Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.03.2000, Az.: 3 Sa 514/99 E
- siehe dazu Urteil des BAG vom 17.04.2002 - 5 AZR 413/00
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 24.03.2000
- Aktenzeichen
- 3 Sa 514/99 E
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 34232
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2000:0324.3SA514.99E.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg (Oldenburg) - 28.01.1999 - AZ: - 1 Ca 411/98 E
Tenor:
1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 28.01.1999 1 Ca 411/98 E wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die tarifliche Eingruppierung der Klägerin
Die Klägerin ist seit mehreren Jahren als Lehrkraft für besondere Aufgaben im Fach Musik an der Universität O. beschäftigt. Zunächst erhielt sie eine Vergütung nach Semesterwochenstunden. In einem Vorprozeß begehrte die Klägerin Zahlung eines Entgelts nach Vergütungsgruppe II a BAT. Durch Urteil vom 06.02.1996 entschied das Landesarbeitsgericht (Az. 13 Sa 2404/94 E), daß der Klägerin (und weiteren Kolleginnen und Kollegen) Vergütung nach Vergütungsgruppe II a BAT zusteht.
Mit Schreiben vom 20.05.1998 teilte das beklagte Land der Klägerin u. a. mit:
"Durch Urteil des Arbeitsgerichtes Oldenburg/Landesarbeitsgerichtes Hannover bin ich verpflichtet worden, Ihnen Vergütung nach VergGr. II a BAT zu gewähren, und zwar wegen eines Verstoßes gegen den in § 2 Abs. 1 Beschäftigungsförderungsgesetz normierten Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser Verstoß wurde darin gesehen, daß insbesondere hier Beschäftigte sogenannten Vollzeitbeschäftigte, die nach Feststellung des Gerichts ebenfalls überwiegend Instrumentalunterricht erteilen, in VergGr. II a BAT eingruppiert sind.
Diesen Beschäftigten habe ich nun mir Wirkung vom 1. Juni 1998 Aufgaben nach § 65 NHG übertragen; danach ist Instrumentalunterricht in Form von Einzel- bzw. Gruppenunterricht nur noch im Umfang von 2 LVS zu leisten.
Nach alledem ist der Rechtsgrund für die Zahlung einer Vergütung, die von der außertariflichen Eingruppierung abweicht, entfallen. Die erforderliche Korrektur wird mit Wirkung vom 1. Juni 1998 vorgenommen....
Die Klägerin erhält nunmehr eine Vergütung gemäß Vergütungsgruppe IV a BAT.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die einseitige Vertragsänderung durch das beklagte Land stelle sich als unzulässige Teilkündigung des Arbeitsverhältnisses dar. Darüber hinaus stehe die Rechtskraft des Urteils des Landesarbeitsgerichts einer Änderung der Vertragsbedingungen entgegen. Das beklagte Land sei daher verpflichtet, die Vergütungsdifferenzen für den Zeitraum von Juni 1998 bis Dezember 1998 in Höhe von insgesamt 5.477,28 DM nachzuzahlen.
Die Klägerin hat beantragt,
- 1
das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 2.053,98 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den verbleibenden Nettobetrag seit 01.09.1998 zu zahlen;
- 2
das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin weiter 3.423,30 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den verbleibenden Nettobetrag seit 01.01.1999 zu zahlen;
- 3
festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 20.05.1998 unwirksam ist.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat behauptet, die Instrumentallehrer, auf die sich die Klägerin in dem Vorprozeß berufen habe, um einen Verstoß gegen § 2 BeschFG nachzuweisen, seien entweder aus dem Landesdienst ausgeschieden oder erteilten seit dem 01.06.1998 keinen oder zumindest keinen für das Arbeitsverhältnis mehr prägenden Instrumentalunterricht. Teilweise sei ihnen die Stellung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters nach § 65 NHG übertragen worden. Wegen der Einzelheiten des Sachvorbringens des beklagten Landes wird insoweit auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 26.11.1998 verwiesen. Es werde bestritten, daß die Klägerin eine einem abgeschlossenen Hochschulstudium in einem wissenschaftlichen Studiengang oder an einer künstlerisch-wissenschaftlichen Hochschule entsprechende Lehrtätigkeit ausübe. Die zu leistende Tätigkeit beschränke sich vielmehr auf die Vermittlung der Fähigkeiten und Kenntnisse zum Spielen eines Instrumentes, sie bestehe lediglich in der Vermittlung rein technisch-handwerklicher Qualifikationen.
Das beklagte Land hat die Ansicht vertreten, im Falle der Klägerin sei eine einseitige Rückgruppierung im Wege des Direktionsrechts zulässig. Aufgrund der Unwirksamkeit der ursprünglichen Vergütungsvereinbarung habe lediglich ein Anspruch auf die jeweils übliche Vergütung bestanden und nicht etwa auf die einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt als üblich anzusehende Vergütung. Jedenfalls sei man aufgrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu einer "korrigierenden Rückgruppierung" berechtigt gewesen.
Durch Urteil vom 19.01.1999 hat das Arbeitsgericht den Klageanträgen entsprochen, dem beklagten Land die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 5.477,28 DM festgesetzt.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, das Schreiben des beklagten Landes vom 20.05.1998 habe die bestehende Verpflichtung, weiterhin eine Vergütung nach Vergütungsgruppe II a BAT zu zahlen, unberührt gelassen. Die gerichtlich festgelegte übliche Vergütung sei an die Stelle der unter Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG ursprünglich vereinbarten Vergütung getreten. Das beklagte Land habe von nun an diese Vergütung als die vertraglich geschuldete Vergütung so lange zu zahlen, wie die Klägerin die ihr übertragenen Aufgaben ausübe. Die vom beklagten Land herangezogenen Grundsätze der sogenannten korrigierenden Rückgruppierung seien nicht einschlägig, diese Rechtsprechung basiere nämlich auf der Grundlage, daß der öffentliche Arbeitgeber irrtümlich eine falsche Eingruppierung vorgenommen habe. Dem beklagten Land sei jedoch ein Irrtum beim Normenvollzug nicht unterlaufen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Urteil ist dem beklagten Land am 17.02.1999 zugestellt worden. Es hat hiergegen am 16.03.1999 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26.04.1999 am 16.04.1999 begründet.
Das beklagte Land ist der Ansicht, es könne nicht angenommen werden, aufgrund des Urteils des Landesarbeitsgerichts vom 22.06.1995 sei eine feste Vergütung nach Vergütungsgruppe II a BAT zum Vertragsinhalt geworden. Vorliegend gelte nichts anderes, als wenn im Arbeitsvertrag eine tarifvertragliche Vergütung vereinbart worden wäre und der Arbeitgeber versehentlich oder unfreiwillig eine höhere Vergütung gezahlt habe. Es sei davon auszugehen, daß das beklagte Land auch bei der Klägerin letztlich nur die Vergütung gewähren wolle, die ihr aufgrund der einschlägigen Erlasse auch tatsächlich zustehe. Man habe sich im Rahmen der Vorprozesse über die Angemessenheit der Vergütung der damals herangezogenen Vergleichspersonen geirrt. Dieser Irrtum habe dazu geführt, daß den Instrumentallehrern in den Entscheidungen eine Vergütung in Höhe der irrtümlich den Vergleichspersonen gezahlten Vergütung zugesprochen worden sei.
Das beklagte Land beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei aufgrund ihrer Qualifikation und ihrer Tätigkeiten zutreffend nach Vergütungsgruppe II a BAT eingruppiert. Darüber hinaus sei die Vergütung aufgrund der Entscheidung des Landesarbeitsgericht nach § 612 Abs. 2 BGB als vereinbarte Vergütung anzusehen. Ferner rügt die Klägerin die fehlende Beteiligung des Personalrates bei der Herabgruppierung.
Gründe
Die Berufung des beklagten Landes ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 518, 519 ZPO, 64, 66 ArbGG.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil das Arbeitsgericht den Rechtsstreit zutreffend entschieden hat.
Das beklagte Land ist auch bei Zugrundelegen des eigenen Tatsachenvorbringens gemäß § 611 Abs. 1 BGB verpflichtet, an die Klägerin die begehrten Vergütungsdifferenzen zu zahlen. Auch dem Feststellungsbegehren der Klägerin war zu entsprechen. Das beklagte Land schuldet nämlich Zahlung einer Vergütung nach Vergütungsdifferenz BAT II a. Dieser Vergütungsanspruch ergibt sich aus dem Inhalt des Arbeitsvertrages der Parteien. Die zunächst getroffene Vergütungsvereinbarung nach Semesterwochenstunden gemäß § 2 war gemäß § 134 BGB, § 2 Abs. 1 BeschFG nichtig. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen ist die nichtige Vergütungsvereinbarung gemäß § 612 Abs. 2 BGB durch die übliche Vergütung nach BAT II a ersetzt worden.
Das beklagte Land konnte den arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruch der Klägerin nicht wirksam durch eine korrigierende Rückgruppierung verringern. Allerdings hat die Nennung einer bestimmten Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag grundsätzlich im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht die Bedeutung einer eigenständigen Vergütungsvereinbarung, aufgrund der die angegebene Vergütung unabhängig von den tariflichen Bestimmungen, ggf. als übertarifliche Vergütung, gezahlt werden soll. Diese Bedeutung können Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ohne Hinzutreten weiterer Umstände der bloßen Angabe der Vergütungsgruppe schon deshalb nicht entnehmen, weil der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes regelmäßig keine übertarifliche Vergütung, sondern nur das gewähren will, was dem Arbeitnehmer tarifrechtlich zusteht (vgl. BAG, Urteil vom 23.08.1995 4 AZR 352/94ZTR 96, 169 (170) m.w.N.; BAG, Urteil vom 08.08.1996 6 AZR 1013/94 AP 46 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer). In diesen Fällen fehlt es regelmäßig an einer konstitutiven Vergütungsabrede, der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist lediglich verpflichtet, die aufgrund der Tätigkeit des Arbeitnehmers geschuldete tarifliche Vergütung zu zahlen. Gewährt er rechtsgrundlos eine zu hohe Vergütung, kann er diese Zahlung einseitig einstellen. Er ist berechtigt, eine irrtümlicherweise vorgenommene Eingruppierung zu korrigieren (BAG, Urteil vom 08.08.1996 6 AZR 1013/94 AP zu § 22, 23 BAT Lehrer; Urteil vom 11.06.1997 10 AZR 724/95 AP6 zu § 20 BMT-G II).
Die Möglichkeit einer korrigierenden Rückgruppierung besteht demgegenüber im vorliegenden Fall nicht. Denn die der Klägerin durch rechtskräftiges Urteil des Landesarbeitsgerichts zuerkannte Vergütung ist anders als im Falle der bloßen Nennung einer Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag als arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung anzusehen. Diese Vergütungsregelung ist gemäß § 612 Abs. 2 BGB an die Stelle der wegen des Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG unwirksamen ursprünglichen Vergütungsvereinbarung getreten (vgl. BAT, Urteil vom 25.01.1989 5 AZR 161/88 AP2 zu § 2 BeschFG 1985; BAG, Urteil vom 28.09.1994 4 AZR 619/93AP38 zu § 2 BeschFG 1985). Entgegen der Ansicht des beklagten Landes beschränkt sich die Festlegung der üblichen Vergütung gemäß § 612 Abs. 2 BGB nicht lediglich auf die Bestimmung der zum Zeitpunkt des Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG gerade üblichen Vergütung für Vollzeitkräfte. Die nichtige Vergütungsabrede wird nicht etwa durch eine auf das Tarifwerk bezugnehmende Vergütungsabrede ersetzt, sondern durch die konkrete Vereinbarung einer bestimmten Entgeltgruppe. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung des § 612 Abs. 2 BGB. Wo es heißt: "Ist" die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.... Das Gesetz fingiert also eine Vergütungsvereinbarung, und nicht etwa lediglich einen Verweis auf das jeweils für den betreffenden Arbeitgeber geltende Tarif recht. Möglicherweise erhalten Arbeitnehmer damit weitergehende Ansprüche als sie bestanden hätten, falls von vornherein eine tarifgerechte Vergütung oder eine Vergütung entsprechend der jeweils geltenden Erlasse durch eine arbeitsvertragliche Regelung vereinbart worden wäre, wie es dem im öffentlichen Dienst Üblichen entspricht. Inhalt der Regelung in § 612 Abs. 2 BGB ist jedoch gerade die Festlegung einer vertraglich geschuldeten Vergütung und nicht etwa die Normierung der Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifwerkes oder die bloße Normierung eines Gleichbehandlungsgebotes.
Damit kommt es nicht mehr auf die Frage an, ob sich das Land bei der Eingruppierung der vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten tatsächlich geirrt hat und ob dieser Irrtum Ursache für die später erfolgte Verurteilung des beklagten Landes zur Zahlung einer höheren Vergütung an die Klägerin war. Unentschieden bleibt auch, ob das Vorliegen eines Irrtums überhaupt Voraussetzung für eine korrigierende Rückgruppierung ist.
Aufgrund der dargelegten Gründe kommt es ferner nicht auf die Frage an, ob die Klägerin aufgrund ihrer Qualifikation und aufgrund der ausgeübten Tätigkeit tatsächlich Anspruch auf Zahlung einer Vergütung nach Vergütungsgruppe BAT II a hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.