Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.09.1994, Az.: 5 Sa 995/94
Gewährung eines dreizehnten Monatseinkommens ; Begriff der Beschäftigung; Anspruch auf ein dreizehntes Monatseinkommen bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 14.09.1994
- Aktenzeichen
- 5 Sa 995/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 10747
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1994:0914.5SA995.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 18.03.1994 - AZ: 8 Ca 1/94 B
Rechtsgrundlagen
- Art. 3 GG
- § 105a AFG
Fundstelle
- BB 1995, 314 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Forderung
Prozessführer
...
Prozessgegner
...
In dem Rechtsstreit
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht sowie
der ehrenamtlichen Richter ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. September 1994
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 18. März 1994 - 8 Ca 1/94B - insoweit geändert, als die Beklagte zur Zahlung von 2.346,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 14. Januar 1994 verurteilt worden ist. Auch insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt auch insoweit der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für das Jahr 1993 ein dreizehntes Monatseinkommen nach den Bestimmungen des Tarifvertrages über die Gewährung eines dreizehnten Monatseinkommens im Baugewerbe vom 27. April 1990 zu zahlen. Der Kläger war seit dem 3. Mai 1971 als Spezialbaufacharbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Seit April 1991 ist er durchgehend wegen Krankheit arbeitsunfähig. Seit dem 1. November 1992 erhält er eine bis 1995 befristete Erwerbsunfähigkeitsrente. Der Kläger ist Mitglied der ... Die Beklagte gehört dem Verband der Bauindustrie für Niedersachsen e. V. und damit dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. an. Der Tarifvertrag über die Gewährung eines dreizehnten Monatseinkommens im Baugewerbe (TV) ist nicht allgemeinverbindlich.
Der Kläger meint, der Anspruch auf ein dreizehntes Monatseinkommen gemäß § 2 TV bestehe für das Jahr 1993 ungeachtet des Umstandes, daß er vom 1. November 1992 bis 1995 eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit beziehe und seit April 1991 nicht mehr gearbeitet habe. Die Beklagte hält den Anspruch für nicht begründet.
Zur Darstellung des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug sowie der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung, die dieses Vorbringen dort erfahren hat, wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 18. März 1994 (Bl. 31 bis 43 d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.346,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 14. Januar 1994 zu zahlen. Im übrigen - der Kläger hatte weiter die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung vermögenswirksamer Leistungen in Höhe von 832,00 DM verlangt - hat es die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits hat es dem Kläger 1/4, der Beklagten 3/4 auferlegt und den Streitwert auf 3.178,00 DM festgesetzt.
Zur Begründung des der Klage stattgebenden Teils der Entscheidung hat das Arbeitsgericht u.a. ausgeführt, der Anspruch des Klägers auf Zahlung des dreizehnten Monatseinkommens in Höhe von 2.346,00 DM brutto für das Kalenderjahr 1993 beruhe auf § 2 TV Gemäß § 2 Abs. 1 TV hätten Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am 30. November des laufenden Kalenderjahres (Stichtag) mindestens zwölf Monate ununterbrochen bestehe. Anspruch auf ein dreizehntes Monatseinkommen. Diese Voraussetzungen lägen vor. Der Kläger habe bei der Beklagten während des gesamten Kalenderjahres 1993 in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Seinem Anspruch stehe nicht entgegen, daß er seit April 1991 durchgehend arbeitsunfähig krank sei und seit dem 1. November 1992 eine bis 1995 befristete Erwerbsunfähigkeitsrente beziehe, somit im Jahr 1993 keinerlei Arbeitsleistung erbracht habe. Den Regelungen des TV könne nichts darüber entnommen werden, daß der Anspruch auf Zahlung eines dreizehnten Monatseinkommens trotz rechtlichen Bestehens des Arbeitsverhältnisses allgemein entfalle, wenn in dem betreffenden Kalenderjahr keine bzw. keine nennenswerte Arbeitsleistung erbracht worden sei. Dies gelte auch dann, wenn die Arbeitsleistung wegen einer Erwerbsunfähigkeitsrente unterbleibe.
Eine ausdrückliche allgemeine Regelung über eine Mindestarbeitsleistung im Kalenderjahr enthalte der TV nicht. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer entsprechenden Anwendung der Regelung des § 3 TV, der bestimme, daß Arbeitnehmer, die am Stichtag Grundwehr- oder Zivildienst leisten, keinen Anspruch auf das dreizehnte Monatseinkommen haben. Zwar sei davon auszugehen, daß im Fall einer Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente das Arbeitsverhältnis in gleicher Weise ruhe wie bei der Ableistung von Wehrdienst. Hier knüpfe jedoch die Regelung des § 3 Abs. 1 TV nicht etwa an den allgemeinen Tatbestand eines Ruhens des Arbeitsverhältnisses an, sondern nehme als Kürzungs- und eventuellen Ausschlußtatbestand ausdrücklich lediglich das Leisten des Grundwehr- oder Zivildienstes am Stichtag, noch nicht einmal ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes. Einer entsprechenden Anwendung dieser Regelung für den Fall der Bewilligung von Arbeitsunfähigkeitsrente stehe damit bereits entgegen, daß durch eine solche Analogie ein zusätzlicher Kürzungs- bzw. Ausschlußtatbestand geschaffen würde, durch den in die unterschiedliche Gewichtung der mit der gesamten Regelung verfolgten einzelnen Zwecke eingegriffen würde, zumal noch nicht einmal von dem Vorliegen eines Ruhenstatbestandes gesprochen werde. Diese würde ebenso wie bei einer Ausweitung der Anforderung einer auch tatsächlichen Arbeitsleistung die Grenzen einer zulässigen Tarifauslegung überschreiten.
Tarifverträge seien in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen, wobei der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien über den reinen Wortlaut hinaus nur zu berücksichtigen sei, wenn und soweit er in dem tariflichen Normenwerk seinen Niederschlag gefunden habe. Aus den mit der tariflichen Gewährung eines dreizehnten Monatseinkommens im Baugewerbe als Leistung mit Mischcharakter nebeneinander verfolgten Zwecken eines zusätzlichen Entgelts für erbrachte Arbeitsleistung sowie einer Honorierung der in der Vergangenheit erbrachten oder auch der in der Zukunft erwarteten Betriebszugehörigkeit, die jeweils in den konkreten Regelungen über die Anspruchsvoraussetzungen sowie über Ausschluß- und Kürzungstatbestände zum Ausdruck kämen, ließen sich ausreichende Anhaltspunkte zur Begründung weiterer Anspruchsvoraussetzungen oder für weitere Ausschluß- oder Kürzungstatbestände nicht entnehmen. Dies folge daraus, daß sich der Umfang, in dem die Gesamtregelung die genannten verschiedenen Zwecke jeweils nebeneinander mit unterschiedlichem Gewicht verfolge, ausschließlich aus den sachlichen Regelungen über Anspruchs Voraussetzungen sowie über Ausschluß- und Kürzungstatbestände ergebe, und daß damit jede Veränderung dieser Tatbestände eine Änderung der Gesamtregelung darstellen würde und nicht mehr als Auslegung bezeichnet werden könne.
Hinsichtlich der Auswirkungen einer bewilligten Erwerbsunfähigkeitsrente könne auch nicht von einer der Ausfüllung zugänglichen Tariflücke gesprochen werden. Dies ergebe sich bereits daraus, daß hinsichtlich der Auswirkungen einer Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente auf den Anspruch auf die Gewährung eines dreizehnten Monatseinkommens für Arbeiter unterschiedliche Regelungen denkbar seien.
Gegen dieses Urteil, das ihr am 13. Mai 1994 zugestellt worden ist, hat die Beklagte mit einem am 10. Juni 1994 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt, die sie mit einem am 11. Juli 1994 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten begründet hat.
Die Beklagte führt aus, durch die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente habe die Beklagte keine Möglichkeit, den Kläger auf seinen bisherigen Arbeitsplatz tätig werden zu lassen. Das einem Arbeitsverhältnis zugrundeliegende Austauschverhältnis werde durch die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente unmöglich gemacht. Das Arbeitsverhältnis sei zu einer Fassade oder leeren Hülle degeneriert, aus dem deshalb keinerlei Ansprüche oder Austauschleistungen mehr gezogen bzw. gefordert werden könnten. Diese Konsequenz müsse für beide Arbeitsvertragsparteien gelten und könne sich nicht nur zu Lasten einer Partei auswirken.
Es sei einzuräumen, daß die Tarifvertragsparteien besser beraten gewesen wären, in einem Fall wie dem vorliegenden ausdrücklich Ansprüche auf ein dreizehntes Monatseinkommen auszuschließen. Bei Abschluß der Verhandlungen über den hier einschlägigen Tarifvertrag habe jedoch zwischen den Tarifvertrags Parteien Einvernehmen darüber bestanden, daß eine derartige positive Regelung nicht erforderlich sei, weil man auf die Fortsetzung der bisherigen Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts vertraut habe. Diese Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sei seit 1979 Grundlage für die Gewährung anteiliger dreizehnter Monatseinkommen gewesen. Schon damals habe im Tarifvertrag keine Regelung bestanden, die den Ausschluß ausdrücklich vorgesehen habe. Das Bundesarbeitsgericht habe sich damals dennoch aufgerufen gefühlt, diese Lücke durch ergänzende Auslegung des Tarifvertrages auszufüllen. Für die Beklagte sei es völlig unverständlich, wie dasselbe Bundesarbeitsgericht nunmehr diese Auffassung ändere und für eine ergänzende Auslegung des Tarifvertrages keinen Raum mehr sehe. Damit werde Rechtsunsicherheit geschaffen.
Aus dem TV werde deutlich, daß sich die Tarifvertragsparteien bei Abschluß dieses Vertrages über die Arbeitnehmer Gedanken gemacht hätten, die vorübergehend keine Leistung erbringen. Man habe auf die Fortsetzung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vertraut und zum anderen in § 3 eine Sonderregelung für die Arbeitnehmer getroffen, die infolge der Ableistung von Wehrpflicht keine Arbeitsleistung erbringen. Die Bestimmungen des § 3 seien deshalb durchaus geeignet, im Falle der Gewährung einer Arbeitsunfähigkeitsrente entsprechend angewendet zu werden. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, daß durch eine solche Analogie ein zusätzlicher Kürzungs- bzw. Ausschlußtatbestand geschaffen würde, durch den in die unterschiedliche Gewichtung der mit der gesamten Regelung verfolgten einzelnen Zwecke eingegriffen würde, könne nicht überzeugen, da die analoge Anwendung einer Bestimmung stets eine ergänzende oder zusätzliche Regelung beinhalte. Von einer Ausweitung der Anforderungen könne nicht gesprochen werden, weil lediglich der Parallelfall einer nicht erbrachten Arbeitsleistung im Anspruchszeitraum zu beurteilen sei.
Für das Arbeitsgericht habe deshalb durchaus die Möglichkeit bestanden, den TV auszulegen und unter Berücksichtigung des Sinnes und des Zweckes der tariflichen Normen (Gewährung einer Geldleistung aufgrund tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung) den Anspruch auf Gewährung eines dreizehnten Monatseinkommens zurückzuweisen.
Weiteres Vorbringen der Beklagten ist in dem Schriftsatz vom 7. September 1994 (Bl. 71 f. d. A.) enthalten. Darauf wird Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt.
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 18. März 1994 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt.
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil insoweit, als es von der Beklagten angegriffen worden ist, als der Rechtslage entsprechend. Zur Darstellung seines Vorbringens wird auf die Berufungserwiderung vom 1. August 1994 (Bl. 60 f. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die aufgrund der Höhe des Wertes des Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.
Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit der Parteien insoweit unzutreffend entschieden, als es die Beklagte zur Zahlung eines dreizehnten Monatseinkommens für das Jahr 1993 an den Kläger verurteilt hat. Ein entsprechender Anspruch besteht schon nach dem Wortlaut der Bestimmungen des TV nicht. Ein Anspruch auf Gewährung eines dreizehnten Monatseinkommens ist schon deswegen nicht gegeben, weil der Kläger, der seit dem 1. November 1992 eine bis 1995 befristete Arbeitsunfähigkeitsrente erhält, im Jahr 1993 nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des TV gefallen ist. Nach seinem § 1 Abs. 3 gilt der TV für Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnungüber die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben. Davon kann bei einem Arbeitnehmer, der eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht, nicht gesprochen werden. Das jetzt maßgebende VI. Buch des Sozialgesetzbuches zählt den Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente nicht zu den versicherungspflichtigen Tätigkeiten.
Die Tarifvertragsparteien haben überdies auch an anderen Stellen des Tarifvertrages deutlich zum Ausdruck gebracht, daß Voraussetzung für die Gewährung eines dreizehnten Monatseinkommens eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Bezugszeitraum sein sollte. Sie sind damit der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts gefolgt, das noch in seinem Urteil vom 6. Dezember 1990 - 6 AZR 494/89 - (AP Nr. 138 zu § 1 TVG Tarifverträge Bau), in dem es sich mit der Auslegung des Tarifvertrages über die Gewährung eines Teiles eines dreizehnten Monatseinkommens im Baugewerbe vom 25. März 1987 befaßt hat, davon ausgegangen ist, daß der anspruchstellende Arbeitnehmer im Bezugszeitraum mindestens zwei Wochen gearbeitet haben mußte. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich, wie insbesondere aus § 2 Abs. 3 bis 5 TV hervorgeht, unterschieden zwischen dem Arbeitsverhältnis und den Beschäftigungsmonaten in diesem Arbeitsverhältnis. In § 2 Abs. 5 TV ist von der in den Absätzen 2 und 3 vorausgesetzten ununterbrochenen Beschäftigung von mindestens drei Monaten Dauer die Rede, bei deren Nichterfüllung zum Erreichen dieser Anspruchsvoraussetzung Teilbeschäftigungszeiten innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem 30. November des laufenden Kalenderjahres zusammengerechnet werden, wenn die jeweilige Unterbrechung nicht länger als sechs Monate gedauert hat.
In § 3 Abs. 2 und 3 sowie in § 6 Abs. 3 TV wird auf die "Wiederaufnahme der Arbeit" abgestellt.
Unter Beschäftigung wird gemeinhin eine tatsächliche Arbeitsleistung verstanden, während die Wiederaufnahme der Arbeit jedenfalls ein Erscheinen am Arbeitsplatz und damit auch eine tatsächliche Arbeitsaufnahme bedeutet.
Aus dem Umstand, daß gemäß § 3 Abs. 1 TV Arbeitnehmer, die am 30. November des laufenden Kalenderjahres Grundwehr- oder Zivildienst leisten, keinen Anspruch auf das dreizehnte Monatseinkommen bzw. den Betrag nach § 5 TV haben, kann nicht geschlossen werden, daß die Tarifvertragsparteien den Anspruch auf ein dreizehntes Monatseinkommen lediglich für den Fall der Ableistung von Grundwehr- oder Zivildienst hätten ausschließen wollen. Es ist nämlich kein einleuchtender Grund erkennbar, weswegen ausgerechnet diejenigen, die ihrer staatsbürgerlichen Ehrenpflicht zur Ableistung von Wehr- bzw. Zivildienst genügen, von dem Bezug des dreizehnten Monatseinkommens ausgeschlossen sein sollten, während etwa Personen, die eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen, den Anspruch auf ein dreizehntes Monatseinkommen haben sollten. Vielmehr muß aus dem Umstand, daß selbst diejenigen, die Grundwehr- oder Zivildienst leisten, keinen Anspruch auf ein dreizehntes Monatseinkommen haben, hergeleitet werden, daß ein derartiger Anspruch auch in anderen Fällen, in denen während des Bezugszeitraums aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen keine Arbeit geleistet wird, ausgeschlossen sein sollte. Ebenso wie nämlich Gesetze nach Möglichkeit verfassungskonform, also auch unter Beachtung von Art. 3 GG. ausgelegt werden müssen, darf bei der Auslegung von Tarifverträgen davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien nicht Regelungen schaffen wollten, die als grob ungerecht, weil gleichheitswidrig, bezeichnet werden müßten. So hat sich denn auch der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 28. September 1994 - 10 AZR 805/93 - (Pressemitteilung Nr. 46/1994) veranlaßt gesehen, seine Rechtsprechung, nach der "Arbeitern des Baugewerbes nach der tariflichen Regelung ein Anspruch auf eine Sonderzahlung in Höhe des Mindestbetrages von 102 Stundenlöhnen an sich auch dann" zustehen soll, "wenn sie während des ganzen Jahres infolge Krankheit - oder aus anderen Gründen, wie etwa wegen Erziehungsurlaub - nicht gearbeitet haben, sofern nur das Arbeitsverhältnis fortbesteht", für den Fall des Bezuges von Arbeitslosengeld nach § 105 a AFG zu modifizieren. "Ein solches nur noch formal bestehendes Arbeitsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis, das nach der tariflichen Regelung noch einen Anspruch auf die Sonderzahlung begründet" (BAG a.a.O.). Für ein Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer jahrelang eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht, kann nicht anderes gelten.
Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.