Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.01.2000, Az.: 10 Sa 2606/98

Weitergewährung von Fahrkostenzuschüssen an Zivilbedienstete der Bundeswehr

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
20.01.2000
Aktenzeichen
10 Sa 2606/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 22449
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2000:0120.10SA2606.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Verden - 30.09.1998 - 1 Ca 852/97

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage der Weitergewährung von Fahrkostenzuschüssen an Zivilbedienstete der Bundeswehr gemäß dem Rundschreiben des BMI vom 22. Dezember 1992 DD III 5 - 222, 139/1 in VMBI 1993 Nr. 6, Seite 78 - 81 (abgelegene Dienststätte)

In dem Rechtsstreit
hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 20.01.2000
durch
den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Verden (Aller) vom 30. September 1998 - 1 Ca 852/97 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Weitergewährung eines Fahrtkostenzuschusses von monatlich DM 132,04 für die Zeit ab 01. August 1996.

2

Die Klägerin wird seit dem 16. April 1980 in der Truppenplatzkommandantur Garlstedt/Altenwalde (künftig: Kommandantur) als sogenannte Bürokraft B gemäß den Regelungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes der Bundeswehr beschäftigt (Arbeitsvertrag Blatt 5 d. A. - Vergütung zuletzt Gruppe VII BAT).

3

Die Kommandantur befindet sich jedenfalls seit 1985 in der nordwestlichen Ecke der Clay-Kaserne, deren Osttor 800 m vom Ortsschild Garlstedt entfernt liegt. Die Kommandantur darf nur durch das Osttor angefahren werden, wobei sich der Zaun der Kommandantur 1.600 m vom Osttor entfernt befindet. Das übrige Gelände der Clay-Kaserne wird von der Bundeswehr erst seit dem Abzug der Amerikaner im Jahre 1994 selber genutzt. Die Klägerin erhielt seit dem Beginn ihrer Tätigkeit einen Fahrkostenzuschuss gemäß dem Rundschreiben des BMI vom 18. Februar 1976 (Blatt 33 bis 37 d. A.), wobei die Zahlung im übrigen auf einer generellen Anerkennung der Kommandantur als abgelegene Dienststelle durch das Bundesverteidigungsministerium beruhte.

4

Das genannte Rundschreiben lautete auszugsweise wie folgt (Blatt 33 d. A.):

"B.
Gewährung von Fahrtkostenzuschuß aus dienstlichen Gründen

...

1.
Bundesbedienstete mit dienstlichem Wohnsitz im Inland, die aus dienstlichen Gründen (Nr. 2) nicht in der Nähe ihrer Dienststätte wohnen können, erhalten einen Fahrkostenzuschuß in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Fahrkosten (Nr. 3) und dem Fahrkosteneigenanteil (Nr. 4). ...

2.
Dienstliche Gründe liegen vor, wenn

a)
...

b)
...

c)
Bedienstete in abgelegenen Dienststätten (z. B. Radarstationen, Wetterstationen, Depots) beschäftigt sind und das Wohnen in der Nähe der Dienststätte aus von der obersten Dienstbehörde anerkannten Gründen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist". ...

5

Durch Rundschreiben des BMI vom 22. Dezember 1992 (Blatt 6 bis 10 d. A.) wurde die Regelung sub 2 c wie folgt neu gefasst (Blatt 6 d. A.):

6

...

"c)
Bedienstete in abgelegenen Dienststätten beschäftigt sind. Abgelegen sind Dienststätten, wenn sie mehr als zwei Kilometer-Fußwegstrecke außerhalb geschlossener Ortschaften liegen (z. B. Sendeanlagen, Radar- oder Wetterstationen, Depots). Die geschlossene Ortschaft wird durch die Ortstafel nach § 42 Abs. 3 Straßenverkehrsordnung oder, wenn diese nicht vorhanden ist, durch das Ende der geschlossenen Bebauung bestimmt" ....

Nr. 9 a. a. O. (Blatt 7 d. A.) lautete wie folgt (Blatt 7 d. A.):

"9.
Bis zum Inkrafttreten dieser Richtlinie gewährte Fahrkostenzuschüsse werden - unter Berücksichtigung der in vorstehender Nummer 4 genannten Beträge - weitergewährt, wenn und so lange im übrigen die Voraussetzungen für ihre Gewährung nach den bisher geltenden Bestimmungen erfüllt sind".

Sub B Nr. 6 (Blatt 7 d. A.) wurde entsprechend wie folgt vorgeschrieben:

6.
Fahrkostenzuschüsse, die nach den bis zum 30. November 1992 geltenden Regelungen gezahlt worden sind, werden weitergewährt, so lange die für die bisherige Anerkennung maßgeblichen Voraussetzungen (s. Anlage) erfüllt werden. Jedoch sind die unter Nummer 4 der neugefaßten Fahrkostenzuschuß-Richtlinie aufgeführten Eigenanteile ab dem 1. Dezember 1992 zu berücksichtigen".

7

Die Nr. 2 c der Übergangsregelung lautete wie folgt (Blatt 8 d. A.):

"c)
Bedienstete in abgelegenen Dienststätten (z. B. Radarstationen, Wetterstationen, Depots) beschäftigt sind und das Wohnen in der Mähe der Dienststätte nicht möglich oder nicht zuzumuten ist. Das Wohnen in der Nähe der Dienststätte ist nicht möglich, wenn im nächstgelegenen Wohngebiet keine Mietwohnungen vorhanden sind".

8

Mit Erlass vom 14. Juni 1996 widerrief der Bundesminister der Verteidigung die Anerkennung der Kommandantur als abgelegene Dienststelle (vgl. Blatt 9/10 d. A.). Daher teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 26. Juli 1996 mit, dass die Zahlung mit Wirkung ab 01. August 1996 eingestellt würde (Blatt 11 d. A.).

9

Mit Schreiben vom 07. August 1996 machte die Klägerin ihren vermeintlichen Anspruch auf Weiterzahlung geltend (Blatt 12 d. A.).

10

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und seiner Wertung durch das Arbeitsgericht wird auf das bei einem Streitwert von DM 4.753,44 ergangene und die Klage abweisende Urteil Bezug genommen (Blatt 56 bis 70 d. A.).

11

Gegen dieses ihr am 20. Oktober 1998 zugestellte Urteil legte die Klägerin am 16. November 1998 Berufung ein und begründete diese Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18. Januar 1999 am 14. Januar 1999.

12

Im Berufungsrechtszug ist unstreitig geworden, dass die Kommandantur und das übrige Kasernengelände im Bundesverteidigungsministerium zwei getrennte Liegenschaftsnummern, aber gleichwohl postalisch nur eine Adresse haben.

13

Die Klägerin weist auf den Umstand hin, dass sich für sie durch den Abzug der Amerikaner tatsächlich nichts geändert habe. Der Widerruf der Anordnung sei unwirksam. Die Kommandantur sei eine eigene Dienststätte. Sie persönlich erfülle auch die Voraussetzungen der Übergangsregelung bzw. Altregelung, weil Mieten in Garlstedt für Bedienstete des mittleren Dienstes unerschwinglich hoch seien.

14

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Verden vom 30.09.1998 - AZ: 1 Ca 852/97 - abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin ab 01.08.1996 weiterhin monatliche Fahrtkostenzuschüsse gemäß der Richtlinie über die Zahlung von Fahrtkostenzuschüssen für regelmäßige Fahrten zwischen Wohnung und Dienststätte vom 22.12.1992 zu zahlen.

15

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

16

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 19. Februar 1999 (Blatt 92 bis 93 d. A.).

17

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Klägerin wird auf die Berufungsbegründung vom 13. Januar 1999 Bezug genommen (Blatt 83 bis 89 d. A.). Außerdem wird auf die mit Blattzahlen zitierten Unterlagen, die Erklärungen der Parteien zum Protokoll des Berufungsgerichts vom 20. Januar 2000 (Blatt 102 d. A.) und auf die Geländekarte mit der Clay-Kaserne (Blatt 32 d. A.) verwiesen.

Gründe

18

Die Berufung ist nicht begründet, weil der Klägerin der begehrte Fahrtkostenzuschuss nicht mehr zusteht.

19

Hinsichtlich der Zulässigkeit der Feststellungsklage, der Verneinung eines Anspruchs aufgrund der Neuregelung von 1992 und der Ablehnung der Annahme einer evtl. bestehen gebliebenen betrieblichen Übung nimmt das Berufungsgericht gemäß § 543 ZPO auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug, um Wiederholungen zu vermeiden (Seite 9 bis 12 im ersten Absatz der Entscheidungsgründe und weiter beginnend mit dem letzten Absatz auf Seite 12 bis zum Schluss der Entscheidungsgründe).

20

Die Berufung gibt Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:

21

Es kann dahingestellt bleiben, ob wegen der mangelnden Schriftform einer Abrede gemäß § 4 BAT hier überhaupt ein vertraglicher Anspruch auf einen Fahrtkostenzuschuss entstehen konnte, weil der streitbefangene Anspruch ohnehin nicht besteht.

22

Bis zum Abzug der Amerikaner im Jahre 1994 erfüllte die Klägerin sowohl die Voraussetzungen der Altregelung von 1976, als auch der Neuregelung von 1992.

23

Die "abgelegene Dienststätte" war vor 1992 nicht entfernungsmäßig definiert. Stattdessen musste das Nichtwohnenkönnen oder die Unzumutbarkeit des Wohnens in der Nähe der Dienststätte von der obersten Dienstbehörde anerkannt sein. Dies war hier durch den Bundesverteidigungsminister seinerzeit geschehen. Bis zum Abzug der Amerikaner erfüllte der Sachverhalt auch die Voraussetzungen der neuen Regelung von 1992. Die Entfernung vom Ortsschild Garlstedt bis zum ersten Zaun der seinerzeit einzigen deutschen Einrichtung betrug unstreitig 2.400 m und damit mehr als 2 km.

24

Durch den Abzug der Amerikaner und die Übernahme des frei gewordenen weiteren Geländes durch die Bundeswehr verkürzte sich die außerhalb des nunmehr von der Bundeswehr genutzten Gesamtareals zurückzulegende Wegstrecke von 2.400 auf 800 m. Damit waren seit diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen der Neuregelung nicht mehr erfüllt. Die Ansicht der Klägerin, die Kommandantur sei eine eigene Dienststätte geblieben, kann weder aus den getrennten Liegenschaftsnummern, noch aus sonstigen Umständen abgeleitet werden.

25

Das Gesamtareal stellt nicht nur eine geografische Einheit (Blatt 32 d. A.) dar, sondern hat auch nur eine postalische Adresse (Straße und Mr. sind identisch). Die Klägerin unternimmt hier den untauglichen Versuch, eine Dienststelle generell zur Dienststätte zu erklären, ohne auf die vom Berufungsgericht in?s Zitat genommenen ausführlichen und zutreffenden Erwägungen des Erstgerichtes einzugehen.

26

Der Umstand, dass sich für die Klägerin tatsächlich nichts geändert hat, ist ebenso richtig wie bedeutungslos, wenn es das Begehren der Klägerin auch gut verständlich erscheinen lässt.

27

Regelungen nicht nur der vorliegenden Materie, die nicht in einer vertraglichen Vereinbarung festgeschrieben worden sind, stehen gerade im öffentlichen Dienst in der Regel unter dem Vorbehalt der Änderung.

28

Die Klägerin erfüllte ab 1994 mit dem Abzug der Amerikaner nicht mehr die Voraussetzungen der Neuregelung von 1992, weil die Entfernung vom Ortsschild Garlstedt bis zum Eintritt des von der Bundeswehr genutzten Geländes sich von 2.400 auf 800 m verkürzt hatte.

29

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin von diesem Zeitpunkt an auf die Übergangsregelung 1992 mit der Bezugnahme auf die frühere Regelung von 1976 zurückgreifen konnte, wie es die Beklagte in der Zeit bis zum Widerruf der Anerkennung im Jahre 1996 im Ergebnis tatsächlich gehandhabt hatte. Hier bestehen schon deshalb Zweifel, weil Übergangs Vorschriften in Neuregelungen im Regelfall nur auf Sachverhalte anwendbar sind, welche beim Zeitpunkt der Neuregelungen deren Voraussetzungen nicht erfüllen.

30

Entscheidend ist hier, dass der Widerruf der Anerkennung nicht gegen § 315 BGB verstieß. Grundlage der Anerkennung war u. a. der Umstand, dass seinerzeit die Entfernung der deutschen Einrichtung (damals nur die Kommandantur) zum Ortsschild Garlstedt 2.400 m betrug, während sie seit 1994 nur noch 800 m maß.

31

Damit erweisten sich auch die vom Berufungsgericht nicht übernommenen Ausführungen des Arbeitsgerichts auf Seite 12 Mitte des angefochtenen Urteils jedenfalls im Ergebnis als zutreffend.

32

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin gemäß § 97 ZPO zu tragen, weil ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.

33

Die Zulassung der Revision beruht entsprechend den Anregungen beider Parteien wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auf der Vorschrift des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens ist nicht nur für die übrigen beim Arbeitsgericht anhängigen Parallelprozesse von Bedeutung, sondern auch für andere Standorte in Deutschland.