Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.11.1994, Az.: 4 Sa 851/94

Nichtberücksichtigung von Teilzeitkräften in tariflichen Vorschriften hinsichtlich der Altersversorgung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
02.11.1994
Aktenzeichen
4 Sa 851/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 10730
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1994:1102.4SA851.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 03.02.1994 - AZ: 3 Ca 217/93
nachfolgend
BAG - 24.09.1996 - AZ: 3 AZR 652/95

Verfahrensgegenstand

Feststellung

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

Amtlicher Leitsatz

Tarifliche Vorschriften, die generell Teilzeitkräfte, die weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeiters oder Angestellten arbeiten, für die Altersversorgung nicht berücksichtigen, sind nichtig.

In dem Rechtsstreit
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 02. November 1994
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ...
und die ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 03.02.1994 - 3 Ca 217/93 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Parteien streiten um Rentenansprüche.

2

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 30.03.1993 bei dem Arbeitsgericht Hannover eingegangenen Klage Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr eine monatliche Rente in der Höhe zu zahlen, die zu zahlen wäre, wenn sie in ihrem gesamten Beschäftigungszeitraum für die Deutsche ... bei der Versorgungsanstalt der Deutschen ... versichert gewesen wäre; hilfsweise die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin für die Dauer des gesamten Arbeitsverhältnisses bei der ... nachzuversichern; weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin den durch die Nichtversicherung entstandenen Schaden zu ersetzen.

3

Die am 17.10.1927 geborene Klägerin war vom 12.06.1971 bis zu ihrem altersbedingten Ausscheiden am 31.10.1992 bei der Beklagten als Arbeiterin bzw. Angestellte in der ... 3 beschäftigt. Im Laufe des Beschäftigungsverhältnisses betrug die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin zwischen 12 und 41 Stunden.

4

Im Zeitraum vom 12.06.1971 bis 29.01.1986 liegen infolge z. T. mehrmonatiger Unterbrechungen zusammenhängende Beschäftigungszeiten von maximal drei Monaten vor. Ab dem 15.02.1986 bis 31.10.1992 war die Klägerin hingegen jedoch ununterbrochen für die Rechtsvorgängerin der Beklagten tätig.

5

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden aufgrund beiderseitiger Tarifbindung und durch arbeitsvertragliche Bezugnahme die Regelungen der Tarifverträge für die Arbeiter und Angestellten der (TV Arb., TV Ang.) Anwendung.

6

Nach § 24 TV Arb bzw. 42 TV Ang. sind Arbeiter und Angestellte bei der VAP nur nach Maßgabe des Versorgungstarifvertrages (VTV) in seiner jeweiligen Fassung versichert. Nach § 3 c VTV in der von 1969 bis 31.12.1987 geltenden Fassung waren Arbeiter und Angestellte bei der VAP zu versichern, wenn die arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche Wochenarbeitszeit mindestens die Hälfte der geltenden regelmäßigen tariflichen Wochenarbeitszeit eines entsprechenden voll beschäftigten Arbeitnehmers betrug. Nach § 3 c VTV in der vom 01.01.1988 bis 31.03.1991 geltenden Fassung bestand die Versicherungspflicht bei der VAP für Angestellte und Arbeiter, wenn die arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche Wochenarbeitszeit mindestens 18 Stunden betrug. Ab 01.04.1991 besteht Versicherungspflicht bei der VAP, wenn der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis steht, in dem er nicht nur i. S. des § 8 Abs. 1 SGB IV ohne Berücksichtigung von § 8 Abs. 2 SGB IV geringfügig beschäftigt ist.

7

§ 4 Abs. 1 VTV sieht u. a. vor, daß ein Arbeiter nicht versichert werden kann, wenn sein Arbeitsverhältnis voraussichtlich nicht länger als 6 Monate dauert. Wird jedoch das Arbeitsverhältnis über diesen voraussichtlichen Zeitraum hinaus verlängert oder fortgesetzt, ist der Arbeitnehmer bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen rückwirkend von Beginn des Arbeitsverhältnisses an zu versichern.

8

§ 35 der Satzung der VAP sieht eine Wartezeit von mind. 5 Jahren Versicherungszeit vor.

9

Wahrend ihrer Beschäftigung bei der Beklagten wurde die Klägerin nur in der Zeit vom 15.02.1986 bis 31.12.1986 bei der VAP versichert.

10

Unter dem 04.01.1993 stellte sie einen Antrag auf Leistung bei der VAP ohne Erfolg.

11

Deshalb begehrt sie mit ihrer vorliegenden Klage die Feststellung der Leistungsverpflichtung der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der ...

12

Die Klägerin meint, daß sie aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen Anspruch auf Zusatzversorgung habe und so gestellt werden müsse, als wäre sie für die gesamte Beschäftigungsdauer bei der VAP versichert gewesen.

13

Die Regelung in § 3 c des Versorgungstarifvertrages hält sie mangels eines sachlichen Grundes auch wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz für unwirksam. Im übrigen beinhalte die Vorschrift auch eine mittelbare Frauendiskriminierung i. S. von Art. 119 EWG-Vertrag, da überwiegend Frauen der Beklagten einer Teilzeitbeschäftigung nachgingen.

14

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin, beginnend ab 01.11.1992, eine monatliche Rente in der Höhe zu zahlen, die zu gewähren wäre, wenn sie in der Zeit vom 12.06.1971 bis zum 31.10.1991 bei der Versorgungsanstalt der ... (VAP) versichert gewesen wäre;

hilfsweise

festzustellen, daß die Beklagte dazu verpflichtet ist, die Klägerin für die Zeit vom 12.06.1971 bis zum 31.10.1992 auf Kosten der Beklagten in einer der Höhe ihres jeweils bezogenen Gehalts entsprechenden Weise bei der VAP nachzuversichern;

weiter hilfsweise

festzustellen, daß die Beklagte dazu verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der der Klägerin dadurch entstanden ist, daß die Klägerin von der Beklagten in der Zeit vom 12.06.1971 bis einschließlich 31.10.1992 nicht auf Kosten der Beklagten bei der VAP versichert wurde.

15

Die Beklagte hat beantragt.

die Klage abzuweisen.

16

Sie behauptet, die Klägerin erfülle bereits die Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 3 b VTV i. V. m. § 35 Abs. 1 der VAP-Satzung nicht. Darüber hinaus meint sie, der Klägerin stehe eine Zusatzversorgung nicht zu, da sie die tariflichen Voraussetzungen des § 3 c VTV unstreitig nicht erfülle. Diese Vorschrift sei auch nicht unwirksam. Für den Fall, daß sie alle Arbeitnehmer, die weniger als 20 bzw. 18 Stunden gearbeitet hätten, nun nachversichern müßte, entstünden ihr auch extrem hohe Belastungen, deren konkrete Berechnung derzeit gar nicht möglich sei. Mindestens jedoch sei eine finanzielle Belastung jährlich in dreistelliger Millionenhöhe zu befürchten.

17

Im übrigen meint die Beklagte, für die Zeit vor dem 31.10.1990 seien Ansprüche der Klägerin verjährt.

18

Durch Urteil vom 03.02.1994 hat das Arbeitsgericht Hannover festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin beginnend ab 01.11.1992 eine monatliche Rente in der Höhe zu zahlen, die zu gewähren wäre, wenn sie in der Zeit vom 15.02.1986 bis 31.10.1991 bei der Versorgungsanstalt der ... (VAP) versichert gewesen wäre und im übrigen die Klage abgewiesen. Die Kosten hat es gegeneinander aufgehoben und den Streitwert auf 4.500,00 DM festgesetzt.

19

In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klage sei mit dem Hauptantrag zulässig, sie sei jedoch nur teilweise begründet.

20

Die Klägerin habe zwar einen Anspruch gegenüber der Beklagten, so gestellt zu werden, als wenn sie während des ständigen Beschäftigungsverhältnisses seit dem 15.02.1986 bei der VAP versichert gewesen wäre. Die davorliegenden Beschäftigungszeiten könnten keine Berücksichtigung finden, da die Klägerin vor dem 15.02.1986 zu keiner Zeit in einem Arbeitsverhältnis von mindestens 6 Monaten zur Beklagten gestanden habe.

21

Die Feststellungsklage sei zulässig, der Antrag sei auch hinreichend bestimmt, die Klage sei auch begründet, soweit es sich um Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten ab 15.02.1986 handele. Die Klägerin erfülle auch die gemäß § 3 b VTV i. V. m. § 35 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der VAP erforderliche Wartezeit von 5 Jahren, da von einer Versicherungszeit für den Zeitraum vom 15.02.1986 bis 31.10.1992 auszugehen sei. Dies ergebe sich aus den von der Beklagten selbst eingereichten Kopien der Personalstammkarte, denn am 15.02.1986 habe die Klägerin in einem mehr als 6 Monate dauernden Arbeitsverhältnis i. S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 VTV gestanden. Die Beklagte habe die Klägerin jedoch lediglich für die Zeit vom 15.02.1986 bis 31.12.1986 versichert. Zwar erfülle die Klägerin für den anschließenden Zeitraum mit einer Wochenarbeitszeit von 12 Stunden die Voraussetzungen des VTV für die Versicherung bei der VAP insoweit nicht, als sie nicht die erforderliche Mindestwochenstundenzahl des § 3 c VTV in seiner jeweils geltenden Fassung gearbeitet habe.

22

Ihr Klagebegehren rechtfertige sich schon nach § 2 Abs. 1 BeschFG, der eine Konkretisierung des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gleichbehandlungsgrundsatzes für den Bereich der Teilzeitarbeit darstelle. Nach dieser Vorschrift sei die Ungleichbehandlung wegen Teilzeit verboten.

23

Eine unterschiedliche Behandlung gegenüber Vollzeitbeschäftigten sei nur dann möglich, wenn sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigten. Die Beklagte habe die Klägerin jedoch in der Zeit ab 01.01.1987 bis zu ihrem Ausscheiden nur wegen des angeblich zu geringen Umfangs ihrer wöchentlichen Tätigkeit von der Zusatzversorgung ausgenommen. Dies sei jedoch kein sachlicher Grund. § 3 c VTV in der jeweiligen Fassung stehe auch einer Zusatzversorgung nicht entgegen. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien ende auch bei der Bildung von auszunehmenden Arbeitnehmergruppen an zwingenden Vorschriften des übergeordneten Rechts, mithin auch an Art. 3 Abs. 1 GG und § 2 Abs. 1 BeschFG, daß die tarifliche Regelung in § 3 c VTV nichtig sei. Tarifhoheit der Verbände stehe dem nicht entgegen.

24

Auch § 6 Abs. 1 BeschFG führe zu keiner anderen Beurteilung, denn nach dieser Vorschrift seien zwar Abweichungen zuungunsten der Arbeitnehmer möglich, doch gehörten dazu nicht sachlich benachteiligende Gestaltungen, entgegen § 2 Abs. 1 BeschFG, der eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes zum Inhalt habe, an den auch die Tarifvertragsparteien gebunden seien.

25

Darüber hinaus sei auch ein Ausschluß von Arbeitnehmern, die nur geringfügig i. S. von § 3 c VTV i. V. m. § 8 Abs. 1 SGB IV beschäftigt werden, nicht gerechtfertigt. Es könne auch dahinstehen, ob die Klägerin überhaupt unter die genannte Vorschrift falle, denn auch geringfügig Beschäftigte seien Teil zeitkräfte i. S. des BeschFG.

26

An diesem Ergebnis ändere auch nichts der Grundsatz des Vertrauensschutzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG, denn die auch im Rückwirkungszeitraum geltende Rechtslage und die bisherige Rechtsprechung hätten bei der Beklagten kein rechtsschutzwürdiges Vertrauen darauf entstehen lassen, daß teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund von Versorgungsregelungen ausgenommen werden könnten. Auch die von der Beklagten befürchtete Kostenbelastung sei nicht geeignet, Ansprüche der Klägerin zurücktreten zu lassen. Auch die Entscheidung des EuGH vom 06.10.1993 (DB 1993, Seite 2132) stehe dem nicht entgegen.

27

Art. 119 Abs. 1 EWG-Vertrag gebe allerhöchstens einen weiteren Anspruch der Klägerin nach einem bestimmten vom EuGH vorgesehenen Stichtag. Ansprüche der Klägerin seien auch nicht verjährt, weil der Anspruch auf Altersversorgung hier einem Rentenstammrecht, der 30-jährigen Verjährungsfrist unterfiel. Abzuweisen sei jedoch die Klage, soweit die Klägerin die Feststellung begehre, daß auch ihre Beschäftigungszeiten vor dem 01.01.1987 als Versicherungszeiten anzusehen seien, denn § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 VTV setzten ein 6-monatiges Bestehen des Arbeitsverhältnisses für eine Versicherung voraus. Da die Klägerin früher jedoch nie länger als 6 Monate zusammenhängend in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden habe und die Nichtversicherung der Kurzzeittätigkeit für Teilzeit- und Vollzeitarbeitnehmer gelte, sei auch ein Verstoß gegen Gleichbehandlungsgebot anzusehen.

28

Wegen der Entscheidungsgründe im einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

29

Dieses Urteil ist der Beklagten am 20.04.1994 zugestellt worden. Sie hat dagegen Berufung einlegen lassen, die am 13.05.1994 und deren Begründung nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 13.07.1994 am 13.07.1994 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist.

30

Die Beklagte rechtfertigt ihre Berufung nach Maßgabe ihres Begründungsschriftsatzes vom 13.07.1994 (Bl. 186 ff. d. A.), auf den Bezug genommen wird.

31

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

nach den Schlußanträgen erster Instanz zu entscheiden.

32

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt.

die Berufung zurückzuweisen.

33

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 13.09.1994 (Bl. 203 ff. d. A.), auf den ebenfalls Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

34

Die Berufung in dieser vermögensrechtlichen Streitigkeit ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes offenkundig 800,00 DM übersteigt, wie auch aus der Streitwertfestsetzung erster Instanz ersichtlich ist.

35

Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden und damit insgesamt zulässig.

36

Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg, weil das Arbeitsgericht den Rechtsstreit zutreffend entschieden hat.

37

Das Landesarbeitsgericht schließt sich den zutreffenden Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils in vollem Umfang an und verweist auf sie (§ 543 ZPO).

38

Ergänzend wird auf folgendes hingewiesen:

39

Nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, der durch Art. 1, § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 lediglich eine Konkretisierung erfahren hat, rechtfertigt das unterschiedliche Arbeitspensum der Vollzeit- und der Teilzeitbeschäftigten allein keinen vollständigen Ausschluß der Teilzeitbeschäftigten von Leistungen einer betrieblichen Altersversorgung. Die für den Ausschluß der Teil zeitkräfte maßgeblichen Sachgründe müssen vielmehr anderer Art. sein; etwa auf Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz beruhen (vgl. BAG AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG, Gleichbehandlung, BAG vom 25.10.1994, 3 AZR 149/94 m. w. N.).

40

Genauso wie § 9 Abs. 1 TV Arb. Nichtig ist, soweit darin bei den Postdienstzeiten Zeiten einer Beschäftigung mit weniger als der Hälfte der jeweils geltenden regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeiters nicht berücksichtigt werden (vgl. BAG vom 05.11.1992, 6 AZR 420/91 und vom 16.09.1993, 6 AZR 691/92), sind tarifliche Vorschriften nichtig, die generell Teilzeitkräfte, die weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeiters oder Angestellten für die Altersversorgung nicht berücksichtigen, nichtig sind.

41

Etwaige Ansprüche der Klägerin sind weder verjährt noch verfallen. Die Ausschlußfristen des Tarifvertrages können sich allerhöchstens auf die jeweiligen Leistungen und niemals auf das Stammrecht der betrieblichen Altersversorgung beziehen (vgl. BAG AP Nr. 121 zu § 4 TVG, Ausschlußfristen). Hier kommt hinzu, daß die Klägerin etwaige Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hat.

42

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auch darauf, daß sie mit einer Inanspruchnahme aufgrund der mit der Deutschen Postgewerkschaft geschlossenen Tarifverträge nicht habe rechnen müssen und durch die Rechtsprechung des EuGH auch eine Rückwirkung zeitlich begrenzt sei.

43

Ausgangspunkt der europarechtlichen Diskussion zur betrieblichen Altersversorgung in Deutschland war das sogenannte ... In diesem hat der vom BAG angerufene EuGH (NJW 1986, 3020) entschieden, daß der Ausschluß teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer gegen Art. 119 EWG-Vertrag verstoße, wenn diese Maßnahme wesentlich mehr Frauen als Männer treffe; es sei denn, das Unternehmen lege dar, daß diese Maßnahme auf solchen Faktoren beruhe, die objektiv gerechtfertigt und nicht auf eine geschlechtsspezifische Diskriminierung zurückzuführen seien. Mit dieser Entscheidung hat die mittelbare Diskriminierung Einzug in das deutsche Arbeitsrecht gehalten. Das BAG hat die Entscheidungsgrundsätze des EuGH übernommen und bestätigt, daß auch eine nur mittelbare Diskriminierung zur Gleichbehandlung führen muß (vgl. BAG NZA 1987, 445 [BAG 14.10.1986 - 3 AZR 66/83]). Dies ist auch seither ständige Rechtsprechung des BAG. Besondere Aufmerksamkeit hat das ... aber auch deshalb erlangt, weil sich der beklagte Arbeitgeber weder mit dem Urteil des EuGH noch mit der anschließenden BAG-Entscheidung abgefunden, sondern zusätzlich noch das Bundesverfassungsgericht angerufen hat. Dabei ging es im wesentlichen nur um eine zeitliche Einschränkung der Konsequenzen aus der EuGH- bzw. BAG-Rechtsprechung. Mit Urteil vom 28.09.1992 (NZA 1993, 213 [BVerfG 28.09.1992 - 1 BvR 496/87]) hat das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung des BAG zur zeitlich unbegrenzten Rückwirkung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausdrücklich bestätigt und jeglichen Vertrauensschutz zugunsten betroffener Arbeitgeber für die hier streitige Frage der Einbeziehung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in ein bestehendes betriebliches Versorgungswerk kategorisch abgelehnt. Mithin ist die Frage der Einbeziehung von Teilzeitbeschäftigten in betriebliche Versorgungssysteme insoweit behandelt, als ihr vollständiger Ausschluß, soweit keine von der Rechtsprechung anzuerkennenden Rechtfertigungsgründe vorliegen, unzulässig ist. Dagegen ist in diesem Zusammenhang die Behandlung von geringfügig Beschäftigten i. S. von § 8 Abs. 1 SGB IV noch nicht abschließend geklärt gewesen (vgl. BAG NJW 1932, 874; Langohr-Plato, MDR 1994, 120 f.). Auch wenn der EuGH in seinem Urteil vom 06.10.1993 in der Rechtssache ... dargestellt hat, daß seine Rechtsprechung unmittelbare Wirkung zur Stützung von Forderungen nach Gleichbehandlungen auf dem Gebiet der beruflichen Renten und für Leistungen geltend gemacht werden kann, die für Beschäftigungszeiten nach dem 17.05.1990 geschuldet werden, dann gilt dies nicht für den hier auf Verletzung von § 2 BeschFG gestützten Anspruch auf Gleichbehandlung.

44

Das Landesarbeitsgericht schließt sich im übrigen den Entscheidungen des BAG vom 28.07.1992, 3 AZR 35/92 und 3 AZR 176/92 in vollem Umfang an, soweit dort ausgeführt wird, daß der Anspruch des Arbeitnehmers auf Gleichbehandlung nicht voraussetzt, daß der Arbeitgeber schuldhaft gehandelt haben muß, denn der Arbeitnehmer, der Gleichbehandlung begehrt, verlangt nicht Schadenersatz, sondern Erfüllung seines Anspruchs auf Gleichbehandlung. Die Klägerin verlangt unter Berufung auf das Gebot der Gleichbehandlung, so behandelt zu werden, als sei auch sie Angehörige der in der VAP versicherten und daher begünstigten Gruppe. Sie verlangt damit nur Erfüllung derjenigen Ansprüche, die der begünstigten Gruppe von vergleichbaren längerzeitig beschäftigten Arbeitnehmern zustehen. Daraus folgt, daß die Klägerin für die streitbefangene Zeit keinen verschuldensabhängigen Schadenersatzanspruch, sondern einen Erfüllungsanspruch geltend macht. Die Beklagte ist auch passiv legitimiert, denn durch ihre tarifliche Regelung hat sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin die teilzeitbeschäftigte Klägerin unter Verletzung des Gebots der Gleichbehandlung von der VAP-Zusatzversorgung ausgeschlossen. Daher ist die Beklagte auch verpflichtet, der Klägerin eine gleichwertige Versorgung zukommen zu lassen.

45

Der Auffassung der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts vom 06.08.1993, - 3 Sa 1256/91 - kann deshalb nicht beigetreten werden.

46

Gerade wenn man berücksichtigt, daß schon 1986 auf Vorlage des Bundesarbeitsgerichts die Verpflichtung eines Arbeitgebers bestand, auch Teilzeitbeschäftigten anteilige Versorgungsleistungen zu gewähren, ohne, daß ein vertraglicher oder tariflicher Anspruch darauf besteht, dann hätte die Beklagte daraus Folgerungen ziehen müssen und nicht mit einer willfährigen Gewerkschaft verfassungswidrige Tarifverträge abschließen dürfen.

47

Sie kann sich jedenfalls nicht darauf berufen, daß sie mit einer derartigen Inanspruchnahme völlig schuldlos nicht habe rechnen müssen. Jedenfalls für den hier streitigen Zeitraum war bereits höchstrichterlich anerkannt, daß zumindest eine mittelbare Frauendiskriminierung darin zu sehen sein kann, daß Teilzeitbeschäftigte und damit überwiegend Frauen von Leistungen einer betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen werden.

48

Ob die Beklagte allein oder zusammen mit der Postgewerkschaft für die Folgen der gesetzwidrigen Tarifverträge einzustehen hat, war hier nicht zu entscheiden.

49

Deshalb war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

50

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.