Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.05.1994, Az.: 15 Sa 550/93 E
Begriff des einheitlichen Arbeitsvorganges; Abgrenzbarkeit und rechtliche Selbständigkeit der zu bewertenden Arbeitseinheit ; Unterschiedliche tarifliche Wertigkeit der Tätigkeit
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 06.05.1994
- Aktenzeichen
- 15 Sa 550/93 E
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 10738
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1994:0506.15SA550.93E.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover 09.12.1992 - 1 Ca 67/92 E
- nachfolgend
- LAG Hannover 06.05.1994 - 15 Sa 550/93 E
- BAG - 20.09.1995 - AZ: 4 AZR 685/94
Rechtsgrundlage
- § 22 Abs. 2 BAT
Prozessführer
XXX
Prozessgegner
YYY
Redaktioneller Leitsatz
Unter Arbeitsvorgang ist abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen. Trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher tariflicher Wertigkeit können nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden. Unter Verantwortung ist die Verpflichtung des Angestellten zu verstehen, dafür einstehen zu müssen, daß in dem ihm übertragenen Dienst- oder Arbeitsbereich die dort zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsmäßig ausgeführt werden. Höhere Anforderungen können sich im Einzelfall aus der Breite des geforderten fachlichen Wissens und Könnens ergeben, aber auch aus der außergewöhnlichen Erfahrung oder einer sonstigen gleichwertigen Qualifikation, etwa besonderen Spezialkenntnissen.
In dem Rechtsstreit
hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 1994
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.12.1992 - 1 Ca 67/92 E - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Vergütung der Klägerin, die Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a BAT erhält.
Der Beklagte ist ein kommunaler Zweckverband der Stadt und des Landkreises Hannover (Gesetz vom 20.05.1992, Nds. GVBl. S. 153). Er ist zuständig für den öffentlichen Personennahverkehr und Träger der Regionalplanung für das Verbandsgebiet (§ 1 Abs. 1 und 2 des Gesetzes vom 20.05.1992, §§ 6, 7 Nieders. Raumordnungsgesetz), sowie mit Zustimmung der Verbandsmitglieder (§ 2 Abs. 3 des Gesetzes vom 20.05.1992) für die Wirtschaftsforderung und die Naherholung. Er beschäftigt ca. 130 Mitarbeiter.
Die am 30.09.1961 geborene Klägerin ist ... Sie war befristet vom 18.4. bis 31.10.1988 bei dem Beklagten beschäftigt, um eine Konzeption für die Gleichstellungsstelle des Beklagten zu erarbeiten, der seit August 1987 nebenamtlich eine Verwaltungsangestellte mit Gleichstellungsaufgaben betraut hatte. Ende 1988 wies der Beklagte eine Planstelle für eine Gleichstellungsbeauftragte mit Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a BAT aus. Der Beschlußfassung lag die von der Klägerin erarbeitete Konzeption zugrunde (Bl. 96 bis 104 d.A.). Auf die Stellenbeschreibung (Bl. 8 d.A.) bewarb sich die Klägerin mit Erfolg. Sie trat ihre Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte am 01.04.1989 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 03.04.1989 an (Bl. 9 d.A.). Zuvor hatte der Beklagte eine Arbeitsplatzbeschreibung vom 06.02.1989 erstellt (Bl. 105 bis 108 d.A.) und die am Arbeitsplatz auszuführende Tätigkeit folgendermaßen beschrieben:
Fachbezogene Arbeit
- Prüfung und Stellungnahmen zu Vorlagen
- Stellungnahmen zu Maßnahmen der Verwaltung und Alternativvorschläge
- Erarbeitung eigener Vorschlage
Interne Frauenarbeit
- Erstellung eines Frauenberichts und regelmäßige Fortschreibung
- Erarbeitung bzw. Überwachung der Durchführung von Frauenfordermaßnahmen
- Zusammenarbeit mit dem Personalrat
- Zusammenarbeit mit den weiblichen Beschäftigten
- Beteiligung bei Einstellungen
Außenkontakte
- Zusammenarbeit mit anderen Frauenbeauftragten
- Kooperation mit relevanten Gruppen, Verbanden, Institutionen
Die Klägerin ist als Gleichstellungsbeauftragte dem Verbandsdirektor des Beklagten unterstellt und keiner Fachabteilung zugeordnet. Ihr werden die Vorlagen der Fachabteilungen zugeleitet. Sie kann dann entscheiden, ob sie zu der Vorlage unter Gleichstellungsgesichtspunkten Stellung nehmen will. Sofern es im Hinblick auf ihre Stellungnahme zu keinem Einverständnis mit der jeweiligen Fachabteilung kommt, entscheidet über die Durchführung die Fachabteilung. Darüber hinaus kann sie an Sitzungen und Veranstaltungen der Gremien des Beklagten teilnehmen und zu gleichstellungsrelevanten Fragen Stellung nehmen. Weiter wirkt sie bei Personalangelegenheiten mit und berät die Mitarbeiterinnen des Beklagten. Schließlich hat die Klägerin im Verlaufe ihrer Tätigkeit eine Reihe von Projekten auf eigene Initiative durchgeführt. Auf den Tätigkeitsbericht (Bl. 21 bis 34 d.A.) und die Dokumentationen der Projekte "Frauen im öffentlichen Personenverkehr" (Bl. 35 bis 49 d.A.), "Frauen abends unterwegs" (Bl. 50 bis 78 d.A.) und "Wohnungsmarktuntersuchung" (Bl. 79 f.d.A.) wird Bezug genommen. Weitere Projekte waren zum Beispiel "Frauen gewinnen Bewegungsfreiheit", "Projekt Qualifizierung" und ein Diskussionspapier zur Expo 2000.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihre Tätigkeit stelle einen einheitlichen Arbeitsvorgang dar, welcher ohne abgeschlossene, wissenschaftliche Hochschulausbildung grundsätzlich nicht zu leisten sei. Sie übe die typische Stabstätigkeit einer Angestellten mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulausbildung aus. Sie müsse ihre Tätigkeit selbst konzeptionell weiterentwickeln und sich neue Aufgabenbereiche erschließen. Auch müsse sie bei dem Beklagten und seinen Partnern ganz überwiegend Diskussionen und Verhandlungen mit Bediensteten mit Hochschulabschluß fuhren. Sie hat unter Hinweis auf die von ihr erstellte Arbeitsplatzbeschreibung (B. 16 bis 20 d.A.) behauptet, bei der Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen müsse sie sich in die jeweilige Fachmaterie einarbeiten, sie müsse zunächst Literatur studieren und unter Anwendung analytischer Methoden gleichstellungsrelevante Defizite, gesamtgesellschaftliche Konzeptionen und die entsprechenden Konzepte des Beklagten feststellen. Hierbei nutze sie Kenntnisse aus dem soziologischen Teilbereich ihres politikwissenschaftlichen Studiums. Sodann erarbeite sie aufgrund ihrer im Studium erworbenen pädagogischen Kenntnisse frauenspezifische Lösungsmöglichkeiten. Zu ihrer Tätigkeit gehöre darüber hinaus Öffentlichkeitsarbeit, Pressearbeit und die Veröffentlichung in Fachzeitschriften. Des weiteren sei sie mit 40 % ihrer Arbeitszeit mit Personalangelegenheiten des Beklagten betraut.
Die Klägerin hat nach vergeblicher schriftlicher Geltendmachung vom 15.04.1991 beantragt,
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin seit dem 01.10.1990 Vergütung nach Maßgabe der VergGr. II BAT zu zahlen und den Differenzbetrag zwischen tatsächlich gezahlter und beantragter Vergütung bei jeweiliger Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Ansicht erfordert die Tätigkeit der Klägerin keine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulausbildung. Der Tätigkeit fehle der akademische Zuschnitt. Sie beinhalte lediglich die Aufgabe, die Tätigkeit des Beklagten in den ihm übertragenen Aufgabenfeldern zu begleiten und hausintern allgemeine Fragen der Frauenbeschäftigung und -forderung zu vertreten. Sie habe keine Ergebnisverantwortung, sondern nur eine Anstoßfunktion für gleichstellungsrelevante Fragen. Dazu sei wissenschaftliche Arbeit weder erforderlich noch verlangt. Es sei der Klägerin auch nicht möglich, vertiefte fachliche Kenntnisse in den Aufgabengebieten der Fachabteilungen zu gewinnen. Im übrigen stelle die Tätigkeit keinen einheitlichen Arbeitsvorgang dar, vielmehr sei entsprechend der behördeninternen Arbeitsplatzschreibung vom 06.02.1989 von drei Arbeitsvorgängen auszugehen.
Mit Urteil vom 09.12.1992 hat das Arbeitsgericht die Klage kostenpflichtig abgewiesen und den Streitwert auf 20.352,96 DM festgesetzt. Es hat ausgeführt, die Klägerin habe die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe II der Anlage 1 a zum BAT/VkA, Allgemeiner Teil, Fallgruppe 1 a nicht schlüssig dargelegt. Die Klägerin habe durch den Abschluß ihres politikwissenschaftlichen Studiums an der Universität Hannover zwar eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulausbildung im Tarifsinne. Sie habe jedoch nicht darlegt, daß sie eine entsprechende Tätigkeit auszuüben habe. Sie habe bereits nicht substantiiert, welche in ihrem Studium erworbenen wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnisse sie bei ihrer Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte anwenden müsse. Der pauschale Vortrag, das Studienfach der Politologie gliedere sich unter anderem in die Fachrichtungen Soziologie und Pädagogik, genüge hierfür ebensowenig wie die Darlegung, die Klägerin habe sich wahrend des Studiums schwerpunktmäßig mit der "organisatorischen Struktur der Frauenarbeit" sowie der "Integration der Frauenarbeit in die allgemeine Gewerkschaftspolitik" und in ihrer Diplomarbeit mit einem frauenrechtlichen Thema beschäftigt. Auch auf Nachfrage des Gerichts in der Kammerverhandlung habe die Klägerin lediglich vorgetragen, sie stelle aufgrund ihrer soziologischen Ausbildung gesamtgesellschaftliche Konzeptionen fest und erarbeite Lösungsmöglichkeiten anhand ihrer pädagogischen Studienkenntnisse. Anhand dieser Ausführungen sei jedoch nicht nachzuvollziehen, welche wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnisse die Klägerin bei ihrer Tätigkeit anwenden und umsetzen müsse. Auch aus den vorgelegten Dokumentationen der Projekte "Frauen im öffentlichen Personennahverkehr" und "Frauen abends unterwegs", sowie der von der Klägerin vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung ließen sich spezielle politikwissenschaftliche Fachkenntnisse und Methoden ohne entsprechenden Sachvortrag nicht erschließen. Die von der Klägerin beschriebenen Arbeitsschritte: Problemdefinition, Entwickeln unterschiedlicher Problemlösungsansätze und Handlungsempfehlungen, Umsetzen der jeweiligen Problemlösungsstrategien, Begleiten, Beobachten und Auswerten der jeweiligen Handlungskonzepte und Weiterentwickeln der Handlungskonzepte ließen keine spezifisch-akademisch geprägte Handlungsstrategie erkennen. Das gleiche gelte für die pauschale Darlegung der Klägerin, sie müsse ihren Kenntnisstand ständig durch Verfolgen der wissenschaftlichen Diskussion und Literatur vertiefen. Das Auswerten von Literatur und Quellenmaterial in dem aus den Projektdokumentationen erkennbaren Umfange genüge ebensowenig für die Darlegung einer akademischen Tätigkeit. Am Beispiel der Dokumentation "Frauen im öffentlichen Personennahverkehr" lasse sich zwar erkennen, daß die Klägerin vorhandenes Quellenmaterial und statistisches Material zusammenstelle und ihren Handlungsvorschlägen voranstelle. Die für eine akademische Tätigkeit erforderliche Vertiefung fachwissenschaftlicher Kenntnisse und Methoden, hier zum Beispiel soziologische Erkenntnisse über bestimmte Verhaltensmuster, welche über die in einem Fachhochschulstudium erworbenen Kenntnisse hinausgehen wurden, seien jedoch nicht festzustellen. Im übrigen fehle es auch an dem der Vergütungsgruppe II Fallgruppe 1 a immanenten Erfordernis der Verantwortung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen, das der Klägerin am 05.03.1993 zugestellt worden ist und gegen das sie am 05.04.1993 Berufung eingelegt hat, die sie am 07.06.1993 begründet hat, nachdem auf ihren Antrag die Berufungsbegründungsfrist mit Beschluß vom 04.05.1993 bis zum 07.06.1993 verlängert worden war.
Die Klägerin rügt die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Verantwortung, da dieses Tätigkeitsmerkmal in der Fallgruppe 1 a der Vergütungsgruppe II nicht gefordert werde. Zudem stelle das Gericht überzogene Anforderungen an die Substantiierungspflicht hinsichtlich des akademischen Zuschnitts ihrer Tätigkeit. Von dem akademischen Aufgabenzuschnitt sei auszugehen, wenn verlangt werde, interdisziplinäre Zusammenhange zu übersehen und Ergebnisse in einer Weise selbständig zu entwickeln, wie es eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung ermögliche. Abzustellen sei dabei auf die Komplexität der Aufgaben wie z. B. die Breite des Aufgabengebietes, die Vielfalt der konzeptionellen, organisatorischen und inhaltlichen Tätigkeiten. Erwartet werde selbständiges Arbeiten und Setzen der Arbeitsziele und Schwerpunkte sowie die Fähigkeit, selbständige Arbeitsgrundlagen innovativ zu entwickeln, also letztlich die gesamte Arbeit eigenständig zu strukturieren. Die Aufgabenstellung der Klägerin erfülle diese Voraussetzungen. Denn sie solle allgemein formuliert strukturelle Ansätze zur Verbesserung der Situation der Frauen entwickeln, und ihr seien hierzu verschiedenste Einzelkompetenzen zugewiesen. Die Klägerin solle Grundsatz fragen bearbeiten, Lösungsansätze und Umsetzungsstrategien entwickeln, neue Wege konzeptionell entwickeln, zu diesem Zwecke gewissermaßen überall dort, wo sie ihre Zuständigkeit reklamiere, sich in das Verwaltungshandeln mit eigenen Vorschlägen einbringen, und sie solle Fortbildungs- und Öffentlichkeitsarbeit leisten, also den Beklagten im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch nach außen repräsentieren sowie mit anderen Verwaltungen und Gleichstellungsstellen kooperieren. Die dabei zwangsläufig anzuwendenden Arbeitsmethoden seien ausbildungsadäquat. Denn eine Hochschulausbildung vermittele neben Fachwissen im Unterschied zur Fachhochschulausbildung gerade diejenigen Fähigkeiten und Techniken, interdisziplinär zu arbeiten, auf besondere Art. und Weise mit Wissen umzugehen, neue Kenntnisse eigenständig zu erwerben, Informationen zu hinterfragen und neu zu strukturieren. Exakt diese Fähigkeiten werden von der Klägerin abverlangt, die sich möglichst schnell in alle Fachgebiete des Beklagten einarbeiten, sich selbst ein Urteil bilden können müsse, um sodann Lösungsvorschläge zur Verbesserung der Situation von Frauen zu entwickeln. Die Klägerin müsse unterschiedliche Arbeitsbereiche vernetzen: Die Arbeit innerhalb der Verwaltung, die Öffentlichkeitsarbeit sowie Kooperation mit anderen Stellen, die Beratung von einzelnen sowie die Beratung von Gremien, die Arbeit innerhalb der verschiedenen Gremien des Beklagten sowie die Koordinierung mit verschiedenen Stellen. Die Klägerin hantiere folglich ständig auf unterschiedlichen Arbeitsebenen, sie müsse sich auf verschiedenste Fachrichtungen einstellen und habe immer zu bedenken, welche strukturellen Veränderungen entwickelt und vorgeschlagen werden konnten.
Zum Hilfsantrag meint die Klägerin, bedürfe es keines weiteren Vortrags, da die Erfüllung der Voraussetzungen der Vergütungsgruppe III Fallgruppe 1 a evident sei. Überdies sei sie jedenfalls nach Ablauf der vierjährigen Bewährungszeit seit dem 01.05.1992 in die Vergütungsgruppe III Fallgruppe 1 b eingruppiert.
Auf die Berufungsbegründungsschrift vom 07.06.1993 und den ergänzenden Schriftsatz vom 29.04.1994 wird Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin seit dem 01.10.1990 Vergütung nach Vergütungsgruppe II, hilfsweise III BAT zu zahlen und den Nettodifferenzbetrag zwischen gezahlter und beantragter Vergütung ab jeweiliger Fälligkeit, beginnend mit der Rechtshängigkeit mit 4 % zu verzinsen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In seiner Berufungserwiderung vom 12.07.1993, auf die Bezug genommen wird, verweist der Beklagte vorsorglich darauf, daß das Geltendmachungsschreiben bei ihm erst am 16.04.1991 eingegangen sei. Er halt daran fest, daß die Tätigkeit der Klägerin drei Arbeitsvorgänge umfasse, die jedoch keinen akademischen Zuschnitt hatten. Die Klägerin übersehe, daß auch mit den Fähigkeiten und Kenntnissen eines Fachhochschulabschlusses (z. B. Ausbildung zum gehobenen Dienst an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege) bzw. Angestelltenprüfung II im Sinne des § 25 BAT in Verbindung mit der Anlage 3 zum BAT Grundsatzfragen bearbeitet und Lösungsansätze und Umsetzungsstrategien entwickelt werden können. Der methodische Ablauf von Problemlosungen von der Grundlagenermittlung über die Feststellung der verursachenden und auslosenden Faktoren bis hin zur Erarbeitung von Lösungsvorschlägen und das Aufzeigen von Alternativen finde sich in den Ausbildungsinhalten von Berufsfeldern mit Fachhochschulabschluß (z. B. Sozialarbeiter/Sozialpädagoge, Fachhochschulingenieur) und sei damit nicht nur der wissenschaftlichen Ausbildung vorbehalten. Folglich ließen die von der Klägerin dargestellten Arbeitsmethoden keine spezifisch-akademisch geprägte Handlungsstrategie erkennen. Daß die Klägerin sich auf verschiedenste Fachrichtungen einstellen müsse und immer zu bedenken habe, welche strukturellen Veränderungen zu entwickeln und vorzuschlagen seien, sei keine typische Tätigkeit mit akademischem Zuschnitt. Ihr Vortrag sei zu pauschal und damit unsubstantiiert, als das er die "entsprechende Tätigkeit" begründen könne.
Unter Berücksichtigung der Eingruppierungsfeststellung des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 20.03.1991 (4 AZR 471/90 - AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT 1975) sei die Klägerin mit ihrer Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a besser gestellt. Abgesehen davon fehle es zur Erfüllung der Voraussetzungen der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 b, die nach vierjähriger Bewährung zur Eingruppierung in der Vergütungsgruppe III Fallgruppe 1 b führe, an jeglichem Tatsachenvortrag. Der Beklagte bestreite zudem vorsorglich, daß die Anforderungen der Vergütungsgruppe III Fallgruppe 1 b erfüllt seien. Außerdem seien für den Hilfsantrag die Auschlußfristen nicht gewahrt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Parteien haben den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT/VAK) einzelvertraglich in Bezug genommen. Darüber hinaus findet der Bundesangestelltentarifvertrag aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit unmittelbar und zwingend Anwendung (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Folglich hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllende Arbeitsvorgänge einem Tätigkeitsmerkmal der von ihr in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe II BAI, hilfsweise III BAT entsprechen (§ 22 Abs. 2 BAT). Dabei ist von dem in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (AP Nr. 115, 116, 120, 129 zu §§ 22, 23 BAT 1975) entwickelten Begriff des Arbeitsvorganges auszugehen. Danach ist unter Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen. Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher tariflicher Wertigkeit können nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden.
Das Arbeitsgericht ist in Anwendung dieser Grundsätze in nicht zu beanstandener Weise zu dem Ergebnis gelangt, daß die Tätigkeit der Klägerin insgesamt einen Arbeitsvorgang bilde. Es trifft zu, daß ihre Tätigkeit der umfassenden Aufbereitung und Einführung gleichstellungsrelevanter Fragen in die fachlichen und verwaltungsinternen Aufgabenbereiche des Beklagten dient. Die einzelnen Tätigkeitsbereiche, wie z. B. die Beteiligung an Personalangelegenheiten, die Beratung der Mitarbeiterinnen, die Fortschreibung eines Frauenförderplanes, die Geltendmachung frauenspezifischer Fragen in den Fachgebieten des Beklagten sind auf das Arbeitsergebnis gerichtet, das in der Beschlußvorlage vom 26.09.1988 als Begründung für die Errichtung einer Gleichstellungsstelle dargelegt worden ist, nämlich die inhaltliche und organisatorische Sicherstellung, das in der Arbeit des Beklagten frauenspezifische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Aber selbst wenn man mit dem Beklagten die Tätigkeitsbereiche der fachbezogenen Arbeit, der internen Frauenarbeit und der Außenkontakte für trennbar hielte, stände das einer Zusammenfassung zu einem Arbeitsvorgang nicht entgegen, weil die Tarifwertigkeit nicht unterschiedlich ist.
Die Klägerin hat als Diplompolitologin eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulausbildung im Sinne der von ihr in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe II Fallgruppe 1 a des Allgemeinen Teils der Vergütungsordnung I zum BAT/VKA. Sie hat jedoch keine ihrer Ausbildung entsprechende wissenschaftliche Tätigkeit auszuüben. Das Arbeitsgericht hat unter Zugrundelegung der auf Seite 10 f seines Urteils referierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit zutreffender Begründung ausgeführt, daß die Klägerin nicht schlüssig dargelegt habe, daß ihre Tätigkeit akademischen Zuschnitt habe. Das Berufungsgericht macht sich die Ausführungen des Arbeitsgerichts in seinem Urteil (S. 11 2. Absatz bis S. 13 zweitletzter Absatz) zu eigen. Die Ausführungen der Klägerin in ihrer Berufungsbegründungsschrift haben zu keiner weiteren Substantiierung geführt. Die Klägerin trägt auf Seite 4 letzter Absatz und Seite 5 ihrer Berufungsbegründungsschrift unter Verwendung allgemeiner Begriffe vor, aber ohne naher faßbare Tatsachen, sondern verweist insoweit auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag, der gerade nicht ausreichend substantiiert ist.
Auch der Hinweis der Klägerin, daß sie überwiegend mit Akademikern zusammenarbeiten müsse, führt nicht zwingend zu der Annahme, daß ihre Tätigkeit selbst akademischen Zuschnitt haben mußte. Es kommt auf die fachlichen Anforderungen an, die diese Zusammenarbeit erfordert. Dazu bedarf es eines substantiierten Vortrags, denn nicht jeder, der mit einem Akademiker zusammenarbeiten muß, übt wesensnotwendig selbst eine Arbeit mit akademischem Zuschnitt aus.
Weiter hilft der ergänzende Vortrag im Schriftsatz vom 29.04.1994 nicht weiter, mit dem die Klägerin die Stellung der Frauenbeauftragten nach dem im Juli 1993 in Kraft getretenen § 5 a NGO darlegt. Unabhängig von der Frage, ob § 5 a NGO über die Verweisungen in § 6 des Niedersächsischen Zweckverbandsgesetzes und in § 8 des Großraumverbandsgesetzes vom 20.05.1992 für den Beklagten gilt, ist die Klägerin, wie von ihr in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, nicht durch einen Beschluß der Verbandsversammlung entsprechend § 5 a Abs. 2 NGO zur Frauenbeauftragten bestellt worden. Im übrigen besagt die in Anspruch genommene politische Wertigkeit und der singuläre Status nichts zur Tarifwertigkeit einer Tätigkeit.
Dem Hilfsantrag der Klägerin ist gleichfalls kein Erfolg beschieden. Die Vergütungsgruppe III Fallgruppen 1 a und 1 b des Allgemeinen Teils der Vergütungsordnung Teil I des BAT/VKA baut auf den Vergütungsgruppen V b Fallgruppe 1 a, IV b Fallgruppe 1 a, IV a Fallgruppe 1 b auf. Es muß daher zunächst das Vorliegen der Merkmale der Ausgangsfallgruppe und anschließend der Reihe nach jeweils das Vorliegen der weiteren qualifizierenden Tätigkeitsmerkmale überprüft werden.
Der Beklagte vergütet die Klägerin nach Vergütungsgruppe IV a BAT. Er hat nach der Arbeitsplatzbeschreibung vom 06.02.1989 die Tätigkeitsmerkmale der Fallgruppe 1 a (Heraushebung durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung zu einem Drittel) als erfüllt angesehen, ohne daß diese Arbeitsplatzbewertung (Bl. 109 d.A.) anhand konkreter Tatsachen nachvollziehbar ist. Er stellt zudem nunmehr unter Berufung auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.03.1991 (a.a.O.) in Abrede, daß die seinerzeitige Bewertung tarifgerecht gewesen sei und räumt lediglich ein, daß die Tätigkeit der Klägerin die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a erfülle. Das bedeutet, daß sich das Gericht nur hinsichtlich der Vergütungsgruppen V b Fallgruppe 1 a und IV b Fallgruppe 1 a auf eine pauschale Überprüfung beschränken kann.
Die Tätigkeit der Klägerin erfordert gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen im Sinne der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a. Sie bedarf intensiver und breit angelegter Kenntnisse der Gleichstellungsthematik und Erfahrungen in der Wahrnehmung von Frauenfragen. Zudem muß sie sich mit den Fachgegenständen der Aufgabenfelder des Beklagten auseinandersetzen können. Sie muß auf der Grundlage ihrer Fachkenntnisse unter Entwicklung einer nicht unerheblichen geistigen Initiative ihr Tätigkeitsfeld entwickeln. Die von ihr dabei geforderte empirische und konzeptionelle Arbeit erfüllt das Merkmal der selbständigen Leistung.
Die Tätigkeit der Klägerin ist zudem besonders verantwortungsvoll im Sinne der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a. Unter Verantwortung ist die Verpflichtung des Angestellten zu verstehen, dafür einstehen zu müssen, daß in dem ihm übertragenen Dienst- oder Arbeitsbereich die dort zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsmäßig ausgeführt werden. Die Besonderheit der Verantwortung ist gegeben, wenn sich die Tätigkeit des Angestellten, gemessen an- und ausgehend von der Summe der Erfordernisse der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a daraus durch das Maß der geforderten Verantwortung in gewichtiger, beträchtlicher Weise heraushebt (BAG, AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Diese Erfordernisse sind erfüllt, denn die Klägerin unterliegt in ihrer Tätigkeit keiner fachlichen Kontrolle. Sie hat autonom die gleichstellungs- und frauenspezifischen Gesichtspunkte in das Verwaltungshandeln des Beklagten einzubringen.
Dem Vortrag der Klägerin kann jedoch nicht entnommen werden, daß ihre Tätigkeit besonders schwierig im Sinne der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 b BAT ist. Hierzu fehlt es an einem substantiierten Vortrag. Der Hinweis, daß die Erfüllung eines Tätigkeitsmerkmales einer Vergütungsgruppe evident sei, ersetzt keinen Tatsachenvortrag.
Indem die Tarifvertragsparteien nicht nur eine Schwierigkeit der Tätigkeit, sondern besondere Schwierigkeit verlangen, fordern sie eine beträchtliche, gewichtige Heraushebung über die Erfordernisse der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a hinaus, wobei die besondere Schwierigkeit der Tätigkeit die Anforderungen an die fachliche Qualifikation des Angestellten betrifft, also sein fachliches Können und seine fachlichen Erfahrungen. Die erhöhte Qualität kann sich im Einzel fall aus der Breite des geforderten fachlichen Wissens und Könnens ergeben, aber auch aus der außergewöhnlichen Erfahrung oder einer sonstigen gleichwertigen Qualifikation, etwa besonderen Spezialkenntnissen (BAG, AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Die Klägerin hat dazu nicht im einzelnen vorgetragen. Soweit sie in ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 29.04.1994 darauf hingewiesen hat, daß sich ihr Hilfsantrag auf der Linie des Urteils der 13. Kammer des erkennenden Gerichts vom 20.01.1994 (13 Sa 444/93 E) befinde, ersetzt das keinen Tatsachenvortrag. Insbesondere deshalb nicht, weil die Tätigkeit der Klägerin in jenem Verfahren sich von der Tätigkeit der Klägerin schon deswegen unterscheidet, weil sie bei einer Stadt mit 38.000 Einwohnern angestellt ist, die zudem wesentlich mehr Mitarbeiter beschäftigt. Das bedeutet, daß das Aufgabenfeld jener Klägerin breiter angelegt ist, z. B. wegen der grundsätzlich allumfassenden Zuständigkeit in gemeindlichen Aufgaben, während die Klägerin vorliegend lediglich bei einem Zweckverband mit enger Zuständigkeit tätig ist.
Da bereits die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 b nicht feststellbar ist, scheidet eine Feststellung der Eingruppierung der Klägerin in die Vergütungsgruppe III Fallgruppen 1 a und 1 b aus. Zudem hat der Beklagte nicht nur die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe IV a Füllgruppe 1 b in Abrede gestellt, sondern in der Berufungserwiderung auch die Erfüllung der Voraussetzungen der Vergütungsgruppe III Fallgruppe 1 b bestritten, also offenbar die Bewährung der Klägerin. Die Klägerin hat dazu erstmals in der mündlichen Verhandlung Stellung genommen und behauptet, ihre Arbeit sei von dem Beklagten niemals beanstandet worden und hat sich diesbezüglich auf die Vorlage ihrer Personalakte berufen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Zulassung der Revision auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG.