Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.05.1994, Az.: 3 Sa 2118/93
Neubescheidung einer Bewerbung unter Anwendung der Auswahlkriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 27.05.1994
- Aktenzeichen
- 3 Sa 2118/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 10759
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1994:0527.3SA2118.93.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 25.08.1993 - AZ: 1 Ca 147/93
Fundstellen
- AuR 1995, 268 (amtl. Leitsatz)
- NVwZ-RR 1995, 584-586 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
1. ...
2. ...
3. ...
Prozessgegner
...
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Artikel 33 Abs. 2 GG verlangt bei einer Bewerbung um ein "öffentliches Amt" - hierzu zählt auch die Beschäftigung im Rahmen eines (privatrechtlichen) Arbeitsverhältnisses - eine ausschließliche Berücksichtigung der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung.
Auf einen Angestellten - oder Beamtenstatus des Bewerbers oder der Bewerberin darf nicht abgestellt werden.
- 2.
Das Auswahlverfahren nach Artikel 33 Abs. 2 GG wird nicht beschränkt durch haushaltsrechtliche Vorgaben. Das Haushaltsrecht (einschließlich der Stellenpläne) regelt keine Rechtsbeziehungen zu Dritten.
- 3.
Eine Einschränkung erfährt Artikel 33 Abs. 2 GG hinsichtlich der Ausübung "hoheitsrechtlicher Befugnisse" durch Artikel 33 Abs. 4 GG (vgl. Artikel 60 Satz 1 der Nds. Verfassung). Dabei ist freilich der Begriff der hoheitsrechtlichen Befugnisse eng auszulegen. Dieser Funktionsvorbehalt ist auf die durch die ausschließliche Zuständigkeit der Staatsorganisation für den Einsatz obrigkeitlichen Zwanges gekennzeichneten Tätigkeiten beschränkt: beispielsweise der Schutz der territorialen Integrität, die Aufrechterhaltung der Ordnung im Innern und die Sicherung der finanziellen Basis des Staates durch Erhebung von Steuern. Schlicht verwaltende Tätigkeiten gehören nicht dazu.
- 4.
Eine solche enge Auslegung der "hoheitsrechtlichen Befugnisse" ist nunmehr auch nach dem Grundsatz der gemeinschaftskonformen (EG - rechtskonformen) Auslegung des nationalen Rechts im Hinblick auf Art. 48 EWG - Vertrag und unter Beachtung des Gleichheitssatzes der Verfassung geboten. Der nach der Rechtsprechung des EuGH eingeführte Bereich der "öffentlichen Verwaltung" des Artikels 48 Abs. 4 EWG - Vertrag und der Bereich, in dem in der Bundesrepublik Deutschland Beamtenstellen begründet werden müssen, ist miteinander in Übereinstimmung zu bringen mit der weiteren Folge, daß die europäische Begrenzung nationaler Regelungskompetenz für EU-Ausländer und Inländer gleichermaßen gilt: der Beamtenstatus kann beiden Gruppen nur für eine Beschäftigung in der "öffentlichen Verwaltung" im Sinne von Artikel 48 Abs. 4 EWG - Vertrag und damit nur in den genannten Fällen klassischer hoheitlicher Tätigkeit im Bereich der Eingriffsverwaltung "abverlangt" werden.
In dem Rechsstreit
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 1994 durch
die Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 25.08.1993 - 1 Ca 147/93 - abgeändert.
Die Beklagte wird verpflichtet, die Bewerbung der Kläger auf den Dienstposten Sachgebietsleiterin/Sachgebietsleiter in der Abteilung Beamtenversorgung Dezernat F 6 unter Anwendung der Auswahlkriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung ohne Heranziehung des Auswahlkriteriums Angestellten- bzw. Beamteneigenschaft der Bewerber neu zu bescheiden.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Kläger begehren mit ihrer Klage im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens die Neubescheidung ihrer Bewerbungen auf einen Dienstposten Sachgebietsleiterin/Sachgebietsleiter in der Abteilung Beamtenversorgung Dezernat F 6 des Niedersächsischen
Die Kläger sind Angestellte im Niedersächsischen ... Sie werden derzeit nach Vergütungsgruppe IV b BAT vergütet.
Der erwähnte Dienstposten einer Sachgebietsleiterin/eines Sachgebietsleiters in der Abteilung Beamtenversorgung im Dezernat F 6 (Versorgung Land/Lehrkräfte) beim Niedersächsischen ... wurde am 07.01.1993 ausgeschrieben. Darin heißt es: "Der Dienstposten ist nach Besoldungsgruppe A 11 BBesO bewertet." wegen der Einzelheiten der Stellenausschreibung wird im übrigen auf die Fotokopie Blatt 6 der Akte verwiesen.
Auf diese Stellenausschreibung bewarben sich insgesamt 11 Beschäftigte, darunter 5 Angestellte- und 6 Beamte/Innen. Die Kläger wurden in das engere, weitere Auswahlverfahren vom beklagten Land nicht mehr einbezogen, weil sie Angestellte sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Durch dieses Urteil vom 25.08.1993 hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Hannover die Klage abgewiesen, den Klägern die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sowie den Streitwert auf 6.000,00 DM festgesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe wiederum verwiesen.
Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 8. Dezember 1993 sowie vom 3. Mai 1994 weiter.
Sie beantragen nunmehr,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils das beklagte Land zu verpflichten, die Bewerbung der Kläger auf den Dienstposten Sachgebietsleiterin/Sachgebietsleiter in der Abteilung Beamtenversorgung Dezernat F 6 unter Anwendung der Auswahlkriterien Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Heranziehung des Auswahlkriteriums Angestellten- bzw. Beamteneigenschaft der Bewerber neu zu bescheiden.
Das beklagte Land beantragt demgegenüber,
die Berufung zurückzuweisen.
Das beklagte Land verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 14. Februar 1994.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Kläger ist begründet.
Die Voraussetzungen für den Erlaß der beantragten einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935, 940 ZPO liegen vor. Das beklagte Land ist verpflichtet, die Bewerbung der Kläger auf den Dienstposten Sachgebietsleiterin/Sachgebietsleiter in der Abteilung Beamtenversorgung Dezernat F 6 unter Anwendung der Auswahlkriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung ohne Heranziehung des Auswahlkriteriums Angestellten- bzw. Beamteneigenschaft der Bewerber neu zu bescheiden. Dies folgt aus Artikel 33 Abs. 2 GG. Dessen Einhaltung im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kann durch die beantragte einstweilige Verfügung erzwungen werden, weil ansonsten die sich aus Artikel 33 Abs. 2 GG ergebenen Ansprüche endgültig vereitelt werden würden.
1.
Nach Artikel 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. "öffentliches Amt" im Sinne dieser Vorschrift, die ein subjektives Recht begründet, dessen Verletzung selbst im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann, stellt auch die Beschäftigung im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses dar. Der "gleiche Zugang" ist von Verfassungs wegen nicht nur für die erstmalige Übertragung eines "öffentlichen Amtes" gewährleistet, sondern auch für den weiteren beruflichen Aufstieg, so daß auch Beförderungsentscheidungen an dieser Verfassungsnorm zu messen sind.
Artikel 33 Abs. 2 GG stellt auf drei Auswahlkriterien ab, die gleichberechtigt nebeneinander stehen. Das erste ist die Eignung, das begrifflich am weitesten geht. Die Eignung kann die ganze Persönlichkeit des Bewerbers erfassen. Das Auswahlkriterium der Befähigung betrifft die notwendige Vorbildung oder die sonst erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen für ein Amt. Mit fachlicher Leistung ist die praktische Bewährung gemeint. Sie spielt daher weniger für die erstmalige Übernahme in ein öffentliches Amt als vielmehr für Beförderungen eine Rolle. Diese drei Auswahlkriterien sind abschließend, so daß andere nach dem damit festgelegten Grundsatz der besten Auslese nicht berücksichtigt werden dürfen. Sie lassen sich zusammenfassend als Qualifikation des Bewerbers oder der Bewerberin um ein öffentliches Amt bezeichnen.
Die Prüfung der Qualifikation gebietet dem Dienstherrn, alle einschlägigen Erkenntnisquellen für eine sachgerechte Ermittlung der geeignetsten Bewerber zu nutzen. Hierfür kommen vor allem die aktuellen dienstlichen Beurteilungen in Betracht, aber auch andere eignungs- und leistungsbezogene Kriterien wie frühere dienstliche Beurteilungen, Ergebnisse abgelegter Prüfungen, Zusatzqualifikationen und spezielle Berufserfahrungen (vgl. VG Bremen NJW 1988 Seite 3224; Hess. VGH DVBl 1988 Seite 1071, 1072; ZBR 1986 Seite 206; DÖV 1985 Seite 930). Das beklagte Land hat von dem weiten, in Artikel 33 Abs. 2 GG enthaltenen Beurteilungsspielraum, der sich schon daraus ergibt, daß die genannten Auswahlkriterien unbestimmte Rechtsbegriffe darstellen, die im konkreten Einzelfall einer wertenden Entscheidung bedürfen, rechtsfehlerhaft Gebrauch gemacht. Diese Rechtsfehlerhaftigkeit folgt daraus, daß sich das beklagte Land nicht ausschließlich an der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung, bezogen auf das konkrete, ausgeschriebene Amt eines Sachgebietsleiters/einer Sachgebietsleiterin, orientiert hat, sondern alle fünf Angestellten unter den Bewerbern, darunter eben auch alle drei Kläger, im weiteren Verfahren allein wegen ihres beruflichen Status nicht mehr berücksichtigt hat. Dies war unzulässig.
2.
Zwar kennt Artikel 33 Abs. 2 GG keinen Gesetzesvorbehalt. Dennoch ist eine Einschränkung durch andere Verfassungsnormen oder Verfassungprinzipien denkbar. Hinzuweisen ist beispielhaft auf die ausdrückliche Durchbrechung des Artikels 33 Abs. 2 GG durch Artikel 36 Abs. 1 S. 2 GG, durch das Sozialstaatsprinzip sowie den Grundsatz der Gleichberechtigung (vgl. nunmehr die Regelung in Artikel 3 Abs. 2 S. 2 GG).
a)
Hieraus folgt freilich, daß das Auswahlverfahren nach Artikel 33 Abs. 2 GG (vgl. zum Auswahlverfahren für eine Stelle in der öffentlichen Verwaltung neuerdings auch EuGH Urteil vom 23.02.1994 - Rs. C - 419/92 - Ingetraut Scholz) nicht beschränkt worden ist durch haushaltsrechtliche Erwägungen und damit den Umstand, daß die zu besetzende Stelle einer Sachgebietsleiterin/eines Sachgebietsleiters als Beamtendienstposten nach der Besoldungsgruppe A 11 BBesO ausgewiesen worden ist. Haushaltsgesetzen und sonstigen Haushaltsplänen kommt lediglich eine interne Bedeutung zu. Sie äußern keine Wirkung gegenüber Dritten wie den Arbeitnehmern (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; AP Nr. 14 zu § 1 KSchG; AP Nrn. 111, 112, 116, 118 zu §§ 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Der Haushaltsplan ist nicht bürgeradressiert, sondern nur an die Verwaltung gerichtet. Folglich können auch Gerichte an den Haushaltsplan nicht gebunden sein (Korte/Rebe/Berenskötter, Verfassung und Verwaltung des Landes Niedersachsen, 2. Auflage Göttingen 1986, Seite 638). Konsequenterweise bestimmt auch die Niedersächsische Landeshaushaltsordnung (LHO) in der Fassung vom 20.06.1990 (Nds. GVGl. Seite 213) in ihrem § 3 Abs. 2, daß durch den Haushaltsplan Ansprüche oder Verbindlichkeiten weder begründet noch aufgehoben werden. Bestandteil des Haushaltsplanes ist auch der Stellenplan. Er ist Teil der Verwaltungsorganisation. Der Begriff des "Stellenplan" bzw. des "Stellenplanentwurfes" wird für den kommunalen Bereich in §§ 80 Abs. 1 S. 3, Abs. 4 S. 4 sowie 85 Abs. 2 S. 2 der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO), zuletzt geändert durch Artikel I des Gesetzes vom 09.09.1993 (Nds. GVBl. Seite 359) und in §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 6 der Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) vom 27.08.1973 (Nds. GVBl. Seite 301) als Bestandteil des Haushaltsplanes angesprochen. Die Landeshaushaltsordnung kennt die Beteiligung an den Voranschlägen der für den Entwurf zuständigen Stellen (§ 27 LHO), die vom Finanzministerium zum Entwurf des Haushaltsplanes (§ 28 LHO) zusammengefügt werden. Sie nennt die "Übersicht über die Planstellen der Beamten und die anderen Stellen" (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 LHO) sowie "Organisations- und Stellenverteilungspläne" (§ 27 Abs. 1 LHO). Die erstgenannte Stellenübersicht ist Anlage zum Haushaltsplan und Bestandteil des Haushaltsplanentwurfes (vgl. §§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 17 Abs. 5 bis 7, 27 Abs. 1 S. 2, 28 Abs. 1 S. 1 und 49 LHO). Rechtsbeziehungen zu Dritten werden hierdurch nicht geregelt.
b)
Das beklagte Land kann sich zur Rechtfertigung der Beschränkung seiner Auswahl nach Artikel 33 Abs. 2 GG zudem nicht auf die gleichrangige Verfassungsbestimmung des Artikels 33 Abs. 4 GG berufen, wonach die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Eine gleichlautende Bestimmung enthielt Artikel 46 Abs. 1 S. 1 der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung vom 13.04.1951 (Nds. GVBl. Sb. I Seite 5) mit späteren Änderungen und enthält nunmehr Artikel 60 S. 1 der Niedersächsischen Verfassung vom 19.05.1993 (Nds. GVBl. Seite 107), geändert durch Gesetz vom 06.06.1994 (Nds. GVBl. Seite 229). Denn die Tätigkeit einer Sachgebietsleiterin/eines Sachgebietsleiters in der Abteilung Beamtenversorgung des Niedersächsischen Landesverwaltungsamtes stellt keine Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse in diesem Sinne dar. Dieser Funktionsvorbehalt, der sich an Gesetzgebung und Exekutive richtet, wird zweifach eingeschränkt. Er gilt nur für die Ausübung solcher hoheitlicher Befugnisse, die das Merkmal einer ständigen Aufgabe erfüllen. Er greift ferner nur "in der Regel" ein. Als nicht ständige Aufgabe dürfen hoheitliche Befugnisse somit auch von Angestellten ohnehin ausgeübt werden. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist es in diesem Rahmen in erster Linie Sache des Gesetzgebers, die Aufgaben zu bestimmen, die er von "nichtbeamteten Personen" wahrnehmen lassen will (vgl. BVerwGE 57, 55, 58 f.) [BVerwG 27.10.1978 - 1 C 15/75].
Der Begriff der hoheitsrechtlichen Befugnisse freilich ist eng auszulegen, weil die Besonderheiten des Beamtenverhältnisses der funktionalen Rechtfertigung durch die Besonderheiten der hoheitlichen Aufgabenerfüllung bedürfen und Artikel 33 Abs. 4 GG nur ein Minimum der beamtlichen Tätigkeit garantieren will (GK-GG Schuppen, Artikel 33 Abs. 4, 5 Rz. 37). Artikel 33 Abs. 4 GG dient nicht dazu, im Interesse einer bestimmten Gruppe öffentlicher Bediensteter, der Beamten, ihnen ein weites Betätigungsfeld verfassungsfest zu eröffnen. Vielmehr soll "im sachlichen Interesse eines intakten, auch in Krisenzeiten (z.B. Streik) noch funktionsfähigen Gemeinwesens eine hoheitlichen Staatsaufgaben besonders eng verbundene Gruppe von Bediensteten Bestand und Aufgabenwahrnehmung (des Staates) sichern" (Matthey in: von Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Band II, 1983, Artikel 33 R 29). Folglich ist der Funktionsvorbehalt auf die durch die ausschließliche Zuständigkeit der Staatsorganisation für den Einsatz obrigkeitlichen Zwanges gekennzeichneten Tätigkeiten zu beschränken, also auf diejenigen Aufgabenbereiche, für die das vom Staat unbedingt beanspruchte Wahrnehmungsmonopol typisch ist. Dieser Bereich notwendigerweise staatlicher Aufgabenwahrnehmung bezieht sich insbesondere auf den Schutz der territorialen Integrität, der Aufrechterhaltung der Ordnung im innern und der Sicherung einer finanziellen Basis des Staates durch Erhebung von Steuern und damit beispielsweise auf Bundeswehr, Polizei, Justiz sowie Finanzverwaltung. Keinesfalls gehört hierzu (vgl. die Stellenausschreibung vom 07.01.1993) "die Festsetzung, Regelung und Zahlbarmachung der Versorgungsfälle Land - Lehrkräfte -, die Abstandnahme von Rückforderungen nach Billigkeitsgründen und die Niederschlagung von Rückforderungsansprüchen sowie die Zusammenfassung von Antworten auf Prüfungsmitteilungen - und Bemerkungen, statistische Angaben (Jahresstatistik, Überzahlungen)." Es handelt sich hierbei um schlicht verwaltende Tätigkeiten außerhalb des vom Staat unbedingt beanspruchten Wahrnehmungsmonopols (vgl. im übrigen auch Dörr ZTR 1991 Seite 182, 184 ff. m.w.N.).
3.
Die hier zugrunde gelegte enge Auslegung als zutreffende Interpretation des Artikels 33 Abs. 4 GG ist nunmehr auch unter dem Gesichtspunkt einer europarechtsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes im Hinblick auf Artikel 48 EWG-Vertrag und unter Beachtung des Gleichheitssatzes der Verfassung nach Artikel 3 GG geboten. Artikel 48 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.03.1957 (BGBl. II Seite 766) in der Fassung des Vertrages über die Europäische Union vom 07.02.1992 (BGBl. II Seite 1253/1255) regelt die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft. Hierzu gehört nach seinem Absatz 3 lit. a auch das Recht, sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben. Absatz 4 enthält eine Einschränkung dahingehend, daß dieser Artikel "keine Anwendung auf die Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung" findet. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sind unter einer solchen "Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung" im Sinne von Artikel 48 Abs. 4 aber nur "diejenigen Stellen zu verstehen, die eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder andere öffentliche Körperschaften gerichtet sind und die deshalb ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat sowie die Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten voraussetzen, die dem Staatsangehörigkeitsband zugrunde liegen." (Urteil vom 03.07.1986 Rs. C - 66/85 - Lawrie Blum; zuvor bereits die Urteile vom 17.12.1980 sowie vom 26.05.1982 in der Rechtssache C 149/79 - Kommission/Belgien; und Urteil vom 27.11.1991 Rs. C 4/91 A. Bleis; vgl. auch Goerlich/Bräth DÖV 1987 Seite 1638 ff.), weil der Zugang zu einigen Stellen nicht deshalb eingeschränkt werden könne, "weil in einem bestimmten Mitgliedsstaat die Personen, die diese Stellen annehmen können, in das Beamtenverhältnis berufen werden. Würde man nämlich die Anwendung des Artikels 48 Abs. 4 von der Rechtsnatur des Verhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und der Verwaltung abhängig machen, so gäbe man damit den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, nach Belieben die Stellen zu bestimmen, die unter diese Ausnahmebestimmung fallen." (so EuGH Urteil vom 03.07.1986 a.a.O.; vgl. auch EuGH Urteil vom 03.06.1986 Rs. C - 307/84 - Kommission/Frankreich). Bei der Behandlung der eigenen Staatsangehörigen sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, diesen die gleichen Vorteile einzuräumen wie anderen Gemeinschaftsbürgern auch, sofern und soweit sie einen gemeinschaftsrechtlich relevanten Sachverhalt erfüllen. Können sich Inländer jedoch nicht auf eine gemeinschaftsrechtliche Anknüpfung berufen, ist ihre Schlechterstellung gegenüber anderen Gemeinschaftsangehörigen zwar gemeinschaftsrechtlich irrelevant. Solche Fälle "umgekehrter Diskriminierung" sind aus der Optik des Gemeinschaftsrechts zulässig. Sie gelten als rein "staatsinterner Sachverhalt", der eine Berufung auf Artikel 48 EWG-Vertrag nicht erlaubt (EuGH Urteil vom 28.01.1992 - Rs. C - 332/90 - Volker Steen I; Urteil vom 16.12.1992 - Rs. C - 206/91 - Poirrez). Den dieser Rechtslage entspringenden unbefriedigenden Ergebnissen kann nach dem gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts jedoch mit den innerstaatlichen Gleichheitssätzen abgeholfen werden (vgl. EuGH Urteil vom 16.06.1994 - Rs. C - 132/93 - Volker Steen II), indem man den Bereich des Artikels 48 Abs. 4 EWG-Vertrag im Verständnis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und den Bereich, in dem in der Bundesrepublik Deutschland Beamtenstellen begründet werden (müssen), im Wege einer engen, europarechtsfreundlichen (Dörr ZTR 1991 Seite 226, 231) in Einklang bringt und im übrigen eine Benachteiligung von inländischen Angestellten gegenüber ausländischen Bewerbern, die sich auf Artikel 48 EWG-Vertrag stützen können, wegen Artikel 3 Abs. 1 GG zu unterbleiben hat. Wenn ein ausländischer Bewerber aus einem EG-Mitgliedsstaat unter Berufung auf Artikel 48 EWG-Vertrag verlangen kann, daß eine bestimmte Stelle als Angestelltenstelle ausgeschrieben wird, damit er sich unbeschadet seiner Staatsangehörigkeit gleichberechtigt auf diese Stelle bewerben kann, ist kein sachlicher Grund dafür vorhanden, einen inländischen Bewerber auf das Erfordernis einer Beamtenlaufbahn zu verweisen, wenn offensichtlich die Anforderungen der Stelle im Sinne der Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Befugnisse nicht zwingend einen Beamtenstatus verlangen (vgl. auch Kewenig JZ 1990 Seite 20 f.). Kann man freilich bei einer solchen Konkurrenzsituation auf das Beamtenerfordernis verzichten, kann hierin ein sachliches Unterscheidungskriterium nach Artikel 3 Abs. 1 GG auch dann nicht mehr gesehen werden, wenn es sich bei den Bewerbern ausschließlich um Inländer handelt. Die europäische Begrenzung nationaler Regelungskompetenz gilt für EU-Ausländer und Inländer gleichermaßen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht statthaft, § 72 Abs. 4 ArbGG.