Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.02.1994, Az.: 4 Ta 35/94

Streitwertfestsetzung bei mehreren zeitnah ausgesprochenen Kündigungen desselben Arbeitsverhältnisses, die Gegenstand eines Rechtsstreits sind

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
08.02.1994
Aktenzeichen
4 Ta 35/94
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1994, 10742
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1994:0208.4TA35.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Verden - 31.01.1994 - AZ: 1 Ca 482/93

Fundstelle

  • MDR 1994, 627-628 (Volltext mit red./amtl. LS)

Prozessführer

des Herrn ...

...

Prozessgegner

die ...

Tenor:

wird die Beschwerde gegen den Streitwertbeschluß des Arbeitsgerichts Verden vom 31. Januar 1994 auf Kosten der Beschwerdeführer zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 943,00 DM festgesetzt.

Gründe

1

Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis des Klägers in der Zeit vom 23. März 1993 bis 17. September 1993 insgesamt 7mal, zuletzt zum 31. März 1994 gekündigt. Gegen diese Kündigungen insgesamt wehrte sich der Kläger im Rechtsstreit 1 Ca 482/93.

2

Darüber hinaus machte er Zahlungsansprüche für die Zeit nach Ausspruch der ersten und vor Ablauf der letzten Kündigung in Höhe von insgesamt 53.878,52 DM geltend.

3

Im Termin vom 18. Januar 1994 wurde zwischen den Parteien ein umfangreicher Vergleich geschlossen, auf dessen Inhalt verwiesen wird.

4

Nach Abschluß des Vergleichs beantragten die Prozeßbevollmächtigten des Klägers Streitwertfestsetzung und führten dazu in ihrem Schriftsatz vom 24. Januar 1994 aus, daß bei mehreren zeitlich nicht dicht beieinander liegenden Kündigungen zu unterschiedlichen Beendigungszeiträumen ein besonderer Streitwert für die weiteren Kündigungen anzusetzen sei, und zwar nach der sogenannten Differenzmethode. Sie begehrten deshalb für die Feststellungen unter Zugrundelegung von einem Monatsverdienst von 7.052,00 DM die Festsetzung eines Gegenstandwertes von 56.416,00 DM zuzüglich der Zahlungsansprüche, mithin die Festsetzung eines Gegenstandswertes für das Verfahren in Höhe von 110.294,52 DM.

5

Für den Vergleich, durch den weitere 42.400,00 DM anderweitiger oder nicht rechtshängiger Ansprüche mitverglichen wurden, begehrten sie demgemäß Festsetzung eines Streitwertes von 152.694,52 DM.

6

Das Arbeitsgericht ist der Argumentation der Antragsteller nur teilweise gefolgt und hat unter Zugrundelegung eines Bruttomonatsgehalts von 8.000,00 DM den Wert der Feststellungen nur mit einem Vierteljahresbezug, nämlich 24.000,00 DM angenommen und dementsprechend für das Verfahren einen Streitwert auf 77.378,52 DM und für den weitergehenden Vergleich unter Hinzurechnung des Betrages von 42.400,00 DM von 119.778,52 DM angenommen.

7

Dieser Beschluß ist den Antragstellern nicht förmlich zugestellt worden. Sie haben dagegen Beschwerde eingelegt, die am 3. Februar 1994 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist.

8

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache gemäß §§ 571 ZPO, 78 Abs. 1 S. 2 ArbGG dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

9

Die befristete Beschwerde ist gemäß § 10 Abs. 3 S. 1 BRAGO statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes offenkundig 100,00 DM übersteigt. Die Beschwerde ist auch rechtzeitig innerhalb der Frist des § 10 Abs. 3 S. 3 BRAGO eingelegt worden und damit insgesamt zulässig. Die Beschwerdefrist hatte ohnehin nicht zu laufen begonnen, weil das Arbeitsgericht entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift diesen Beschluß nicht zugestellt hatte.

10

Die Beschwerde erweist sich jedoch nicht als begründet.

11

Die Bewertung mehrerer zeitnah ausgesprochener Kündigungen desselben Arbeitsverhältnisses, die Gegenstand eines Rechtsstreits sind, ist zwar nach wie vor heftig umstritten. Mit der Beantwortung der Frage, ob der Vierteljahresverdienst des § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG ein Regelwert für jeden Beendigungsakt ist und nur geprüft werden kann, ob für nachfolgende Beendigungsakte eine streitwertmäßige Privilegierung angebracht ist oder dem sozialen Anliegen des Gesetzgebers nur dann Rechnung getragen wird, wenn auch bei mehreren zeitnahen Kündigungen desselben Arbeitsverhältnisses, die gerichtlich bekämpft werden, der Höchstbetrag des § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG nicht überschritten werden darf, sind die Weichen gestellt. In diesem Rahmen bewegt sich auch die Rechtsprechung. Ist neben einer fristlosen Kündigung eine ordentliche Kündigung ausgesprochen worden, so beträgt der Streitwert auch dann nicht mehr als 3 Monatsbezüge, wenn der Arbeitnehmer beide Kündigungen mit der Kündigungsschutzklage angreift (vgl. LAG Frankfurt, AR-Blattei D Kündigungsschutzentscheidung Nr. 130). Dasselbe gilt auch dann, wenn mehrere Kündigungen ausgesprochen wurden und in einem Verfahren - wie hier - verhandelt werden (vgl. BAG AP Nr. 16 zu § 12 ArbGG 1953; BAG vom 16. Dezember 1978 - 5 AZR 824/78; BAG EzA § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 34).

12

Dies folgt daraus, daß § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG nicht die einzelne Kündigung, d.h. den einzelnen Beendigungsakt begünstigt, sondern die "Rechtsstreitigkeit über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses", wobei die Kündigung als Beispiel für einen Beendigungsakt anzusehen ist. Denn auch bei mehreren Kündigungen geht es um die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Daher ist es angebracht, daß es auch mehreren Kündigungen bei "höchstens" dem Vierteljahresverdienst als Streitwert zu verbleiben hat (vgl. Satzky. RdA 1986, 361; Grunsky, ArbGG, 6. Auflage, § 12 Randziffer 5; KR-Wolff, 3. Auflage. § 4 KSchG, Randziffer 279 a m.w.N.; LAG Niedersachsen vom 11. Januar 1993 - 4 Ta 3/93 n. v.).

13

Der Auffassung des Arbeitsgerichts war daher zu folgen und die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO auf Kosten der Beschwerdeführer zurückzuweisen.

14

Der Wert des Beschwerdegegenstandes war mit dem Unterschiedsbetrag der Gebühren nach dem festgesetzten und dem mit der Beschwerde begehrten Streitwert zuzüglich Mehrwertsteuer anzunehmen.

15

Gegen diesen Beschluß ist gemäß § 78 ArbGG ein Rechtsmittel nicht gegeben.