Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.03.2000, Az.: 12 Sa 1550/99

Unterschriften in Berufungseinlegungs- und Berufungsbegründungsschrift als Formvorgabe einer zulässigen Berufung; Identifizierbarkeit des Prozessbevollmächtigten als Regelungsziel der doppelten Unterschreibungspflicht; Abgrenzung von formgültiger Unterschrift zur bloßen Paraphe

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
28.03.2000
Aktenzeichen
12 Sa 1550/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 10967
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2000:0328.12SA1550.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 21.07.1999 - AZ: 3 Ca 663/98

In dem Beschlussverfahren
hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
aufgrund der Beratung vom 28.03.2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Röder und
die ehrenamtlichen Richter Hans Werner und Rolf Schübte
beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg, vom 21.07.1999 - 3 Ca 663/98 - wird kostenpflichtig gem. §§ 519 b, 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen.

Die Revisionsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

Die Parteien streiten - soweit in 2. Instanz noch von Belang - über Arbeitsentgelt. Der Kläger hat mit seiner Klage beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 6.016,00 DM brutto nebst Zinsen sowie zur Herausgabe der Arbeitspapiere zu verurteilen. Das Arbeitsgericht Oldenburg hat durch Urteil vom 21. Juli 1999 den Beklagten verurteilt, an den Kläger 6.016,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 11. Dezember 1998 zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt.

2

Gegen das dem Beklagten am 26. August 1999 zugestellte Urteil hat dieser bereits am 20. August 1999 Berufung eingelegt und diese per Telefax (Bl. 55, 56 d. A.) am 20. September 1999 begründet.

3

Die Telefax-Kopie der Berufungsbegründungsschrift vom 20. September 1999 (das Original ist noch innerhalb der Berufungsfrist am 24. September 1999 eingegangen) trägt oben im Briefkopf die Angabe ... "Rechtsanwalt und Notar" und unter der handschriftlichen Unterzeichnung die maschinenschriftliche Angabe "Rechtsanwalt". Unterzeichnet ist die Berufungsbegründungsschrift (Telefax-Kopie sowie Original) mit einem Schriftgebilde, welches aus drei nicht miteinander verbundenen Buchstaben besteht, wobei sich zwischen dem 2. und 3. Buchstaben ein Bindestrich befindet. Die Unterzeichnung der Berufungsbegründungsschrift sieht danach so aus:

4

...

5

Nachdem der Vorsitzende der 12. Kammer mit Schreiben vom 21. September 1999 Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung äußerte, hat der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten mit Schriftsatz vom 14. Oktober 1999 (Bl. 68, 69 d. A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, geltend gemacht, anhand der Buchstaben ... lasse sich die Identität des Unterzeichnenden im ausreichenden Maße erkennen und im übrigen verwende Rechtsanwalt ... diese Unterschrift seit mittlerweile 30 Jahren sowohl als Rechtsanwalt als auch als Notar und Beanstandungen habe es bisher nicht gegeben.

6

Die Berufung war gemäß § 519 b ZPO als unzulässig zu verwerfen, da die Berufungsbegründungsschrift nicht ordnungsgemäß unterzeichnet ist.

7

Der Schriftzug unter dem Berufungsbegründungsschriftsatz genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Es handelt sich um eine bloße Paraphe.

8

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren müssen sowohl die Berufungsschrift als auch der Berufungsbegründungsschriftsatz von einem nach § 11 Abs. 2 ArbGG postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten handschriftlich und eigenhändig unterzeichnet sein, denn es handelt sich um bestimmende Schriftsätze (BAG, AP Nr. 42, 46 zu § 518 ZPO m. w. N.; vergl. zur Revisions- und Revisionsbegründungsschrift auch BAG, AP Nr. 67 zu § 518 ZPO).

9

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofes, welcher die Kammer folgt, soll die Unterschrift unter einen bestimmenden Schriftsatz dem Nachweis dienen, daß der Schriftsatz von einer Person, die nach der maßgeblichen Prozeßordnung befähigt und befugt ist, Prozeßhandlungen vorzunehmen in eigener Verantwortung vorgetragen wird. Die Unterschrift muß, um dies zu gewährleisten, ein Schriftbild aufweisen, das individuell und einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale hat und sich so als eine die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnende Unterschrift des Namens darstellt, die von Dritten nicht ohne weiteres nachgeahmt werden kann. Hierbei ist nicht erforderlich, daß die Unterschrift lesbar ist oder auch nur einzelne Buchstaben zweifelsfrei erkennbar sind. Es genügt vielmehr insoweit, daß ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftsatz noch herauslesen kann (BAG, AP Nr. 46, 67 zu § 518 ZPO; BGH, NJW - RR 97, 760). Ferner muß die Unterschrift auch erkennen lassen, daß es sich um eine endgültige Erklärung des Unterzeichners und nicht nur etwa um einen Entwurf handelt. Die Unterschrift muß bei aller Flüchtigkeit noch ausweisen, daß der Unterzeichnende seinen vollen Namen hat niederschreiben wollen. Eine erkennbar abgekürzte Form des Namens kann nicht mehr als Unterschrift anerkannt werden, denn eine sogenannte Paraphe ist keine formgültige Unterschrift (BAG, a. a. O. sowie AP Nr. 1 zu § 130 ZPO; vergl. auch BGH NJW 99, 60 [BGH 28.09.1998 - II ZB 19/98]; Versicherungsrecht 98, 340). Handzeichen, die allenfalls einen Buchstaben verdeutlichen sowie Unterzeichnungen mit einer Buchstabenfolge, die erkennbar als gewußte und gewollte Namensabkürzung erscheint, stellen keine formgültige Unterschrift dar (BGH, Versicherungsrecht 94, 368).

10

Bei Anwendung obiger Grundsätze kann die Berufungsbegründungsschrift vom 20. September 1999 nicht als ordnungsgemäß unterzeichnet angesehen werden.

11

Es handelt sich bei dem am Ende der Berufungsbegründungsschrift geleisteten Schriftzug nicht um die Unterschrift eines Namens sondern um eine Namensabkürzung, nämlich eine Paraphe.

12

Ob ein Schriftzeichen eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung (Handzeichen, Paraphe) darstellt, beurteilt sich nach dem äußeren Erscheinungsbild (BGH, Versicherungsrecht 94, 368 m. w. N.). Hier handelt es sich um drei einzelne Buchstaben, welche unverbunden nebeneinander stehen und lediglich insoweit einen Bezug zum Nachnamen des Prozeßbevollmächtigten ... aufweisen, als die beiden großen Buchstaben bzw. ... und ... der Bindestrich auf den Doppelnamen des Rechtsanwalt hinweisen. Alle drei Schriftzeichen sind jedoch deutlich voneinander abgesetzt und stellen sich deshalb nicht als Namenszug des Doppelnamens sondern als bloße unverbundene Buchstabenfolge dar. Daraus wird klar ersichtlich, daß bloß eine Namensabkürzung (Handzeichen) vorliegt. Es fehlt mangels Verbindung der Einzelbuchstaben an der notwendigen Deutlichkeit, daß nicht nur eine Abzeichnung mit einem Handzeichen sondern eine volle Namensunterschrift vorhanden ist. Anders ausgedrückt: Die Tendenz zu einem vollen Namenszug läßt sich nicht erkennen.

13

Die Ausführungen des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten im Schriftsatz vom 14. Oktober 1999 sind nicht geeignet, das Vorliegen einer bloßen Paraphe zu verneinen und von einer brauchbaren Unterschrift auszugehen. Darauf, daß Rechtsanwalt ... das beanstandete Schriftzeichen seit mittlerweile 30 Jahren sowohl als Rechtsanwalt als auch als Notar ohne Beanstandung verwendet hat, kommt es nicht an (vgl. etwa BGH LM Nr. 5 u. 6 zu § 130 ZPO; BGH NJW 59, 734 [BGH 07.01.1959 - 2 StR 550/58]). Daß der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten bestimmende Schriftsätze an das Berufungsgericht des öfteren in der Weise unterzeichnet habe wie die Berufungsbegründungsschrift im vorliegenden Rechtsstreit und daß eine derartige Unterschriftspraxis von der 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts nicht beanstandet worden sei (vgl. hierzu BAG AP Nr. 2 zu § 1 TVG Kündigung), hat der Beklagten-Vertreter weder vorgetragen noch ist dies sonstwie ersichtlich.

14

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

15

Die Zulassung der Revisionsbeschwerde beruht auf § 77 ArbGG.

16

Gegen diesen Beschluß findet die Revisionsbeschwerde gemäß § 77 ArbGG i. V. m. § 519 b ZPO statt.

Röder