Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.09.1994, Az.: 13 Sa 11/94
Anspruch auf Schadensersatz wegen mangelhafter Ausbildung ; Außerordentliche Kündigung eines Umschulungsverhältnisses; Formwirksamkeit einer Kündigung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 20.09.1994
- Aktenzeichen
- 13 Sa 11/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 17354
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1994:0920.13SA11.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg - 06.07.1993 - 5 Ca 155/93
Rechtsgrundlagen
- § 629 Abs. 2 BGB
- § 628 Abs. 1 BGB
- § 626 Abs. 1 BGB
- § 628 Abs. 2 BGB
Fundstellen
- CR 1995, 285 (red. Leitsatz)
- CR 1995, 409-411 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Der Arbeitgeber erfüllt im Rahmen eines Umschulungsvertrages seine Hauptpflicht zur Ausbildung als Datenverarbeitungskaufmann nicht ordnungsgemäß, wenn er keinen Ausbildungsplan erstellt und den Umschüler etwa 5 1/2 Monate mit Lager und Auslieferungsarbeiten betraut. Diese Pflichtverletzungen, die einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen, berechtigen den Umschüler aber erst nach Abmahnung zur außerordentlichen Kündigung.
In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 1994
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter und
den ehrenamtlichen Richter Quaß und
die ehrenamtliche Richterin Saatkamp
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 06.07.1993, 5 Ca 155/93, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 35.104,68 DM festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, der ein Umschulungsverhältnis mit der Beklagten außerordentlich gekündigt hat, begehrt Schadensersatz wegen mangelhafter Ausbildung zuletzt in Höhe von 35.104,68 DM.
Gemäß Umschulungsvertrag vom 30.05.1991 (Bl. 5 bis 8 d. A.) wurde der Kläger von der Beklagten für den Zeitraum 01.08.1991 bis 31.07.1993 für die Ausbildung als Datenverarbeitungskaufmann eingestellt. Auf den Inhalt des Umschulungsvertrages wird Bezug genommen. Neben dem Umschulungsgeld erhielt er von der Beklagten eine monatliche Vergütung von zuletzt 909,14 DM brutto. Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen, das EDV-Hardware und zum Teil auch Software vertreibt. Sie beschäftigte 1992 etwa 20 Arbeitnehmer, davon 5 Auszubildende bzw. Umschüler. Neben 2 Arbeitnehmern in der Buchhaltung und 4 Technikern waren im übrigen Verkäufer und Vertriebsmitarbeiter beschäftigt. Arbeitnehmer, die ausschließlich Programmiertätigkeit erledigen, waren nicht vorhanden. Die Programmiertätigkeit beschränkte sich auf Anpassung eingekaufter Software nach Kundenwünschen.
Während der Beschäftigung des Klägers hatte die Beklagte von der Industrie- und Handelskammer die Ausbildungserlaubnis für den Ausbildungsberuf Datenverarbeitungskaufmann. Ob ihr diese Erlaubnis inzwischen entzogen ist oder ob die Beklagte hierauf verzichtet hat, ist zwischen den Parteien streitig.
Mit Schreiben vom 07.07.1992 (Anlagen zur Akte) kündigte der Kläger das Umschulungsverhältnis zum 17.07.1992 fristlos. Die Beklagte nahm mit Schreiben vom 08.07.1992 die Kündigung an (Anlagen zur Akte). Ab 20.07.1992 bis Juni 1994 nahm der Kläger an einer Umschulungsmaßnahme der Angestelltenkammer Bremen teil und bestand am 29.06.1994 die Abschlußprüfung als Datenverarbeitungskaufmann mit Befriedigend. Eine Anstellung als Datenverarbeitungskaufmann hatte der Kläger im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht, nach seinen Angaben hat er sich beworben und Vorstellungsgespräche geführt.
Mit Schreiben vom 05.10.1992 (Bl. 123 f d. A.) hatte der Kläger Schadensersatzansprüche in Höhe von mehr als 40.000,00 DM geltend gemacht.
Während der Ausbildung bei der Beklagten hatte der Kläger schulische Probleme. Laut Zeugnis der Berufsschule vom 23.06.1992 wurden seine Leistungen wie folgt bewertet:
Betriebs- und Volkswirtschaftslehre ausreichend; Organisation/Datenverarbeitung mangelhaft; Rechnungswesen ungenügend; Mathematik mangelhaft.
Die Ausbildung des Klägers bei der Beklagten gestaltete sich wie folgt. Verantwortlich für die Ausbildung bei der Beklagten war der Zeuge ... Ein Ausbildungsplan wurde nicht erstellt. In den ersten beiden Wochen der Ausbildung war der Kläger befaßt mit eigenständigem Arbeiten mit dem Datenbank- und Textverarbeitungsprogramm F&A. Sodann wurde er im Zeitraum vom 16.08. bis 21.12.1991 dem Vertriebsmitarbeiter ... zugewiesen und im wesentlichen mit dem Erstellen und Nacharbeiten von Angeboten befaßt. Nach Unterbrechung durch Weihnachtszeit und Urlaub war der Kläger ab 06.01.1992 bis Beendigung der tatsächlichen Beschäftigung am 19.06.1992 dem Zeugen ... zugewiesen und hat dort im wesentlichen Lager- und Auslieferungsarbeiten durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das vom Kläger eingereichte Berichtsheft, Bl. 12 f d. A. Die Beklagte bestreitet zwar, daß das Berichtsheft zeitnah und korrekt erstellt worden ist, trägt aber ebenfalls vor, daß der Kläger 1991 im Vertrieb mit Erstellung und Nacharbeiten von Angeboten beschäftigt war und 1992 im Bereich Lager und Auslieferung eingesetzt worden ist.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe ihre Ausbildungsverpflichtung nicht erfüllt, er sei in erheblichem Umfange mit nichtberufsbezogenen Aufgaben beschäftigt worden. Im Bereich Vertrieb habe er nach einer Einarbeitungsphase von etwa 14 Tagen in Abwesenheit des Zeugen ... eigenständig Angebote erstellt und nachgearbeitet. Beratungsgespräche mit Kunden habe er selten geführt. Bereits Ende Oktober 1991 habe er den Zeugen ... gebeten, im technischen Bereich des Betriebes eingesetzt zu werden, damit er auch an das Programmieren herangeführt werden könne. Diesen Wunsch habe er mehrfach geäußert, weil er nur als Hilfskraft für den Zeugen ... eingesetzt worden sei. Seine Tätigkeit im Rahmen des Lagers und der Auslieferung habe im wesentlichen darin bestanden. Hardware auszuliefern an Kunden, teilweise habe er Aufbau und Installation durchgeführt. Im wesentlichen sei er als Ersatz für einen ausgeschiedenen Auslieferungsfahrer eingesetzt worden. Auch wegen der schulischen Probleme habe er im Betrieb die notwendige Hilfestellung nicht erfahren, insoweit habe ihm die Beklagte lediglich ein Rechnersystem zur Verfügung gestellt, mit dem er zu Hause nach Ausbildungsende Programmieraufgaben habe durchführen können. Aufgrund der mangelhaften Ausbildung und der berechtigten fristlosen Kündigung sei die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet. Ein Schaden sei insoweit entstanden, als er während des Lehrgangs bei der Angestelltenkammer ein Jahr lang die Ausbildungsvergütung in Höhe von 909,14 DM brutto nicht erhalten habe und wegen des ein Jahr späteren Abschlusses der Ausbildung ihm der Verdienst eines Datenverarbeitungskaufmanns für ein Jahr in Höhe von 4.000,00 DM brutto entgangen sei.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzten, der ihm durch die vorzeitige Lösung des Berufsausbildungsverhältnisses entsteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Kläger sei sowohl im Vertriebsbereich als auch im Lagerbereich entsprechend dem Umschulungsvertrag ausgebildet worden. Im Vertriebsbereich habe er selbständige Auftragsbearbeitung lernen sollen. Der Kläger habe jedoch unzuverlässig und undiszipliniert gearbeitet, er habe sich insbesondere auch mit aufgabenfremenden Aktivitäten wie Computerspielen beschäftigt. Auch Hilfe bei schulischen Problemen sei angeboten worden. Ziel der Ausbildung im Lagerbereich sei es gewesen, die Konfiguration von Rechnersystemen, Ausliefern und Aufstellen von Systemen beim Kunden sowie Korrespondenz mit Herstellern und Lieferfirmen kennenzulernen. Auch hier habe der Kläger aber die erforderlichen Leistungen nicht erbracht. Er habe die Arbeit nachlässig und uninteressiert erledigt und insoweit auf Probleme der Schule verwiesen. Er müsse insoweit viel nachbearbeiten, wofür er allerdings zu Hause keine Zeit habe. Der Kläger habe damit die Ausbildung abgebrochen, weil er gemerkt habe, daß er den erhöhten Anforderungen aufgrund der verkürzten Umschulungszeit nicht gerecht werden könne.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung trägt der Kläger vor, der Schadensersatzanspruch, der rechtzeitig geltend gemacht worden sei, sei begründet, die Beklagte habe die vorzeitige Beendigung des Umschulungsverhältnisses wegen mangelhafter Ausbildung zu vertreten. Im Vertriebsbereich habe der Kläger nicht eigenständig gearbeitet, die Erstellung und Bearbeitung von Angeboten sei nach Vorgabe erfolgt. In der Technikabteilung sei er als Lückenbüßer für Auslieferungsfahrten und Aufräumungsarbeiten eingesetzt worden. Durch das Fehlen eines Ausbildungsplanes sei er nicht in die Lage versetzt worden, zu erkennen, was er sich zu erarbeiten habe und welche Gewichtung vorzunehmen sei. Mindestkenntnisse im EDV-Bereich seien ihm nicht vermittelt worden. Unter Kündigungsandrohung habe er die schlechte Ausbildungssituation abgemahnt, und zwar konkret am 03.04.1992 in einem Gespräch mit dem Zeugen ... Auch in Gesprächen mit den Zeugen ... und ... habe er mehrfach die mangelhafte Ausbildungssituation gerügt. Seine Bitte, ihm bei der Lösung schulischer Probleme behilflich zu sein, sei abgelehnt worden. Es sei ihm nicht einmal die Möglichkeit eingeräumt worden, nach Feierabend schulische Aufgaben im Büro zu erledigen. Wegen der Ausbildungssituation habe er Rücksprache mit der IHK und dem Arbeitsamt gehalten. Als er einen Beschwerdebrief an die IHK getippt habe, habe ihn der Zeuge ... gefragt, was dies solle, wenn der Zeuge ... hiervon Kenntnis bekomme, sei die Umschulungszeit wohl beendet. Er habe sich dann zur Beendigung des Umschulungsverhältnisses und zur Aufnahme des Lehrgangs bei der Angestelltenkammer in Bremen entschieden. Wegen der Berechnung der Schadensersatzforderung wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 06.07.1993, Az.: 5 Ca 155/93, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 35.104,68 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, sie sei in der Lage gewesen, eine Ausbildung als Datenverarbeitungskaufmann durchzuführen. Dies ergebe sich bereits daraus, daß zwei Auszubildende erfolgreich die Ausbildung abgeschlossen hätten. Auch die Ausbildung im Bereich Programmierung habe in der verbleibenden Ausbildungszeit noch durchgeführt werden können. Der Kläger sei auch entsprechend dem Umschulungsvertrag ausgebildet worden, er habe aber nur mäßige Lernfähigkeit und Lernwilligkeit erkennen lassen. Es sei davon auszugehen, daß der Kläger die Ausbildung abgebrochen habe, weil er gemerkt habe, daß er den erhöhten Anforderungen aufgrund der verkürzten Umschulungszeit nicht gerecht werden würde.
Ergänzend wird wegen des zweitinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze.
Gründe
Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO. Die Berufung ist nicht begründet. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist weder gemäß § 628 Absatz 2 BGB noch gemäß § 286 BGB begründet.
Anspruchsgrundlage des Schadensersatzanspruchs ist nicht § 16 BBiG, sondern § 628 Abs. 2 BGB. Nach der Rechtssprechung des BAG (NZA 1992, S. 454 [BAG 15.03.1991 - 2 AZR 516/90] = EzA § 47 BBiG, Nr. 1) finden die §§ 3 f BBiG, also auch § 16 BBiG, im Umschulungsverhältnis keine Anwendung. Wegen der Begründung der Rechtssprechung, der die Kammer folgt, wird auf das zitierte Urteil des Bundesarbeitsgerichts verwiesen. Als Anspruchsgrundlage kommt im Umschulungsverhältnis nur die inhaltsgleiche Vorschrift des § 628 Abs. 2 BGB in Betracht, wonach derjenige, der durch vertragswidriges Verhalten des Vertragspartners zu einer außerordentlichen Kündigung veranlaßt wird, Anspruch auf Schadensersatz hat. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor, der Kläger war nicht zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.
Ob der Kläger formwirksam eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat, Zweifel ergeben sich insoweit, ob die Schriftformvorschrift des § 5 Abs. 2 des Umschulungsvertrages eingehalten ist, muß nicht entschieden werden. Wenn die Kündigung formunwirksam ist, ist darin jedenfalls ein Angebot auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages zu sehen, daß die Beklagte durch Akzeptieren der Kündigung angenommen hat. Jedenfalls ist das Umschulungsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet worden. Für den Anspruch aus § 628 Abs. 2 BGB ist aber nicht entscheidend die Form der Beendigung des Vertragsverhältnisses, entscheidend ist allein, ob Anlaß für die Beendigung des Vertragsverhältnisses ein vertragwidriges schuldhaftes Verhalten des Vertragspartners war und ein Grund für die außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 As. 1 BGB vorgelegen hat. (BAG EzA § 628 BGB, Nr. 17). Entscheidend für den Schadensersatzanspruch ist damit nicht die Form der Beendigung, sondern allein die Frage, ob der Kläger gemäß § 626 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung berechtigt war.
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Beendigung nicht zugemutet werden kann. Nach der Rechtssprechung des BAG (z. B. EzA § 626 BGB n.F., Nr. 118 und Nr. 152) ist danach zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, so bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar war oder nicht.
Zu berücksichtigen ist weiter, daß bei einer Kündigung, die auf Vertragspflichtverletzungen gestützt wird, im Regelfall ihre Wirksamkeit nur bejaht werden kann, wenn eine vergebliche Abmahnung vorausgegangen ist. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist die außerordentliche Kündigung die letztmögliche Maßnahme, als mildere Mittel sind insbesondere Abmahnungen in Betracht zu ziehen (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 7. Aufl. S. 1001). Eine Abmahnung ist jedoch nicht in jedem Fall erforderlich. Eine vorherige Abmahnung kann z. B. dann nicht verlangt werden, wenn bereits das beanstandete Fehlverhalten eine klare Negativprognose für die weiteren Vertragsbeziehungen zuließ und keine Aussicht auf Rückkehr zu einem vertragskonformen Verhalten besteht (Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl. Rdn 684). Solange aber erwartet werden kann, daß der Vertragspartner in Zukunft sein Fehlverhalten abstellt, ist eine Kündigung regelmäßig als ultima ratio nicht erforderlich, sondern nur eine Abmahnung (BAG EzA § 1 KSchG verhaltensbedingte Kündigung, Nr. 37).
Die vorstehenden Grundsätze, die primär zur Arbeitgeberkündigung entwickelt worden sind, gelten inhaltlich auch für die außerordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer, auch an die Kündigung durch den Arbeitnehmer sind die gleichen strengen Anforderungen zu stellen (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 7. Auflage, S. 1017; KR 3. Auflage, §§ 14, 15 BBiG, Rdn 75). Bei der Anwendung der Grundsätze ist vorliegend aber zu berücksichtigen, daß die Parteien nicht ein normales Arbeitsverhältnis, sondern einen Umschulungsvertrag geschlossen haben. Ziel des Umschulungsvertrages ist die Ausbildung des Umschülers zu einem anerkannten Ausbildungsberuf, der Arbeitgeber schuldet ordnungsgemäße Ausbildung als Hauptpflicht aus dem Vertragsverhältnis. Bei der Bewertung der Kündigungsgründe ist dieser Gesichtspunkt wie bei einem Berufsausbildungsverhältnis in besonderer Weise zu berücksichtigen.
In Anwendung dieser Grundsätze war der Kläger nicht zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Die Beklagte hat zwar gegen ihre Pflichten aus dem Umschulungsvertrag verstoßen, ein wichtiger Grund für die Kündigung an sich ist gegeben. Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung scheitert aber an fehlender Abmahnung.
Als erste Pflichtverletzung ist festzustellen, daß die Beklagte entgegen der Verpflichtung aus § 3 Abs. 1 b des Umschulungsvertrages keinen Ausbildungsplan erstellt hat. Wäre ein ordnungsgemäßer Ausbildungsplan erstellt worden, in dem im einzelnen festgelegt worden wäre, in welchen Abteilungen der Kläger ausgebildet werden soll in welchen Zeiträumen, wäre es dem Kläger eher möglich gewesen, die Ordnungsgemäßheit der Ausbildung zu prüfen. Das Fehlen des Ausbildungsplans stellt deshalb eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung dar. Das Fehlen des Ausbildungsplans ist auch nicht dadurch ausgeglichen worden, daß sich der für die Ausbildung verantwortliche Zeuge ... im einzelnen um die Ausbildung und den ordnungsgemäßen Ablauf der Ausbildung gekümmert hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Er hat den Kläger dem Zeugen ... zugewiesen und hatte nach eigenen Bekundungen mit ihm relativ wenig zu tun. Damit stimmt überein der Beklagtenvortrag. Auch im Prozeß hat die Beklagte nicht im einzelnen dargelegt, wie sie die weitere Ausbildung des Klägers gestaltet hätte. Das Fehlen des Ausbildungsplans ist deshalb als erhebliche Pflichtverletzung zu bewerten.
Auch die Art. der Ausbildung ist zu beanstanden. Nach zwei Wochen Einarbeitung in ein Datenbank- und Textverarbeitungssystem ist der Kläger für ca. vier Monate im Vertrieb und für weitere gut fünf Monate im Lager beschäftigt worden. Bei der Beschäftigung in beiden Bereichen handelt es sich um ausbildungsrelevante Tätigkeiten. Angebotsbearbeitung stellt kaufmännische Tätigkeit dar, entspricht also dem Ausbildungsinhalt, und vermittelt darüber hinaus nach der glaubhaften Aussage des Zeugen ... Produktkenntnisse. Auch im Lager und im Auslieferungsbereich sind dem Kläger ausbildungsrelevante Kenntnisse vermittelt worden. Er erhielt Kenntnisse in Lagerhaltung, Produktkenntnisse, Kenntnisse in der Installation von Hardware und Software. Zu beanstanden ist aber insoweit die Dauer der Ausbildung in diesen beiden Bereichen.
Die Beschäftigung im Vertrieb mit der Dauer von vier Monaten ist sehr lang, kann aber unter Berücksichtigung der Umstände noch als angemessen betrachtet werden. Der Kläger erhielt hier Einweisung in eine zentrale kaufmännische Tätigkeit, er erhielt zudem Produktkenntniss und hatte Umgang mit Kunden. Er ist insoweit auch nicht, wie er zweitinstanzlich vorgetragen hat, nur mit dem Erstellen von Angeboten nach Vorgaben beschäftigt worden. Im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 26.04.1993 hat er selbst vorgetragen, daß er nach einer Einarbeitungsphase von etwa vierzehn Tagen selbständig gearbeitet hat und sogar den Zeugen ... während einer Urlaubsphase vertreten hat. Zu berücksichtigen war insoweit weiter, daß der Zeuge ... ausgesagt hat, daß der Kläger sehr viele Probleme bei der Arbeit hatte, sehr viele Wiederholungen notwendig waren. Die Aussage des Zeugen erscheint glaubhaft, er ist inzwischen bei der Beklagten ausgeschieden, es ist nicht ersichtlich, daß der Zeuge zugunsten der Beklagten aussagen wollte. Wenn der Kläger aber Probleme hatte, und dafür sprechen auch seine schulischen Leistungen, so scheint eine Beschäftigung im Bereich Vertrieb für die Dauer von vier Monaten als noch angemessen.
Da der Kläger aber bereits im Bereich Vertrieb Produktkenntnisse erworben hatte, erscheint die ansich ausbildungsrelevante Beschäftigung im Lager- und Auslieferungsbereich mit mehr als fünf Monaten erheblich zu lang. Die Kammer geht davon aus, daß hier eine Beschäftigung von etwa zwei bis zweieinhalb Monaten ausgereicht hätte, um Kenntnisse über Hardware, Software, Installation der Anlagen und Lagerwesen zu erhalten. Der Kläger hätte spätestens im März anderweitig eingesetzt werden müssen, beispielsweise im Bereich Programmierung oder Buchhaltung.
Soweit der Kläger vorträgt, die Beklagte habe bei schulischen Problemen, die er gehabt habe, keine ausreichende Hilfestellung geleistet, ist darin keine Pflichtverletzung zu sehen. Für die Bearbeitung des Lernstoffs der Berufsschule war der Kläger selbst verantwortlich, insbesondere auch unter Berücksichtigung der auf zwei Jahre abgekürzten Ausbildungszeit. Nach dem dualen System findet die theoretische Ausbildung in der Berufsschule statt, die praktische Ausbildung im Betrieb. Die Erarbeitung der theoretischen Kenntnisse ist damit der Eigeninitiative des Auszubildenden überlassen, er kann nicht vom Ausbildenden Nachhilfeunterricht für die Berufsschule verlangen. Allenfalls zu bemängeln ist, daß die Beklagte den schulischen Problemen nicht insoweit Rechnung getragen hat, daß sie den Kläger bereits im ersten Jahr der Ausbildung verstärkt mit Programmiertätigkeit betraut hat.
Als Pflichtverletzungen der Beklagten sind damit festzuhalten:
- 1.
fehlender Ausbildungsplan und mangelnde Betreuung während der Ausbildungszeit,
- 2.
überlange, nicht erforderliche Ausbildung im Bereich Lager und Auslieferung über einen Zeitraum von ca. drei Monaten,
- 3.
nicht frühzeitige Beschäftigung mit Programmiertätigkeit.
Da alle drei Beanstandungen die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers aus dem Umschulungsvertrag betreffen, handelt es sich um Pflichtverstöße, die jedenfalls zusammengenommen einen Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich bilden.
Der Kläger war allerdings zur außerordentlichen Kündigung nur nach vorheriger vergeblicher Abmahnung berechtigt. Eine solche Abmahnung ist aber nicht erfolgt.
Bis etwa März 1992 war der Kläger sachgerecht und ausbildungsrelevant eingesetzt, er ist auch von der Beklagten nicht nur einseitig in einer Abteilung, sondern in zwei Abteilungen eingesetzt worden. Es ergeben sich dann aber keine Anhaltspunkte dafür, daß das Verlangen des Klägers, in eine andere Abteilung umgesetzt zu werden, insbesondere verstärkt mit Arbeiten der EDV oder mit Programmierung beschäftigt zu werden, nicht erfolgreich gewesen wäre. Für eine weitere ausreichende Ausbildung stand auch seit März 1992 noch ausreichend Zeit zur Verfügung, eine abschließende Wertung, daß das Ausbildungsziel nicht erreicht würde, war noch nicht gerechtfertigt. Der Kläger hätte auch den für die Ausbildung verantwortlichen Zeugen ... um die Erstellung eines Ausbildungsplanes bitten können, zumindest diesen um Festlegung der weiteren Stationen der Ausbildung bitten können. Es ist nicht ersichtlich, daß solche Bitten von vornherein aussichtslos gewesen wären. Das heißt aber im Ergebnis, daß eine Prognose, daß eine Abmahnung keinen Erfolg gehabt hätten, im relevanten Zeitraum ab März 1992 nicht gerechtfertigt war. Der Kläger war im übrigen nicht ein junger unerfahrener Auszubildender, sondern ein 28jähriger Umschüler, von dem erwartet werden kann, daß er sich selbst auch um das Erreichen des Ausbildungsziels bemüht und entsprechend Mängel in der Ausbildung beanstandet. Von dem Abmahnungserfordernis als Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung kann deshalb nicht abgesehen werden.
Entgegen seinem Vortrag hat der Kläger eine entsprechende Abmahnung nicht ausgesprochen, er hat, dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, nicht einmal gegenüber dem Zeugen ... mangelnde Ausbildung gerügt. Dies hat der Zeuge ... ausgesagt, dies ergibt sich auch aus den Aussagen der Zeugen ... und ... So hat der Zeuge ... ausgesagt, der Kläger habe ihn wegen schulischer Probleme angesprochen und auch nach ca. vier bis sechs Wochen geäußert, er wolle auch in einem anderen Bereich eingesetzt werden. Er habe ihn dann an Herrn ... verwiesen, Gesprächen mit dem Kläger habe er aber entnommen, daß dieser Herrn ... nicht aufgesucht habe. Auch der Zeuge ... hat angegeben, daß er dem Kläger erklärt habe, er solle Probleme mit Herrn ... abklären. Auf Nachfrage, ob er das Gespräch mit Herrn ... gesucht habe, habe der Kläger aber erklärt, daß er dafür noch keine Zeit gefunden habe. Die Zeugen ... sind beide bei der Beklagten nicht mehr beschäftigt, sie haben sich in ihrer Vernehmung sachlich und objektiv geäußert, es bestand deshalb für die Kammer keine Veranlassung, diesen Aussagen nicht zu folgen. Es ergab sich dann aber in Verbindung mit der Aussage des Zeugen ... als Gesamtbild, daß der Kläger zwar gegenüber den Arbeitnehmern ... Ausbildungsprobleme angesprochen hat, diese ihn sachgerecht an den für die Ausbildung verantwortlichen Zeugen ... verwiesen haben, der Kläger aber kein Gespräch mit dem Zeugen ... geführt hat. Er hat insbesondere gegenüber dem Zeugen ... Ausbildungsmängel nicht gerügt und damit auch keine Abmahnung ausgesprochen.
Es ergibt sich damit, daß ein Grund für eine außerordentliche Kündigung für den Kläger nicht bestanden hat, ein Anspruch gemäß § 628 Abs. 2 BGB ist damit zu verneinen.
Der Kläger kann seinen Schadensersatzanspruch auch nicht auf Verzug, § 286 Abs. 1, Abs. 2 BGB stützen. Zwar ist die Ausbildung im Rahmen des Umschulungsverhältnisses Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers, der Arbeitgeber hat hier auch diese Hauptleistungspflicht nicht zeitgerecht erfüllt. Er hat keinen Ausbildungsplan erstellt und den Kläger ab März 1992 nicht sachgerecht ausgebildet. Voraussetzung für den Verzugseintritt ist aber gemäß § 284 Abs. 1 BGB eine Mahnung. Hier ist aber festzustellen, insoweit ist auf die Ausführungen zur Abmahnung hinzuweisen, daß der Kläger gegenüber dem für die Ausbildung verantwortlichen Zeugen ... das Fehlen des Ausbildungsplanes und mangelhafte Ausbildung zu keinem Zeitpunkt gerügt hat. Eine Mahnung ist damit nicht erfolgt.
Eine Mahnung war auch nicht gemäß § 284 Abs. 2 BGB wegen Zeitablaufs entbehrlich. Im Zeitpunkt der Kündigung des Umschulungsverhältnisses war gerade die Hälfte der Ausbildungszeit abgelaufen, für eine sachgerechte Ausbildung stand jedenfalls noch ein so erheblicher Zeitraum zur Verfügung, daß Verzug ohne Mahnung gemäß § 284 Abs. 2 BGB nicht festgestellt werden kann. Auch ein Anspruch aus § 286 BGB ist nicht gegeben. Da die nicht zeitgerechte Erfüllung der Hauptpflicht Ausbildung durch die Verzugsvorschriften geregelt ist, kommt auch ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der positiven Förderungsverletzungen nicht in Betracht. Ein Rückgriff auf die Grundsätze der positiven Förderungsverletzung kommt nur in Betracht, wenn die Leistungsstörung nicht durch gesetzliche Vorschriften wie Verzug oder Unmöglichkeit geregelt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren entspricht dem bezifferten Klageantrag in der Berufungsinstanz, § 3 ZPO. Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.