Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.07.1994, Az.: 16 Sa 1111/93

Vertrauen eines Arbeitnehmers im Öffentlichen Dienst auf eine Zusatzversorgung; Voraussetzung für die Annahme einer Tätigkeit als Saisonarbeiter; Bindung eines Arbeitnehmers als Verpflichtung zu einer zusätzlichen Versicherung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
05.07.1994
Aktenzeichen
16 Sa 1111/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 10734
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1994:0705.16SA1111.93.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig - 04.03.1993 - AZ: 1 Ca 746/92

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein Arbeitnehmer, der in den öffentlichen Dienst eingestellt wird, kann davon ausgehen, dass sein Arbeitgeber ihm die im öffentlichen Dienst gewährte Zusatzversorgung verschafft. Dieses Versprechen bezieht sich nicht nur auf die bestimmte Versorgungsform, sondern auf den Inhalt der zusätzlichen Versorgung. Folge ist, dass der Arbeitgeber, kann er der Versorgung nach den Satzungsbestimmungen der Kasse nicht nachkommen, ggf. selbst in die Verpflichtung eintreten muss.

  2. 2.

    Saisonarbeitnehmer sind Mitarbeiter, die nur zu bestimmten Jahreszeiten beschäftigt werden. Das Merkmal der regelmäßigen Wiederkehr der Beschäftigung erfolgt lediglich zur Abgrenzung zu den Mitarbeitern, die nur vorübergehend beschäftigt werden. Entscheidend für die Pflicht der Versicherung soll gerade sein, dass diejenigen Arbeitnehmerinnen, die in einer laufenden Verpflichtung zum Arbeitgeber stehen, die Vorteile der zusätzlichen Versicherung erhalten sollen, während die Mitarbeiter, die nur im Einzelfall oder für einen konkreten, nicht voraussehbaren Bedarf oder nur bei Bedarf im Einzelfall eingestellt werden, diesen Vorteil nicht erhalten sollen, da eine laufende Bindung insoweit nicht erreicht wird.

In dem Rechtsstreit
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 1994
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes und
die ehrenamtlichen Richter Tampier und Donckel
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 04.03.1993, Az.: 2 Ca 746/92, abgeändert.

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin so zu stellen, als ob sie bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder für die Zeiten vom

01.04. bis 30.11.1978,

01.04. bis 30.11.1979,

20.03. bis 30.11.1980,

01.04. bis 30.11.1981,

01.04. bis 30.11.1982,

21.03. bis 30.11.1983,

01.04. bis 30.11.1984,

01.04. bis 30.11.1985,

17.03. bis 30.11.1986,

01.04. bis 30.11.1987,

14.03. bis 30.11.1988,

01.04. bis 30.11.1989,

01.04. bis 30.11.1990,

15.03. bis 15.11.1991 und

01.04. bis 30.11.1992 pflichtversichert gewesen wäre.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt mit der Klage die Feststellung einer Nachversicherungspflicht bezüglich der betrieblichen Altersversorgung.

2

Die am ... geborene und verheiratete Klägerin ist bei der Beklagten als Saisonarbeiterin beschäftigt, erstmals im Jahre 1977.

3

Zunächst war zwischen den Parteien der Arbeitsvertrag vom 18.04.1977 geschlossen, nach dem die Klägerin vom 25.04.1977 bis 30.11.1977 als Saisonarbeiterin bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden eingestellt wird.

4

Dieser Vertrag beinhaltet ferner die Regelung, daß sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31. Januar 1962 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen sowie den sonstigen - für den Bereich des Arbeitgebers - (bei nichttarifgebundenen Arbeitgebern:) für die tarifgebundenen kommunalen Arbeitgeber im Wirkungsbereich des zuständigen kommunalen Arbeitgeberverbandes - jeweils geltenden Tarifverträgen richte.

5

In § 6 dieses Arbeitsvertrages ist vereinbart, daß die Klägerin bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder nach Maßgabe der Satzung dieser Anstalt zusätzlich versichert wird.

6

Die Einstellung der Klägerin erfolgte dann jeweils für die Sommersaison mit weiteren befristeten Arbeitsverträgen, wobei die Klägerin zur Pflege der Park- und Gartenanlagen beschäftigt wurde.

7

Die Arbeitsverträge liefen in den Folgejahren jeweils von März/April des Jahres bis November. In den nachfolgenden Arbeitsverträgen finden sich vergleichbare Regelungen mit Ausnahme der Regelung der Versicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder. In dem Saisonarbeitsvertrag für das Jahr 1978 ist der insoweit maßgebliche § 6 des Arbeitsvertrages nicht ausgefüllt. In den folgenden Jahren wurde dieser § 6 ausdrücklich gestrichen.

8

Bei der Beklagten wurden drei Gartenhilfskräfte beschäftigt. Bei diesen Hilfskräften wurde jeweils zum Jahresbeginn nachgefragt, ob sie auch im laufenden Jahr als Arbeitskraft in den Park- und Gartenanlagen tätig sein wollten. Soweit die Hilfskräfte ihr Einverständnis erklärten, wurde der neue Arbeitsvertrag für die Saison befristet neu abgeschlossen.

9

Bezüglich des Inhalts der Arbeitsverträge der Klägerin sowie ihres rentenversicherungspflichtigen Arbeitsentgeltes wird auf die Arbeitsverträge (Bl. 29 bis 42 d. A.) sowie auf die Rentenversicherungsnachweise (Bl. 13 bis 28 d. A.) verwiesen.

10

Die Klägerin war zwischenzeitlich bei der Versorgungsanstalt der Bundes und der Länder tatsächlich angemeldet, wurde aber mit Schreiben vom 14.11.1991 zum 15.11.1991 dort abgemeldet.

11

Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft Bau, Steine, Erden.

12

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei nach der Regelung des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (Vers TV-G) sowie der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder seit 1977 regelmäßig wiederkehrend bei der Beklagten als Saisonarbeiterin beschäftigt gewesen, so daß die Beklagte die Klägerin zu versichern gehabt habe.

13

Zumindest habe die Beklagte wegen der Nichtversicherung Schadensersatz zu leisten.

14

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin unter Versicherungs-Nr. ... bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder unter Konto-Nr. ... nachzuversichern und für die Zeit

vom 01.04. bis 30.11.1978 auf DM 11.852,00

vom 01.04. bis 30.11.1979 auf DM 12.309,00

vom 20.03. bis 30.11.1980 auf DM 15.498,00

vom 01.04. bis 30.11.1981 auf DM 15.488,00

vom 01.04. bis 30.11.1982 auf DM 14.696,00

vom 21.03. bis 30.11.1983 auf DM 17.121,00

vom 01.04. bis 30.11.1984 auf DM 15.143,00

vom 01.04. bis 30.11.1985 auf DM 15.611,00

vom 17.03. bis 30.11.1986 auf DM 18.764,00

vom 01.04. bis 30.11.1987 auf DM 18.171,00

vom 14.03. bis 30.11.1988 auf DM 20.020,00

vom 01.04. bis 30.11.1989 auf DM 18.842,00

vom 01.04. bis 30.11.1990 auf DM 19.811,00

vom 15.03. bis 15.11.1991 auf DM 22.128,00

vom 01.04. bis 30.11.1992 auf DM 22.318,00

Pflichtbeiträge (einschließlich Erhöhungsbeiträge) nachzuentrichten,

hilfsweise,

festzustellen, daß die Beklagte bezüglich der nicht abgeführten Pflichtbeiträge zum Schadensersatz in Höhe der sich rechnerisch ergebenden monatlichen Versicherungsrente bei Eintritt des Versicherungsfalles der Klägerin verpflichtet ist.

15

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß eine Rechtspflicht zur Versicherung nicht bestanden habe, da keine regelmäßig wiederkehrende Beschäftigung als Saisonarbeiterin vorgelegen habe. Im 1. Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1977 sei versehentlich die Vereinbarung der Zusatzversorgung nicht durchgestrichen worden.

17

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 04.03.1993 die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt und den Streitwert auf 257.772,00 DM festgesetzt.

18

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, daß sowohl der VersTV-G in seinen unterschiedlichen Fassungen wie auch die Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder eine Versicherungspflicht für Saisonarbeiter nur für den Fall vorgesehen hätten, daß diese in regelmäßiger Wiederkehr für eine jahreszeitlich begrenzte Tätigkeit befristet beschäftigt worden seien. Zwar scheine aus einer vergangenheitsbezogenen Sicht das Merkmal der regelmäßigen Wiederkehr erfüllt, Sinn und Zweck der Norm gebiete es jedoch, daß die Klägerin trotz der jährlich erfolgten Beschäftigung keinen Anspruch aus den Rechtsnormen herleiten könne. Entscheidend sei, daß bei Abschluß des Arbeitsvertrages jeweils eine weitere Beschäftigung schon vertraglich vereinbart worden sei. Da eine Versicherung für die Vergangenheit in der Satzung der VBL nicht vorgesehen sei, müsse bei Einstellung im Arbeitsvertrag bereits geregelt sein, daß die Arbeitnehmerin auch in den folgenden Jahren für die Dauer der Saison beschäftigt werde. Da es aber an einer derartigen festgeschriebenen Regelung vorliegend fehle, seien die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nicht gegeben.

19

Auch aus der Regelung des Arbeitsvertrages vom 22.03.1978 ergebe sich nichts anderes, da die Versicherungspflicht nur nach Maßgabe der Satzung habe erfolgen sollen. Da diese aber eine Versicherungspflicht nicht vorsehe, könne die Klägerin auch hieraus keine Rechte herleiten.

20

Das Urteil des ersten Rechtszuges wurde der Klägerin am 10.06.1993 zugestellt. Hiergegen legte diese am 08.07.1993 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 20.09.1993 am 20.09.1993.

21

Mit der Berufung vertritt die Klägerin weiterhin die Ansicht, daß ihr ein Anspruch auf Versicherung zustehe nach Maßgabe des VersTV-G sowie der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder. Es habe für die vertragsabschließenden Parteien jeweils kein Zweifel daran bestanden, daß eine Beschäftigung auch in den jeweiligen Folgejahren habe stattfinden sollen. Die Klägerin habe für diese Tätigkeit eine regelmäßige Beschäftigung angestrebt. Der Beklagten sei bekannt gewesen, daß sie regelmäßig auch in den Folgejahren Saisonarbeitnehmerinnen benötigte. Die Parteien seien so verfahren, daß die Klägerin auch erneut gefragt worden sei und jeweils die weitere Beschäftigung zugesagt habe. Die Klägerin sei auch ausdrücklich als Saisonarbeiterin eingestellt worden. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften des Tarifvertrages sowie der Satzung sei ersichtlich, daß eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung über wiederkehrende Einstellung erforderlich sei.

22

Die Klägerin habe auch darauf vertrauen dürfen, daß sie der Versicherungspflicht unterlegen habe, zumal der 1. Arbeitsvertrag eine entsprechende Zusage enthalten habe. Die Klägerin sei im Vertrauen auf eine entsprechende Zusage im Folgejahr sowie auf eine korrekte Handlungsweise der Beklagten davon abgehalten worden, sich um eine schriftliche Festlegung der regelmäßig wiederkehrenden Beschäftigung zu bemühen, um dadurch ihren Anspruch zu sichern. Der Beklagten habe auch eine entsprechende Fürsorgepflicht oblegen, die Klägerin darüber zu belehren, daß sie trotz offensichtlicher Erfüllung der Voraussetzungen der Versicherungspflicht nicht unterliege und selbst bei absehbar regelmäßig wiederkehrender Beschäftigung eine zusätzliche Altersversorgung nicht habe erarbeiten können.

23

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin so zu stellen, als ob sie bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder für die Zeit vom

01.04. bis 30.11.1978 01.04. bis 30.11.1979

20.03. bis 30.11.1980 01.04. bis 30.11.1981

01.04. bis 30.11.1982 21.03. bis 30.11.1983

01.40. bis 30.11.1984 01.04. bis 30.11.1985

17.03. bis 30.11.1986 01.04. bis 30.11.1987

14.03. bis 30.11.1988 01.04. bis 30.11.1989

01.04. bis 30.11.1990 15.03. bis 15.11.1991 und

01.04. bis 30.11.1992 pflichtversichert gewesen wäre,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin unter der Versicherungs-Nr. ... bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder unter der Konto-Nr. ... nachzuversichern und für die Zeit

vom 01.04. bis 30.11.1978 auf DM 11.852,00

vom 01.04. bis 30.11.1979 auf DM 12.309,00

vom 20.03. bis 30.11.1980 auf DM 15.498,00

vom 01.04. bis 30.11.1981 auf DM 15.488,00

vom 01.04. bis 30.11.1982 auf DM 14.696,00

vom 21.03. bis 30.11.1983 auf DM 17.121,00

vom 01.04. bis 30.11.1984 auf DM 15.143,00

vom 01.04. bis 30.11.1985 auf DM 15.611,00

vom 17.03. bis 30.11.1986 auf DM 18.764,00

vom 01.04. bis 30.11.1987 auf DM 18.171,00

vom 14.03. bis 30.11.1988 auf DM 20.020,00

vom 01.04. bis 30.11.1989 auf DM 18.842,00

vom 01.04. bis 30.11.1990 auf DM 19.811,00

vom 15.03. bis 15.11.1991 auf DM 22.128,00

vom 01.04. bis 30.11.1992 auf DM 22.318,00

Pflichtbeiträge (einschließlich Erhöhungsbeiträge) nachzuentrichten,

hilfsweise,

festzustellen, daß die Beklagte bezüglich der nicht abgeführten Pflichtbeiträge zum Schadensersatz in Höhe der sich rechnerisch ergebenden monatlichen Versicherungsrente bei Eintritt des Versicherungsfalles der Klägerin verpflichtet ist.

24

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

25

Sie ist der Auffassung, daß die Änderung des Klagantrages im Termin vom 10.05.1994 nicht zulässig sei. Der Änderung werde auch nicht zugestimmt.

26

Sie verteidigt im übrigen das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 12.10.1993.

27

Ein Anspruch auf Zusatzversorgung könne nur bestehen, wenn die Klägerin auch tarifgebunden sei.

28

Im übrigen gebe es seitens der Beklagten keine Zusicherung, daß die Saisonkraft auch in der nächsten Saison wieder eingestellt werde, und damit auch keine Verpflichtung auf der Arbeitnehmerseite, in der nächsten Saison erneut beschäftigt zu werden. Ein übereinstimmender Wille der Parteien auf dauernde Beschäftigung als Saisonarbeiterin liege gerade nicht vor und lasse sich auch aus der tatsächlichen Handhabung nicht entnehmen.

Entscheidungsgründe

29

Die Berufung der Klägerin ist statthaft, ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Beschwerdewert in dieser vermögensrechtlichen Streitigkeit übersteigt 800,00 DM. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO).

30

Die Erweiterung des Klageantrages ist gemäß § 263 ZPO zulässig. Zwar wird der Streitgegenstand geändert, da anstelle des rechtshängigen Hauptantrages ein weitergehender Hauptantrag auf Feststellung tritt. Die Beklagte hat insoweit auch nicht eingewilligt. Die Klageänderung ist aber sachdienlich, weil sie denselben Lebenssachverhalt betrifft und zu einer endgültigen Beilegung des Streites zwischen den Parteien führt, ohne daß ein neuer Prozeß erforderlich wird.

31

Diese Antragstellung ist auch im Berufungsverfahren als Angriff gegen das klagabweisende Urteil erster Instanz ohne weiteres möglich.

32

Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Feststellung aufgrund der Vorschriften des § 12 BMT-G II, des § 5 Abs. 1 S. 3 des VersTV-G in der Fassung des 26. Änderungstarifvertrages vom 15.11.1991 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in der Fassung der 25. Satzungsänderung vom 15.11.1991. § 12 des BMT-G II beinhaltet die nachfolgende Regelung:

Der Arbeiter hat Anspruch auf Versicherung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe eines besonderen Tarifvertrages.

33

§ 5 Abs. 1 VersTV-G beinhaltet folgende Regelung:

Der für nicht mehr als 12 Monate eingestellte Arbeitnehmer ist nicht zu versichern, ...

Satz 1 gilt nicht für Arbeitnehmer, die in regelmäßiger Wiederkehr für eine jahreszeitlich begrenzte Tätigkeit als Saisonarbeitnehmer befristet beschäftigt werden; sie sind vom Beginn der 2. Saisonbeschäftigung an zu versichern.

34

In der vor dem 01.04.1991 geltenden Fassung lautete die maßgebliche Vorschrift des § 5 VersTV-G:

Der Arbeitnehmer ist bei der VBL nach Maßgabe der Satzung und ihrer Ausführungsbestimmungen zu versichern, wenn ...

er in regelmäßiger Wiederkehr für eine jahreszeitlich begrenzte Tätigkeit als Saisonarbeitnehmer beschäftigt wird und die Dauer der Beschäftigung voraussichtlich 1000 Arbeitsstunden im Beschäftigungsjahr erreichen wird ...

35

§ 26 Abs. 2 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder beinhaltet folgende Regelung:

Die Pflichtversicherung eines Arbeitnehmers, der in regelmäßiger Wiederkehr für eine jahreszeitlich begrenzte Tätigkeit als Saisonarbeitnehmer befristet beschäftigt wird, kann frühestens vom Beginn der zweiten Saisonbeschäftigung an begründet werden.

36

§ 28 Abs. 1 der Satzung der VBL regelt Ausnahmen von der Pflicht zur Versicherung, wobei die Ausnahmen ausdrücklich nicht für Saisonarbeitnehmer gelten sollen, die nach § 26 Abs. 2 der Satzung zu versichern sind.

37

In Verbindung mit den Arbeitsverträgen der Klägerin ergibt sich, daß diese Vorschriften auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind unabhängig von einer Tarifbindung der Parteien. Die Parteien haben nämlich ausdrücklich in jedem der Arbeitsverträge den BMT-G II in seiner jeweiligen Fassung in Bezug genommen wie auch die sonstigen für den Bereich der Beklagten geltenden Tarifverträge. Anzuwenden sind damit kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung sowohl der BMT-G II wie auch der VersTV-G.

38

Die Klägerin kann diesen Anspruch im Wege eines Feststellungsantrages durchsetzen, da ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO gegeben ist. Die Notwendigkeit einer Versicherung hat erhebliche Rechtsauswirkungen auf das spätere Einkommen der Klägerin. Es besteht deshalb ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, ob die gesamte Versorgung der Klägerin ausreichend ist oder nicht. Es ist davon auszugehen, daß der öffentliche Dienstherr einer solchen Feststellungsklage Rechnung tragen wird (vgl. BAG in AP Nr. 80 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

39

Der Anspruch der Klägerin richtet sich zulässigerweise auch darauf, daß die Klägerin so zu stellen ist, als ob sie bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert gewesen wäre.

40

Angesichts der Tatsache, daß die VBL, der im Verfahren der Streit verkündet worden ist, vorgetragen hat, daß sie nicht bereit ist, die Klägerin zu versichern, und eine Entscheidung über die Pflicht der VBL zur Versicherung im vorliegenden Verfahren nicht ergehen konnte, geht es vorliegend nur um den arbeitsvertraglichen Anspruch auf Versorgung der Klägerin gegenüber der Beklagten.

41

Der Anspruch ergibt sich aus dem BMT-G II selbst sowie dem VersTV-G. Der Inhalt dieses Anspruches beschränkt sich nicht auf die bloße Durchführungsform der Versicherung bei der VBL. Vielmehr sagt der öffentliche Arbeitgeber durch den BMT-G II eine Zusatzversorgung generell zu und nicht nur die Durchführung in Form einer Versicherung bei der VBL. Zwar soll die Versicherung bei der Zusatzversorgungskasse durchgeführt werden. Eine auf die Begründung der Pflicht zur Versicherung beschränkte Auslegung der Versorgungszusage des öffentlichen Arbeitgebers durch die VBL verkürzt jedoch den Inhalt der Zusage des BMT-G II. Ein Arbeitnehmer, der in den öffentlichen Dienst eingestellt wird, kann davon ausgehen, daß sein Arbeitgeber ihm die im öffentlichen Dienst gewährte Zusatzversorgung verschafft. Dieses Versprechen bezieht sich nicht nur auf die bestimmte Versorgungsform, sondern auf den Inhalt der zusätzlichen Versorgung. Folge ist, daß der Arbeitgeber, kann er der Versorgung nach den Satzungsbestimmungen der Kasse nicht nachkommen, ggf. selbst in die Verpflichtung eintreten muß (so Urteile des BAG in AP Nr. 7 zu § 242 BGB Ruhegehalt VBL, sowie AP Nr. 6 zu § 2 BeschFG 1985, sowie NZA 93, Seite 215).

42

Die Klägerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 12 BMT-G II in Verbindung mit § 4 VersTV-G. Danach ist die Klägerin vertragsgemäß zu versichern.

43

Die Ausnahme des § 5 Abs. 1 VersTV-G tritt nicht ein, obwohl die Klägerin lediglich als Saisonarbeiterin beschäftigt wird, da gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 VersTV-G sie in regelmäßiger Wiederkehr für eine jahreszeitlich begrenzte Tätigkeit als Saisonarbeitnehmerin befristet beschäftigt worden ist.

44

Sie war deshalb gemäß der Regelung des § 5 Abs. 3 Vers TV-G in der ab 01.04.1991 gültigen Fassung vom Beginn der 2. Saisonbeschäftigung an zu versichern. Auch nach der vor dem 01.04.1991 geltenden Fassung ergibt sich keine andere Beurteilung, da sie auch die dort genannten Voraussetzungen, insbesondere auch die Zahl der zu leistenden Arbeitsstunden, erreicht.

45

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes ist nicht Voraussetzung für die Eigenschaft der Saisonarbeitnehmerin im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 3 VersTV-G die Vereinbarung im Arbeitsvertrag, daß die Klägerin auch in den folgenden Jahren für die Dauer der Saison beschäftigt wird. Ausreichend ist vielmehr, daß eine so enge Verbindung zwischen den einzelnen Arbeitsverhältnissen besteht, daß von einer einheitlichen Beschäftigung ausgegangen werden kann und ein Bezug von dem einen Vertrag zu dem darauffolgenden Vertrag gemacht werden kann.

46

Zwar ist es richtig, daß die Satzung der VBL, die eine gleichlautende Regelung enthält, grundsätzlich nicht vorsieht, daß ein Arbeitnehmer rückwirkend versichert werden kann. Diese Problematik haben die Tarifvertragsparteien offenbar gesehen und haben zum 01.04.1991 deshalb eine Änderung vorgenommen insoweit, als daß eine Versicherung erst ab der 2. Saisonbeschäftigung an erfolgen kann. Erst dann ist nämlich erkennbar, ob eine fortlaufende Beschäftigung aufgrund von Arbeitsverträgen erfolgt, die miteinander in Beziehung stehen.

47

Diese unter praktischen und rechtlichen Gesichtspunkten zu sehende Problematik kann aber nicht zu einer Einschränkung der Eigenschaft als Saisonarbeitnehmerin insgesamt erfolgen. Sie gebietet keine einschränkende Auslegung des Tarifvertrages selbst, nach der ein Erfordernis aufzustellen ist, daß bereits während des Laufes des alten Arbeitsverhältnisses das neue Arbeitsverhältnis schon vereinbart sein muß.

48

Saisonarbeitnehmer sind vielmehr Mitarbeiter, die nur zu bestimmten Jahreszeiten beschäftigt werden. Das Merkmal der regelmäßigen Wiederkehr der Beschäftigung erfolgt lediglich zur Abgrenzung zu den Mitarbeitern, die nur vorübergehend beschäftigt werden und die z.B. als Aushilfs- oder Gelegenheitsarbeiter eingestellt werden. Entscheidend für die Pflicht der Versicherung soll gerade sein, daß diejenigen Arbeitnehmerinnen, die in einer laufenden Verpflichtung zum Arbeitgeber stehen, die Vorteile der zusätzlichen Versicherung erhalten sollen, während die Mitarbeiter, die nur im Einzelfall oder für einen konkreten, nicht voraussehbaren Bedarf oder nur bei Bedarf im Einzelfall eingestellt werden, diesen Vorteil nicht erhalten sollen, da eine laufende Bindung insoweit nicht erreicht wird.

49

Spätestens im 2. Jahr der Beschäftigung einer Saisonarbeitnehmerin ist aber zu erkennen, ob eine solche Bindung besteht oder ob nur eine vorübergehende Aushilfstätigkeit durchgeführt worden ist.

50

Die Anlage 10 zum BMT-G II hat demzufolge auch Sondervereinbarungen und unterscheidet ausdrücklich zwischen vorübergehend beschäftigten Arbeitern sowie den Saisonarbeitern.

51

Vorliegend ist die Klägerin ausdrücklich als Saisonarbeitnehmerin eingestellt worden, woraus ersichtlich ist, daß eine Abgrenzung zum Aushilfsarbeiter vorgenommen wurde. Die Klägerin wurde sodann von Saison zu Saison auch tatsächlich beschäftigt, wobei die Art und Dauer der Beschäftigung jeweils in etwa gleichgeblieben ist.

52

Die enge Beziehung zwischen den einzelnen Arbeitsverträgen ergibt sich aus der unstreitig geübten Praxis bei der Beklagten. Die Beklagte hat die Klägerin jeweils vor Beginn der Saison gefragt, ob sie die Arbeit wieder aufnehmen wolle für dieselbe Tätigkeit wie im Vorjahr. Dieses ist nicht nur bei der Klägerin erfolgt, sondern auch bei den übrigen beiden Mitarbeiterinnen, die mit der Klägerin zusammengearbeitet haben.

53

Durch diese Handlungsweise ist ein Vertrauenstatbestand bei der Klägerin erwachsen, daß sie für den Fall, daß Saisonarbeitskräfte für diese Tätigkeit benötigt werden, wieder gefragt wird, bevor eine andere Mitarbeiterin eingestellt wird. Dieser Vertrauenstatbestand führt dazu, daß für den Fall, daß die Beklagte Saisonarbeitskräfte einstellt, ein Rechtsanspruch der Klägerin erwächst auf Einstellung für die nächste Saison. Dieses bedeutet, daß die Beklagte verpflichtet war, die Klägerin wieder einzustellen, sofern sie Einstellungen vornahm und die Klägerin dieses verlangte. Jede andere Handlungsweise der Beklagten wäre ein Verstoß gegen Treu und Glauben gegenüber der Klägerin, da diese aufgrund des Charakters der Saisonarbeit, die jedes Jahr während der Saison anfiel, mit ihrer Wiedereinstellung rechnen durfte (vgl. hierzu Urteile des BAG vom 29.01.1987 in AP Nr. 1 zu § 620 BGB Saisonarbeit, sowie BAG vom 15.03.1984 in AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl. Hueck, KSchG, 10. Auflage. § 22 Ziffer 6).

54

Durch diese enge Verknüpfung der verschiedenen Arbeitsverträge in Verbindung mit den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ist es interessengerecht, daß die Klägerin so behandelt wird wie sonstige Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes während der Zeiten, die sie tatsächlich beschäftigt wird. Eine einschränkende Auslegung des Begriffes der Saisonarbeitnehmerin, wie sie das Arbeitsgericht vorgenommen hat, ist nicht möglich (vgl. hierzu Gilbert-Hesse, Kommentar zur Satzung der VBL, § 26 B Ziffer 7, sowie Clemens-Scheuring, Kommentar zum BAT, Teil VII, Versorgungs-TV VBL, § 5 Ziffer 6.2).

55

Eine Notwendigkeit zur einschränkenden Auslegung bezüglich einer rückwirkenden Versicherung ergibt sich auch nicht, als bei der VBL als Beginn der Versicherung der Zeitraum anzugeben ist, von dem an die Voraussetzungen des § 5 VersTV-G erfüllt sind, auch wenn dieser Zeitpunkt in der Vergangenheit liegt. Zwar kann die Anmeldung dann nicht unverzüglich vorgenommen werden, jedoch ist in den Fällen, bei denen eine frühere Beurteilung nicht möglich ist, eine vergangenheitsbezogene Anmeldung denkbar (so auch Clemens-Scheuring, a.a.O. § 7 Ziffer 1, sowie OLG Karlsruhe. Urteil vom 27.10.1988 in ZTR 89, Seite 123).

56

Nach alledem ist von einer Pflicht zur Versicherung der Beklagten für die Klägerin auszugehen. Die Klage mußte deshalb Erfolg haben.

57

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO in Verbindung mit § 64 Abs. 6 ArbGG.

58

Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.