Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.08.2000, Az.: 5 Sa 1662/99

Gestaltung des Freizeitausgleichs bei Versagung einer Arbeitsbefreiung an Vorfesttagen durch einenöffentlich-rechtlichen Arbeitgeber; Anspruch eines Arbeitnehmers auf Gewährung einer Sondervergütung wegen Versagung einer Arbeitsbefreiung an Vorfesttagen; Pflichtgemäße Betätigung des Direktionsrechts bei Abgeltung nicht gewährter Arbeitsbefreiung durch zusätzliche Freizeit; Sachlicher Geltungsbereich der Regelung über den zeitnahen Ausgleich vonÜberstunden

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
28.08.2000
Aktenzeichen
5 Sa 1662/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 23199
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2000:0828.5SA1662.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Wilhelmshaven - 25.06.1998 - AZ: 1 Ca 661/98

Verfahrensgegenstand

Zeitzuschlag

Amtlicher Leitsatz

Arbeitnehmern, denen an Vorfesttagen Keine Arbeitsbefreiung erteilt werden kann, steht kein Zeitzuschlag nach § 35 Abs. 1 Satz 2 d) BAT zu, wenn sie nach § 16 Abs. 2 Satz 2 BAT an einem Tag entsprechende Freizeit unter Fortzahlung ihrer Vergütung erhalten. Der Arbeitgeber hat die Option, dem Arbeitnehmer entweder Freizeitausgleich zu einem späteren Zeitpunkt zu gewähren die Arbeitsstunden mit einem Zeitzuschlag von 100 % zu vergüten.

Entscheidet er sich für die Gewährung entsprechender Freizeit, hat er insoweit sein durch die Grundsätze billigen Ermessens (§ 315 BGB) begrenztes Direktionsrecht auszuüben. Er muss die Freizeit grundsätzlich zusammenhängend gewähren. Beruht die Gewährung von Freizeit hingegen auf dem Wunsch des Arbeitnehmers, ist ein Verstoß gegen § 315 BGB auch dann ausgeschlossen, wenn die Arbeit an Vorfesttagen in mehreren kleineren Abschnitten ausgeglichen wird.

Die Regelung für den zeitnahen Ausgleich von Überstunden in § 17 Abs. 5 BAT ist nicht entsprechend anzuwenden.

In dem Rechtsstreit
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung
vom 28.08.2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 25.06.1999 - 1 Ca 661/98 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für Arbeit nach 12:00 Uhr an den Tagen vor dem 01. Weihnachtsfeiertag 1997 (Heiligabend) sowie dem Neujahrstag 1998 Zeitzuschläge gemäß § 35 Abs. 1 S. 2) d BAT zu gewähren sind.

2

Die Klägerin ist seit dem 01.09.1985 bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt. Die Parteien sind auf Grund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit an die Regelungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) gebunden.

3

Die Klägerin wurde am 24.12.1997 in der Zeit von 19:00 Uhr bis 24:00 Uhr und am 31.12.1997 in der Zeit von 13:00 Uhr bis 19:00 Uhr zur Arbeitsleistung herangezogen. Die an den beiden Tagen geleisteten Stunden wurden ihrem Überstundenkonto gutgeschrieben, das zu diesem Zeitpunkt bereits ein Guthaben von 11,15 Stunden aufwies.

4

Die Beklagte verrechnete die von der Klägerin in der Folgezeit genommenen Freizeitstunden teilweise zunächst mit den aufgelaufenen Überstunden und teilweise zunächst mit den gutgeschriebenen Vorfeiertagsstunden. Sie ging im einzelnen wie folgt vor:

5

Am 07. und 08.01.1998 erhielt die Klägerin jeweils 5 Stunden frei, so dass nach Verrechnung der Überstunden ein Guthaben von 1,15 Stunden verblieb. Am 09.01.1998 nahm die Klägerin weitere 4 1/2 Stunden frei, worauf zunächst die verbliebenen 1,15 Überstunden und darüber hinaus 3,15 Stunden aus dem Kontingent gutgeschriebener Vorfeiertagszeiten angerechnet wurden. Weitere 5 Stunden der gutgeschriebenen Vorfeiertagszeiten verrechnete die Beklagte, als die Klägerin am 01.04.1998 in entsprechendem Umfang Freizeit erhielt.

6

In der Folgezeit erarbeitete die Klägerin bis zum 27.04.1998 ein erneutes Guthaben von 15 Überstunden. Als sie in der Zeit vom 13. bis 15.05.1998 14 1/2 Stunden frei nahm, rechnete die Beklagte darauf zuerst die gutgeschriebenen Vorfeiertagszeiten von 2,45 Stunden an und zog die restlichen Stunden vom Überstundenkonto ab.

7

Mit Schreiben vom 04.03.1998 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Gewährung von 100 %igen Zuschlägen für die am Heiligabend und an Silvester geleisteten Arbeitsstunden. Als die Beklagte dies ablehnte, erhob die Klägerin mit am 22.07.1998 beim Arbeitsgericht Wilhelmshaven eingegangenem Schriftsatz Klage.

8

Nach Auffassung der Klägerin ist der Zuschlag von 100 % als Ausgleich dafür zu verstehen, dass zu einer Zeit gearbeitet werden müsse, zu der die meisten Arbeitnehmer frei hätten. Die Wertigkeit dieser Tage sei von den Tarifvertragsparteien in § 35 Abs. 1 d) BAT durch die Höhe der Zuschläge zum Ausdruck gebracht worden. Es sei ein Wertungswiderspruch, wenn der Arbeitgeber durch Arbeitsbefreiung an einem beliebigen späteren Tage die Zuschlagspflicht umgehen könne.

9

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin einen Zeitzuschlag von 100 % für die am 24.12.1997 von 19:00 Uhr bis 24:00 Uhr und am 31.12.1997 von 13:00 Uhr bis 19:00 Uhr geleistete Arbeit zu gewähren.

10

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

11

und dies mit der Auffassung begründet, der Anspruch auf Freizeitausgleich sei erfüllt mit der Folge, dass keine Zuschläge zu zahlen seien.

12

Das Arbeitsgericht Wilhelmshaven hat der Klage durch Urteil vom 25.06.1999 mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte habe den Anspruch der Klägerin auf Freizeitausgleich nach § 16 Abs. 2 S. 2 BAT nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift müsse an einem anderen Tage entsprechende Freizeit erteilt werden. Daraus folge, dass bei einer bestimmten Anzahl zusammenhängend geleisteter Stunden an einem anderen Tage die gleiche Anzahl zusammenhängender Stunden gewährt werden müsse. Der Anspruch auf Freizeitausgleich werde sofort nach Leistung der Arbeit fällig. Da es sich um einen Ausgleich handeln solle, habe dieser angemessen zeitnah zu erfolgen. Unter diesen Voraussetzungen genüge der Freizeitausgleich, wie die Beklagte ihn vorgenommen habe, den Anforderungen der Erfüllung nicht. Die Beklagte habe ihn unzulässig auf drei Tage verteilt und in 3 1/4 Stunden, 2 3/4 Stunden und 5 Stunden gestückelt. Der zweite Bestandteil sei erst am 01.04.1998, der dritte am 13.05.1998 gewährt worden. Ein Zeitraum von vollen drei Monaten genüge dem Zweck des Freizeitausgleichs nicht mehr.

13

Das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven ist der Beklagten am 16.08.1999 zugestellt worden. Mit ihrer am 08.09.1999 eingelegten und am 08.10.1999 begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter und vertieft zur Begründung ihre Rechtsauffassung, dass § 16 Abs. 2 BAT - anders als § 17 Abs. 5 BAT für Überstunden - keine zeitliche Grenze vorsehe, in der ein Freizeitausgleich für Vorfeiertagsarbeit vorgenommen werden müsse. Durch die Formulierung "entsprechende Freizeit" in § 16 Abs. 2 BAT sei lediglich der Umfang des Freizeitausgleichsanspruchs bestimmt. Es sei hingegen keine Entscheidung dahingehend getroffen, dass dieser Freizeitausgleich - auch gegen den Willen des betroffenen Arbeitnehmers - nur zusammenhängend an einem Tag geleistet werden könne. Der Arbeitnehmer habe Anspruch darauf, dass über die Gewährung des Freizeitausgleichs nach billigem Ermessen entschieden werde. Im Regelfall müsse der Freizeitausgleich sowohl zeitnah wie auch zusammenhängend gewährt werden. Ein wesentliches Element im Rahmen des billigen Ermessens sei aber das von dem Arbeitnehmer formulierte eigene Interesse. Wenn dieser durch eigene Antragstellung deutlich mache, dass er eine Freizeitausgleichsgewährung in längerem zeitlichen Abstand und/oder nicht in einem Stück wünsche, sei der Arbeitgeber nicht gezwungen, dies zu verweigern. Im Gegenteil sei es zweifelhaft, ob eine Ausgleichsgewährung billigem Ermessen entspreche, die gegen den Willen des Arbeitnehmers ganztätig im Januar statt gesplittet zu anderen Zeiten nach dessen Wunsch erfolge.

14

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

16

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, wobei sie sich nur hilfsweise die Argumentation des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven zu eigen macht. In erster Linie ist sie weiterhin der Auffassung, der systematische Zusammenhang der §§ 16 Abs. 2 und 35 Abs. 1 S. 2 d) BAT ergebe, dass der Anspruch auf den Zeitzuschlag von 100 % auch dann erhalten bleibe, wenn später Freizeitausgleich gewährt werde. Ein Ausgleich der Arbeit durch bezahlte Freistellung müsse ohnehin erfolgen. Deshalb könne der in § 35 Abs. 1 S. 2 d) BAT geregelte Zeitzuschlag nur zusätzlich zu dem bezahlten Freizeitausgleich anfallen. Zwar ergebe sich diese Auslegung nicht unmittelbar aus dem Tarif Wortlaut, weil § 35 Abs. 1 S. 2 d) BAT den Anspruch auf den Zuschlag davon abhängig mache, dass "kein Freizeitausgleich" erteilt werde. Bei dieser Formulierung handele es sich jedoch um ein redaktionelles Versehen. Die Worte "kein Freizeitausgleich" seien sinngemäß durch die Worte "keine Arbeitsbefreiung" zu ersetzen. Nur durch diese Interpretation werde der Systematik des § 35 Abs. 1 S. 2 BAT entsprochen, in dem geregelt sei, dass Arbeitnehmer bei Arbeit an anderen Sonn- und Feiertagen trotz Freizeitausgleichs einen Zuschlag erhielten. Nach der demgegenüber von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung hätten die Tarifvertragsparteien in § 35 Abs. 1 S. 2 d) BAT einen Zeitzuschlag für einen Fall geregelt, der tariflich nach § 16 Abs. 2 BAT gar nicht eintreten dürfe, weil an einem Vorfesttag geleistete Arbeit durch Freizeit an einem anderen Tag auszugleichen sei. Der Zeitzuschlag von 100 % sei bei zutreffender Auslegung daher als Ausgleich dafür zu verstehen, dass zu einer Zeit gearbeitet werden müsse, zu der die meisten Arbeitnehmer frei hätten und ein Ereignis feiern könnten, das in der Bevölkerung einen hohen Rang einnehme. Nach diesem Verständnis stelle § 16 Abs. 2 BAT eine Spezialnorm zur Frage der Freizeitgewährung an Vorfesttagen dar, während § 35 Abs. 1 BAT lediglich die Frage der Zeitzuschläge regele.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Berufung ist begründet.

18

Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, weil davon auszugehen ist, dass der öffentliche Arbeitgeber auch auf ein der Klage stattgebendes Feststellungsurteil hin leisten wird.

19

Die Klage ist aber unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung eines 100 %igen Zeitzuschlages auf Grund ihrer am 24.12. sowie am 31.12.1997 geleisteten Dienststunden hat.

20

Die Gewährung eines Zeitzuschlages bestimmt sich nach § 35 Abs. 1 S. 2 d) i. V. m. § 16 Abs. 2 BAT. Die Vorschriften finden auf das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit Anwendung. Soweit für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblich, haben die Bestimmungen folgenden Wortlaut:

21

§ 35 Abs. 1 BAT:

"a.
Der Angestellte erhält neben seiner Vergütung (§ 26) Zeitzuschläge. Sie betragen je Stunde ...

b.
für Arbeit an Sonntagen 25 v.H.

c.
für Arbeit an Wochenfeiertagen, auch wenn sie auf einen Sonntag fallen, sowie am Ostersonntag und am Pfingstsonntag

aa.
ohne Freizeitausgleich 135 v.H.

bb.
bei Freizeitausgleich 35 v.H.,

d.
soweit nach § 16 Abs. 2 kein Freizeitausgleich erteilt wird, für Arbeit nach 12:00 Uhr an dem Tage vor dem

aa.
Ostersonntag, Pfingstsonntag 25 v. H.,

bb.
1. Weihnachtsfeiertag, Neujahrstag 100 v. H., ..."

22

§ 16 Abs. 2 BAT:

"Soweit die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen, wird an dem Tage vor dem 1. Weihnachtsfeiertag und vor Neujahr jeweils ganztägig sowie an dem Tage vor Ostersonntag und vor Pfingstsonntag jeweils ab 12:00 Uhr Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung (§ 26) und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen erteilt. Dem Angestellten, dem diese Arbeitsbefreiung aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen nicht erteilt werden kann, wird an einem anderen Tage entsprechende Freizeit unter Fortzahlung der Vergütung (§ 26) und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen erteilt."

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Protokollnotiz zu Abs. 2:

"Die nach Satz 1 zustehende Arbeitsbefreiung an dem Tage vor dem 1. Weihnachtsfeiertag und vor Neujahr ist für Angestellte, die dienstplanmäßig an allen Tagen der Woche oder im Wechsel Schicht- oder Schichtdienst arbeiten und deren Dienstplan an einem oder an beiden dieser Tage für die Zeit bis 12:00 Uhr keine Arbeit vorsehe, im Umfang von jeweils 1/10 der für den Angestellten geltenden durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit zu gewähren, es sei denn, diese Tage fallen auf einen Samstag oder Sonntag, oder bei Angestellten, deren Arbeitszeit auf weniger als fünf Tage in der Woche verteilt ist, auf einen für den Angestellten regelmäßigen freien Tag."

24

§ 35 Abs. 1 S. 2 d) BAT macht die Zeitzuschläge also davon abhängig, dass kein Freizeitausgleich nach § 16 Abs. 2 BAT erteilt worden ist. Ist ein Freizeitausgleich erteilt, besteht kein Anspruch auf Zeitzuschläge.

25

1.

Die Regelung ist insoweit eindeutig. Der Begriff "Freizeitausgleich" nimmt auf § 16 Abs. 2 S. 2 BAT Bezug. Hätten die Tarifvertragsparteien statt des Begriffs "Freizeitausgleich" den Begriff der "Arbeitsbefreiung" verwendet, wie die Klägerin die Vorschrift interpretiert, könnte sich im Wege der Auslegung möglicherweise ein anderer Sinn ergeben. Dann nämlich wäre unklar gewesen, ob § 35 Abs. 1 S. 2 BAT auf § 16 Abs. 2 S. 1 BAT Bezug nimmt, der den Anspruch auf Arbeitsbefreiung dem Grunde nach regelt, oder ob die Vorschrift auf den Freizeitausgleich nach § 16 Abs. 2 S. 2 BAT verweist. Bei einer Bezugnahme auf § 16 Abs. 2 S. 1 BAT hätte mit der Rechtsauffassung der Klägerin argumentiert werden können, dass Arbeitnehmern, denen an Vorfesttagen keine Arbeitsbefreiung erteilt werden kann, jedenfalls ein Zuschlag von 100 % zusteht. Gegen diese Auslegung spricht aber neben der Verwendung des auf § 16 Abs. 2 BAT zielenden Begriffs "Freizeitausgleich", dass in dieser Bestimmung von einer entsprechenden Freistellung an einem anderen Tage "unter Fortzahlung der Vergütung (§ 26 BAT)" die Rede ist. Ein Hinweis auf die in § 35 Abs. 1 S. 2 d) BAT geregelten Zeitzuschläge fehlt.

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Das Gericht hat bei der Auslegung der tariflichen Bestimmungen die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde gelegt, bei der über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen ist, wie er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen (BAG seit 12.09.1984 - 4 AZR 336/82 - AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung EzA § 1 TUJ Auslegung Nr. 14, vgl. auch 23.02.1994 - 4 AZR 224/93 - AP Nr. 2 zu § 1 TUJ Tarifverträge Kirchen). Auch im systematischen Zusammenhang der Regelung ist erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien die eindeutige Formulierung "Freizeitausgleich" nicht auf Grund eines redaktionellen Irrtums gewählt haben. Dies ergibt sich aus den bewusst differenzierenden Regelungen in § 35 Abs. 1 S. 2 BAT. So erhalten Angestellte, die an Sonntagen arbeiten, trotz Anspruchs auf Freizeitausgleich einen Zuschlag von 25 v. H.. Bei Angestellten, die an Wochenfeiertagen arbeiten, besteht eine Zuschlagsregelung, die ihrem Umfang nach von einem Freizeitausgleich abhängig ist. Dadurch wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien einen Zeitzuschlag bewusst danach unterschieden haben, ob ein Zeitausgleich gewährt worden ist. Der im vorliegjenden Fall maßgebliche Buchstabe d) sieht einen Zuschlag nur vor, "soweit nach § 16 Abs. 2 BAT kein Freizeitausgleich erteilt" wurde. Im Kontext zu § 16 Abs. 2 S. 2 BAT, der einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Freizeitausgleich regelt, ergibt sich somit, dass dem Arbeitgeber die Option eröffnet ist, dem Arbeitnehmer entweder zu einem späteren Zeitpunkt den Freizeitausgleich zu gewähren oder die Arbeitsstunden mit einem Zeitzuschlag von 100 % zu vergüten.

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Auch die Überlegung, dass die Tarifvertragsparteien die Arbeitsbefreiung an Vorfesttagen von Zeiten nach 12:00 Uhr nach der seit dem 01.07.1996 geltenden Regelung auf den gesamten Tag ausgeweitet haben, führt nicht dazu, dass die an diesen Tagen beschäftigten Arbeitnehmer zusätzlich zu einem Zeitausgleich den Zeitzuschlag erhalten müssten. Die Ausweitung der Arbeitsbefreiung besteht im Zusammenhang mit der durch § 1 Nr. 1 des 73. Änderungstarifvertrages zum BAT vereinbarten Streichung eines arbeitsfreien Tages nach § 15 a) BAT. Es handelt sich aber um keine unmittelbare, individuelle Kompensationsmaßnahme, aus der der Schluss zu ziehen wäre, dass alle an diesen Tagen arbeitenden Angestellten mehr als nur einen weiteren (halben) freien Tag beanspruchen können müssten. Es lag nicht in der Absicht der Tarifvertragsparteien, in jedem Einzelfall einen Ersatz für die Streichung eines freien Tages im Kalenderjahr zu schaffen (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr § 16 BAT, Erläuterung 3 mit Hinweisen auf Rundschreiben der TdL vom 14.11.1996, der VKA vom 27.11.1996 sowie des BMJ vom 03.01.1997).

28

Ein Ansatzpunkt für eine andere Auslegung besteht deshalb schließlich nicht auf Grund der Protokollnotiz zu § 16 Abs. 2 BAT, die den dort bezeichneten Arbeitnehmern grundsätzlich einen anteiligen Anspruch auf Arbeitszeitausgleich von 1/10 der für sie geltenden durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit zuerkennt, wenn der Dienstplan an einem oder an beiden dieser Tage bis 12:00 Uhr keinen Dienst vorsieht. Das Argument der Klägerin, wenn Angestellte, die an Vorfesttagen überhaupt nicht arbeiteten, einen Freizeitausgleich erhielten, dann müsse an diesen Tagen zum Dienst eingeteilten Angestellten jedenfalls der Zeitzuschlag gewährt werden, lässt außer Acht, dass die Regelung gerade belegt, dass nicht alle Angestellten von der Arbeitsbefreiung profitieren. Angestellte, deren Arbeitszeit auf weniger als fünf Tage in der Woche verteilt ist, erhalten keinen Zeitausgleich, wenn der 24. oder 31.12. auf deren freien Tag fällt. Die Ausgleichspflicht besteht weiterhin dann nicht, wenn der Vorfesttag an einem Samstag oder Sonntag liegt. Es handelt sich also bei der Protokollnotiz um eine abschließende Regelung, durch die in pauschalisierter Form eine gewisse Gleichstellung mit Angestellten bewirkt werden soll, die in den Genuss der sich aus § 16 S. 1 BAT ergebenden Verbesserungen gelangen (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr § 16 BAT, Erläuterung 3). Ein darüber hinausgehender Wille der Tarifvertragsparteien lässt sich daraus nicht ableiten.

29

2.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die Arbeitsstunden am 24.12. sowie am 31.12.1997 dem Arbeitszeitkonto der Klägerin gutgeschrieben und ihr dies mitgeteilt. Die Klägerin hat nach § 16 Abs. 2 S. 2 BAT Freizeitausgleich für die an den Vorfesttagen geleisteten Arbeitsstunden erhalten, nämlich am 09.01.1998 (3,15 Stunden), am 01.04.1998 (5,0 Stunden) sowie am 13.05.1998 (2,45 Stunden). Dieser auf dem Wunsch der Klägerin beruhende, von der Beklagten gewährte Freizeitausgleich verstößt nicht gegen die Grundsätze billigen Ermessens (§ 315 BGB).

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a)

Nach § 16 Abs. 2 S. 2 BAT erhalten Arbeitnehmer, die aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen an Vorfesttagen nicht von der Arbeitspflicht befreit werden können, "an einem anderen Tage entsprechende Freizeit". Der Arbeitgeber, der an einem anderen Tage entsprechende Freizeit gewähren muss, hat im Hinblick auf die Arbeitsbefreiung sein durch die Grundsätze billigen Ermessens begrenztes Direktionsrecht auszuüben. Das Tatbestandsmerkmal "entsprechend" ist dabei quantitativ zu verstehen; es muss dieselbe Stundenzahl an Freizeit gewährt werden; in der Regel ist der Freizeitausgleich auch zusammenhängend zu gewähren. Beruht die Gewährung von Freizeit hingegen auf dem Wunsch des Arbeitnehmers, ist ein Verstoß gegen § 315 BGB auch dann ausgeschlossen, wenn die Arbeit an Vorfesttagen - wie im vorliegenden Fall - in mehreren kleineren Abschnitten ausgeglichen wird.

31

b)

Es verstößt in diesem Fall weiterhin nicht gegen billiges Ermessen (§ 315 BGB), wenn die Freizeit erst geraume Zeit nach den auszugleichenden Vorfesttagen gewährt wird. Im Schrifttum wird zwar vertreten, der Freizeitausgleich solle grundsätzlich zeitnah erfolgen. Es bestünden jedoch keine Bedenken, in sinngemäßer Anwendung des § 17 Abs. 5 S. 1 BAT für den Freizeitausgleich einen Zeitraum bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach dem Vorfesttag vorzusehen (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr § 16 BAT, Erläuterung 3). Das Gericht teilt diese Auffassung nicht. § 17 Abs. 5 BAT gilt nur für Überstunden und verfolgt hier den Zweck, dass Überstunden überschaubar gehalten und nicht in einem großen Block aufgestaut werden sollen. Für den Freizeitausgleich besteht diese Gefahr nicht, so dass kein Grund gegeben ist, den Zeitrahmen des § 17 Abs. 5 BAT auf den Freizeitausgleich nach § 16 Abs. 2 S. 2 BAT zu übertragen. Die Anwendung des Zeitrahmens nach § 17 Abs. 5 BAT wird den Interessen der Arbeitnehmer auch nicht entsprechen, die anderenfalls in den ersten drei Monaten des neuen Jahres (möglicherweise zusätzlich zu aufgestauten Überstunden) zwingend Freizeitausgleich nehmen müssten, den sie nach der von der Beklagten ausgeübten Praxis auch noch während der Sommermonate nehmen könnten. Richtet sich der Arbeitgeber - wie die Beklagte im vorliegenden Fall - nach den Wünschen des Arbeitnehmers, liegt es in seinem Ermessen, ob er den Freizeitausgleich der Arbeitnehmer in erster Linie mit dem Zeitguthaben auf Grund der Vorfesttage oder mit vorhandenen Überstunden verrechnet. Verrechnet er es zunächst mit den Überstunden, wie die Beklagte mit den Freistunden am 07., 08. und 09.01.1998 verfahren ist, hat der Arbeitnehmer den Vorteil, dass er zu späterer Zeit auf das Zeitguthaben auf Grund der Arbeit an Vorfesttagen zurückgreifen kann; die Zeiten bleiben in einem zusätzlichen, von § 17 Abs. 5 BAT nicht erfassten "Puffer" erhalten. Verrechnet der Arbeitgeber hingegen Freistunden zuerst mit dem Vorfesttagszeitguthaben, geht er das Risiko ein, die nicht ausgeglichenen Überstunden am Ende des Zeitraums nach § 17 Abs. 5 BAT mit Zuschlägen vergüten zu müssen.

32

II.

Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, §§ 91, 97 ZPO.

33

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.