Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.01.1994, Az.: 13 Sa 444/93 E

Tarifliche Eingruppierung einer Gleichstellungsbeauftragten; Anspruch auf Vergütung aus einer bestimmten Vergütungsgruppe; Bewertung der Tätigkeit einer Gleichstellungsbeauftragten in Nordrhein-Westfalen als Arbeitsvorgang

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
20.01.1994
Aktenzeichen
13 Sa 444/93 E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 17353
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1994:0120.13SA444.93E.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 21.01.1993 - AZ: 4 Ca 281/92 E
nachfolgend
BAG - 20.09.1995 - AZ: 4 AZR 413/94

In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 1994
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 21.01.1993, 4 Ca 281/92 E, unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin seit dem 01.01.1993 Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT zu zahlen nebst 4 % Zinsen auf den jeweiligen monatlichen Nettodifferenzbetrag ab jeweiliger monatlicher Fälligkeit. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 18.000,- DM festgesetzt.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die nach Vergütungsgruppe IV a BAT vergütet wird, begehrt Entgeld nach Vergütungsgruppe II BAT, hilfsweise ab 01.01.1993 nach Vergütungsgruppe III im Wege des Bewährungsaufstiegs.

2

Die Klägerin, die 1982 ein Studium als Diplom-Sozialwissenschaftlerin abgeschlossen hat, ist zum 01.07.1988 von der beklagten Stadt (38000 Einwohner) als Gleichstellungsbeauftragte eingestellt worden. Seit Inkrafttreten des 10. Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Gemeindeordnung und der niedersächsischen Landkreisordnung vom 14.06.1993 ist sie Frauenbeauftragte.

3

In der Stellenausschreibung (Bl. 14 d. A.) wurde eine Vergütung je nach persönlicher Qualifikation bis Vergütungsgruppe III BAT angekündigt. Nach Arbeitsvertrag, auf dessen Inhalt, Bl. 15 d. A. Bezug genommen wird, ist Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b BAT in der Probezeit und ab 01.01.1989 Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a BAT festgelegt.

4

Entsprechend der Verwaltungsverfügung vom 03.03.1989 und der Arbeitsplatzbeschreibung vom 19.12.1988 (Bl. 16 bis 29 d. A.) sind der Klägerin zusammengefaßt folgende Aufgaben übertragen:

  1. 1.

    Beratung und Hilfestellung für ratsuchende Bürgerinnen und Bürger.

  2. 2.

    Kontaktpflege zu Verbänden, Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräten, Unternehmen. Arbeitsverwaltung, Frauengruppen und -verbänden. Unterstützung von Frauenprojekten und Frauenverbänden.

  3. 3.

    Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen, Informations- und Öffentlichkeitsarbeit.

  4. 4.

    Erstellung von Studien und Untersuchungen, Vorbereitung von Frauenbericht und Frauenförderplan.

  5. 5.

    Prüfung von Rats- und Ausschußvorlagen.

  6. 6.

    Beteiligung in Personalangelegenheiten.

5

Die Klägerin war von Anfang an unmittelbar dem stellvertretenden Stadtdirektor unterstellt. Ihr ist als Amtsleiterin eine Verwaltungsangestellte, Vergütungsgruppe V c BAT unterstellt. Sie hat in Rat und Ausschüssen Rederecht und kann Beschlussempfehlungen für die politischen Gremien erstellen. Wegen der Beschäftigungsstruktur in der Stadtverwaltung der Beklagten wird Bezug genommen auf Stellenplan und Stellenübersicht, Bl. 43 bis 50 d. A.

6

Mit Schriftsatz vom 28.10.1992 hat die Klägerin zur Darstellung ihrer Tätigkeit Untersuchungen, Informationsmaterial und Verwaltungsvorgänge vorgelegt, auf den Inhalt (Anhang zur Akte) wird Bezug genommen. Es handelt sich z. B.

  1. a)

    um eine Untersuchung zur Beschäftigten- und Einkommenstruktur der Stadtverwaltung (Anlage 1). Die zugrundegelegten Fragebögen waren unter Beteiligung der Klägerin von einer Arbeitsgemeinschaft der Frauenbeauftragten erstellt, die aufbereiteten Daten sind von der Klägerin ausgewertet worden.

  2. b)

    Untersuchung zur Kinderbetreuungssituation (Anlage 2), erstellt von der Klägerin.

  3. c)

    Konzeption der Motivationsmaßnahmen für alleinerziehende Sozialhilfeempfängerinnen (Anlage 3), initiiert durch die Klägerin, erarbeitet von einer Sozialwissenschaftlerin und einer Sozialpädagogin.

7

Die Klägerin hat mit Klageschrift eine von ihr unter dem Datum vom 15.07.1991 erstellte Arbeitsplatzbeschreibung vorgelegt, auf deren Inhalt, Bl. 30 bis 36 d. A., Bezug genommen wird.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Tätigkeit bilde einen Arbeitsvorgang, der wissenschaftliche Tätigkeit im Sinne der Vergütungsgruppe II BAT beinhalte. Sie müsse öffentliche Diskussion, neue Literatur, Gesetzgebung und parteipolitische Aussagen verfolgen, in Eigeninitiative Zusammenhänge erkennen und Ergebnisse selbständig entwickeln. Sie müsse konzeptionell und damit wissenschaftlich arbeiten.

9

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin seit dem 01.01.1991 Vergütung nach Maßgabe der Vergütungsgruppe II BAT zu zahlen und den Differenzbetrag zwischen tatsächlich gezahlter und beantragter Vergütung bei jeweiliger Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen.

10

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Sie hat die Auffassung vertreten, die übertragene Tätigkeit entspreche den Anforderungen, die an eine Tätigkeit mit Fachhochschulabschluß zu stellen seien. Wissenschaftliche Tätigkeit werde nicht gefordert. Eine Ausnahme könne allenfalls die Erarbeitung des Frauenförderplanes darstellen, diese Einzelmaßnahme präge jedoch nicht den Arbeitsplatz. Die Klägerin erarbeite Stellungnahmen und Vorschläge und verfasse Konzepte ohne eigenen Entscheidungsspielraum. Sie habe typische Aufgabenbereiche und Tätigkeitsfelder des gehobenen Dienstes wahrzunehmen und sei deshalb korrekt in Vergütungsgruppe IV a BAT eingruppiert.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

13

Mit Berufung trägt die Klägerin vor, nach der übertragenen Tätigkeit solle sie allgemein formulierte strukturelle Ansätze zur Verbesserung der Situation der Frauen entwickeln. Sie habe Grundsatzfragen zu bearbeiten, Lösungsansätze und Umsetzungsstrategien zu entwickeln und neue Wege konzeptionell zu entwickeln. Sie habe in das Verwaltungshandeln eigene Vorschläge einzubringen und im übrigen Fortbildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Es handele sich um eine typische Stabsstelle mit Querschnittsaufgaben. Sie müsse unterschiedliche Arbeitsbereiche vernetzen, die Arbeit innerhalb der Verwaltung, die Öffentlichkeitsarbeit sowie Kooperation mit anderen Stellen. Da sie auf unterschiedlichen Arbeitsebenen tätig sei und sich auf verschiedenste Fachrichtungen einstellen müsse, handele es sich um eine typische Tätigkeit mit akademischem Zuschnitt. Die herausgehobene Stellung der Frauenbeauftragten ergebe sich im übrigen nunmehr auch aus § 5 a NGO. Gerechtfertigt sei deshalb eine Eingruppierung nach Vergütungsgruppe II BAT, zumindest aber eine Eingruppierung gemäß Vergütungsgruppe III Fallgruppe 1 a BAT. Auf jeden Fall sei im Wege der 4jährigen Bewährung ein Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT ab 01.01.1993 gegeben. Ergänzend wird wegen des zweitinstanzlichen Vorbringens Bezug genommen auf die Berufungsbegründung und auf den Schriftsatz vom 12.01.1994, Bl. 108 f u. Bl. 132 f d. A.

14

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin seit dem 01.01.1991 Vergütung nach Maßgabe der Vergütungsgruppe II BAT zu zahlen und den Nettodifferenzbetrag zwischen tatsächlich gezahlter und beantragter Vergütung ab jeweiliger Fälligkeit mit 4 % beginnend mit der Rechtshängigkeit zu verzinsen,

15

hilfsweise

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin nach Maßgabe des vorstehenden Antragstextes Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT zu zahlen.

16

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

17

Sie trägt vor, der Arbeitsbereich der Klägerin sei in drei Arbeitsvorgänge zu unterteilen, nämlich Arbeitsbedingungen innerhalb der Gemeinde, Angelegenheiten des öffentlichen Dienstes der Gemeinde und Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Die übertragene Tätigkeit habe keinen akademischen Zuschnitt. Es handele sich um Tätigkeiten, die den Fähigkeiten und Kenntnissen eines Fachhochschulabschlusses entsprächen. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungserwiderung, Bl. 14 f d. A.

Gründe

18

Die Berufung der Klägerin ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO. Die Berufung ist nur insoweit begründet, als festzustellen war, daß der Klägerin ab 01.01.1993 im Wege des Bewährungsaufstiegs Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT zusteht. Im übrigen ist die Berufung nicht begründet und war das das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu bestätigen.

19

Da spezielle Fallgruppen für Frauenbeauftragte oder Gleichstellungsbeauftragte fehlen, sind für die Eingruppierung die allgemeinen Fallgruppen für den Büro- und Innendienst heranzuziehen. Da die Klägerin Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a BAT erhält, kann davon ausgegangen werden, daß ihre Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert (Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a) und daß die Tätigkeit im Sinne der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a besonders verantwortungsvoll ist. Für die Eingruppierung als maßgebend heranzuziehen sind danach Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 a, die mindestens zu einem 1/3 Heraushebung durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a verlangt. Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 b verlangt mindestens zu 50 % Heraushebung durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a und gewährt nach 4jähriger Bewährung Eingruppierung nach Vergütungsgruppe III Fallgruppe 1 b. Bei erheblicher Heraushebung durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung aus Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 b ist Vergütungsgruppe III Fallgruppe 1 a erfüllt. Schließlich erfaßt Vergütungsgruppe II Fallgruppe 1 a Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit, diese Eingruppierung begehrt die Klägerin in erster Linie.

20

Für die Eingruppierung maßgebend ist gemäß § 22 Abs. 2 BAT, daß zeitmindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die der begehrten Vergütungsgruppe entsprechen. Für die Eingruppierung sind deshalb Arbeitsvorgänge zu bilden. Nach ständiger Rechtssprechung des BAG (z. B. AP-Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG vom 20.10.1993, 4 AZR 45/93, bisher nicht veröffentlicht) ist unter einem Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen. Dabei können allerdings tatsächlich trennbare Tätigkeiten von unterschiedlicher tariflicher Wertigkeit nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (BAG 4 AZR 45/93; BAG AP Nr. 129 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

21

Im Urteil vom 20. März 1991 (ZTR 1991, S. 376) hat das BAG die Tätigkeit einer Gleichstellungsbeauftragten in Nordrhein-Westfalen als einen Arbeitsvorgang bewertet, weil die Tätigkeit auf ein einheitliches Arbeitsergebnis gerichtet sei, nämlich Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Die Entscheidung ist auf den vorliegenden Fall aber nicht übertragbar. Der Aufgabenbereich der Gleichstellungsbeauftragten in dem vom BAG entschiedenen Fall war wesentlich enger gefaßt als der Aufgabenbereich der Klägerin. Das BAG hatte zu entscheiden über ein Aufgabengebiet, das Öffentlichkeitsarbeit/Kontaktpflege, Sprechstunden, Beratung, Hilfestellung, Mitwirkung bei Vorbereitungen von Verwaltungs-, Ausschuß- und Ratsentscheidungen sowie Erstellung eines Tätigkeitsberichts umfaßte. Auch die Klägerin hat diese Aufgaben zu erfüllen, darüber hinaus hat sie aber nach Verwaltungsverfügung vom 03.03.1989 und nach Arbeitsplatzbeschreibung Studien und Untersuchungen zum Problemkreis nebst Lösungsvorschlägen auszuarbeiten, insbesondere auch Frauenbericht und Frauenförderplan vorzubereiten. Neben gestaltender Tätigkeit zur Umsetzung der Gleichstellung z. B. durch Einflußnahme auf Ratsentscheidungen oder Verwaltungsentscheidungen ist der Klägerin damit auch übertragen Tätigkeit zur Erarbeitung von Grundlagen für die Gleichstellung, also konzeptionelle Arbeit. Es sind deshalb mindestens zwei Arbeitsvorgänge zu bilden, zum einen konzeptionelle Grundlagenarbeit, zum anderen gestaltende Arbeit innerhalb der Verwaltung.

22

Diese Trennung in mindestens zwei Arbeitsvorgänge ist auch deshalb erforderlich, weil beide Tätigkeitsbereiche tatsächlich trennbar sind, zu einem abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen und zu einer tariflich unterschiedlichen Bewertung führen könnten. Bei der konzeptionellen Arbeit, Erstellung von Untersuchungen, Vorbereitung von Frauenbericht und Frauenförderplan, kann es sich nach Auffassung der Kammer durchaus um wissenschaftliche Tätigkeit im Sinne der Vergütungsgruppe II Fallgruppe 1 a handeln. Die Klägerin hat hier unter Einsatz ihrer Kenntnisse als Diplom-Sozialwissenschaftlerin für den Bereich der Kommune Grundlagen für die Gleichstellungsarbeit zu erarbeiten, etwa durch Fragebogenaktionen Fakten zu sammeln und auszuwerten. Man kann diese Tätigkeit als wissenschaftlich fundierte Forschungstätigkeit bezeichnen. Einer abschließenden Bewertung, ob es sich um wissenschaftliche Tätigkeit handelt, bedarf es nicht. Es ist nämlich nicht ersichtlich, daß diese Tätigkeit, Erstellung von Untersuchungen, Frauenförderbericht und Frauenförderplan. 50 % der Klägerin ausmacht. Nur diese Tätigkeit, nicht aber die übrigen Aufgaben können als wissenschaftliche Tätigkeit eingestuft werden.

23

Aus den in der Arbeitsplatzbeschreibung angegebenen Zeitanteilen ist ersichtlich, daß für die Vorbereitung von Frauenbericht und Frauenförderplan ein Zeiteinteil von 9 % erforderlich ist. Die weitaus überwiegende Arbeitszeit wird verwandt auf die übrigen Arbeitsbereiche. Die Klägerin hat, obwohl nach dem erstinstanzlichen Urteil dafür Veranlassung bestand, abweichende Zeitanteile nicht vorgetragen, sie hat deshalb nicht schlüssig dargelegt, daß wissenschaftliche Arbeit in dem vorstehend definierten Sinne zu mindestens 50 % angefallen ist.

24

Die übrigen Aufgaben der Klägerin sind keine Tätigkeiten, die als wissenschaftlich bezeichnet werden können. Beratung und Hilfestellung für ratsuchende Bürgerinnen und Bürger, Kontaktpflege zu Verbänden, Gewerkschaften und ähnlichem, Unterstützung von Frauenprojekten und Frauenverbänden. Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen, Informations- und Öffentlichkeitsarbeit sind Tätigkeiten, für die eine Fachhochschulausbildung ausreichend ist, sie werden in Kommunen der Größenordnung der Beklagten (38000 Einwohner) üblicherweise von Angestellten oder Beamten des gehobenen Dienstes wahrgenommen. Dieselbe Bewertung ergibt sich auch für die Mitwirkung der Klägerin bei der Rats- und Ausschußarbeit sowie für die Beteiligung in Personalangelegenheiten. Aus dem Stellenplan der Beklagten ist ersichtlich, daß die Führungstätigkeit auf Amtsleiterebene im wesentlichen von Angestellten oder Beamten des gehobenen Dienstes wahrgenommen wird. Einbindung der Klägerin zur Frauenförderung in diese Tätigkeiten, etwa die Beteiligung in Personalangelegenheiten der relativ kleinen Gemeindeverwaltung, kann deshalb nicht als wissenschaftliche Tätigkeit gewertet werden. Es handelt sich um Arbeitsanforderungen, die Fachhochschulniveau entsprechen.

25

Es ergibt sich dann aber, daß überwiegende wissenschaftliche Tätigkeit nicht festsgestellt werden kann, mithin eine Eingruppierung nach Vergütungsgruppe II a BAT ausscheidet.

26

Die Klägerin erfüllt die Anforderungen der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 b und hat nach 4jähriger Bewährung ab 01.01.1993 (wie hilfsweise geltend gemacht) Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe III Fallgruppe 1 b. Die Anforderungen der Vergütungsgruppe III Fallgruppe 1 a (erhebliche Heraushebung durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung) ist nicht gegeben. Für die Prüfung der Heraushebungsmerkmale besondere Schwierigkeit und Bedeutung sowie Maß der damit verbundenen Verantwortung ist vorliegend eine Bildung von Arbeitsvorgängen entbehrlich. Unter Berücksichtigung vom § 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 Satz 2 BAT sind, selbst wenn mehrere Arbeitsvorgänge zu bilden wären, diese zusammen zu beurteilen. Die Vorschrift bestimmt, daß die Arbeitsvorgänge zusammen zu beurteilen sind, wenn die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden kann (z. B. vielseitige Fachkenntnisse). Insoweit führt das BAG (ZTR 1988, S. 177) zwar aus, das Qualifikationsmerkmal der besonderen Schwierigkeit der Tätigkeit könne in der Regel nur bei einzelnen Arbeitsvorgängen festgestellt werden. Aus einer zusammenfassenden Betrachtung aller Arbeitsvorgänge könne nur ausnahmsweise bei der Verbindung ungewöhnlicher, spezieller und jeweils differenzierende Anforderungen stellender Einzelaufgaben auf die besondere Schwierigkeit der Tätigkeit geschlossen werden. Vorliegend ist eine solche ausnahmsweise Anwendung von § 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 Satz 2 BAT anzunehmen.

27

Ziel der Tätigkeit der Klägerin ist nach Verwaltungsverfügung vom 03.03.1989 ebenso nach § 5 der Neufassung der NGO die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Dieser umfassenden Zielsetzung dienen die einzelnen übertragenen Teiltätigkeiten. Es liegt deshalb nahe, entweder die Gesamttätigkeit zu einem einzigen Arbeitsvorgang zusammenzufassen (so BAG ZTR 1991, S. 376) oder aber zumindest eine zusammenfassende Betrachtung bei der Feststellung der Heraushebungsmerkmale vorzunehmen.

28

Für eine zusammenfassende Bewertung nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT spricht auch, daß der Tätigkeitsbereich der Klägerin nicht eindeutig und klar abgrenzbar definiert ist. Ihr ist nicht etwa im Bereich der Personalangelegenheiten ein eindeutig definierter Aufgabenbereich zugewiesen, aufgrund ihrer selbständigen Stellung nach Verwaltungsverfügung und § 5 a NGO ist sie quasi gezwungen, sich Aufgabenbereiche zu suchen und Einflußmöglichkeiten zu erschließen. Schließlich umfaßt ihr Tätigkeitsbereich den Gesamtbereich der Kommunalverwaltung, innerdienstliche Personalangelegenheiten, Einflußnahme auf Rats- und Ausschußarbeit etwa bei Haushaltsplanung, Bauplanung, Entwicklungen im sozialen Bereich. Dieser umfassenden Aufgabenstellung wird man nur gerecht, wenn man die Heraushebungsmerkmale nicht begrenzt auf einzelne Arbeitsvorgänge, sondern unter Berücksichtigung der Gesamttätigkeit prüft.

29

Vergütungsgruppe IV a BAT Fallgruppe 1 b verlangt Heraushebung durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung. Bei der besonderen Schwierigkeit der Tätigkeit ist abzustellen auf die fachliche Qualifikation des Angestellten, also sein fachliches Können und seine fachliche Erfahrung. Es wird ein Wissen und Können verlangt, daß die Anforderungen der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a in gewichtiger Weise, d. h. beträchtlich übersteigt. Diese erhöhte Qualifikation kann sich ergeben aus Breite und Tiefe des geforderten fachlichen Wissens und Könnens, aus außergewöhnlicher Erfahrung oder besonderen Spezialkenntnissen. Besondere Bedeutung liegt vor, wenn gemessen an den Anforderungen der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a die Auswirkungen bzw. die Tragweite der Tätigkeit deutlich wahrnehmbar bedeutungsvoller sind (BAG ZTR 1991, S. 376).

30

Die besondere Schwierigkeit ergibt sich nach Auffassung der Kammer bereits daraus, daß die Klägerin kein klar definiertes Aufgabenfeld hat, sie muß umfassend zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau im gesamten Spektrum der kommunalen Aufgaben tätig werden. Frauenförderung durch Mitwirkung bei Personalentscheidungen im innerdienstlichen Bereich verlangt beispielsweise genaue Kenntnis der Beschäftigungsstruktur, Umsetzung von einschlägigen Rechtsvorschriften (Artikel 33 Grundgesetz, § 611 a BGB, Beamtenrecht und Tarifrecht). Einflußnahme auf Rats- und Ausschußarbeit zur Verwirklichung des Gleichstellungsauftrags ist nur möglich bei Einarbeitung in verschiedenste kommunale Aufgabenbereiche, insbesondere Planungsrecht, soziale Angelegenheiten. Daneben ist gefordert die Erstellung von Studien, Vorbereitung von Frauenbericht und Frauenförderplan, also grundlegend konzeptionelle Arbeit. Schließlich verlangt die Tätigkeit Öffentlichkeitsarbeit und Kontaktpflege zu Verbänden, Frauengruppen und ähnlichem. Diese umfassende Aufgabenstellung, die alle Verwaltungsbereiche der Kommune umfaßt, rechtfertigt die Annahme einer Heraushebung durch besondere Schwierigkeit.

31

Auch eine besondere Bedeutung der Tätigkeit ist zu bejahen. Auszugehen ist hier von der Zielsetzung der Tätigkeit, wie sie in der Verwaltungsverfügung aus 1989 und in § 5 a NGO definiert ist, nämlich Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die Beklagte und jetzt der Gesetzgeber haben diese Zielsetzung für die Arbeit der Frauenbeauftragten gegeben. Bereits diese Zielsetzung, die eine Ausfüllung von Artikel 3 Abs. 2 Grundgesetz beinhaltet, begründet die besondere Bedeutung im Sinne der tariflichen Vorschrift. Auswirkungen und Tragweite der Tätigkeit der Klägerin ergeben sich auch daraus, daß sie durch Einflußnahme auf Personalentscheidungen, durch Einflußnahme auf Ratsentscheidungen und durch Öffentlichkeitsarbeit zu einer Gleichstellung der Frauen beizutragen hat. Sie hat etwa bei Beförderungsentscheidungen mitzuwirken mit u. U. erheblichen Auswirkungen auf die Betroffenen. Mitwirkung bei Kindertagesstätten-Planung, Mitwirkung bei Bauplanung und in sozialen Angelegenheiten kann erhebliche Auswirkungen für die Betroffenen haben. Durch die Öffentlichkeitsarbeit besteht Einflußnahme auf das Problembewußtsein für Gleichberechtigungsfragen. Die Zielsetzung, Verwirklichung der Gleichberechtigung durch die Beklagte und nunmehr durch den Landesgesetzgeber ist dann aber nicht nur eine für die tarifliche Bewertung unerhebliche politische Vorgabe, sondern gerade bei der Ausfüllung des Heraushebungsmerkmals besondere Bedeutung heranzuziehen.

32

Es ergibt sich damit, daß die Klägerin die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 b erfüllt und, wie hilfsweise begehrt, nach 4jähriger Bewährung ab 01.01.1993 Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe III Fallgruppe 1 b hat. Die entsprechende Feststellung war einschließlich des Zinsanspruchs (§§ 284 Abs. 2, 614, 288 BGB) zu treffen.

33

Soweit die Klägerin Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT bereits ab 01.01.1991 begehrt, ist dieser Hilfsantrag nicht begründet. Vergütungsgruppe III Fallgruppe 1 a verlangt gegenüber Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 b eine weitere erhebliche Heraushebung durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung. Eine solche erhebliche Heraushebung durch Verantwortung kann aber nicht festgestellt werden. Wesentlich ist insoweit, daß die Klägerin keine eigene Entscheidungskompetenz hat. Sie hat etwa bei Personalentscheidungen oder auch Ratsentscheidungen kein Mitbestimmungsrecht oder Vetorecht, sondern lediglich ein Mitwirkungsrecht und ist angewiesen auf argumentative Einflußnahme oder Vorbereitung von Entscheidungen, die andere zu verantworten haben. Sie kann, wie es § 5 a NGO formuliert und wie es auch der Verwaltungsverfügung aus 1989 entspricht, im Rahmen der Zielsetzung Vorhaben und Maßnahmen anregen. Ihre Tätigkeit beinhaltet besondere Schwierigkeit und Bedeutung, darüber hinaus aber keine weitere Heraushebung durch besondere Verantwortung. Diese folgt im übrigen auch nicht aus ihrer Stellung als Amtsleiterin, da ihr insoweit nur eine Verwaltungskraft unterstellt ist.

34

Durch § 5 a NGO, inkraftgetreten im Juli 1993, ist zwar die Stellung der Klägerin als Frauenbeauftragte gestärkt worden, sie ist danach (Abs. 4) unmittelbar dem Gemeindedirektor unterstellt und nicht an Weisungen gebunden, sie wird (Abs. 2) vom Rat berufen und kann nur mit 2/3 Mehrheit abberufen werden. Diese Stärkung der Stellung der Frauenbeauftragten hat aber keine Auswirkungen auf die tarifliche Eingruppierung, insbesondere ergeben sich daraus keine Schlußfolgerungen für die Annahme einer wissenschaftlichen Tätigkeit im Sinne der Vergütungsgruppe II BAT.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 12 Abs. 7 ArbGG und entspricht der Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts. Die Revisionszulassung erfolgt gemäß §§ 72 Abs. 2 Ziffer 1, 72 a Abs. 1 Ziffer 2 ArbGG.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 18.000,- DM festgesetzt.