Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.06.2000, Az.: 3 Sa 1277/99 B
Prüfung, ob triftige Gründe für einen Eingriff in die zeitanteilig erdiente Dynamik der Altersversorgung von Gewerkschaftsmitarbeitern vorliegen
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 30.06.2000
- Aktenzeichen
- 3 Sa 1277/99 B
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 10968
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2000:0630.3SA1277.99B.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 06.11.1998 - AZ: 11 Ca 521/98 B
Amtlicher Leitsatz
Bei der Prüfung, ob triftige Gründe für einen Eingriff in die zeitanteilig erdiente Dynamik (dienstzeitunabhängige Steigerung) der Altersversorgung von Gewerkschaftsmitarbeitern vorliegen, muss die Zweckbestimmung einer Gewerkschaft, die nicht auf eine Gewinnerzielung gerichtet ist, berücksichtigt werden. Gewerkschaften muss es unbenommen bleiben, bestimmte Anteile der Einnahmen vorrangig dem Vermögen zuzuführen, um so ihre Streikfähigkeit und Kampfkraft zu erhalten.
In dem Rechtsstreit
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 30.06.2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 06.11.1998 - 11 Ca 521/98 B - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten zur Kürzung der zukünftigen Betriebsrente des Klägers.
Der am ... geborene Kläger ist seit dem 01.10.1977 als Gewerkschaftssekretär bei der Beklagten tätig, seit 1986 in der ... Gemäß Anstellungsvertrag vom 01.10.1978 richten sich Besoldung, Urlaub und die übrigen Arbeitsbedingungen "nach den jeweils vom Gewerkschaftsausschuss" beschlossenen "allgemeine Anstellungsbedingungen für die Beschäftigten der Gewerkschaft HBV". Ferner heißt es im Arbeitsvertrag unter anderem:
"Die Mitgliedschaft in der Unterstützungskasse des DGB e. V. richtet sich nach der Satzung und den Richtlinien der Unterstützungskasse des Deutschen Gewerkschaftsbundes e. V.
Nach § 20 der allgemeinen Anstellungsbedingungen für die Beschäftigten der Gewerkschaft HBV regelt sich die betriebliche Altersversorgung nach den Bestimmungen der Unterstützungskasse des DGB e. V.. § 9 der Satzung der Unterstützungskasse enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
"(1)
Die Unterstützungskasse zahlt lfd. Unterstützungen (Betriebsrenten). Art und Höhe der Unterstützungsleistungen bestimmen die Unterstützungs-Richtlinien in der jeweiligen Fassung. Über die Aufstellung und Änderung der Unterstützungsrichtlinien beschließt die Mitgliederversammlung.(3)
Die Leistungsempfänger haben keinen Anspruch auf Leistungen der Unterstützungskasse...."
Für den Kläger sind maßgeblich die Unterstützungsrichtlinien aus dem Jahr 1988 (UR ?88). Diese regeln in § 4 wegen des Bemessungsentgelts folgendes:
"Die versorgungsfähigen Teile des Arbeitsentgeltes im Bemessungszeitraum bilden das Bemessungsentgelt. Die letzten 12 Kalendermonate vor Eintritt des Unterstützungsfalles bilden den Bemessungszeitraum."
Im Jahre 1995 beschlossen die Mitglieder der DGB-Unterstützungskasse eine Reform, mit der sie unter anderem eine partielle Rückdeckung der Anwartschaft einführten. Mit einer am 18.10.1996 abgeschlossenen "Betriebsvereinbarung zur Umsetzung der U-Kassen-Reform vom 06.06.1995 (Versorgungsordnung 1995) und zur Eingrenzung der Versorgungsverpflichtung der Gewerkschaft HBV (ohne Gesamtversorgung UR ?88)" regelten die Beklagte und der bestehende Betriebsrat unter anderem folgendes:
"1.1
Die Gewerkschaft HBV tritt ab 1. Januar 1997 der Versorgungsordnung 1995 (VersO ?95) bei und löst gleichzeitig zum 31.12.96 die Versorgungszusagen nach den Unterstützungs-Richtlinien 1983 ab.1.4.
In Anwendung des § 4 Abs. 4 VersO 95 wird das Bemessungsentgelt auf 90 % des Arbeitsentgeltes nach § 4 Abs. 1 VersO 95 festgesetzt.3.
Unterstützungsrichtlinien 1983Für Begünstigte der Unterstützungsrichtlinien 1983 in einem rentennahen Lebensalter (§ 27 der URL 1983) gelten die Unterstützungsrichtlinien 1983 weiterhin.
In Anwendung des § 4 Abs. 5 URL 1983 wird das Bemessungsentgelt auf 90 % des Arbeitsentgeltes nach § 4 Abs. 1 URL 1983 festgesetzt.
6.
Schließung der AlterversorgungDie Vertragspartner stimmen ebenfalls darin überein, daß die Schließung der betrieblichen Altersversorgung für neu eingestellte Beschäftigte ab dem 01.01.1997 sachgerecht und geboten ist."
Hierdurch war der Kläger, für den die UR ?88 gelten, nicht betroffen. Am 08.10.1997 vereinbarten die Beklagte und der Betriebsrat eine "Ergänzungsvereinbarung zur Betriebsvereinbarung zur Umsetzung U-Kassen-Reform vom 06.06.1995 (VersO ?95) und zur Eingrenzung der Versorgungsverpflichtung der Gewerkschaft HBV vom 18.10.1996" mit unter anderem folgenden Bestimmungen:
"§ 2
3.
Gesamtversorgungszusagen (URL ?88)3.1.
Bei allen Anwartschaften nach den Unterstützungsrichtlinien 1988 (URL ?88 - Gesamtversorgungszusagen) wird in Anwendung des § 4 Abs. 5 der Unterstützungsrichtlinien 1988 für das Bemessungsentgelt eine Obergrenze wie folgt festgesetzt:Das Bemessungsentgelt gem. § 4 Abs. 1 der URL ?88 wird ab01.01.1998 auf 90 % des Arbeitsentgeltes des Kalenderjahres1997 gem. § 4 Abs. 1 URL ?88 in den Folgejahren steigern das Bemessungsentgelt umzwei Drittel der vereinbarten Erhöhung.In § 4 der URL ?88 nicht genannte Einmalzahlungen bleiben unberücksichtigt. Individuelle Veränderungen des Arbeitsentgeltes (Eingruppierungen und Einstufungen) verändern das Bemessungsentgelt entsprechend im vollen Umfang.
3.2.
Führt die Reduzierung des Bemessungsentgeltes gem. Ziffer 3.1 dazu, daß mit Bezug der Altersrente auf Basis des dann gültigen gesetzlichen Rentenniveaus die Unterstützungsleistung weniger als die Hälfte der Unterstützung bei unvermindertem Bemessungsentgelt betragen würde, wird die Unterstützung um den Betrag angehoben, der erforderlich ist, um die Hälfte der Unterstützung zu erreichen, die bei unvermindertem Bemessungsentgelt zu berechnen gewesen wäre. Die Altlast-Regelung vom 20.05.1994 entfällt ab dem01.01.1998.3.4.
BesitzstandsklauselIst eine Unterstützung aus einem Unterstützungsfall ab dem 01.01.1998, die nach Ziffer 3.1. zu kürzen ist, niedriger als der Betrag, der bis zum 31.12.1997 zeitanteilig erworbenen Anwartschaft nach § 9 URL ?88 zuzüglich Altlast-Regelung, darf dieser Betrag nicht unterschritten werden."
Mit Schriftsatz vom 04.12.1997 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger aus wirtschaftlichen Gründen den Widerruf ihrer Zusage für die Gewährung einer Unterstützung nach dem URL ?88 zum 31.12.1997 und sagte die Gewährung der Betriebsrente auf Grund der Regelungen der Betriebsvereinbarung von 1997 zu.
Die Beklagte bezieht mehr als 90 % ihrer Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen (jeweils in Höhe von 1 % des Bruttomonatsentgelts der Gewerkschaftsmitglieder). Im Jahr 1991 erreichte der Mitgliederstand durch die Vereinigung mit der HBV-DDR ein deutlich erhöhtes Niveau. Die Beklagte vergrößerte daraufhin die Organisation mit der Folge erhöhter Ausgaben und finanzieller Verpflichtungen. In der Folgezeit stellte sich dann ein Mitgliederrückgang ein. Die Beklagte beschloss 1993 daraufhin einen Personalabbau mit der Folge einer Reduzierung von 1.042 Mitarbeitern per 31.12.1992 auf ca. 700 im Jahre 1998. Die Einnahmeentwicklung verlief in der Zeit von 1992 bis 1997 wie folgt:
aus Beiträgen der Mitglieder
1992 | 135.280 | TDM |
---|---|---|
1993 | 138.440 | TDM |
1994 | 137.225 | TDM |
1995 | 134.500 | TDM |
1996 | 131.900 | TDM |
1997 | 130.469 | TDM |
aus den übrigen Einnahmen
1992 | 14.550 | TDM |
---|---|---|
1993 | 9.470 | TDM |
1994 | 5.983 | TDM |
1995 | 4.815 | TDM |
1996 | 5.854 | TDM |
1997 | 6.207 | TDM. |
In den Jahren 1992 bis 1994 hatte die Beklagte zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten den Vermögensstamm auf 52,76 % des Stammes aus dem Jahr 1992 reduziert. In der Folgezeit gelang es ihr bis 1998, den Vermögensstamm wieder auf das Niveau des Jahres 1991 aufzubauen.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Widerruf der einzelvertraglichen Versorgungszusage sei nur bei einer wirtschaftlichen Notlage zulässig. Aber auch lediglich triftige Gründe im Sinne § 16 BetrAVG seien nicht gegeben. Die Beklagte habe auch die Einnahme- und Ausgabensituation der Vermögensverwaltungsgesellschaft (VVG) darzustellen, deren Erträge der Beklagten zugeleitet würden und auf die sie den entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Einfluss ausübe. Ferner dürfe bei der Prognosestellung die geplante Verschmelzung von 5 Gewerkschaften (u. a. der Beklagten) zur Dienstleistungsgewerkschaft "Ver.di" nicht außer Betracht gelassen werden. Nicht unberücksichtigt bleiben dürfe ferner die Tatsache, dass auch er ohnhin schon einen Beitrag zur finanziellen Konsolidierung der Beklagten geleistet habe, und zwar im Wege der Mitfinanzierung des Sozialfonds durch (u. a.)
- Umwandlungen von Entgeltbestandteilen in Freizeit
- Verzicht auf die Einmalzahlung
- Verzicht auf die Gehaltserhöhung 1/94 bis 5/94.
Der Kläger hat behauptet, darüber hinaus habe sich die Arbeitszeit sowie die Arbeitsintensität in den letzten Jahren deutlich erhöht. Die Beklagte habe in den Jahren 1993 bis 1997 erhebliche Überschüsse erwirtschaftet.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.02.1999 ist auf Antrag des Klägers gegen die Beklagte, die keinen Antrag gestellt hat, ein Versäumnisurteil mit folgendem Tenor ergangen:
- 1.
Es wird festgestellt, daß der Widerruf der Beklagten vom 04.12.1997 die Ruhegeldansprüche des Klägers nicht abändert.
- 2.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- 3.
Der Streitwert wird auf 36.640,80 DM festgesetzt.
Gegen dies ihr am 02.03.1999 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte am 09.03.1999 Einspruch eingelegt.
Der Kläger hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 26.02.1999 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 26.02.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, auf Grund ihrer dramatischen Finanzlage sei sie zu weitreichenden Sparmaßnahmen und auch Eingriffen in das Rentensystem gezwungen, um eine Substanzauszehrung zu vermeiden. Neben dem erheblichen Mitgliederverlust seien auch strukturelle Probleme erkennbar. Der Anteil der im Betrieb tätigen Mitglieder an der Gesamtmitgliedschaft habe abgenommen, dementsprechend angestiegen sei der Anteil von arbeitslosen Mitgliedern, von Mitgliedern ohne Arbeitseinkommen und Rentnern. Innerhalb der im Betrieb tätigen Mitgliedschaft sei der Anteil der Teilzeitbeschäftigten sowie der Anteil der Auszubildenden angestiegen, während der Anteil der Vollzeitbeschäftigten rückläufig gewesen sei. Darüber hinaus sei der Anteil der weiblichen Mitglieder weiter angestiegen. Die durch Tarifsteigerungen begründeten Einkommenszuwächse seien auf Grund der Tarifabschlüsse in den letzten Jahren deutlich niedriger als in der Vergangenheit. Für die Jahre 1999 bis 2002 sei von Beitragseinnahmen von
1999 | 125.391 TDM |
---|---|
2000 | 123.890 TDM |
2001 | 121.899 TDM |
2002 | 120.248 TDM |
auszugehen. Eine weitere Reduzierung der Mitarbeiterzahl als Reaktion sei nicht vertretbar. Ansonsten sei die flächendeckende Betreuung der Mitglieder in Frage gestellt, was wiederum den Mitgliederschwund beschleunige. Diesen Problemen stünden auf der anderen Seite steigende Kosten gegenüber. Wegen der Einzelheiten des Sachvorbringens der Beklagten wird insoweit auf die Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 08.03.1999 (Bl. 237 bis 254 d. A.) verwiesen. Der Kläger könne in diesem Zusammenhang auch nicht etwa auf die getätigten Vermögenszuführungen verweisen, denn diese seien notwendig, um überhaupt Streiks führen zu können.
Wegen des Sachvorbringens der Beklagten zur Verwendung ihrer Beitragseinnahmen wird auf die Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 23.02.1999 (Bl. 195 bis 211 d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, sie sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, als Reaktion auf die prekäre Finanzlage etwa den Streikfonds anzugreifen. Bei der Frage, ob vorliegend ein Eingriff in die erdiente Dynamik des Rentensystems zulässig sei, dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass sie (die Beklagte) kein gewinnorientiertes Unternehmen sondern eine gem. Art. 9 Abs. 3 GG grundgesetzlich geschützte Koalition sei, der eine autonome Entscheidung über den Einsatz ihrer Mittel obliege.
Durch Urteil vom 28.04.1999 hat das Arbeitsgericht das Versäumnisurteil vom 26.02.1999 aufrecht erhalten, der Beklagten die weiteren Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 36.640,80 DM festgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klage sei begründet, die Ruhegeldanwartschaften des Klägers aufgrund der UR ?88 würden durch den Widerruf vom 04.12.1997 nicht berührt. Hierdurch greife die Beklagte in die erdiente Dynamik der Betriebsrentenansprüche des Klägers ein, sie habe jedoch das Vorliegen eines triftigen Grundes hierfür nicht dargelegt. Schon die Prognose der Beitragseinnahmen sei nicht nachvollziehbar. Zudem hätten sich die übrigen Einnahmen seit 1995 kontinuierlich erhöht. Aber selbst unterstellt, etwaige Zuwächse bei den sonstigen Einnahmen könnten die Rückgänge bei den Einnahmen aus Beiträgen der Mitglieder nicht auffangen, sei die Prognose der Beklagten nicht nachvollziehbar. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte eine gesicherte Prognose der Einnahmen und Ausgaben tatsächlich nur bis zum Jahr 2002 vornehmen könne. Für dieses Jahr sei die Bildung der Dienstleistungsgewerkschaft unter Beiteiligung der Beklagten geplant. Selbst wenn sich der Trend der Einnahmen auch nach 2002 fortentwickeln solle, sei jedoch die Prognose auf der Ausgabenseite nicht durch eine Fortentwicklung des Trendes möglich. Zweck der geplanten Fusion der Dienstleistungsgewerkschaften sei es gerade, eine Stärkung die Organisation herbeizuführen und Synergieeffekte zu nutzen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 286 bis 291 d. A.) verwiesen.
Der Kläger ist der Ansicht, ein Eingriff in die erdiente Dynamik liege schon deshalb vor, weil das Bemessungsentgelt von 100 % auf 90 % reduziert werde. Die Beklagte könne sich auch nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen planwidriger Überversorgung berufen. Gegenüberzustellen sei nämlich die Gesamtversorgungssituation des Klägers nach den Unterstützungsrichtlinien 88 gegenüber der Gesamtversorgungssituation des Klägers zum Zeitpunkt des Widerrufs (01.01.1998). Entscheidend sei der Zeitpunkt der Gesamtzusage, diese datiere jedoch aus dem Jahre 1988. Im Vergleich der Jahre 1988 bis 1998 ergebe sich aber, dass keine wesentliche Änderung festzustellen sei. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, für zukünftige Anwartschaften Rückstellungen zu bilden. Der Weg der Unterstützungskasse bedeute nämlich, dass die Beklagte jährlich die Rentenleistungen, die von der Unterstützungskasse geleistet würden, an diese zu erstatten habe. Sie finanziere nur die bereits laufenden Leistungen. Wenn die Beklagte nun in der Vergangenheit ebenso wie alle anderen DGB Gewerkschaften über Jahrzehnte hinweg einen Weg gewählt habe, der zwangsläufig zu einer Unterkapitalisierung führe, könne sie sich im Rahmen eines Vermögensvergleichs jetzt nicht mit Unternehmen vergleichen, die den Weg der Direktzusage mit der entsprechenden Rückstellungspflicht gewählt hätte. Die Beklagte trage zudem sehr unkonkrekt zu ihrer jetztigen Vermögenssituation vor, insbesondere fehle Vortrag zu den Erträgen aus dem Vermögen. Es habe bei der Beklagten in den Jahren 1991 bis 1993 eine kritische Situation gegeben. Die Beklagte habe hierauf mit Personalanpassungskonzepten und erhöhten Arbeitsanforderungen an das verbliebene Personal reagiert und sei hierbei letztlich wirtschaftlich erfolgreich gewesen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil das Arbeitsgericht der Klage zu Recht stattgegeben hat.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Der Klageantrag ist auf die Feststellung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses im Sinne dieser Vorschrift gerichtet. Ein betriebsrentenrechtliches Rechtverhältnis wird nämlich nicht erst mit dem Eintritt des Versorgungsfalles, sondern bereits mit dem Entstehen einer Versorgungsanwartschaft begründet (BAG, Urteil v. 26.08.1997 - 3 AZR 235/96 - AP 27 zu § 1 BetrAVG Ablösung). Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse an der einstweiligen Feststellung des Inhaltes des bestehenden Rechtsverhältnisses, weil er gegebenenfalls für seine Altervorsorgung entsprechende Dispositionen treffen muss.
Die Klage ist auch nach dem tatsächlichen Vorbringen der Beklagten begründet. Die Ruhegeldansprüche des Klägers aufgrund der UR 1988 werden durch den Widerruf mit Schreiben vom 04.12.1997 nicht berührt. Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil v. 17.04.1985 - 3 AZR 72/83 - AP 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen; Urteil v. 17.03.1987 - 3 AZR 64/84 - AP 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung; Urteil v. 18.04.1989 - 3 AZR 299/87 - AP 23 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen; BAG Urteil v. 17.11.1992 - 3 AZR 76/92 - AP 13 zu § 1 BetrAVG Besitzstand; Urteil v. 26.08.1997 - 3 AZR 213/96 - AP 14 zu § 1 BetrAVG Besitzstand; BAG Urteil v. 26.08.1997 - 3 AZR 235/96 AP 27 zu § 1 BetrAVG Ablösung), der sich die erkennende Kammer anschließt, gilt für Eingriffe in die Höhe der Versorgungsanwartschaften ein dreistufiges Prüfungsschema. Nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes sind den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtige Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenüber zu stellen. Das Gewicht des Eingriffsgrundes muss der Stärke des Besitzstandes entsprechen. Den Sockel der denkbaren Besitzstände bildet dabei der Teilbetrag, der dem anwartschaftsberechtigten Arbeitnehmer selbst dann nicht mehr entzogen werden könnte, wenn das Arbeitsverhältnis zur Zeit der Neuregelung beendet würde oder wenn der Arbeitgeber Konkurs anmelden müsste. Dieser unverfallbare und insolvenzgeschützte Teilbetrag ist gem. § 2 BetrAVG zeitanteilig zu berechnen und verändert sich nach dem Berechnungsstichtag (Vertragsende, Insolvenz, Widerruf) nicht mehr, weil spätere Veränderungen der Versorgungsregelung oder der Bemessungsgrundlage für diesen erdienten Teilbetrag außer Betracht bleiben (§ 2 Abs. 5 BetrAVG). Eingriffe in diesen erdienten Teilbetrag einer Versorgungsanwartschaft sind nur in seltenen Ausnahmefällen statthaft, weil hierin eine nachträgliche Schmälerung der zugesagten Gegenleistung für bereits erbrachte Leistungen läge. Ein Eingriff auf dieser Stufe setzt zwingende Gründe voraus, die vor allem bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen wirtschaftlicher Notlage des Unternehmens oder wegen wesentlicher Störungen des Zwecks der Altersversorgung, etwa bei einer planwidrigen Überversorgung durch veränderte Rahmenbedingungen vorliegen können. Demgegenüber sind die Zuwachsraten unterschiedlich stark geschützt je nachdem, ob der Arbeitnehmer bereits eine Gegenleistung für diese erbracht hat: Soll die Anwartschaft der Gehaltsentwicklung folgen, so erdient der Arbeitnehmer mit seiner Betriebstreue nicht nur den zeitanteilig errechneten Teilbetrag, sondern auch die darauf entfallende Dynamik. Diese zeitanteilig erdiente Dynamik (dienstzeitunabhängige Steigerung) kann nur aus triftigen Gründen eingeschränkt werden. Ein Eingriff in diese erdiente Dynamik ist nur aus Gründen gerechtfertigt, die ausreichen würden, einen Teuerungsausgleich gem. § 16 BetrAVG bei den Betriebsrenten zu verweigern, wenn also langfristig die Substanz des Unternehmens gefährdet erscheint. Demgegenüber sind Eingriffe in die zeitunabhängigen Steigerungsraten, die der Arbeitnehmer zur Zeit der Neuregelungen noch nicht erdient hat, aus weniger gewichtigen sachlichen Gründen zulässig. Ausreichend sind Gründe, die nicht willkürlich sind und nachvollziehbar erkennen lassen, welche Umstände und Erwägungen zur Änderung der Versorgungszusage Anlass geben.
Im vorliegenden Fall liegt ein Eingriff auf der zweiten Stufe dieses dreiteiligen Prüfungschemas vor. Dies war in erster Instanz zwischen den Parteien unstreitig. Im Berufungsverfahren macht die Beklagte geltend, tatsächlich liege nur ein Eingriff in die dienstzeitunabhängige Steigerungsrate vor. Dies kann jedoch nicht angenommen werden, wie sich - hierauf verweist der Kläger zu Recht - bereits aus der Reduzierung des Bemessungsentgeltes von 100 % auf 90 % ergibt. Damit ist zumindest die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass der Kläger im Versorgungsfall weniger als den bis zum 31.12.1997 erdienten Betrag zuzüglich der Gesamtjahresentgeltentwicklung erhalten wird. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist zudem bei der Prüfung der Frage, auf welcher Stufe der Eingriff erfolgt, nicht im Rahmen einer Prognoseentscheidung für den konkreten Fall des Klägers zu ermitteln, ob tatsächlich (mit einiger Wahrscheinlichkeit) die oben beschriebene Einbuße eintritt. Maßgeblich ist allein, ob auf Grund der Regelung zum Zeitpunkt des Widerrufs die Lohndynamik für die bis dahin erdiente Versorgung abgeschnitten wird. Das ist vorliegend der Fall: Das Bemessungsentgelt wird auf 90 % des bisher maßgeblichen Bemessungsentgelts (Entgelt der letzten 12 Kalendermonate vor Eintritt des Unterstützungsfalles) begrenzt, und zwar auch im Hinblick auf die bis zum 31.12.1997 erdiente Versorgung.
Damit bedarf es für die Wirksamkeit des Widerrufs triftiger Gründe im Sinne der dargestellten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Diese sind jedoch auch Zugrundelegen des tatsächlichen Vorbringens der Beklagten nicht gegeben. Bei der Prüfung, ob die Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer die Substanz des Unternehmens gefährden können, sind letztlich die Maßstäbe anzuwenden, wie sie auch im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG angewandt werden (vgl. BAG Urteil v. 17.04.1985 - 3 AZR 72/83 - AP 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen). Erforderlich ist dabei eine Prognose der zukünftigen Entwicklung der Wirtschaftslage des Arbeitgebers. Beurteilungsgrundlage für diese Prognose ist die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens in der Zeit vor dem Anpassungsstichtag bzw. vor dem Widerruf, soweit hieraus Schlüsse für die weitere Entwicklung gezogen werden können. Nicht vorhersehbare, neue Rahmenbedingungen und sonstige unerwartete spätere Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens bleiben unberücksichtigt. Für eine einigermaßen zuverlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren, repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens 3 Jahren ausgewertet werden (vgl. u. a. BAG, Urteil v. 17.04.1996 - 3 AZR 56/95 - AP 35 zu § 16 BetrAVG). Diese für am Markt tätige Unternehmen vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze sind im Falle einer Gewerkschaft abzuwandeln. Gewerkschaften sind schon auf Grund ihrer Zweckbestimmung nicht auf eine Gewinnerzielung ausgerichtet, außerdem muss es ihnen unbenommen bleiben, bestimmte Anteile der Einnahmen vorrangig dem Vermögen zuzuführen, um so ihre Streikfähigkeit und Kampfkraft zu erhalten. Im vorliegenden Fall ist auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze eine Substanzgefährdung der Beklagten durch die Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer nicht gegeben. Allerdings hat es in den Jahren ab 1993 eine krisenhafte Situation gegeben, auf die die Beklagte durch Rationalisierungsmaßnahmen reagiert hat. Über einige Jahre hinweg haben sich der Mitgliederstand und damit die Mitgliedsbeiträge kontinuierlich verringert. Gleichwohl hat die Beklagte eine Konsolidierung ihrer Finanzsituation erreicht. Dies beruht im wesentlichen darauf, dass die übrigen Einnahmen ab 1994 durchweg angestiegen sind. Wenn man Rückschlüsse ziehen will aus den Jahren 1993 bis 1997, ist bei einer Prognoseentscheidung davon auszugehen, dass sich auch weiterhin eine etwa stabile Einnahmesituation abzeichnet. Anhaltspunkte dafür, dass eine Kompensation des (von der Beklagten auch für die Zukunft unterstellten) Beitragsrückganges durch erhöhte sonstige Einnahmen nicht mehr stattfinden könnte, hat auch die Beklagte nicht vorgetragen. Dies korrespondiert zudem mit der Vermögenssituation der Beklagten, die sich nach einer durchaus kritischen Verschlechterung in den Jahren bis 1994 wieder konsolidiert hat, so dass im Jahr 1998 der Vermögensstamm aus dem Jahre 1994 wieder erreicht war. Bei einer Fortschreibung der von der Beklagten dargelegten Tendenzen auf der Einnahmen- und Ausgabenseite ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine zu befürchtete Substanzauszehrung. Dies gilt erst recht dann, wenn man - mit dem Arbeitsgericht - die Tatsache der beabsichtigten Gründung der Dienstleistungsgewerkschaft "Ver.di" mit berücksichtigt. Ziel dieses geplanten Zusammenschlusses mehrerer ... Gewerkschaften ist es, auf der einen Seite Synergieeffekte zu nutzen, auf deren anderen Seite aber auch als attraktive, mächtige Gewerkschaft neue Mitglieder anzuziehen. Vor diesem Hintergrund könnte möglicherweise erst Recht keine negative Zukunfstprognose angenommen werden. Letztlich kann diese Frage dahingestellt bleiben, da schon unter Zugrundelegen der von der Beklagten gestellten Prognose keine zu befürchtende Substanzauszehrung angenommen werden kann. Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang ferner nicht mit Erfolg auf eine Prognose der "ungedeckten Vermögensversorgungslasten" berufen. Zum einen zeigen bereits die insoweit von der Beklagten vorgelegten Zahlen, dass auch bei der Prognose ohne die Neuregelung aus dem Jahre 1998 eine kontinuierliche Verringerung der hypothetischen Überschuldung anzunehmen wäre. Zum anderen weist der Kläger in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass die Beklagte sich insoweit nicht mit einem Unternehmen vergleichen kann, das den Weg einer Direktzusage mit der entsprechenden Rückstellungspflicht gewählt hat, wenn sie auf der anderen Seite ebenso wie die übrigen DGB Gewerkschaften über Jahrzehnte hinweg einen Versorgungsweg gewählt hat, der zwangsläufig zu einer Unterkapitalisierung führt.
Die Beklagte kann sich darüber hinaus nicht mit Erfolg auf die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage berufen. Eine Anpassungsbefugnis des Arbeitgebers wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann neben dem Fall einer wirtschaftlichen Notlage dann bestehen, wenn sich die zugrunde gelegte Rechtslage nach Erteilung der Zusage ganz wesentlich und unerwartet geändert hat und dies beim Arbeitgeber zu erheblichen Mehrbelastungen geführt hat (BAG, Urteil v. 09.07.1985 - 3 AZR 546/82 - AP 6 zu § 1 BetrAVG Ablösung; BAG, Urteil v. 23.09.1997 - 3 ABR 85/96 - AP 26 zu § 1 BetrAVG Ablösung). Dies kann zum einen der Fall sein, wenn nicht vorhersehbare gesetzliche Neuregelungen erhebliche zusätzliche Kosten verursachen, die den vom Arbeitgeber bei der Zusage zugrunde gelegten Dotierungsrahmen erheblich überschreiten und zum anderen dann, wenn der für den Arbeitnehmer bei der Versorgungszusage erkennbare Versorgungszweck nunmehr verfehlt wird, weil die unveränderte Anwendung der Versorgungszusage zu einer gegenüber dem ursprünglichen Versorgungsziel planwidrig eintretenden Überversorgung führen würde (BAG, Urteil v. 23.09.1997 - 3 ABR 85/96 - a. a. O.). Beide Fallvarianten des Wegfalls der Geschäftsgrundlage sind jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Die Beklagte beruft sich auf eine krasse Überschreitung des Dotierungsrahmens bezogen auf den Zeitpunkt der Einführung des Gesamtversorgungssystems im Jahre 1957. Die Versorgungslast sei von 23,4 % im Jahre 1959 auf 42,8 % im Jahre 1999 eingestiegen. Ferner beruft sich die Beklagte auf eine planwidrige Überversorgung und stellt auch im Hinblick auf diesen Aspekt auf die im Jahre 1957 angestrebten Versorgungsziele ab. Zutreffend weist der Kläger jedoch in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Feststellung des Versorgungsziels auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem das Versorgungssystem geschaffen wurde. Bei einer Gesamtzusage ist auf deren Erteilung und nicht auf den Beginn des einzelnen Arbeitsverhältnisses abzustellen (BAG, Urteil v. 28.07.1998 - 3 AZR 100/98 - AP 4 zu § 1 BetrAVG Überversorgung). Damit ist die Gesamtversorgungssituation des Klägers nach den maßgeblichen Unterstützungsrichtlinien 1988 mit der Gesamtversorgungssituation des Klägers zum Zeitpunkt des Widerrufs (per 01.01.1998) zu vergleichen. Zugrundezulegen ist die Gesamtzusage aus dem Jahre 1988. Zu diesem Zeitpunkt hat die Beklagte die Alterversorgungszusage gegenüber dem Kläger festgelegt. Damit hat die Beklagte im Jahre 1998 eine wirtschaftliche Entscheidung im Hinblick auf ihr Versorgungssystem getroffen, an die sie nunmehr gebunden ist. Im Hinblick auf die Situation nach 1988 lassen sich aber erhebliche Veränderungen weder auf der Seite des Dotierungsrahmens noch auf der Seite des Versorgungsgrades erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.