Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.08.2000, Az.: 2 Sa 2275/99
Lösung von Fällen der Tarifpluralität im Betrieb nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz bei Verbandswechsel des Arbeitgebers
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 11.08.2000
- Aktenzeichen
- 2 Sa 2275/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21933
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2000:0811.2SA2275.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Osnabrück - 21.09.1999 - AZ: 3 Ca 243/99
- nachfolgend
- BAG - 17.10.2001 - AZ: 4 AZR 641/00
Fundstelle
- ZTR 2001, 24
Amtlicher Leitsatz
Mit dem BAG (Urteile vom 20.03.1991, 4 AZR 455/90 und vom 04.09.1996, 4 AZR 135/95) sind bei Verbandswechsel des Arbeitgebers Fälle der Tarifpluralität im Betrieb nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz zu lösen. Das bedeutet, dass nach dem Spezialitätsprinzip der speziellere Tarifvertrag zugunsten der Tarifeinheit im Betrieb zur Anwendung kommt. Dies gilt unabhängig davon, ob der verdrängte Tarifvertrag kraft einzelvertraglicher Vereinbarung oder kraft Tarifgebundenheit gilt.
Parallelverfahren: 2 Sa 2289/99, 2 Sa 539/00, 2 Sa 561/00
In dem Rechtsstreit
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 11.08.2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 21.09.1999 -3 Ca 243/99 abgeändert.
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu je 1/12.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen von Feststellungsklagen darüber, welche Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis der Kläger zur Anwendung kommen.
Die Kläger wurden bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer auf der Grundlage schriftlicher Formulararbeitsverträge beschäftigt.
§ 3 dieser Arbeitsverträge lautet:
Die wöchentliche Arbeitszeit richtet sich nach dem Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie...
§ 4 der Arbeitsverträge lautet:
Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit den tariflichen Stundenlohn der Lohngruppe ..., (ggf. zuzüglich einer übertariflichen Zulage)...
§ 9 der Arbeitsverträge lautet:
Der Arbeitnehmer erhält einen jährlichen Erholungsurlaub nach den tariflichen und sonstigen gesetzlichen Bestimmungen...
§ 10 der Arbeitsverträge lautet:
Hinsichtlich der Arbeitsverhinderung sowie Krankheit und Heilverfahren gelten die tariflichen und gesetzlichen Bestimmungen.
§ 11 der Arbeitsverträge lautet:
Für das Arbeitsverhältnis finden im übrigen die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils gültigen Fassung Anwendung...
Die Beklagte war ursprünglich Mitglied im Verband der Druckindustrie Niedersachsen e. V. Hannover (im folgenden vdn). Sie wandte auf alle Arbeitsverhältnisse in ihrem Betrieb die entsprechenden Tarifverträge für die Druckindustrie an.
Zu Beginn des Jahres 1999 trat die Beklagte aus dem vdn aus und wurde Mitglied im Verband Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Industrie (im folgenden VPK Nord). Sowohl die Tarifverträge der Druckindustrie wie die des Bereichs VPK wurden auf Arbeitnehmerseite von der IG Medien abgeschlossen.
Nach dem Verbandswechsel der Beklagten wurde am 08.02.1999 ein Überleitungstarifvertrag (im folgenden ÜTV) zwischen der IG Medien, dem vdn und dem VPK Nord für die Beklagte abgeschlossen. Der ÜTV trat am 01.04.1999 in Kraft. Der ÜTV gilt gem. § 1 ÜTV für alle Beschäftigten, das heißt alle Arbeitnehmerinnen und Arbeiter sowie die Auszubildenden der Firma, die am 31. Dezember 1998 mindestens 1 Jahr bei der Firma im unbefristeten Arbeitsverhältnis standen. Gem. § 2 Abs. 1 ÜTV gelten ab 01. April 1999 für alle Beschäftigten die Tarifverträge der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie Niedersachsens in der jeweils gültigen Fassung (im folgenden TV Papier). § 3 des ÜTV regelt, dass die Beschäftigten, die vor dem 1. Januar 1999 in den Betrieb eingetreten sind zum Ausgleich der sich ergebenden Lohn- und Gehaltsdifferenz eine Überleitungszulage (ÜZ) erhalten. Gem. § 5 ÜTV wird diese Überleitungszulage innerhalb von 10 Jahren abgebaut und mit Tariflohnerhöhungen verrechnet. Wegen der weiteren Einzelheiten des ÜTV wird auf diesen verwiesen (Bl. 242 ff. d. A.). Die Überleitungszulagen betrugen für die Kläger jeweils 4,21 DM pro Stunde.
Ab 01.04.1999 wickelt die Beklagte im übrigen die Arbeitsverhältnisse der Klägers auf der Grundlage des TV Papier ab.
Die Kläger zu 1, 2, 4, 5, 8, 9, 10, 12 und 13 sind keine Gewerkschaftsmitglieder.
Die Kläger zu 3, 6 und 11 waren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÜTV Mitglieder der IG Medien.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, auf ihre Arbeitsverhältnisse fänden nach wie vor die Tarifverträge der Druckindustrie Anwendung. Die Beklagte könne sich nicht durch den Austritt aus dem vdn aus der Tarifgeltung befreien. Die Geltung der Tarifverträge der Druckindustrie sei konstitutiv im Arbeitsvertrag vereinbart.
Die Kläger haben beantragt,
- festzustellen, dass für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weiterhin Anwendung finden die Bestimmungen des ursprünglichen Tarifvertrages der Parteien und die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils gültigen Fassung,
- hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern Vergütung nach der Vergütungsgruppe VII des Tarifvertrages der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie in der ab 31.03.1999 geltenden Fassung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die im Arbeitsvertrag des Klägers erhaltene Verweisklausel auf die tarifliche Regelung der Druckindustrie habe deklaratorischen Charakter. Die Frage der Tarifgeltung sei nicht Gegenstand gesonderter Verhandlung bei der Einstellung gewesen. Die Verweisklausel im Arbeitsvertrag diene lediglich der Gleichstellung aller gewerblichen Arbeitnehmer im Betrieb unabhängig von der Frage der Gewerkschaftszugehörigkeit. Nach dem Verbandswechsel vom vdn zum VPK Nord bestehe eine Tarifkonkurrenz die zugunsten der Tarifeinheit im Betrieb nach den Grundsätzen der Spezialität zu lösen sei.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 21.09.1999 verwiesen.
Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht den Klagen entsprochen und festgestellt, dass die Tarifverträge der Druckindustrie auf die Arbeitsverhältnisse weiterhin zur Anwendung kommen. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Arbeitsgericht bei einem Gegenstandswert von 23.989,75 DM der Beklagten auferlegt.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht u. a. ausgeführt, die Verweisklausel in den Arbeitsverträgen der Klägers stelle keine sogenannte große dynamische Bezugnahmeklausel dar. Es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass es den Parteien bei Abschluss ihrer Arbeitsverträge nicht auf einen bestimmten, sondern auf den jeweils für den Arbeitgeber maßgeblichen Tarifvertrag unabhängig von der Branche angekommen sei. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts verwiesen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 29.11.1999 zugestellte Urteil am 29.12.1999 Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.02.2000 am 28.02.2000 begründet hat.
Die Beklagte trägt vor, die Verweisklausel im Arbeitsvertrag stelle eine sogenannte große dynamische Bezugnahmeklausel dar. Bei der Aufnahme der Verweisklausel in den Arbeitsvertrag sei es um eine Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen gegangen. Bei Abschluss des Arbeitsvertrages sei der Arbeitgeberverbandswechsel der Beklagten nicht bedacht worden. Insoweit sei eine Regelungslücke vorhanden, die durch Auslegung nach dem hypothetischen Parteiwillen durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen sei. Solle die vertragliche Bezugnahmeklausel auch nach dem Entstehen der Lücke ihren Sinn behalten, so sei ein entsprechender Wechsel des Bezugsobjektes vorzunehmen, also eine Auslegung dahin, dass bei Verbandswechsel des Arbeitgebers die Verweisung auf den jeweils für den Betrieb geltende Tarifvertrag erfolge.
Soweit die Kläger Mitglied der IG Medien seien liege nach Verbandswechsel ein Fall der Tarifkonkurrenz vor. Die bisherigen Tarifverträge gelten an sich gemäß § 3 Abs. 3 TVG während der neue Tarifvertrag unmittelbar § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 TVG gelten würde. Nach den Grundsätzen der Tarifeinheit gelte dann tatsächllich der ÜTV als der speziellere Tarifvertrag.
Im übrigen habe das Arbeitsgericht die Streitwertfestsetzung in dem angefochtenen Urteil unzutreffend vorgenommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 21.09.1999 Az.: 3 Ca 243/99 abzuändern und die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Sie sind der Auffassung, es liege kein Fall der Tarifkonkurrenz vor. Die arbeitsvertraglich vereinbarte Geltung der Tarifverträge der Druckindustrie sei konstitutiv.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Berufung ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 518, 519 ZPO, 64, 66 ArbGG).
Die Berufung ist begründet, sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klagen.
Die Feststellungsklagen sind gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben. Die Kläger begehren die Feststellung, dass auf ihre Arbeitsverhältnisse mit der Beklagten allein die Tarifverträge der Druckindustrie zur Anwendung kommen. Die Frage betrifft Rechtsverhältnisse im Sinn des § 256 Abs. 1 ZPO.
Durch die Entscheidung, welcher Tarifvertrag auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien anzuwenden ist, wird eine Vielzahl von Einzelfragen dem Streit der Parteien endgültig entzogen und die tariflichen Rechte und Pflichten der Parteien für die Zukunft grundsätzlich geklärt, sowie zahlreiche einzelne Leistungsklagen vermieden. Dies rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses (so BAG, Urteil vom 20.03.1991, 4 AZR 455/90 in AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BAG und BAG, Urteil vom 28.05.1997 4 AZR 663/95 in AP Nr. 6 zu § 1 TVG-Bezugnahme auf Tarifvertrag).
Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien finden seit dem 01.04.1999 nicht mehr die Tarifverträge der Druckindustrie Anwendung, sondern der ÜTV und damit die TV Papier.
Durch den Arbeitgeberverbandswechsel der Beklagten und die Schaffung des ÜTV als firmenbezogenen Verbandstarifvertrag (zum Begriff vgl. Pöttker in Wiedemann Tarifvertragsgesetz 6. Aufl. § 2 Rdnr. 140) und damit verbunden der Geltung der Normen des TV Papier sowie der einzelvertraglichen Bezugnahmeklausel insbesondere des § 11 der Arbeitsverträge der Kläger ist eine Situation der sogenannten Tarifpluralität entstanden. Tarifpluralität liegt nach der Rechtsprechung des BAG vor, wenn innerhalb eines Betriebes mehrere Tarifverträge nebeneinander gelten, ohne dass sie auf einzelne Arbeitsverhältnisse gleichzeitig anwendbar sind (vgl. BAG Urteil vom 20.03.1991 4 AZR 455/90 a.a.O.). Ein Fall der Tarifpluralität ist nach der Rechtsprechung des BAG auch dann gegeben, wenn von den beiden konkurrierenden Tarifverträgen ein Tarifvertrag nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme gilt, sofern der Arbeitgeber Verbandsmitglied ist (BAG Urteil vom 20.03.1991 4 AZR 455/90 a.a.O. und BAG Urteil vom 22.09.1993 10 AZR 207/92 in AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG Urteil vom 04.09.1996 4 AZR 135/95 in AP Nr. 5 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag). Die Fälle der Tarifpluralität löst das Bundesarbeitsgericht ebenso auf wie die Fälle der Tarifkonkurrenz. Nach dem Spezialitätsprinzip gilt nur einer von beiden Tarifverträgen, nämlich der speziellere. Dies sei aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geboten (BAG Urteil vom 20.03.1991 4 AZR 455/90 a.a.O.). Im übrigen ergäben sich aus dem Nebeneinander mehrerer Tarifverträge im Betrieb praktische Schwierigkeiten wenn z. B. die Tarifbindung über die Beitragspflicht des Arbeitgebers zu einer Sozialklasse entscheidet (BAG Urteil vom 05.09.1990 4 AZR 59/90 in AP Nr. 19 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz).
Der speziellere Tarifvertrag ist derjenige, der dem Betrieb räumlich, betrieblich und persönlich am nähesten steht und der den darin tätigen Arbeitnehmern am besten gerecht wird (BAG Urteil vom 05.09.1990 4 AZR 59/90 a.a.O.). Der firmenbezogene Verbandstarifvertrag ist nach diesen Grundsätzen im Verhältnis zum Flächentarifvertrag der speziellere. Der ÜTV gilt ausschließlich für den Betrieb der Beklagten. Er ist von den Tarifvertragsparteien gerade deshalb abgeschlossen worden um die Folgen des von der Beklagten vorgenommenen Verbandswechsels zu regeln. Damit würde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Beachtung der Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der ÜTV als der speziellere Tarifvertrag zur Anwendung kommen und nicht der Tarifvertrag der Druckindustrie.
Dies folgt im übrigen nach der Rechtsprechung des BAG für die Mitglieder der IG Metall aus den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz. Für die Kläger zu 3), 6) und 11), die Mitglieder der IG Medien sind, gelten die Tarifverträge der Druckindustrie gemäß § 3 Abs. 3 TVG weiter. Andererseits gelten die Bestimmungen des von der IG Medien abgeschlossenen ÜTV gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG. Die Tarifkonkurrenz ist nach der Rechtsprechung des BAG -wie dargestellt - zugunsten der Spezialität zu lösen. Damit würde der ÜTV auch unabhängig von der arbeitsvertraglichen deklaratorischen Verweisklausel zur Geltung kommen.
Nach der Rechtsprechung des BAG (Urteil v. 04.09.1996, 4 AZR 135/95 a.a.O.) gilt dies auch für einzelvertraglich vereinbarte Tarifgeltung durch Bezugnahmeklauseln wie hier in § 11 der jeweiligen Arbeitsverträge. Beruht die Tarifpluralität auf einer einzelvertraglichen Bezugnahme eines bestimmten Tarifvertrages so sei sie ebenfalls nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz zu lösen. Sinn und Zweck der vertraglichen Bezugnahmeklausel sei es unorganisierte mit tarifgebundenen Arbeitnehmern gleichzubehandeln. Durch diese "Gleichstellungsabrede" würden die für den Betrieb fachlich und räumlich einschlägigen Tarifverträge in Bezug genommen. Wegen des Wegfalls der Tarifbindung auf Arbeitgeberseite seien die Arbeitsverträge Nichtorganisierter lückenhaft geworden. Der Zweck der Gleichstellung mit den im Betrieb beschäftigten tarifgebundenen Arbeitnehmern werde bei einem Wechsel der sachlich und betrieblich einschlägigen Tarifverträge verfehlt. Damit die Verweisklausel ihren Sinn noch erfüllen könne, müsse die durch den Verbandswechsel entstandene Regelungslücke durch ergänzende Vertragsauslegung dahingehend gefüllt werden, dass die Parteien bei Beachtung des Problemes des möglichen Verbandswechsels entsprechend ihrem hypothetischen Willen, die Klausel vereinbart hätten, es solle der jeweils für den Arbeitgeber geltende Tarifvertrag zur Anwendung kommen (BAG, Urteil vom 04.09.1996 4 AZR 135/95 a.a.O.). Etwas anderes könne nur dann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 28.05.1997 4 AZR 663/95 in AP Nr. 6 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag) gelten, wenn die Arbeitsvertragsparteien durch Besitzstandsklauseln einen bestehenden Tarifvertrag ausdrücklich zum sozialen Besitzstand erklären und damit festschreiben. Dadurch würden die Bedingungen des geltenden Tarifvertrages auf Dauer in Bezug genommen und deutlich gemacht, dass sie auch bei Arbeitgeberverbandswechsel weitergelten sollen (BAG a.a.O.).
Damit würde nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der ÜTV für alle Arbeitnehmer seien sie Gewerkschaftsmitglieder der IG Medien oder Nichtorganisierte mit arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklausel zur Anwendung kommen und nicht die Tarifverträge der Druckindustrie.
In der Literatur (vgl. Nachweise bei Wank in Wiedemann Tarifvertragsgesetz 6. Aufl. § 4 Rdnr. 277) und teilweise in der Rechtsprechung der Instanzgerichte (vgl. z. B. LAG Niedersachsen, Urteil vom 12.11.1999 3 Sa 780/99) ist die Rechtsprechung des BAG zur Lösung derartiger Fälle der Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität auf Kritik gestoßen.
So hat Danne (Anmerkung zum BAG Urteil vom 04.09.1996 4 AZR 135/95 in SAE 1998, Seite 111) insbesondere kritisiert, dass ein Tarifvertrag, der kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme gelte, keine Rechtsnormwirkung entfalten könne. Deshalb liege kein Zustand der Tarifpluralität vor, wenn der Arbeitgeber den Verband wechsele. Vielmehr sei diese Konkurrenzsituation durch Günstigkeitsvergleich gemäß § 4 Abs. 3 TVG zu lösen (vgl. so auch Wank in Wiedemann Tarifvertragsgesetz 6. Aufl. § 4 Rdnr. 274). Es sei auch nicht einzusehen, dass das BAG meine, Nichtorganisierte könnten durch Bezugnahmeklauseln keine günstigere Rechtsposition erlangen als organisierte Arbeitnehmer, deren Situation sich nach dem Verbandswechsel verschlechtere. Im übrigen sei nicht nachvollziehbar, dass das BAG trotz eines eindeutigen Wortlautes mit dem Hinweis auf bestimmte Tarifverträge den Parteien eines Arbeitvertrages einen hypothetischen Willen unterstelle, es solle jeweils der Tarifvertrag gelten, der für den Arbeitgeber bindend sei. Hätten die Arbeitsvertragsparteien einen derartigen Willen besessen, so hätten sie der Versteinerung der Bezugnahmeklausel bereits bei der Formulierung des Arbeitsvertrages begegnen können.
Die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (a.a.O.) stellt im übrigen mit Hanau und Kania (Anmerkung zu BAG Urteil vom 20.03.1991 in AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz) in Abrede, dass Grundsätze der Tarifeinheit im Betrieb nach einer Lösung der Tarifpluralität dahingehend verlangen, dass lediglich ein Tarifvertrag im Betrieb gelte. Der Grundsatz der Tarifeinheit habe im Tarifvertragsgesetz keinen Niederschlag gefunden. Das Nebeneinander verschiedener Tarifverträge in einem Betrieb, soweit es um Inhaltsnormen gehe, führe nicht zu tatsächlichen Unzuträglichkeiten.
Trotz der geäußerten Kritik an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schließt sich die erkennende Kammer der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an (vgl. auch Bauer/Haußmann in DB 1999 Seite 1114 ff.). Sinn einer vertraglichen Bezugnahmeklausel ist die Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Betrieb unabhängig von ihrer jeweiligen Gewerkschaftszugehörigkeit. Kommt es zu einem Verbandswechsel des Arbeitgebers entsteht eine Regelungslücke im Arbeitsvertrag, weil der mit der Gleichstellungsabrede bezweckten Vereinheitlichung der Arbeitsverhältnisse aller im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer bei Haften am Wortlaut der Bezugnahmeklausel des Arbeitsvertrages nicht genügt werden kann. Mit Säcker/Oetker (in ZfA 1993, Seite 1 f.) ist davon auszugehen, dass die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel gemäß §§ 133, 157 BGB zu erfolgen hat. Die betriebliche Effizienz und die sozialpolitische Gerechtigkeit erfordern es, unorganisierte mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern gleichzubehandeln. Dafür ist Voraussetzung, dass Tarifeinheit im Betrieb besteht. Soll die Gleichstellungsabrede ihre Intention erfüllen, muss sie auch hinsichtlich ihres Gegenstandes zu einer dynamischen Anpassung im Betrieb führen, um die Tarifeinheit im Betrieb zu sichern (so auch Säcker/Oetker a.a.O). Das Prinzip der Tarifeinheit findet sich ausdrücklich in der Bestimmung des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB. Das Bundesarbeitsgericht hat daher zu Recht ausgeführt, dass das Prinzip der Tarifeinheit ein Rechtsgut der bestehenden Arbeitsrechtsordnung ist. Die Anwendung mehrerer Tarifverträge in einem Betrieb würde zu erheblichen Schwierigkeiten im Betrieb führen. Dies gilt sowohl für Inhaltsnormen wie für Betriebsnormen. So führt das Nebeneinander mehrerer Tarifverträge in einem Betrieb beispielsweise im Zusammenhang mit der Anwendung der §§ 77 Abs. 3 und 87 Abs. 1 BetrVG zu erheblichen Schwierigkeiten (vgl. BAG Urteil vom 20.03.19991, 4 AZR 455/90, a.a.O).
Wegen des Grundsatzes der Tarifeinheit der im Arbeitsvertrag durch die Gleichstellungsabrede für die Vertragsparteien deutlich wird, ist die Auslegung der Bezugnahmeklausel gem. §§ 133, 157 BGB wie folgt vorzunehmen.
Schließen die Arbeitsvertragsparteien einen Arbeitsvertrag unter ausdrücklicher Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag um einheitliche Arbeitsbedingungen im Betrieb zu ermöglichen, so ist die im Rahmen eines Verbandswechsels des Arbeitgebers entstehende Regelungslücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Der Sinn der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede zwingt daher dazu, von einem hypothetischen Willen der Vertragsparteien dahingehend auszugehen und dass sie den für den Arbeitgeber kraft Verbandszugehörigkeit in seinem Betrieb jeweils maßgeblichen Tarifvertrag zur Anwendung bringen wollen (vgl. dazu Säcker/Oetker a.a.O).
Deshalb waren auf die Berufung die Klagen abzuweisen.
Im Rahmen der Entscheidung kam eine Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung im angegriffenen Urteil nicht in Betracht. Die Streitwertfestsetzung gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG ist unanfechtbar. Dies gilt sowohl für eine Anfechtung zusammen mit dem Urteil, dessen Bestandteil sie ist als auch für eine Anfechtung durch eine selbständige Beschwerde (vgl. Grunsky ArbGG 7. Aufl., § 61 Rdnr. 6 unter Hinweis auf die Rechtsprechung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.