Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.05.1994, Az.: 13 Sa 1787/93 E

Eingruppierung eines Schulhausmeisters; Voraussetzung für die Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals "verantwortliche Betreuung von Unterrichtsräumen"; Unterscheidung zwischen Hausmeister und Hausmeisterhelfer

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
03.05.1994
Aktenzeichen
13 Sa 1787/93 E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 17346
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1994:0503.13SA1787.93E.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Emden - 26.08.1993 - AZ: 1 Ca 171/93 E

Amtlicher Leitsatz

Das Tätigkeitsmerkmal "verantwortliche Betreuung von Unterrichtsräumen" ist nur erfüllt bei Alleinverantwortung, nicht dagegen, wenn mehrere Schulhausmeister ohne räumliche oder zeitliche Aufteilung für die Unterrichtsräume zuständig sind.

In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgericht Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 03. Mai 1994
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter und
den ehrenamtlichen Richter Günnemann und
die ehrenamtliche Richterin Oetjens
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 26.08.1993, 1 Ca 171/93 E, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 9.360,00 DM festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt, geltend gemacht mit Schreiben vom 11.06.1992 (Bl. 4 d. A.), ab 01.12.1991 Vergütung nach Vergütungsgruppe VII BAT anstelle gezahlter Vergütung nach Vergütungsgruppe VIII. Er stützt seinen Anspruch auf Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 2 der Anlage 1 a zum BAT-VKA Teil II Schulhausmeister (im folgendenden: TV-Schulhausmeister). Die Parteien sind tarifgebunden.

2

Zum 01.02.1989 wurde der Kläger als Schulhausmeister der Hauptschule ... eingestellt. Die Schule hat 54 Unterrichtsräume, beschäftigt sind 2 Hausmeister. Neben dem Kläger (Beruf: Energieanlagen-Elektriker) ist als weiterer Hausmeister der Arbeitnehmer ... (Beruf: Maurer) beschäftigt. Die Schulhausmeister arbeiten in zwei Schichten, 1. Schicht: montags bis freitags 7.00 bis 16.30 Uhr, 2. Schicht montags bis freitags 7.30 bis 16.30 Uhr. Die zweite Schicht leistet abends Bereitschaftsdienst. Beide Hausmeister sind für die Betreuung aller Klassen zuständig, eine räumliche Aufteilung der Zuständigkeitsbereiche ist nicht erfolgt. Die Parteien streiten darüber, ob dem Hausmeister ... die Gesamtverantwortung übertragen ist.

3

Die zweite Hausmeisterstelle wurde zum 01.02.1986 eingerichtet. In einer Erklärung vom 24.02.1986 (Bl. 9 d. A.), abgezeichnet vom Schulleiter und dem damals beschäftigten Hausmeister ..., ist festgelegt, daß der Hausmeister ... 1. Ansprechpartner ist und die volle Verantwortung für den Aufgabenbereich des Hausmeisters behält. Nach Ausscheiden des Hausmeisters ... und Einstellung des Klägers erklärte die Hauptschule im Schreiben vom 20.02.1989 (Bl. 10 d. A.) an das Personalamt, daß Herr ... die Aufgaben des 1. Hausmeisters wahrnimmt. Weiterhin wird Bezug genommen auf das Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 05.03.1990 (Bl. 21 d. A.), auf das Schreiben des kommissarischen Schulleiters ... an die beklagte Stadt vom 11.06.1992 (Bl. 22 d. A.) und das Schreiben der Beklagten vom 24.08.1992 an die Hauptschule (Bl. 97 d. A.).

4

Der Kläger hat vorgetragen, zwar sei der Hausmeister ... als 1. Ansprechpartner benannt, dies habe jedoch keine Aufgabenaufteilung zwischen dem Kläger und diesem Hausmeister zur Folge. Beide seien vielmehr mit den gleichen Aufgaben betraut und für alle 54 Räume zuständig.

5

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß dem Kläger ab 01.12.1991 Vergütung nach der Vergütungsgruppe VII zusteht.

6

Die beklagte Stadt hat Klageabweisung beantragt.

7

Sie hat vorgetragen, verantwortungsvolle Betreuung der Unterrichtsräume bedeute Alleinzuständigkeit. Im übrigen sei dem Hausmeister ... die Gesamtverantwortung für die Unterrichtsräume übertragen. Nach Einstellung des Klägers sei Herr ... zum 1. Hausmeister bestellt worden, und zwar durch Entscheidung der Schule. Dieses Verfahren sei auch mit dem Personalrat abgesprochen worden. Das Arbeitsgericht hat Auskünfte der Tarifvertragsparteien eingeholt. Auf die Stellungnahme des ... vom 08.04.1993 (Bl. 14 d. A.) und auf die Stellungnahme der ... vom 13.05.1993 (Bl. 15 und 16 d. A.) wird Bezug genommen.

8

Das Arbeitsgericht hat nach Klageantrag erkannt. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.

9

Mit Berufung trägt die Beklagte vor, der Hausmeister ... sei als 1. Ansprechpartner für Schulleitung und Schulträger eingesetzt, dieser sei deshalb für den gesamten Schulbereich verantwortlich. Der Kläger sei unter der Gesamtverantwortung des 1. Schulhausmeisters tätig. Soweit im Schreiben des kommissarischen Schulleiters ... vom 11.06.1992 ausgeführt sei, daß beide Schulhausmeister dieselben Aufgaben wahrnähmen, habe dies nicht die Billigung des Schulträgers gefunden, dies sei ausdrücklich im Schreiben vom 24.08.1992 klargestellt. Im übrigen betreue der Kläger die Klassenräume nicht allein und sei damit nicht verantwortlich. Ergänzend wird wegen des zweitinstanzlichen Beklagtenvortrages Bezug genommen auf Berufungsbegründung und Schriftsatz vom 18.03.1994, Bl. 65 f und Bl. 94 f d. A.

10

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 26.08.1993, 1 Ca 171/93 E, abzuändern und die Klage abzuweisen.

11

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

12

Er trägt vor, er sei nicht als Hausmeisterhelfer, sondern als Hausmeister mit allen diesem nach Dienstanweisung obliegenden Pflichten betraut. Eine Aufgabenteilung zwischen den beiden Hausmeistern erfolge nicht, die Bezeichnung des Hausmeisters ... als Ansprechpartner betreffe nicht die Verantwortung. Das von der Beklagten vorgelegte Schreiben vom 24.08.1992 sei in der Schule nicht bekannt. Ergänzend wird wegen des zweitinstanzlichen Klägervorbringens Bezug genommen auf die Berufungserwiderung und den Schriftsatz vom 15.04.1994, Bl. 76 f und Bl. 98 f d. A.

Gründe

13

Die Berufung der Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO. Die Berufung ist begründet und führt zur Klageabweisung. Die Kammer folgt nicht der Tarifauslegung des Arbeitsgerichts, sondern vertritt die Auffassung, daß der Kläger, weil nicht allein verantwortlich für die Betreuung der Klassenräume, die Voraussetzungen der Fallgruppe 2 der Vergütungsgruppe VII TV-Schulhausmeister nicht erfüllt.

14

Im Tatsächlichen ist davon auszugehen, daß der Kläger und der Hausmeister ... identische Aufgaben wahrnehmen, nämlich Betreuung der 54 Klassenräume. Eine Gesamtverantwortung des Hausmeisters ... und entsprechend eine Unterstellung des Klägers unter die Weisungsbefugnis des Hausmeisters ... kann nicht festgestellt werden. Zwar ist dieser in der Erklärung vom 20.02.1989 als erster Ansprechpartner bezeichnet worden. Daß mit dieser Bezeichnung besondere Kompetenzen verbunden sind, daß damit insbesondere Weisungsbefugnis gegenüber dem Kläger eingeräumt ist, ist aber nicht ersichtlich. Dies folgt auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 24.08.1992 an die Hauptschule (dessen Zugang unterstellt wird). Dort wird zwar die Auffassung vertreten, daß der Hausmeister ... alleinverantwortlich für die Betreuung der Unterrichtsräume ist. Aus welcher Aufgaben- und Kompetenzverteilung dies folgt, wird aber weder aus dem Schreiben noch aus dem Prozeßvortag deutlich. Im übrigen ist anzumerken, daß der Kläger bereits am 11.06.1992 Höhergruppierung verlangt hat, maßgebend können dann aber nicht nachfolgende unter Umständen korrigierende Anweisungen sein, abzustellen ist vielmehr auf die Aufgabenverteilung im Zeitpunkt des Höhergruppierungsantrags und davor. Fest steht damit: sowohl der Kläger als auch der Hausmeister ... waren ohne Abgrenzung von Kompetenzen und Aufgaben als Team für die Betreuung der 54 Unterrichtsräume zuständig. Wegen der zeitlichen Überschneidung beider Schichten liegt weit überwiegend eine gemeinsame, nicht eine alleinverantwortliche Betreuung vor. Dies ist für die Fallgruppe 2 der Vergütungsgruppe VII TV-Schulhausmeister nicht ausreichend.

15

Der Begriff "Verantwortliche Betreuung" ist auslegungsbedüftig. Tarifverträge sind wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Soweit dieser nicht eindeutig ist, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (z. B.: BAG NzA 1993, S. 756, mit weiteren Nachweisen).

16

Die Wortlautauslegung führt nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Verantwortung kann Alleinverantwortung bedeuten, ebenso aber auch Mitverantwortung erfassen. Allerdings bedeutet Verantwortung im allgemeinen Sprachgebrauch, daß jemand in einem bestimmten Tätigkeitsbereich für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung einzustehen hat. Bereits der Wortlauf "verantwortliche Betreuung" spricht deshalb eher für Alleinverantwortung. Insbesondere aber der tarifliche Gesamtzusammenhang und der Sinn und Zweck der tariflichen Regelung spricht für eine Auslegung im Sinne einer Alleinverantwortung. Schulhausmeister sind in den Vergütungsgruppen IX, VIII, VII und VI b BAT eingruppiert, das entscheidende Differenzierungskriterium, das die Tarifvertragsparteien gewählt haben, ist die verantwortliche Betreuung der Zahl der Unterrichtsräume. Durch höhere Eingruppierung mit steigender Zahl der Unterichtsräume haben die Tarifvertragsparteien dem Umstand Rechnung getragen, daß mit erhöhter Anzahl der Unterrichtsräume sowohl die Arbeitsbelastung als auch die Verantwortung wachsen. Wenn die alleinverantwortliche Betreuung von 34 Unterrichtsräumen und die damit verbundene Verantwortung und Belastung die Eingruppierung in Vergütungsgruppe VII rechtfertigen, dann kann bei der Betreuung der gleichen Anzahl von Unterrichtsräumen durch 2 Hausmeister nicht von der gleichen Verantwortlichkeit und Belastung ausgegangen werden. Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, Alleinverantwortung und Mitverantwortung gleichzustellen. Wortlaut, insbesondere tariflicher Geamtzusammenhang und Sinn und Zweck des Tarifvertrages sprechen deshalb dafür, "verantwortliche Betreuung" als Alleinverantwortung auszulegen (ebenso, allerdings ohne nähere Begründung: Clemens-Scheuring BAT, Vergütungsordnung VKA, Band 2, S. 796 f; Hofmann, Tarifrecht im öffentlichen Dienst, Eingruppierung von A bis Z, H 175, S. 90; Breier-Uttlinger, Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im öffentlichen Dienst, Band II, S. 711).

17

Bei der vorstehenden Auslegung konnten die erstinstanzlich eingeholten Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien unberücksichtigt bleiben. Beide Auskünfte geben keinen Aufschluß darüber, ob und welche Vorstellungen die Tarifvertragsparteien bei Abschluß des Tarifvertrages hatten. Sie enthalten lediglich Rechtsauffassungen zur Auslegung der tariflichen Bestimmung, die für die Auslegung nicht maßgeblich sind.

18

Da die Berufung Erfolg hat, trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreites, § 91 ZPO. Bei der Streitwertfestsetzung war von einer monatlichen Differenz zwischen Vergütungsgruppe VII und Vergütungsgruppe VIII BAT in Höhe von ca. 260,00 DM auszugehen, so daß sich gemäß § 12 Abs. 7 ArbGG ein Streitwert in Höhe von 9.360,00 DM für den Rechtsstreit ergibt.

19

Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG in Verbindung mit § 72 a Abs. 1 Ziff. 2 ArbGG.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 9.360,00 DM festgesetzt.