Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.03.1994, Az.: 12 Sa 1254/93
Tarifgerechte Vergütung nach den Tarifverträgen der Metallindustrie des Nordwestlichen Niedersachsens (GRTV 1991); abgrenzung zwischen Neueingruppierung und Umgruppierung; Einstufung in eine Gehaltsgruppe nach der Erfüllung der Anforderungen von Gruppenmerkmalen; Darlegungslast und Beweislast für die richtige Eingruppierung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 04.03.1994
- Aktenzeichen
- 12 Sa 1254/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 10731
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1994:0304.12SA1254.93.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Wilhelmshaven - 09.06.1993 - AZ: 1 Ca 833/92
In dem Rechtsstreit
hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 1994
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Röder und
die ehrenamtlichen Richter Kleesath und
Mewes
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 09.06.1993 - 1 Ca 833/92 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Vergütung der Klägerin.
Die Klägerin ist seit dem 1. Juli 1971 bei der Beklagten beschäftigt, und zwar in den letzten Jahren (seit 1974) als Materialdisponentin. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft vertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge der Metallindustrie des Nordwestlichen Niedersachsens Anwendung. Vor Inkrafttreten des neuen Gehaltsrahmentarifvertrages für die Angestellten in der Metallindustrie des Nordwestlichen Niedersachsens vom 11. Oktober 1991 (GRTV 1991) erhielt die Klägerin eine Vergütung gemäß Gruppe K 5 des Gehaltsrahmentarifvertrages für die Angestellten der Metallindustrie des Nordwestlichen Niedersachsens vom 30. November 1977/31. Mai 1979 (das war die zweithöchste Stufe). Nunmehr beabsichtigt die Beklagte ab 1. August 1992 die Klägerin der Gruppe 6 H GRTV 1991 (3 Gruppen unter der Höchstgruppe) zuzuordnen, während die Klägerin eine Einstufung in die Gehaltsgruppe 7 H begehrt.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 118 bis 120 d.A.) sowie den Inhalt der zu den Akten erster Instanz gelangten Schriftsätze und Anlagen.
Das Arbeitsgericht hat durch das am 9. Juni 1993 verkündete Urteil die Klage abgewiesen. Wegen der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen auf Bl. 120 bis 125 d.A.
Gegen das ihr am 29. Juni 1993 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Juli 1993 Berufung eingelegt und diese am 27. August 1993 begründet.
Sie macht geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts handele es sich im Streitfalle nicht um eine Neueingruppierung, sondern um eine Umgruppierung. Falsch sei auch, daß das neue Tarifschema eine vollständige inhaltliche Neuordnung beinhalte, wenn nach der Neuregelung genau derselbe Mitarbeiterkreis - ohne Qualifikationserweiterung nach unten oder oben - nun in einem Schema von neuen Gehaltsgruppen unterzubringen sei, möge dies gewisse Differenzierungen ermöglichen, nicht jedoch rechtfertigen, daß nun der Gruppe 6 entsprechen solle, was früher für die Gruppe 5 gut genug gewesen sei. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts müsse auch vorliegend von einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen werden. Da die Beklagte sich entschieden habe, die Klägerin in die angefochtene Gruppe einzustufen, habe die Klägerin als die Betroffene einen Anspruch darauf, daß ihr die Arbeitgeberin erläutere, von welchem Begriffsinhalt ausgegangen sei und warum im konkreten Fall die Einstufung entsprechend subsumiert worden sei.
Wegen weiterer Einzelheiten des berufungsbegründenden Vortrages wird Bezug genommen auf den Inhalt des klägerischen Schriftsatzes vom 25. August 1993 (Bl. 136 bis 143 d.A.).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven zu Az. 1 Ca 833/92 vom 09.06.1993 - zugestellt am 29. Juni 1993 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin in die Gehaltsgruppe 7 H des Gehaltsrahmentarifvertrages für die Angestellten der Metallindustrie im Nordw. Niedersachsen einzustufen, und zwar ab 1. August 1992.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 4. Oktober 1993 (Bl. 146 bis 149 d.A.).
Entscheidungsgründe
Die aufgrund der Höhe des Streitwerts statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig. Die Berufung hat jedoch keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit der Parteien zutreffend entschieden. Die Kammer schließt sich seiner Begründung an und macht sie sich zu eigen. Ergänzend ist noch folgendes auszuführen:
Auf das Arbeitsverhältnis findet der GRTV 1991 aufgrund einzelvertraglicher Regelung Anwendung. Demnach gelten die Eingruppierungsgrundsätze des § 4 GRTV 1991. Nach dieser Vorschrift (§ 4 Nr. 1 Satz 1, Nr. 2 Satz 3, Nr. 4) ist das zu zahlende Gehalt nicht etwa von einer durch den Arbeitgeber vorzunehmenden "Eingruppierung" oder "Umgruppierung" abhängig, sondern folgt aus der Tätigkeit des Angestellten. Entscheidend ist dabei die überwiegende Tätigkeit. Allein aus der Erfüllung der Anforderungen der Gruppenmerkmale (§ 4 Nr. 3 Satz 2 GRTV 1991) durch die Klägerin ergibt sich zwingend und unmittelbar ihre Einstufung in die zutreffende Gehaltsgruppe und damit ihr Anspruch auf Zahlung der entsprechenden Vergütung. Die bisherige Bezahlung nach einer bestimmten Gehaltsgruppe des abgelösten Tarifvertrages begründet weder Beweis noch Vermutung dafür, daß die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit die Gruppenmerkmale der betroffenen Gruppe erfüllt hat (vgl. etwa BAG AP Nrn. 52 und 63 zu § 3 TOA, Nr. 79 zu §§ 22, 23 BAT; Nr. 19 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Einzig die Erfüllung der Gruppenmerkmale ist entscheidend für die Eingruppierung in die neu geregelten Gehaltsgruppen, denn mangels entsprechender Übergangs- und Besitzstandsklausel im GRTV 1991 ist die bisherige Einstufung nicht automatisch maßgebend für die Zuordnung zu den neuen Gruppen. Es kann auch nicht der Ansicht der Klägerin gefolgt werden, im vorliegenden Fall treffe den Arbeitgeber und damit die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für die richtige Eingruppierung. Die neue Gehaltsgruppenstruktur bedingt eine Festlegung der Gehaltsgruppe der Klägerin durch die Beklagte. Dem ist die Beklagte unter Beachtung des § 9 GRTV 1991 nachgekommen. Wenn der Klägerin die getroffene Zuordnung unrichtig erscheint, so ist sie - wie vorliegend geschehehen - nicht gehindert, die Eingruppierung gerichtlich überprüfen zu lassen. Es handelt sich jedoch hierbei nach Ansicht der Kammer um einen normalen Eingruppierungsprozeß, zu dessen Grundsätzen es gehört, daß den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die gewünschte Vergütungs- bzw. Gehaltsgruppe trifft (vgl. etwa BAG AP Nrn. 36 und 97 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Hiervon abzuweichen besteht kein triftiger Grund.
Dem Arbeitsgericht ist schließlich auch beizupflichten, wenn es angenommen hat, die Klägerin habe ihrer Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht genügt. Dem Vortrag der Klägerin ist bereits nicht zu entnehmen, welches ihre überwiegend auszuübende Tätigkeit ist, weil jegliche zeitlichen Angaben zu den Hauptaufgaben in der Arbeitsplatzbeschreibung fehlen.
Eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil unter der Rubrik "Kompetenz" unterschiedliche Schwierigkeitsgrade angekreuzt worden sind. Auch mehrere für sich allein nicht überwiegende sogenannte Teiltätigkeiten sind nicht exakt festzustellen, denn der zeitliche Anteil der Hauptaufgaben ist - wie bereits erwähnt - nicht ersichtlich.
Die Berufung war nach alledem mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.