Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.12.1994, Az.: 13 Sa 1175/94
Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung; Soziale Rechtfertigung einer Kündigung; Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 20.12.1994
- Aktenzeichen
- 13 Sa 1175/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 17355
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1994:1220.13SA1175.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg - 08.04.1994 - AZ: 2 Ca 31/94
- nachfolgend
- BAG - 07.03.1996 - AZ: 2 AZR 180/95
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 2 KSchG
- § 322 ZPO
- § 9 Abs. 1 KSchG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Eine vorübergehende Betriebsunterbrechung aus Witterungsgründen berechtigt nicht zu einer betriebsbedingten Kündigung wegen Betriebsstillegung. Der Arbeitgeber kann in diesen Fällen nur wirksam kündigen, wenn er dem Arbeitnehmer eine verbindliche Wiedereinstellungszusage erteilt.
- 2.
Wenn in einem Vorprozeß rechtskräftig über Kündigungsgründe zu Ungunsten des Arbeitgebers entschieden ist, kann eine nachfolgende Kündigung nicht auf die selben Gründe gestützt werden. Dem steht die Präklusionswirkung des Urteils im Vorprozeß entgegen.
In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Dezember 1994
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter und
den ehrenamtlichen Richter Schüdde und
die ehrenamtliche Richterin Schumacher
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 08.04.1994, 2 Ca 31/94, wird zurückgewiesen.
Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 9.256,50 DM festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit der vorliegenden Klage gegen eine ordentliche Kündigung vom 23.12.1993, die nach Auffassung der Beklagten das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 21 Kalendertagen gemäß § 5 des ... zum 13.01.1994 beendet hat. Die Beklagte stützt die Kündigung auf betriebsbedingte Gründe und auf personenbedingte Gründe (Krankheit). Zweitinstanzlich hat die Beklagte einen Auflösungsantrag gestellt.
Bereits mit Schreiben vom 13.10.1993 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 15.11.1993 gekündigt, und zwar ebenfalls gestützt auf betriebsbedingte Gründe und Krankheit. Durch Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 08.04.1994, 2 Ca 709/93, ist die Unwirksamkeit dieser Kündigung festgestellt worden. Das Urteil ist nach Berufungsrücknahme rechtskräftig geworden. Auf das arbeitsgerichtliche Urteil in der beigezogenen Akte 2 Ca 709/93 wird Bezug genommen.
Der 1950 geborene Kläger war seit Mai 1987 bei der Beklagten als Maschinenführer zu einem Stundenlohn von 18,15 DM beschäftigt. Die Beschäftigung war in den Wintern 1991/1992 und 1992/1993 für jeweils 14 Tage unterbrochen.
Die Beklagte unterhält einen Betrieb des Elektrohandwerks. Neben Servicearbeiten in geringem Umfang befaßt sie sich schwerpunktmäßig mit Kabel- und Rohrverlegungen für Stromversorgungsunternehmen und Telekom. Kabel- und Rohrverlegungsarbeiten müssen nach den Anweisungen der Auftraggeber bei Temperaturen ab Null Grad und niedriger eingestellt werden. Es kommt deshalb in den Wintermonaten regelmäßig zu Betriebsunterbrechungen.
Die Beklagte hatte nach eigenen Angaben im Herbst 1993 112 Arbeitnehmer beschäftigt, die bis zum 13.01.1994 mit Ausnahme von 18 Arbeitnehmern entlassen wurden. Die verbleibenden Arbeitnehmer sind, so die Beklagte, mit Ausästungsarbeiten und Ausbesserungsarbeiten befaßt. Aus Arbeitsbescheinigungen (Bl. 34 f. d. beigezogenen Akte) geht hervor, daß beginnend ab 15.11.1993 bis in den Januar hinein der Personalabbau stufenweise erfolgte. Bezug genommen wird außerdem auf die Massenentlastungsanzeigen, Bl. 72 f. d. beigezogenen Akte. Von den im Winter 1993/1994 entlassenen Arbeitnehmern sind nach Beklagtenvortrag 11 nicht wieder eingestellt worden, ähnlich sei in den Vorjahren verfahren worden. Auf die Aufstellung im Schriftsatz vom 29.11.1994, Bl. 118 r. d. A., wird Bezug genommen. Der Kläger wurde nicht wieder eingestellt, eine Wiedereinstellungszusage wurde ihm nicht erteilt.
Der Kläger war arbeitsunfähig erkrankt 1990 an 30 Arbeitstagen, 1991 an 35 Arbeitstagen, 1992 an 31 Arbeitstagen und 1993 an 46 Arbeitstagen. Auf die Aufstellung der Beklagten, Bl. 17 der beigezogenen Akte wird Bezug genommen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, weder betriebliche Erfordernisse noch die krankheitsbedingten Fehlzeiten könnten die ausgesprochene Kündigung rechtfertigen. Er hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23.12.1993 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, mit Frosteinbruch sei eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger entfallen. Weiterbeschäftigt werden könnten nur Mitarbeiter der Kernmannschaft, die vielseitig verwendbar seien, dazu gehöre der Kläger nicht. Im übrigen habe sie einen Auftragsrückgang von ca. 20 Prozent zu verzeichnen. Der Dezemberumsatz 1992 habe 1.363.963,94 DM betragen und sei im Dezember 1993 auf 969.637,19 DM gesunken. Der Gesamtjahresumsatz 1992 habe 9.710.107,86 DM betragen und sei 1993 auf 8.409.029,06 DM gesunken. Die Kündigung sei im übrigen aus krankheitsbedingten Gründen gerechtfertigt. Die Vielzahl der Fehltage in der Vergangenheit rechtfertige den Schluß, daß auch in Zukunft mit erheblichen Fehlzeiten zu rechnen sei. Der Ausfall des Klägers habe auch zu betrieblichen Störungen geführt, die Arbeitnehmer seien in Kolonnen eingeteilt, es habe deshalb zu Schwierigkeiten geführt, jeweils Ersatzkräfte aus anderen Kolonnen zur Verfügung zu stellen. Schließlich hätten die Lohnfortzahlungskosten in den Jahren 1990 bis 1993 insgesamt 20.519,00 DM betragen.
Das Arbeitsgericht hat nach Klageantrag erkannt. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung trägt die Beklagte vor, die Einstellung der Arbeiten in den Wintermonaten sei sinnvoll und müsse erfolgen, weil mit Frosteinbrüchen zu rechnen sei. Der Kläger habe deshalb nicht beschäftigt werden können. Lediglich Mitarbeiter aus anderen Tätigkeitsbereichen seien weiterbeschäftigt worden, mit diesen sei der Kläger aber nicht vergleichbar. Auch die Einführung von Kurzarbeit sei nicht sinnvoll gewesen. Es bestehe deshalb ein betriebsbedingter Kündigungsgrund. Schließlich sei die Kündigung auch aus krankheitsbedingten Gründen gerechtfertigt. Zumindest sei das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, der Kläger habe gegenüber dem Bäcker ..., bei dem Mitarbeiter der Beklagten ihre Brötchen einkauften, geäußert, Herr ... 3 sei ein "großes Arschloch". Dies habe Herr ... vor wenigen Tagen anläßlich eines Besuchs in der Bäckerei erfahren. Ergänzend wird wegen des zweitinstanzlichen Beklagtenvorbringens Bezug genommen auf die Berufungsbegründung, Bl. 60 f. d. A., und auf den Schriftsatz vom 29.11.1994, Bl. 117 f. d. A.
Die Beklagte beantragt,
- 1.
die Klage abzuweisen.
- 2.
Hilfsweise das Arbeitsverhältnis aufzulösen gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe ins Ermessen des Gerichts gestellt wird.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und den Hilfsantrag zurückzuweisen.
Er beruft sich darauf, eine Betriebsstillegung habe nicht stattgefunden, sondern lediglich eine witterungsbedingte Betriebsunterbrechung. Die Beklagte sei gehalten gewesen, dem Kläger die Wiedereinstellung zuzusichern. Im übrigen bestreitet der Kläger nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 23.09.1994, Bl. 88 f. d. A., das Vorliegen der Kündigungsgründe. Er bestreitet, die behauptete Äußerung gegenüber dem Bäcker ... getan zu haben. Er sei seit mehr als eineinhalb Jahren nicht mehr in der Bäckerei gewesen, zumal er 20 Kilometer entfernt wohne.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO. Auch der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag ist unter Berücksichtigung vom § 9 Abs. 1 KSchG zulässig. Die Berufung ist nicht begründet, das arbeitsgerichtliche Urteil war wegen der Kündigung zu bestätigen, der Auflösungsantrag war zurückzuweisen.
Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung ist nicht sozial gerechtfertigt aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Insbesondere ist die Kündigung nicht wegen Betriebsstillegung oder Teilbetriebsstillegung gerechtfertigt. Nach ständiger Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt eine Betriebsstillegung den ernstlichen und endgültigen Entschluß des Unternehmens voraus, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzugeben (BAG EzA § 1 KSchG betriebsbedingte Kündigung, Nr. 70 und Nr. 46; BAG EzA § 613 a BGB, Nr. 57). Wesentlich ist im vorliegenden Zusammenhang, daß die Stillegung nach Unternehmerentscheidung erfolgen soll für einen nicht unerheblichen Zeitraum. Eine vorübergehende Betriebsunterbrechung aus saisonalen Gründen oder Witterungsgründen stellt keine Betriebsstillegung dar, sie berechtigt insbesondere dann, wenn die Betriebsunterbrechung für einen voraussehbar geringen Zeitraum erfolgt, nicht zu einer betriebsbedingten Kündigung wegen Betriebsstillegung (dazu KR, 3. Aufl., § 15 KSchG, RdNr. 89 bis 91; Preiss; DB 1988, Seite 1393).
Wie die Beklagte selbst vorträgt, muß sie auf Anweisung der Auftraggeber die Arbeiten einstellen bei Temperaturen von Null Grad oder niedriger. Derartige Temperaturen sind insbesondere in den Wintermonaten Januar und Februar zu verzeichnen, je nach Witterung kann es deshalb bei der Beklagten zu einer Betriebsunterbrechung von maximal zwei bis drei Monaten kommen. Fest steht andererseits, daß nach Beendigung der Frostperiode, im Regelfall ab März, die Arbeiten wieder aufgenommen werden können und der Betrieb in vollem Umfang die Arbeit wieder aufnehmen kann. Es handelt sich damit um eine vorhersehbare, zeitlich begrenzte Betriebsunterbrechung, nicht um eine Betriebsstillegung, die den Arbeitgeber nicht zu einer endgültigen Lösung des Arbeitsverhältnisses berechtigt.
Allerdings muß berücksichtigt werden, den Vortrag der Beklagten als richtig unterstellt, daß sie ab Mitte Januar 1994, damit für ca. sechs Wochen, keine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger hatte. Eine Fortsetzung des Arbeitverhältnisses mit Bezahlung ohne Beschäftigungsmöglichkeit war der Beklagten nicht zuzumuten, zumal nicht nur der Kläger betroffen war, sondern weitere ca. 80 Arbeitnehmer. Eine Einführung von Kurzarbeit war der Beklagten nicht möglich, dabei kann die Frage, ob der Arbeitgeber gezwungen ist, durch Kurzarbeit vorübergehende Auftragsrückgänge zu überbrücken, offen bleiben. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld liegen nicht vor, dies ergibt sich aus § 64 Abs. 2, Abs. 3 AFG. Die Betriebsunterbrechung bei der Beklagten ist durch den üblichen Wetterverlauf verursacht, also gemäß § 64 Abs. 2 AFG kein unabwendbares Ereignis. Vielmehr handelt es sich im Sinne von § 64 Abs. 3 AFG um eine Betriebsunterbrechung aus branchenüblichen oder saisonbedingten Gründen, für die Kurzarbeitergeld nicht gewährt wird. Eine Überbrückung durch Schlechtwettergeld scheidet ebenfalls aus, weil die Beklagte nicht dem Baugewerbe unterfällt. Trotzdem ist vorliegend die ausgesprochene ordentliche Kündigung unwirksam.
Es ist in der Rechtssprechung anerkannt, daß vor Ausspruch einer Beendigungskündigung, also einer endgültigen Lösung des Arbeitsverhältnisses, vom Arbeitgeber zu prüfen ist, ob die Kündigungsgründe durch mildere Mittel, z. B. Abmahnung oder Änderungskündigung, beseitigt werden können. Entsprechend sehen auch die Tarifverträge, allerdings nicht der hier einschlägige für das Elektrohandwerk, teilweise bei witterungsbedingten Arbeitsunterbrechungen Kündigungen vor mit der Verpflichtung der Wiedereinstellung. Entsprechend vertritt die Kammer die Auffassung, daß aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu schließen ist, daß bei vorhersehbaren befristeten Betriebsunterbrechungen keine endgültige Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen darf, sondern daß der Arbeitgeber gehalten ist, die Kündigung mit einer Wiedereinstellungszusage zum Ende der Frostperiode zu verbinden. Preiss (a. a. O.) spricht insoweit von einer Wiedereinstellungskündigung als milderes Mittel gegenüber der Beendigungskündigung. Entsprechend konnte die Beklagte zwar das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger kündigen, allerdings nur verbunden mit einer Wiedereinstellungszusage zum Ende der Frostperiode. Da dieses mildere Mittel der Wiedereinstellungskündigung nicht gewählt worden ist, ist die ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung insgesamt unwirksam, das Arbeitsverhältnis hat ununterbrochen fortbestanden.
Die Kündigung ist auch nicht aus personenbedingten Gründen (Krankheit) gerechtfertigt. In erster Linie ist festzustellen, daß die Beklagte die Kündigung vom 23.12.1993 nicht mehr auf krankheitsbedingte Gründe stützen kann, weil das Arbeitsgericht im Urteil vom 08.04.1994, 2 Ca 709/93, zur Kündigung vom 13.10.1993 bereits rechtskräftig festgestellt hat, daß ausreichende Gründe für eine krankheitsbedingte Kündigung nicht vorliegen. Der Sachvortrag der Beklagten zum krankheitsbedingten Kündigungsgrund ist für beide Kündigungen identisch. Zwar bilden die Kündigungen vom 13.10. und vom 23.12.1993 unterschiedliche Streitgegenstände, trotz fehlender Identität der Streitgegenstände folgt aber aus der Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozeß eine Präklusionswirkung. Wenn eine Wiederholungskündigung auf den selben Kündigungssachverhalt gestützt wird, dessen Eignung zur Rechtfertigung einer Kündigung bereits rechtskräftig verneint worden ist, ist es dem Arbeitgeber verwehrt, die nachfolgende Kündigung auf den rechtskräftig aberkannten Kündigungsgrund zu stützen (dazu - im Ergebnis offengelassen - BAG EzA § 626 BGB nF, Nr. 97, und BAG EzA § 9 KSchG, Nr. 15). Da der Vortrag der Beklagten zur krankheitsbedingten Kündigung vom 13.10.1993 identisch ist mit dem Vortrag zur krankheitsbedingten Kündigung vom 23.12.1993, folgt bereits aus der Präklusionswirkung die Unwirksamkeit der krankheitsbedingten Kündigung vom 23.12.1993.
Im übrigen rechtfertigt der Vortrag der Beklagten, dies hat das Arbeitsgericht korrekt festgestellt, keine krankheitsbedingte Kündigung.
Ob eine Kündigung wegen häufiger Erkrankungen sozial gerechtfertigt ist, ist in drei Stufen zu prüfen. Zunächst ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes erforderlich, die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, in der dritten Stufe ist eine Interessenabwägung erforderlich. Der für den Kündigungsgrund darlegungspflichtige Arbeitgeber kann sich zur Begründung der Negativprognose darauf beschränken, Krankheitszeiten aus der Vergangenheit vorzutragen, aus denen der Schluß gezogen werden kann, daß es auch in Zukunft zu erheblichen Krankheitszeiten kommen wird (BAG EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 37).
Vorliegend kann eine negative Prognose, erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten in der Zukunft, aufgrund der vorgetragenen Erkrankungen in der Vergangenheit nicht getroffen werden. Der Kläger war 1990 viermal erkrankt, zwischen 3 und 11 Arbeitstagen, insgesamt 30 Arbeitstage, 1991 war er fünfmal erkrankt zwischen 4 bis 12 Arbeitstage, insgesamt 35 Arbeitstage, 1992 war er dreimal erkrankt zwischen 5 und 16 Arbeitstagen, insgesamt 31 Arbeitstage, 1993 war er viermal arbeitsunfähig zwischen 3 und 28 Arbeitstagen, insgesamt 46 Arbeitstage. Geht man von 220 Arbeitstagen pro Jahr aus, so beläuft sich der prozentuale Anteil der Krankheitstage 1990 auf 13,6 Prozent, 1991 auf 15,9 Prozent, 1992 auf 14,1 Prozent und 1993 auf 20,9 Prozent. Die hohe Prozentzahl für 1993 ergibt sich aus einer länger dauernden Erkrankung vom 04.10. bis 10.11. Krankheitshäufigkeit, im Durchschnitt viermal pro Jahr, sowie Krankheitsdauer ergeben zwar im Gesamtbild überdurchschnittliche Krankheitszeiten. Zu berücksichtigen ist aber, daß der Kläger körperlich arbeiten mußte und ständig der Witterung ausgesetzt war, die Krankheitszeiten sind deshalb mit Ausnahme des einen Jahres 1993 nicht als so gravierend einzustufen, daß eine Negativprognose gerechtfertigt ist, für eine krankheitsbedingte Kündigung ist der Vortrag der Beklagten nicht ausreichend.
Der Auflösungsantrag der Beklagten ist nicht begründet. Gemäß §§ 9 Abs. 1 KSchG kann das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitsgebers gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Darlegungspflichtig für die Auflösungsgründe, an die strenge Anforderungen zu stellen sind, ist derjenige, der Auflösung begehrt, hier also die Beklagte. Sie hat aber zum Auflösungsgrund nicht ausreichend konkret, sondern lediglich pauschal vorgetragen. Der Vortrag ist so allgemein gehalten, daß eine Bewertung, insbesondere eine Schlußfolgerung, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit erwartet werden kann, nicht getroffen werden kann.
Der Beklagtenvortrag beschränkt sich darauf, nach Angaben eines Bäckers ... bei dem die Mitarbeiter der Beklagten ihre Brötchen einkauften, habe der Kläger geäußert, Herr ... sei ein "großes Arschloch", ist leitender Angestellter der Beklagten und faktisch der Chef des Unternehmens. Beleidigende Äußerungen über ihn können deshalb nicht als Lappalie unter Arbeitskollegen abgetan werden, insoweit ist der Beklagten zu folgen. Andererseits ist festzustellen, daß der Kläger Arbeiter ist, und zwar einer von ca. 100, die Beleidigung, den Beklagtenvortrag als richtig unterstellt, belastet deshalb nicht etwa ein besonderes Vertrauensverhältnis. Im übrigen ist auch nicht ersichtlich, wem gegenüber der Kläger die Äußerung getan hat. Handelt es sich um eine Äußerung unter Kollegen in der Bäckerei, so ist zwar immer noch die Ausdrucksweise zu beanstanden. Allerdings handelt es sich dann eher um das übliche Gerede über einen Chef, wenn auch in nicht akzeptablen, aber durchaus nicht unüblichen Kraftausdrücken. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, wann die Beleidigung stattgefunden haben soll. Gerade für die Frage, ob eine weitere Zusammenarbeit im Sinne des Betriebes zu erwarten ist, ist aber von Interesse, ob die Äußerung lange zurückliegt, oder ob sie aktuellen Bezug zum Rechtsstreit oder zur Kündigung hat. Im Ergebnis ist damit der Beklagtenvortrag zum Auflösungsantrag nicht bewertbar, der Auflösungsantrag war ohne Beweiserhebung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 12 Abs. 7 ArbGG.
Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 9.256,50 DM festgesetzt.