil der Kläger den Schadenersatzanspruch durch den Vertrag vom 26. Oktober 1999 anerkannt habe.

11

Die Beklagte beantragt,

auf die Berufung das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 10. April 2001 - 1 Ca 606/00 - teilweise abzuändern und den Kläger auf die Widerklage zu verurteilen, an die Beklagte 6.900,00 DM nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11. April 2001 zu zahlen.

12

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

13

Im Wege der Anschlussberufung beantragt er,

das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 10. April 2001 - 1 Ca 606/00 - teilweise abzuändern und auf die Klage die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 700,00 DM nebst 4% Zinsen seit dem 1. Dezember 1999 zu zahlen.

14

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

15

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe ihm damit gedroht, sie werde den Lohn für Oktober und November 1999 nur zahlen, wenn er bereit sei, den von ihm verursachten Schaden wieder gut zu machen und deshalb den Darlehensvertrag unterzeichne. Für diese Vorhaltungen sei er empfänglich gewesen, weil er seine Verantwortlichkeit in rechtlicher Hinsicht für möglich gehalten habe. Deshalb und weil er dringend auf die Auszahlung des rückständigen Lohns für die Bestreitung seines Lebensunterhaltes angewiesen gewesen sei, habe er den Vertrag unterzeichnet.

16

Die Beklagte habe bei Unterzeichnung dieses Vertrages gewusst, dass der Kläger für den von ihr behaupteten Schaden nicht verantwortlich gewesen sei. Da die Beklagte nicht dargelegt habe, auf welche Umstände sie ihre Schadenersatzansprüche stütze, sei die Widerrechtlichkeit der Drohung zugestanden. Darüber hinaus seien etwaige Zahlungsansprüche der Beklagten verfallen. Demgegenüber sei sein Rückzahlungsanspruch nicht verfallen. Die Beklagte habe ihn über seine Verantwortlichkeit für den Schaden arglistig getäuscht und ihn durch widerrechtliche Drohung unter Druck gesetzt, so dass sie sich nicht auf die Ausschlussfrist berufen könne.

17

Das Landesarbeitsgericht hat gemäß Beschluss vom 16. November 2001, auf den verwiesen wird (Bl. 89 d.A.), Beweis erhoben über die Umstände, unter denen der Kläger den Vertrag vom 26. Oktober 2001 unterzeichnet hat. Hinsichtlich des Beweisergebnisses wird auf das Protokoll vom 16. November 2001 (Bl. 89-94 d.A.) Bezug genommen.

Gründe

18

A.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO).

19

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Anspruch der Beklagten auf die restliche Zahlung von 6.900,00 DM aus dem Vertrag vom 26. Oktober 1999 ist verfallen (§ 16 Ziffer 2 Satz 1 BRTV-Bau).

20

I.

Der Kläger hat mit der Unterzeichnung des Darlehensvertrages vom 26. Oktober 1999 ein kausales Schuldanerkenntnis abgegeben.

21

1.

Ein kausales Schuldanerkenntnis hat den Zweck, das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen und es insoweit durch einen einseitigen Feststellungsvertrag endgültig festzulegen (BAG, 15.12.1999, 10 AZR 881/98, juris <II 1 b d.Gr. m.w.N.>). Voraussetzung eines kausalen Schuldanerkenntnisses ist damit, dass die Parteien die Existenz der anerkannten Schuld wenigstens für möglich halten und den sich daraus ergebenden Streit oder die Ungewissheit rechtsgeschäftlich regeln und so die bestehenden Zweifel und Meinungsverschiedenheit ausräumen wollen (Staudinger-Marburger, BGB, 13. Bearbeitung, 1997, § 781, Rz. 10, 24). Gehen sie dagegen übereinstimmend davon aus, dass das Schuldverhältnis überhaupt nicht oder jedenfalls nicht so, wie im Anerkenntnis bescheinigt, besteht, so liegt in der Regel ein abstraktes Schuldanerkenntnis vor. Besteht überhaupt kein Streit zwischen den Parteien (mehr), sondern ist die anerkannte Schuld unbestritten, so liegt in der Regel eine bloße Wissenserklärung in Form der Anzeige der Erfüllungsbereitschaft vor (vgl. BAG, a.a.O. <II 1 b bb d.Gr.>; Staudinger-Marburger, a.a.O. Rz. 9, 10, 27).

22

2.

Bei Anlegung dieser Maßstäbe hat der Kläger am 26. Oktober 1999 ein kausales Schuldanerkenntnis abgegeben. Zwischen den Parteien bestand (und besteht noch im gegenwärtigen Zeitpunkt) Streit darüber, ob und in welcher Höhe ein Schadenersatzanspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger wegen Schlechtleistung bestand. Beide Parteien, auch der Kläger, der nach seinem ausdrücklichen Vortrag seine Verantwortlichkeit in rechtlicher Hinsicht als möglich ansah, hielten die Existenz der anerkannten Schuld für möglich. Der Vertrag vom 26. Oktober 1999 befreite damit das Schuldverhältnis von der Ungewissheit, ob und in welcher Höhe der Kläger wegen fehlerhafter Arbeitsleistung der Beklagten tatsächlich zum Schadenersatz verpflichtet war, indem er den zu ersetzenden Betrag sowie die Zahlungsmodalitäten verbindlich fest legte.

23

Dem steht die Bezeichnung des Vertrages als "Darlehnsvertrag" nicht entgegen. Die Parteien haben mit dem Vertrag die Bestätigung der Schadenersatzverpflichtung des Klägers bezweckt und zugleich eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen. Wegen dieser Tilgungsvereinbarung konnte der Vertrag als Darlehensvertrag bezeichnet werden, ohne seinen Charakter als Schuldanerkenntnis zu verlieren (vgl. BAG, 11.05.1983, 7 AZR 500/79, juris <IV 2 b d.Gr.>).

24

II.

Ob die vom Kläger erklärte Anfechtung des Darlehensvertrages vom 26. Oktober 1999 wegen widerrechtlicher Drohung durchgreift, kann die Kammer aufgrund der Beweisaufnahme vom 16. November 2001 durch Vernehmung der sistierten Zeugen H. und W. nicht abschließend entscheiden. Danach steht noch nicht fest, ob der Kläger zur Unterschrift unter diesen Vertrag zumindest auch dadurch bestimmt worden ist, dass die Beklagte mit der Verweigerung der Lohnauszahlung für den Fall gedroht hat, dass der Kläger den Vertrag nicht unterzeichnet. Die Zeugen haben insoweit widersprüchlich ausgesagt. Es bedürfte noch der Vernehmung des von beiden Parteien im Termin vom 16. November 2001 benannten Zeugen F., um eine abschließende Würdigung vornehmen zu können. Sollte die Beklagte eine entsprechende Drohung geäußert haben, wäre diese widerrechtlich, weil dadurch der vor Fälligkeit der Lohnforderung für Oktober 1999 unwirksame Verzicht des Klägers auf Einhaltung der Pfändungsfreibeträge (vgl. BAG, 18.08.1976, 5 AZR 95/75, AP Nr. 4 zu § 613 a BGB <4 d.Gr.>) erzwungen worden wäre.

25

III.

Die Wirksamkeit des Vertrages vom 26. Oktober 1999 kann jedoch dahinstehen. Ein etwaiger Anspruch der Beklagten auf Zahlung des Restbetrages von 6.900,00 DM ist nämlich verfallen (§ 16 Ziffer 2 Satz 1 BRTV-Bau).

26

1.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterfiel dem allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau). Die Beklagte verrichtet Trocken- und Montagebauarbeiten, und ist deshalb ein Betrieb des Baugewerbes (§ 1 Abschnitt V Nr. 37 BRTV-Bau).

27

a)

Betriebe, in denen überwiegend in den Beispielen des Abschnitts V genannte Tätigkeiten ausgeführt werden, fallen unter den Geltungsbereich des BRTV-Bau, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale des Abschnitts I bis III zu überprüfen sind (BAG, stRspr, s. nur 14.06.1989, 4 AZR 200/89, AP Nr. 16 zu § 4 TVG - Tarifkonkurrenz).

28

b)

Danach fiel der Betrieb des Beklagten unter den Geltungsbereich des BRTV-Bau. Montagebauarbeiten sind Arbeiten, die dem Auf- und Zusammenbau von Teilen im Zusammenhang mit der Errichtung eines Bauwerks dienen (vgl. BAG, 26.04.1989, 4 AZR 49/89, AP Nr. 110 zu § 1 TVG - Tarifverträge: Bau). Die Beklagte bringt bereits in der Firmenbezeichnung zum Ausdruck, dass sie solche Arbeiten durchführt.

29

Darüber hinaus führt die Beklagte auch "Trockenbauarbeiten" aus. Der Trockenbaumonteur montiert Fertigteile, die er nicht mehr wesentlich verändert, zur Bekleidung von Außen- und Innenwänden, zur Herstellung von Unterdecken und zur Errichtung von Leichtbauwänden. Zu seinen Aufgaben gehört auch der Einbau besonderer Materialien und Konstruktionen als Schutz gegen Wärme, Schall und Feuer (BAG, AP Nr. 110 zu § 1 TVG - Tarifverträge: Bau). Darunter fällt auch der von der Beklagten vorgenommene Einbau von Verschalungen, Rigips- und MF-Decken und Vorwänden.

30

2.

Auf das Arbeitsverhältnis fand die Ausschlussfrist des § 16 BRTV-Bau Anwendung. Die einzelvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist des § 10 des Arbeitsvertrages vom 14. August 1999 ist wegen Verstoßes gegen den Günstigkeitsgrundsatz unwirksam (§ 4 Abs. 3 TVG).

31

Allerdings ist die vertragliche Ausschlussfrist insoweit für den Kläger günstiger als die tarifliche, als sie bei Ansprüchen, die die Beklagte ihm gegenüber geltend macht, eine kürzere Frist zur gerichtlichen Geltendmachung und einen engeren Anwendungsbereich vorsieht als die tarifliche Klausel. Sie ist jedoch ungünstiger als die tarifliche Regelung, soweit es um eigene Ansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten geht. Solche einzelvertraglichen Bestimmungen, die sich je nach den konkreten Umständen als günstiger oder als ungünstiger für den Arbeitnehmer erweisen können, sind nicht von § 4 Abs. 3 TVG gedeckt und damit unwirksam (vgl. LAG Hessen, 11.10.1979, 11 Sa 253/79, AP Nr. 70 zu § 4 TVG - Ausschlussfristen).

32

3.

Die Ansprüche der Beklagten aus dem Darlehensvertrag vom 26. Oktober 1999 werden von § 16 BRTV-Bau erfasst.

33

Die Ansprüche aus dem Darlehensvertrag sind "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis". Darunter fallen alle Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben. Entscheidend ist allein, ob der Lebensvorgang, aus dem der Anspruch resultiert, eng mit dem Arbeitsverhältnis verknüpft ist. Maßgeblich ist also nicht die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage, sondern der Entstehungsbereich des Anspruches (BAG, 26.02.1992, 7 AZR 201/91, AP Nr. 18 zu § 46 BPersVG <II 1 b d.Gr.>). In diesem Sinn gehören unter anderem auch vertragliche Erfüllungs- und Schadenersatzansprüche zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis (BAG, stRspr seit 10.08.1967, 3 AZR 221/66, AP Nr. 37 zu § 4 TVG - Ausschlussfristen; weitere Nachweise s. BAG, 26.04.1990, 8 AZR 153/89, ZTR 1991, S. 26 <II 1 a d.Gr.>).

34

Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Parteien die Höhe der Schadenersatzverpflichtung des Klägers und die von ihm zu beachtenden Zahlungsmodalitäten im Vertrag vom 26. Oktober 1999 geregelt haben. Dabei handelt es sich nicht um einen selbständig neben dem Arbeitsverhältnis geschlossenen bürgerlich-rechtlichen Vertrag, der von der Ausschlussfrist nicht erfasst würde (vgl. BAG, 20.01.1982, 5 AZR 755/79, AP Nr. 72 zu § 4 TVG - Ausschlussfristen <II d.Gr.>). Vielmehr haben die Parteien damit lediglich das Erheben von Einwendungen und Einreden ausgeschlossen und die Schadenersatzverpflichtung entsprechend umgestaltet (vgl. BAG, 15.12.1999, 10 AZR 881/98, juris <II 2 a d.Gr.>). Dadurch hat sich nichts daran geändert, dass die Forderung unmittelbar aus der Arbeitsleistung des Klägers und damit dem Arbeitsverhältnis resultiert. Der Entstehungsbereich der Forderung ist von dem Schuldanerkenntnis nicht berührt.

35

4.

Die Beklagte hat den noch offenen Darlehensbetrag von 6.900,00 DM nicht innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Ablehnung gerichtlich geltend gemacht. Er ist daher verfallen.

36

a)

Allerdings hat der Kläger durch sein Schuldanerkenntnis die Forderung zunächst streitlos gestellt und auf die Erhebung von Einwendungen verzichtet. Nach dem Zweck der 1. Stufe der tarifliche Ausschlussfrist des § 16 BRTV-Bau bestand daher keine Veranlassung, die Beklagte zur raschen Geltendmachung ihrer Forderung anzuhalten. Mit der schriftlichen Geltendmachung soll der Gläubiger den Schuldner innerhalb kurzer Frist darauf hinzuweisen, ob und welche Ansprüche im Einzelnen noch erhoben werden. Dieser kann sich darauf verlassen, nach Ablauf der Ausschlussfrist nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Gibt der Arbeitnehmer ein Schuldanerkenntnis ab, so kennt er den erhobenen Anspruch, so dass es einer schriftlichen Geltendmachung der Forderung nicht bedarf (für schriftliche Lohnabrechnungen: BAG, stRspr seit 20.10.1982, 5 AZR 110/82, AP Nr. 76 zu § 4 TVG - Ausschlussfristen <1 a d.Gr.>). Die erste Stufe der Ausschlussfrist gemäß § 16 Ziffer 1 BRTV-Bau lief daher wegen des vom Kläger abgegebenen Schuldanerkenntnisses nicht.

37

b)

Nachdem der Kläger jedoch mit Schreiben vom 29. Februar 2000 (B. 11 f. d.A.) den Vertrag vom 26. Oktober 1999 angefochten, weitere Zahlungen aus dem Vertrag verweigert und so die Restforderung fällig gestellt hatte, begann die zweite Stufe der Ausschlussfrist zu laufen. Die Beklagte musste nunmehr binnen zwei Monaten nach Zugang dieses Schreibens Klage auf Zahlung des noch offenen Restbetrages erheben (§ 16 Ziffer 2 Satz 1 BRTV-Bau). Diese Frist hat sie versäumt. Sie hat erst am 10. April 2001 (Wider) Klage erhoben.

38

aa)

Hat der Schuldner eine genau bezeichnete und bezifferte Forderung zunächst streitlos gestellt und zahlt er dann nicht, sondern erhebt nachträglich Einwendungen gegen den Anspruch, muss im Geltungsbereich einer einstufigen Ausschlussfrist der Gläubiger die Forderung nicht schriftlich geltend machen. Dem Schuldner ist aufgrund seines früheren Anerkenntnisses der Forderung nämlich genau bekannt, um welche Forderung es geht, so dass die (nachträgliche) schriftliche Geltendmachung dieser Forderung eine überflüssige Förmelei wäre. Der Zweck der einstufigen Ausschlussfrist ist durch das Anerkenntnis erreicht und wird durch das spätere Erheben von Einwendungen nicht wieder rückwirkend beseitigt (BAG, 21.04.1993, 5 AZR 399/92, AP Nr. 124 zu § 4 TVG - Ausschlussfristen <II 2 d.Gr.).

39

bb)

Diese Erwägungen greifen im Bereich der zweiten Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist jedoch nicht (offengelassen von BAG, 29.05.1985, 7 AZR 124/83, AP Nr. 92 zu § 4 TVG - Ausschlussfristen <I 2 c d.Gr.>; a.A. LAG Berlin, 04.04.2001, 6 Sa 479/01, juris).

40

Das Schuldanerkenntnis schneidet dem Schuldner nur die Einreden und Einwendungen aus dem dem Schuldanerkenntnis zugrundeliegenden Schuldverhältnis ab, nicht jedoch das Recht, Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Schuldanerkenntnisses selbst geltend zu machen. Nachdem der Kläger das kausale Schuldanerkenntnis angefochten und damit Einwendungen gegen dieses selbst erhoben hatte, musste die Beklagte dem Kläger vor Augen führen, dass sie ihre Rechte, sei es (bei Unwirksamkeit der Anfechtung) aus dem Schuldanerkenntnis, sei es (bei Wirksamkeit der Anfechtung) auf Schadenersatz, tatsächlich im Klageweg verfolgen würde. Die von § 16 Ziffer 2 Satz 1 BRTV-Bau verlangte gerichtliche Geltendmachung hat nämlich unter anderem den Zweck, den Schuldner eindringlich darauf hinzuweisen, dass die Forderung mit der Ablehnung nicht erledigt ist, sondern der Anspruch sogar im Klagweg durchgesetzt werden soll (vgl. BAG, 21.05.1987, 2 AZR 373/86, RzK I 13 a Nr. 21 <II 2 a aa d.Gr.>; 29.06.1989, 6 AZR 459/88, AP Nr. 103 zu § 4 TVG - Ausschlussfristen <II 2 e d.Gr.>). Der Zweck der zweiten Stufe der Ausschlussfrist ist bei Erheben von Einwendungen gegen die Wirksamkeit des Schuldanerkenntnisses selbst nicht (mehr) erreicht. Anders als die schriftliche Geltendmachung ist bei nachträglichen Einwendungen gegen das Anerkenntnis die gerichtliche Geltendmachung damit keine unnütze Förmelei, sondern zur Durchsetzung des Rechtes erforderlich.

41

B.

Die unselbständige Anschlussberufung des Klägers ist statthaft. Zwar liegt die Beschwer unter 1.200,00 DM. Auch hat das Arbeitsgericht die Berufung nicht zugelassen. Die Anschlussberufung erfordert jedoch keine Beschwer, weil sie kein eigenes Rechtsmittel, sondern nur einen angriffsweise wirkenden Antrag innerhalb einer fremden Berufung darstellt (BGH, 07.12.1951, GSZ 2/51, BGHZ 4, 229 <233, 234>). Sie ist auch mit der Anschlussschrift begründet worden (§ 522 a Abs. 2 ZPO) und daher zulässig.

42

Die Anschlussberufung ist jedoch unbegründet. Es kann dahinstehen, ob dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung des von der Beklagten einbehaltenen Betrages von 700,00 DM gemäß § 812 Abs. 1 BGB zustand. Insoweit hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden, dass ein etwaiger Anspruch des Klägers verfallen ist (§ 16 Ziffer 2 Satz 1 BRTV-Bau).

43

I.

Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des einbehaltenen Lohns unterfällt der tariflichen Ausschlussfrist. Insoweit wird auf die Ausführungen unter A III 1-3 der Gründe verwiesene Dieser Anspruch war mit der Anfechtung des Darlehens am 29. Februar 2000 fällig. Der Kläger hat zwar zugleich mit der Anfechtung die Rückzahlung des einbehaltenen Lohns gefordert. Nachdem sich die Beklagte jedoch nicht binnen zwei Wochen nach Zugang des Schreibens zur geforderten Rückzahlung erklärt hatte, lief die zweite Stufe der tariflichen Ausschlussfrist an und war Mitte Mai 2000 verstrichen. Die Klagerhebung am 6. September 2000 wahrte diese Frist nicht.

44

2.

Die Berufung der Beklagten auf den Ablauf der Ausschlussfrist stellt keine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit gemäß §§ 242, 134 BGB unzulässige Rechtsausübung dar. Dies ist nur dann der Fall, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Arbeitnehmers durch ein Verhalten des Arbeitgebers veranlasst worden ist. Der Arbeitgeber muss also den Arbeitnehmer an der Geltendmachung des Anspruchs beziehungsweise der Einhaltung der Verfallfrist gehindert haben. Das wird angenommen, wenn der Arbeitgeber durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen dem Arbeitnehmer die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat beziehungsweise an objektiven Maßstäben gemessen den Eindruck erweckt hat, der Arbeitnehmer könne darauf vertrauen, dass der Anspruch auch ohne Wahrung der Ausschlussfrist erfüllt werde (BAG, stRspr., zuletzt 22.01.1997, 10 AZR 459/96, AP Nr. 27 zu § 70 BAT <II 1 a d.Gr.>). In diesen Fällen setzt sich der Arbeitgeber in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten, wenn er den Verfall geltend macht und so aus dieser Untätigkeit des Arbeitnehmers einen Vorteil ziehen will. Davon kann im vorliegenden Fall jedoch keine Rede sein. Der Kläger macht insoweit geltend, die Beklagte habe ihn über seine Verantwortlichkeit für den Schaden arglistig getäuscht und ihn durch widerrechtliche Drohung unter Druck gesetzt. Auch wenn dies zu seinen Gunsten unterstellt wird, hat die Beklagte ihn durch dieses Verhalten jedoch in keiner Weise davon abgehalten, nach Einschalten eines Rechtsanwaltes und Anfechtung des Schuldanerkenntnisses seinen Rückzahlungsanspruch innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist einzuklagen.

45

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

46

Gründe, die Revision für denKläger zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG), bestanden nicht.

47

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird insoweit hingewiesen.

48

Für dieBeklagte war die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Spelge,
Brockhaus,
Schrader-Pausewang