Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.08.1994, Az.: 7 Sa 1864/93
Anspruch auf eine tarifliche Jahressonderzahlung ; Auslegung von Tarifverträgen ; Ruhen eines Arbeitsverhältnisses; Anhaltende Erkrankung eines Arbeitnehmers ; Auswirkungen der Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 25.08.1994
- Aktenzeichen
- 7 Sa 1864/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 10757
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1994:0825.7SA1864.93.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg - 14.07.1993 - AZ: 2 Ca 37/93
Rechtsgrundlagen
- § 1 TVG
- § 611 BGB
- § 323 BGB
- § 275 BGB
In dem Rechtsstreit
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 25. August 1994
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 14.07.1993, 2 Ca 37/93, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für das Jahr 1992 eine tarifliche Jahressonderzahlung zusteht, obwohl er in diesem Jahr durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war und Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen hat.
Der am 6. Oktober 1952 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit 1974 bei der Beklagten als Betriebsmaler beschäftigt und bezog zuletzt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 3.165,37 DM. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Brot- und Backwarenindustrie, den Betrieben der Großbäckereien und den Betrieben des Brot- und Backwarenvertriebes für das Gebiet Niedersachsen/Bremen (Bl. 26-37 d.A.) Anwendung.
Aufgrund eines Betriebsunfalles ist der Kläger seit dem 5. Januar 1990 arbeitsunfähig erkrankt. Vom 17. Februar 1990 bis zum 5. Juli 1991 bezog der Kläger Krankengeld. Im Anschluß daran wurde ihm durch Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes Vechta vom 25. September 1991 (Bl. 49 d.A.) Arbeitslosengeld ab 9. Juli 1991 gewährt. Die Beklagte hatte in einer Arbeitsbescheinigung vom 25. Juli 1991 (Bl. 50 d.A.) u.a. als Grund für die Beendigung der Beschäftigung angegeben: "Erkrankung: weiterhin nicht arbeitsfähig". Auf Aufforderung des Arbeitsamtes (Bl. 45 d.A.) hatte die Beklagte unter dem 10. September 1991 dem Arbeitsamt mitgeteilt, "daß wir auf die Verfügungsgewalt verzichten" (Bl. 46 d.A.).
Am 5. Februar 1992 wurde dem Kläger dann für die Zeit ab 1. Juli 1991 Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit gewährt.
Für das Jahr 1991 zahlte die Beklagte an den Kläger eine Jahressonderzahlung gemäß § 13 MTV. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1992 machte der Kläger dann die Zahlung der Jahressonderzuwendung auch für das Jahr 1992 geltend, was von der Beklagten unter dem 28. Dezember 1992 abgelehnt wurde. Mit seiner am 15. Januar 1993 zugestellten Klage verfolgt der Kläger dieses Begehren weiterhin.
Das Arbeitsgericht hat durch ein den Parteien am 1. Oktober 1993 zugestelltes Urteil vom 14. Juli 1993, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 57-69 d.A.), die Beklagte zur Zahlung von 3.640,18 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 15. Januar 1993 verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der im Streit stehende MTV enthalte keine Bestimmungen, die die Kürzung der Jahressonderzuwendung auch im Falle lang anhaltender Erkrankung und Erwerbsunfähigkeit erlaubte. Weder Krankheit noch Erwerbsunfähigkeit würden zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses führen. Eine Ruhensvereinbarung sei von den Parteien auch weder ausdrücklich noch konkludent geschlossen worden. Die Umstände des Einzelfalles ließen nicht mit genügender Deutlichkeit darauf schließen, daß der Kläger nicht nur mit Rücksicht auf seine fortdauernde Erkrankung nicht mehr beschäftigt werde. Die Verzichtserklärung auf die Verfügungsgewalt aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers habe die Beklagte lediglich gegenüber dem Arbeitsamt Vechta abgegeben, ohne daß der Kläger in die Korrespondenz einbezogen worden sei. Der Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld sei von dem Kläger nur durch entsprechende Erklärung gegenüber der Arbeitsverwaltung gestellt worden und nicht gegenüber der Beklagten. Auch aus der Arbeitsbescheinigung gehe hervor, daß der Kläger im Hinblick auf die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit nicht weiterbeschäftigt werde. Im übrigen folge aus der tatsächlichen Zahlung der Jahressonderzuwendung für das Jahr 1991, daß die Beklagte offenbar selbst im Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Sonderzuwendung nicht davon ausgegangen sei, daß mit dem Kläger eine konkludente Ruhensvereinbarung getroffen worden sei.
Hiergegen richtet sich die am 1. November 1993 eingelegte und am 29. November 1993 begründete Berufung der Beklagten.
Die Beklagte ist der Auffassung, die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Erziehungsurlaubes sei auf den Fall längerer krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit zu übertragen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ruhe vorliegend kraft Gesetzes, die Hauptleistungspflichten, Arbeitspflicht und Lohnzahlungspflicht, seien für eine längere Zeit suspendiert. Denn im Falle einer Leistungsstörung im Sinne der §§ 275, 323 BGB seien die Parteien per Gesetz von der Leistungspflicht befreit.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 14.07.1993 - 2 Ca 37/93 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger weist darauf hin, daß er gemäß § 275 BGB im Falle der Krankheit von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreit sei, während die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers nach § 323 BGB beurteilt werde. Bei beiden Vorschriften handele es sich um Rechtsfolgeregelungen. Bei einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses sei demgegenüber das Ruhen Tatbestandsvoraussetzung und nicht Rechtsfolge.
Im übrigen habe der Kläger keine Vereinbarung über das Ruhen des Arbeitsverhältnisses getroffen. Eine entsprechende Erklärung sei insbesondere nicht in dem Antrag auf Arbeitslosengeld zu sehen, da er damit lediglich zum Ausdruck habe bringen wollen, daß er alle ihm rechtlich zustehenden Möglichkeiten ausnutzen wolle, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Die Verfügungsgewaltverzichtserklärung der Beklagten habe demgegenüber keine rechtliche Bedeutung. Sie sei noch nicht einmal Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 518, 519 ZPO, 64, 66 Arbeitsgerichtsgesetz.
Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht nämlich festgestellt, daß dem Kläger für das Jahr 1992 ein Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung in unstreitiger Höhe von 3.640,18 DM brutto gemäß § 13 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Brot- und Backwarenindustrie Niedersachsen/Bremen zusteht. Nach § 13 Ziffer 1 dieses unstreitig auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren MTV erhalten Arbeitnehmer, die am 1. Dezember eines Kalenderjahres eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von sieben Monaten haben und sich an diesem Tage im ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, eine Jahressonderzuwendung. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Am 1. Dezember 1992 bestand nämlich das Arbeitsverhältnis seit weitaus mehr als sieben Monaten, eine Kündigung war zu diesem Zeitpunkt auch nicht ausgesprochen worden.
Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 13 Ziffer 3 MTV liegen nicht vor. Danach erhalten anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht, keine Leistung.
Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff des Ruhens nicht definiert. Es ist daher durch Auslegung zu ermitteln, was darunter zu verstehen ist.
Die Auslegung von Tarifverträgen erfolgt, wie die Gesetzesauslegung, in erster Linie nach dem Wortlaut der auszulegenden Vorschrift. Zu berücksichtigen sind dabei der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der Sinn und Zweck der Tarifnorm, soweit sie in dieser ihren Niederschlag gefunden haben. Ferner ist der tarifliche Gesamtzusammenhang einzubeziehen, der Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern kann. Bleiben bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlautes und des tariflichen Gesamtzusammenhanges im Einzel fall noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auf weitere Gesichtspunkte, wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, BAG vom 12. September 1984, 4 AZR 336/82, AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; vom 24.11.1988, 6 AZR 243/87, AP Nr. 127 zu § 611 BGB Gratifikation; vom 17. Dezember 1992, 10 AZR 427/91).
Da das Ruhen des Arbeitsverhältnisses ein in der Rechtssprache gebräuchlicher Begriff ist, kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien ihn im allgemeinen anerkannten Sinne verstanden wissen wollen (BAG vom 10.05.1989, 6 AZR 660/87, NZA 1989, Seite 759 ff.). Ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses liegt mithin dann vor, wenn die wechselseitigen Hauptpflichten (Arbeitsleistung und Vergütung) suspendiert sind und somit der jeweilige Gläubiger von seinem Schuldner die Erbringung der Leistung nicht verlangen und nicht durchsetzen kann (BAG vom 10.05.1989, a.a.O.).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt bei einer auch lang anhaltenden Erkrankung des Arbeitnehmers kein Ruhen des Arbeitsverhältnisses vor (BAG vom 29.08.1979, 5 AZR 293/79, AP Nr. 103 zu § 611 BGB Gratifikation, BAG vom 7. September 1989, 6 AZR 637/88, NZA 1990, Seite 498; BAG vom 23.08.1990, 6 AZR 124/89, Betriebsberater 1990, Seite 2338). Denn bei der durch Krankheit bedingten Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers liegt keine durchgehende wechselseitige Suspendierung der Hauptpflichten eines Arbeitsverhältnisses vor, vielmehr handelt es sich um eine Leistungsstörung im Sinne des allgemeinen Schuldrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches, die abweichend von den bürgerlich rechtlichen Bestimmungen der §§ 275, 323 BGB teilweise arbeitsrechtlich und teilweise sozialrechtlich zugunsten des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers gesetzlich gelöst worden ist.
Auch bei Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente tritt nicht kraft Gesetzes ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses ein (BAG vom 07.06.1990, 6 AZR 52/89, NZA 1990, Seite 943 ff.; BAG vom 06.12.1990, 6 AZR 494/89, NZA 1991, Seite 387, 388). Denn die Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente durch den Rentenversicherungsträger hat zunächst keine Auswirkungen auf die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Die erkennende Kammer sieht keinen Anlaß, von dieser zutreffenden gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abzuweichen. Insbesondere vermag das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Februar 1993 (10 AZR 450/91, NZA 1993, Seite 801 ff.) eine abweichende Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung nämlich seine Rechtsprechung zu der Frage, wann ein Arbeitsverhältnis ruht, nicht geändert. Vielmehr hat es bereits in seinem Urteil vom 10. Mai 1989 (6 AZR 660/87, NZA 1989, Seite 759 ff.) angenommen, daß ein Arbeitsverhältnis während der Dauer des Erziehungsurlaubes ruht. Das Bundesarbeitsgericht ist lediglich davon ausgegangen, daß dieses Ruhen nicht kraft Gesetzes oder Vereinbarung erfolge. Diese Einschränkung wurde in der genannten Entscheidung vom 10. Februar 1993 aufgegeben, nicht jedoch die Frage, wann überhaupt von einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses auszugehen ist.
Tatsächlich sind auch hinreichende Unterscheidungsmerkmale vorhanden, die es rechtfertigen, zwischen Fehlzeiten aufgrund Erziehungsurlaub oder beispielsweise Wehrdienst einerseits und lang anhaltender Arbeitsunfähigkeit andererseits zu differenzieren. Einberufung zum Grundwehrdienst und Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubes sind nämlich Tatbestände, an deren Verwirklichung die gesetzliche Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses knüpft.
Anders ist die Rechtslage bei dem Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit. Hier sieht das Gesetz kein Ruhen des Arbeitsverhältnisses vor, vielmehr handelt es sich nach der zutreffenden BAG-Rechtsprechung um eine Leistungsstörung im Sinne des Schuldrechts, die nicht ohne weiteres eine Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten zur Folge hat. Dies folgt bereits daraus, daß der Arbeitgeber zunächst für die Dauer von sechs Wochen, tarifvertraglich teilweise sogar länger, zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet ist. Es bedarf deshalb, um den Ruhenstatbestand zu erreichen, regelmäßig der Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, das Arbeitsverhältnis nicht zu kündigen, sondern in seinem Rahmen unter gleichzeitiger Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten fortbestehen zu lassen. Dabei kann eine derartige Vereinbarung auch konkludent durch übereinstimmendes Handeln der Parteien geschlossen werden, die aus der tatsächlichen Einstellung der wechselseitigen Hauptpflichten jedoch nicht ohne weiteres folgt. Denn wenn der Arbeitnehmer nicht nur erwerbsunfähig, sondern auch arbeitsunfähig krank ist, kann die Einstellung der Arbeit einerseits und die Zahlung des Entgelts andererseits auch darauf beruhen, daß sich der Arbeitnehmer stets krank gemeldet und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt hat und der gesetzliche Fortzahlungszeitraum abgelaufen war. Ist das Verhalten der Parteien oder auch nur einer Partei auf die Einhaltung dieses rechtlichen Rahmens zu deuten, so fehlt es an einer Ruhensvereinbarung (so ausdrücklich BAG vom 07.06.1990, NZA 1990, Seite 943, 944 [BAG 07.06.1990 - 6 AZR 52/89]).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze konnte vorliegend auch nicht festgestellt werden, daß die Parteien eine Ruhensvereinbarung in diesem Sinne getroffen haben. Ausdrücklich ist eine derartige Vereinbarung von den Parteien nicht geschlossen worden. Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallkonstellation auch von dem von dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 24. August 1993 (8 Sa 771/93) entschiedenen Sachverhalt, in dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine gemeinsame Erklärung unterschrieben haben, nach der keine Dienstbereitschaft mehr geschuldet werde und auf die Verfügungsmacht verzichtet wurde.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, daß vorliegend auch keine konkludente Ruhensvereinbarung getroffen worden ist. Eine entsprechende konkludente Willenserklärung des Klägers kann nämlich nicht festgestellt werden. Sie liegt insbesondere nicht in dem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld. Dem Kläger ging es nämlich offensichtlich darum, seinen Lebensunterhalt zu sichern, nachdem er von der Krankenkasse kein Krankengeld mehr erhalten hat. Daß sowohl Kläger als auch Beklagte von einer Beendigung der tatsächlichen Beschäftigung allein wegen der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit ausgegangen sind, folgt dabei auch aus der AFG-Bescheinigung der Beklagten, in der diese als Grund für die Beendigung der Beschäftigung ausdrücklich aufgeführt hat die Erkrankung des Klägers und die darauf beruhende weiter fortbestehende Arbeitsunfähigkeit. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Urteil ab Seite 10 (Bl. 66-68 d.A.).
§ 13 Ziffer 3 MTV kann auch nicht stillschweigend entnommen werden, daß die tarifliche Regelung eine tatsächliche Arbeitsleistung voraussetzt. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom 5. August 1992 (10 AZR 88/90, Der Betrieb 1992, Seite 2348, 2349) seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und ausgeführt, daß eine tarifliche Regelung über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung, die auch im Bezugszeitraum geleistete Arbeit vergüten will, im einzelnen bestimmen kann, welche Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung sich anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend auf die Sonderzahlung auswirken sollen, über diese Bestimmung hinaus könne einer solchen Regelung aber nicht der Rechtssatz entnommen werden, daß Voraussetzungen für den Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung auf jeden Fall eine nicht ganz unerhebliche tatsächliche Arbeitsleistung im Bezugszeitraum von in der Regel zwei Wochen sei. Beim Fehlen einer ausdrücklichen Regelung für Zeiten in der Arbeitsunfähigkeit könne der Anspruch des Arbeitnehmers nicht allein mit der Überlegung verneint werden, eine tarifliche Sonderzahlung werde auch mit Rücksicht auf die für den Betrieb erbrachte Arbeitsleistung gewährt, wenn der Arbeitnehmer nicht einmal eine nicht ganz unerhebliche Arbeitsleistung von in der Regel zwei Wochen erbracht habe. Ein allgemeines Prinzip, daß der Anspruch entfalle, wenn während des Bezugszeitraums überhaupt keine oder keine nennenswerte Arbeitsleistung erbracht werde, gebe es nicht. Diese geänderte Rechtsprechung ist in der Folgezeit mehrfach vom Bundesarbeitsgericht bestätigt worden (BAG vom 2. September 1992, 10 AZR 596/90; BAG vom 17. Dezember 1992, 10 AZR 427/91; BAG vom 10. Februar 1993, 10 AZR 207/91; BAG vom 16. März 1994, 10 AZR 669/92).
Die erkennende Kammer schließt sich diesen Ausführungen ausdrücklich an. Auch vorliegend hätten die Tarifvertragsparteien, wenn sie eine Kürzung oder einen Wegfall der Jahressonderzahlung bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit gewollt hätten, dies konkret in dem Manteltarifvertrag regeln können. Eine entsprechende Regelung fehlt jedoch. Daß die Tarifvertragsparteien den Fall der lang andauernden Arbeitsunfähigkeit überhaupt gesehen haben, folgt beispielsweise aus § 11 Ziffer 10. Hier ist ausdrücklich ausgeführt, daß bei einer Erkrankung von länger als drei Monaten aufgrund derselben Ursache der tarifliche Urlaubsanspruch sich reduziert. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien dann, wenn sie auch eine Minderung der Jahressonderzuwendung gewollt hätten, dies ausdrücklich bestimmt hätten.
Der Fall der Erwerbsunfähigkeit ist in § 13 Ziffer 5 ausdrücklich angesprochen. Danach entfällt eine Rückzahlung der Jahressonderzuwendung bei Ausscheiden infolge Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Dem kann entnommen werden, daß die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, daß trotz einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit die Zahlung einer Jahressonderzuwendung zumindest in Betracht kommen kann.
Die Berufung der Beklagten war mithin mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.