Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.12.1994, Az.: 9 Sa 924/93 E

Vergütungsmäßige Eingruppierung nach der entsprechenden Tätigkeit; Tätigkeit eines Erziehers; Übertragung einer Gruppenleitung an eine sozialpädagogische Fachkraft; Unterschied zwischen den Tätigkeiten einer Gruppenleiterin und denen einer zweitkraft auf Grund einer Hierarchisierung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
09.12.1994
Aktenzeichen
9 Sa 924/93 E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 10746
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1994:1209.9SA924.93E.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig 16.02.1993 - AZ: 4 Ca 487/92 E
nachfolgend
BAG - 12.06.1996 - AZ: 4 AZR 26/95

Amtlicher Leitsatz

  1. 1)

    Die Tätigkeit einer sogenannten Zweitkraft in einer Kindertageseinrichtung erfordert auch dann nicht stets Kenntnisse und Fähigkeiten einer ausgebildeten Erzieherin, wenn die Zweitkraft in der Kindergruppe in gleicher weise wie die Gruppenleiterin tätig ist.

  2. 2)

    Die Tätigkeit der Betreuung einer Gruppe kann nicht in eine Betreuungstätigkeit während der "Randzeiten" und in eine solche außerhalb der "Randzeiten" aufgespalten werden.

In dem Rechtsstreit
hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 10.11.1994
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ...
und die ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 16.02.1993 - 4 Ca 487/92 E - wird auf die Berufung der Klägerin teilweise abgeändert und - unter Zurückweisung der Berufung im übrigen - wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin seit dem 01.01.1991 Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT anstelle gewährter Vergütung nach Vergütungsgruppe VII BAT unter 4 %iger Verzinsung des jeweils fälligen Netto-Differenzbetrages zwischen gezahlter und beantragter Vergütung ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die beiderseits tarifgebundenen Parteien streiten um die tarifrichtige Eingruppierung der Klägerin.

2

Besichtigt durch Beschluß vom 19.01.95

3

Die am 18.02.1954 geborene Klägerin ist ausgebildete Kinderpflegerin mit staatlicher Anerkennung. Sie ist bei der Beklagten seit dem 15.01.1975 in deren Kindertagesstätte ... als Kinderpflegerin tätig. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 16.05.1975 (Bl. 6 d. A.) zugrunde, auf dessen Inhalt die Kammer Bezug nimmt; die Parteien hatten zuvor mit Arbeitsvertrag vom 28.01.1975 (Bl. 5 d. A.) ein befristetes Arbeitsverhältnis begründet.

4

In der Zeit von 1975 bis 1983 arbeitete die Klägerin in der Krippengruppe der städtischen Kindertagesstätte; seither ist sie fortlaufend in der Kindergartengruppe mit durchschnittlich 18 Kindern im Alter von 3 Jahren bis zur Einschulung tätig. Die Klägerin wurde und wird als sogenannte Zweitkraft eingesetzt. Leiterin der Kindertagesstätte ist Frau ... (BAT V c/V b); diese ist seit August 1992 Mitglied des Personalrates. Stellvertretende Leiterin der Kindertagesstätte und Leiterin der Gruppe, in der die Klägerin als Zweitkraft arbeitet, ist Frau ... (VII/V b BAT). In Zeiten, in denen diese die Kindertagesstättenleiterin (wegen Personalratstätigkeit. Urlaub oder Krankheit) vertritt, wird sie ihrerseits von der Klägerin vertreten.

5

Die Aufgaben der Klägerin lassen sich wie folgt umreißen:

  • Schaffen einer ermutigenden und anregenden Umgebung für jedes Kind in der Gruppe,

  • Beobachtung und Verständnis des Kinderspiels und anderer kindlicher Aktivitäten,

  • individuelle pädagogische Hilfen für jedes Kind in seiner jeweils besonderen Situation,

  • Erarbeiten von pädagogischen Zielvorstellungen, Planung und Gestaltung für die Gruppe und Kleingruppe,

  • sachgerechter Einsatz von Methoden und Materialien bei einzelnen Angeboten aus verschiedenen Bereichen, insbesondere Förderung des Spiels,

  • Vorbereitung und Durchführung von Unternehmungen (Besichtigungen, Ausflüge, Projekte, Feste),

  • flexibles Eingehen auf einzelne Kinder der Gruppe und auf die Gesamtgruppe, Differenzierung durch Kleingruppenarbeit,

  • Auswahl von Spiel- und Arbeitsmaterialien,

  • Mitbetreuung von Praktikanten und Praktikantinnen,

  • Einbeziehung von Eltern in die pädagogische Arbeit,

  • Überprüfung und Pflege der Spiel- und Beschäftigungsmaterialien in der Gruppe,

  • tägliche Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Arbeit,

  • pflegerische Tätigkeiten im Hinblick auf die Betreuung einzelner Kinder,

  • Beobachtung des Entwicklungszustandes und etwaiger gesundheitlicher Beeinträchtigungen bei den Kindern,

  • Betreuung der Kinder während der Mahlzeiten und der Mittagsruhe,

  • Auseinandersetzung mit der Fachliteratur und neuen pädagogischen Inhalten,

  • Erlernen neuer Techniken und Erweiterung des eigenen Fundus im Hinblick auf Lieder, Gedichte, Geschichten, Rätsel und Spiele,

  • Veränderung und Gestaltung der räumlichen Gegebenheiten,

  • Beschaffung von kostenlosen Materialien,

  • Teilnahme an Teambesprechungen,

  • Vorbereitung von Festen und Feiern mit anderen Kolleginnen und Eltern,

  • Übernahme von Früh- und Spätdiensten,

  • Teilnahme an in- und externen Fortbildungsmaßnahmen

6

In Randzeiten, das heißt im Früh- und im Spätdienst, betreut die Klägerin die Kindergartengruppe allein.

7

Die Beklagte hat eine "pädagogische Konzeption für Kindertagesstätten der Stadt ... sowohl für die Krippe als auch für den Kindergarten entwickelt. Nach dieser Konzeption gehören zwei pädagogische Fachkräfte pro Gruppe zum Team einer Kindertagesstätte. Der Begriff der pädagogischen Fachkraft ist von der Beklagten in der Konzeption für die Krippe (unter I <personelle Besetzung >) wie folgt definiert: "Kinderkrankenschwester und/oder Erzieherinnen und/oder Kinderpflegerinnen". Zu den Aufgaben der pädagogischen Fachkräfte gehört es nach der pädagogischen Konzeption, die pädagogische Arbeit innerhalb der Gruppe weitgehend eigenverantwortlich zu gestalten, die Kinder darin zu unterstützen, sich selbst Ziele zu setzen, ihre pädagogische Arbeit zu planen und sie innerhalb des Gruppenteams und in Dienstbesprechungen zu reflektieren, Elterngespräche, Elternabende und besondere Aktivitäten vorzubereiten und durchzuführen, Praktikantinnen und Praktikanten anzuleiten, mit den Erziehungsberechtigten kontinuierlich zusammenzuarbeiten. Die Kammer nimmt auf den weiteren Inhalt der pädagogischen Konzeption für die Kindertagesstätten der Beklagten Bezug.

8

Die Klägerin erhält von der Beklagten Vergütung nach Vergütungsgruppe VII BAT. Mit Schreiben vom 27.01.1992 hat sie von der Beklagten verlangt, sie nach Vergütungsgruppe VI b BAT zu vergüten. Die Beklagte hatte zuvor mit einem Rundschreiben vom 05.02.1992 (Bl. 17/18 d. A.) auf den Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT vom 24.04.1991 hingewiesen und am Schluß dieses Schreibens erklärt:

"Angestellte, die der Auffassung sind, noch Ansprüche aus diesem Tarifvertrtag herleiten zu können, sind nunmehr gehalten, diese schriftlich geltend zu machen. Die sechsmonatige Ausschlußfrist, innerhalb derer Ansprüche gemäß § 70 BAT geltend zu machen sind, wird durch diese Veröffentlichung in Gang gesetzt."

9

Die Klägerin hat mit am 17.08.1992 erhobener Klage ihre Höhergruppierung nach der Vergütungsgruppe VI b BAT rückwirkend ab 01.08.1991, mit am 17.09.1992 beim Arbeitsgericht eingegangener Klageerweiterung diese Höhergruppierung rückwirkend ab dem 01.01.1991 begehrt.

10

Sie hat gemeint, sie übe in gleicher Weise wie die Leiterin der Kindergartengruppe Erzieherinnentätigkeit aus.

11

Die Klägerin hat beantragt,

daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin rückwirkend ab dem 01.01.1991 nach Vergütungsgruppe VI b BAT einzugruppieren, zu vergüten und ihr ab dem 01.01.1991 die monatliche Differenz - sowie die Differenz bei den Sonderzahlungen - zwischen den Vergütungsgruppen VII und VI b BAT, jeweils nebst 4 % Zinsen ab dem 15. des jeweiligen Anspruchsmonats zu zahlen.

12

Die Beklagte hat

Klageabweisung

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beantragt und gemeint, die pädagogische und pflegerische Tätigkeit der Klägerin unter der Verantwortung der Gruppenleiterin sei sowohl berufskundlich typisch für die Aufgaben von Kinderpflegerinnen als auch arbeitsvertraglicher Inhalt. Soweit die Klägerin die Kindergartengruppe alleinverantwortlich betreue, handele es sich lediglich um Randzeiten, so daß nicht zu 50 % ihrer Arbeitszeit schwierige fachliche Tätigkeiten anfielen.

14

Mit Urteil vom 16.02.1993 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt und den Streitwert auf 8.640,00 DM festgesetzt.

15

Zur Begründung dieses Ergebnisses hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe einen Höhergruppierungsanspruch nach Vergütungsgruppe VI b BAT nicht ausreichend dargelegt. Die vertretungsweise Betreuung der Kindergartengruppe bei anderweitiger Inanspruchnahme der Gruppenleiterin sei nicht gleichbedeutend mit der dauernden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit durch die Beklagte, sondern könne allenfalls einen Anspruch auf eine Zulage nach § 24 BAT begründen. Die Klägerin sei deshalb weder in Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 1 noch in Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 5 eingruppiert. Wegen weiterer Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts nimmt die Kammer Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 65 bis 66 d. A.).

16

Gegen dieses ihr am 06.05.1993 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 07.06.1993 (Montag) beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.08.1993 mit einem am 09.08.1993 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

17

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klagebegehren weiter, will aber darüber hinaus erreichen, daß die Beklagte ihr Vergütung nach Vergütungsgruppe V c BAT bezahlt. Dies begründet sie nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 09.08.1993 (Bl. 79 bis 92 d. A.) und ihrer Schriftsätze vom 28.04.1994 (Bl. 123 bis 126 d. A.) und 03.11.1994 (Bl. 149 d. A.) im einzelnen; die Kammer nimmt auf den Inhalt dieser Schriftsätze Bezug. Die Klägerin meint insbesondere, das zwei pädagogische Fachkräfte pro Gruppe vorsehende Konzept des Jugendamtes der Beklagten treffe keine Unterscheidung zwischen einer Erzieherausbildung oder -tätigkeit und einer Pflegerinnenausbildung oder -tätigkeit. Auch finde eine Hierarchisierung nicht statt. Im Einklang damit erfolge die pädagogische Betreuung der Gruppe in gleicher Weise von ihr (der Klägerin) und von der Gruppenleiterin. Deswegen sei sie (die Klägerin) in Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 5 BAT und im Wege des Bewährungsaufstiegs in Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 7 BAT eingruppiert. Als Kinderpflegerin arbeite sie jedenfalls nicht, weil sie nicht überwiegend rein pflegerische Tätigkeiten, wie Wickeln, Waschen, An- und Auskleiden, Hilfe bei der Einnahme der Nahrung usw., verrichte.

18

Die Klägerin beantragt daher,

das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin

  1. a)

    seit dem 01.01.1991 Vergütung nach Maßgabe der Vergütungsgruppe VI b BAT anstelle gewährter Vergütung nach Vergütungsgruppe VII unter 4 %iger Verzinsung des jeweils fälligen Nettodifferenzbetrages zwischen gezahlter und beantragter Vergütung ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

  2. b)

    ab dem 01.02.1993 Vergütung nach Vergütungsgruppe V c BAT anstelle gewährter Vergütung nach Vergütungsgruppe VII unter 4 %iger Verzinsung des jeweils fälligen Nettodifferenzbetrages zwischen gezahlter und beantragter Vergütung ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

19

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

20

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 10.09.1993 (Bl. 95 bis 101 d. A.) und ihrer Schriftsätze vom 16.03.1994 (Bl. 109 bis 112 d. A.), vom 20.06.1994 (Bl. 130 bis 133 d. A.) und vom 20.10.1994 (Bl. 142 d. A.); die Kammer nimmt auch auf den Inhalt dieser Schriftsätze Bezug. Die Beklagte macht insbesondere geltend, die Klägerin habe im Gegensatz zur Gruppenleiterin - abgesehen von Zeiten der eigenverantwortlichen Betreuung der Gruppe in Randzeiten und in Vertretungszeiten - nicht die Alleinverantwortlichkeit der Betreuung. Der Erziehungsauftrag richte sich an die Gruppenleiterin und nicht an die Zweitkraft. Die Gruppenleiterin sei auch weisungsbefugt gegenüber der Zweitkraft, sie treffe bei fachlichen Meinungsverschiedenheiten die für die Zweitkraft verbindliche Entscheidung. Auch aus dem Umkehrschluß der Protokollerklärung Nr. 2 ergebe sich, daß nach dem Willen der Tarifvertragsparteien die Gruppenleitung zur Aufgabe einer Erzieherin gehöre.

Entscheidungsgründe

21

Die Berufung ist zum Teil begründet, im übrigen unbegründet.

22

I.

Die Berufung ist unbegründet, soweit die Klägerin Vergütung nach Vergütungsgruppe V c BAT verlangt. Denn insoweit ist die Klage nicht begründet.

23

Für die Klägerin finden die Tätigkeitsmerkmale des Tarifvertrages für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst vom 19.06.1970 i.d.F. des § 2 Abschnitt B des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT vom 24.04.1991 für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VkA) Anwendung. Die Klägerin ist nicht in der - hier allein in Betracht kommenden - Fallgruppe 7 der Vergütungsgruppe V c BAT:

"Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, nach dreijähriger Bewährung in Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 5."

24

eingruppiert, weil sie keine "entsprechende Tätigkeit" einer Erzieherin ausübt. Die Tätigkeit eines Erziehers liegt nach der Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.) dann vor, wenn die Tätigkeit des Angestellten sich auf die konkrete Fachrichtung der jeweiligen Ausbildung bezieht und die Tätigkeit die durch die Ausbildung erworbenen Fähigkeiten gerade erfordert. Es ist nicht ausreichend, wenn die entsprechenden Kenntnisse des Angestellten für seinen Aufgabenbereich nützlich oder wünschenswert sind. Vielmehr müssen sie für die Erledigung der ihnen übertragenen Aufgaben erforderlich sein.

25

Aus dem der Kammer zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt ergibt sich nicht, daß die von der Klägerin auszuübende Tätigkeit eine Erzieherausbildung erfordert. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, daß weder der Gesetzgeber noch die Beklagte selbst diese Qualifikation bei einer Zweitkraft in einer Kindertagesstätte verlangt. Nach § 4 Abs. 2 des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder vom 16.12.1992 (Nds.GVBl. S. 354) darf die Gruppenleitung nur einer sozialpädagogischen Fachkraft übertragen werden, während die nach Abs. 3 der Vorschrift tätige zweite geeignete Fach- oder Betreuungskraft in der Regel Erzieher/Erzieherin mit staatlicher Anerkennung sein soll, aber auch Kinderpfleger/Kinderpflegerin sein kann. Das Gesetz unterscheidet also zwischen der Gruppenleitung und dem Tätigwerden als zweite Kraft; bei letzterer ist die Qualifikation einer Erzieherin nicht erforderlich. Die Beklagte selbst spricht zwar in ihrer pädagogischen Konzeption für die Kindertagesstätten der Stadt ... davon, daß "2 pädagogische Fachkräfte pro Gruppe" zum Team einer Kindertagesstätte gehören, hat aber in ihrer pädagogischen Konzeption für die Krippe erläutert, daß sie auch Kinderpflegerinnen zu den pädagogischen Fachkräften zählt.

26

Der Grundfehler der klägerischen Argumentation liegt darin, aus der äußerlich weithin mit der Tätigkeit der Gruppenleiterin identischen Tätigkeit der Klägerin auf die Erforderlichkeit von Erzieherfähigkeiten zu schließen.

27

Zu Recht hält ihr die Beklagte insoweit entgegen, daß nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nicht einmal die "alleinverantwortliche Betreuung von Gruppen, z.B. in Randzeiten", als Erziehertätigkeit angesehen wird, vielmehr, wie sich aus der Protokollerklärung Nr. 2 b ergibt, als Kinderpflegertätigkeit.

28

Die Klägerin irrt auch, wenn sie wegen fehlender "Hierarchisierung" Unterschiede zwischen den Tätigkeiten der Gruppenleiterin und denen einer Zweitkraft negiert und daraus offenbar ableiten will, für sie als Zweitkraft sei das Vorliegen von Erzieherfähigkeit genauso erforderlich wie für die Gruppenleiterin. Denn sie hat nicht bestritten, daß die Verantwortung für das pädagogische Gruppengeschehen bei der Leiterin liegt, daß diese Verantwortung für alle Erzieherinnen in den städtischen Kindertagesstätten, die als Gruppenleiterinnen eingesetzt sind, verbindlich festgelegt ist, daß daraus bei Meinungsverschiedenheiten die Entscheidungsbefugnis und das Weisungsrecht der Gruppenleiterin gegenüber der Zweitkraft folgt.

29

II.

Die Berufung ist indessen insoweit begründet, als die Klägerin statt gewährter Vergütung nach Vergütungsgruppe VII BAT Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b BAT verlangt. Insoweit ist die Klage begründet. Die Hälfe der die Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllenden Arbeitsvorgänge entspricht den Tätigkeitsmerkmalen der von ihr in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 1 (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Dabei ist anhand der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BAT von dem Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen, wie ihn der Vierte Senat des Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung (zuletzt BAG Urteil vom 18.05.1994, 4 AZR 461/93, mit weiteren Nachweisen) versteht, nämlich als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten. Bei Zugrundelegung dieses Begriffes ergibt sich, daß die gesamte Tätigkeit der Klägerin einen einzigen Arbeitsvorgang bildet, gerichtet auf das Arbeitsergebnis "Betreuung der Kindergartengruppe". Allenfalls ließen sich die "pflegerischen Tätigkeiten im Hinblick auf die Betreuung einzelner Kinder" und die "Beschaffung von kostenlosen Materialien", wenn man darin keine Zusammenhangstätigkeiten sähe, zu getrennten Arbeitsvorgängen absondern; dies hat aber auf das Ergebnis keinen Einfluß, da evident ist, daß diese Tätigkeiten weit unter der Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Klägerin liegen.

30

Nicht angängig ist es jedoch, die immer wieder, nämlich in Randzeiten, das heißt im Früh- oder Spätdienst, der Klägerin obliegende alleinverantwortliche Betreuung der Kindergartengruppe als getrennten Arbeitsvorgang zu betrachten. Es widerspricht der erforderlichen natürlichen Betrachtungsweise und auch der Verwaltungsübung bei der Beklagten, die Tätigkeit der Klägerin in eine solche während der Randzeiten (und seit 1992 auch während der sonstigen Abwesenheitszeiten der Gruppenleiterin aus Gründen ihrer Personalratstätigkeit) und eine solche außerhalb der Randzeiten aufzuteilen. Bereits die praktizierte Zuweisungs der gesamten Betreuungstätigkeit der Gruppe an die Klägerin, einerlei, ob die Gruppenleiterin zugegen ist oder nicht, zeigt, daß die Betreuung der Gruppe nicht sinnvoll getrennt werden kann, sondern eine Einheit bildet. Dies steht in Einklang mit dem pädagogischen Konzept der Beklagten, die für jede Gruppe nur zwei Kräfte vorsieht, aus sinnvollen pädagogischen Erwägungen also nicht noch eine dritte Bezugsperson in die Betreuung der Kinder einbindet, die immer dann tätig würde, wenn die allein verantwortliche Betreuung der Gruppe notwendig ist.

31

Die Klägerin übt die Tätigkeit einer Kinderpflegerin aus. Kinderpflegerinnen sind nicht nur rein pflegerisch tätig, sondern übernehmen pädagogische und pflegerische Aufgaben zur Unterstützung von Erziehern, sie sind "pädagogisch-pflegerische Fachkräfte", betraut mit der Beaufsichtigung, Beobachtung und Förderung einzelner Kinder bzw. kleiner Gruppen (Blätter zur Berufskunde, Band 2, 1.2.1).

32

Die Klägerin übt auch schwierige fachliche Tätigkeiten aus. Dies gesteht ihr die Beklagte zu Recht zu, weil nicht strittig ist, daß die Klägerin in Randzeiten und seit 1992 auch in sonstigen Abwesenheitszeiten der Gruppenleiterin infolge ihrer Personalratstätigkeit alleinverantwortlich die Betreuung der Gruppe ausübt, so daß die vorgegebene Definition der schwierigen fachlichen Tätigkeiten in der Protokollerklärung Nr. 2 b vorliegt. Die Beklagte meint allerdings, weil die Klägerin nicht zur Hälfte ihrer Gesamtarbeitszeit schwierige fachliche Tätigkeit ausübe, liege dieses Heraushebungsmerkmal der Vergütungsgruppe VI b Fallgrupe 1 der Anlage 1 a zum BAT nicht vor. Diese Auffassung läßt sich nicht halten. Denn seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975 kommt es auf den Umfang des Heraushebungsmerkmals einer Vergütungsgruppe dann nicht an, wenn Arbeitsvorgänge in dem Umfang des tariflichen Maßes des Heraushebungsmerkmals anfallen und das Heraushebungsmerkmal in diesen Arbeitsvorgängen enthalten ist. Auf den Umfang des Heraushebungsmerkmals innerhalb des einzelnen Arbeitsvorgangs kommt es dann nicht mehr an, wenn nur die Arbeitsvorgänge in rechtserheblichem Ausmaß das Erfordernis des Heraushebungsmerkmals erfüllen. An dieser Rechtsprechung hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts festgehalten (vgl. zuletztUrteil vom 18.05.1994 - 4 AZR 461/93 - mit weiteren Nachweisen). Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung.

33

Die alleinverantwortliche Betreuung der Kindergartengruppe durch die Klägerin erfolgt auch in rechtlich erheblichem Ausmaß. Dieses Ausmaß sieht die Kammer bereits dann als erfüllt an, wenn - wie hier - das Heraushebungsmerkmal (hier: schwierige fachliche Tätigkeiten) regelmäßig und nicht nur ausnahmsweise verlangt wird. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob auch die unstreitige tägliche Betreuung von den aus der Kindergartengruppe gebildeten Kleingruppen das Merkmal der alleinverantwortlichen Betreuung von Gruppen erfüllt.

34

Daß die Klägerin sich fünf Jahre lang in der Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1 der Anlage 1 a zum BAT bewährt hat, ist nicht strittig. Nach § 6 Ziff. 2 des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT vom 24.04.1991 wird die von der Klägerin vor dem 01.01.1991 zurückgelegte Zeit, was die erforderliche Zeit ihrer Bewährung angeht, so berücksichtigt, wie sie zu berücksichtigen wäre, wenn der Tarifvertrag bereits seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses gegolten hätte.

35

4 % Zinsen auf die bei Rechtshängigkeit rückständigen Vergütungsdifferenzen sind gemäß § 291 Satz 1, 1. Halbs. BGB ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Rechtshängigkeit der Vergütungsdifferenzen für die Monate Januar bis Juli 1991 ist am 17.09.1992, die der übrigen rückständigen Vergütungsdifferenzen am 17.08.1992 eingetreten. Nachzuholen ist die im Tenor unterbliebene Klarstellung, daß in bezug auf die erst nach dem 17.09.1992 fällig gewordenen Ansprüche die Differenzbeträge von der Fälligkeit an zu verzinsen sind (§ 291 Satz 1, 2. Halbs. BGB).

36

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1, 72 a Abs. 1 Ziff. 2 ArbGG.