Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.01.2000, Az.: 9 Sa 1365/99

Versetzung eines Schulhausmeisters an eine andere Schule

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
19.01.2000
Aktenzeichen
9 Sa 1365/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 22448
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2000:0119.9SA1365.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig - 08.06.1999 - AZ: 1 Ca 183/99

Fundstelle

  • ZTR 2000, 379-380

Amtlicher Leitsatz

Der Arbeitgeber darf im Rahmen billigen Ermessens die Versetzung eines Schulhausmeisters an eine andere Schule darauf stützen, dass der an der bisherigen Schule tätige Schulhausmeister (aus verständlichen Gründen) nicht bereit ist, eine schulnahe Hausmeisterwohnung zu bewohnen.

In dem Rechtsstreit
hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 19.01.2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ...
die ehrenamtliche Richterin ... und
den ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 08.06.1999 - 1 Ca 183/99 - wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte anordnen durfte, daß der Kläger in Zukunft seinen Dienst als Hausmeister in einer anderen als der bisherigen Schule verrichtet.

2

Wegen der Darstellung des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf die Widergabe im Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 53 bis 55 d. A.) Bezug genommen. Zu ergänzen ist: Der Anfahrtsweg des Klägers zu der P. ist ungefähr 2 Kilometer länger als zu der Schule .... Die ablehnende Stellungnahme des Personalrats vom 23. Februar 1999 (Bl. 27 bis 29 d. A.) ist allein vom Personalratsvorsitzenden unterschrieben. Diese Stellungnahme zu dem Antrag des Personalamts der Beklagten vom 10. Februar 1999 (Zugang am gleichen Tag) ist am 24. Februar 1999 beim Personalamt der Beklagten eingegangen. Zuvor hatte der Personalrat unter urschriftlicher Rückgabe des Antragsschreibens unter dem 19. Februar 1999 (Eingang beim Personalamt der Beklagten 22. Februar 1999) mitgeteilt, dass der Maßnahme nicht zugestimmt werde.

3

Die Parteien haben sich im einstweiligen Verfügungsverfahren 1 Ga 3/99 am 23. März 1999 darauf geeinigt, dass eine Umsetzung des Klägers an die Berufsbildenden Schulen V/Technikerschule bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren zurückgestellt wird.

4

Die Kammer nimmt ferner Bezug auf den Arbeitsvertrag der Parteien vom 19./21. Januar 1982 (Bl. 10 d. A.) sowie auf den Arbeitsvertrag zwischen der Ehefrau des Klägers und der Beklagten vom 15. März/23. April 1982 (Bl. 11/12 d. A.); die Ehefrau des Klägers ist als Raumpflegerin in der IGS ... beschäftigt worden und ab 11. Januar 1982 als ständige Hausmeistervertreterin eingesetzt worden.

5

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 08. Juni 1999 der am 25. März 1999 eingegangenen Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, die Umsetzungsverfügung vom 05. März 1999 zurückzunehmen und den Kläger weiterhin als Hausmeister in der IGS ... zu beschäftigen; die Kosten des Rechtsstreits hat es der Beklagten auferlegt, den Streitwert hat es auf 6.000,00 DM festgesetzt.

6

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt: Der Inhalt der Umsetzungsverfügung überschreite den der Beklagten zustehenden Rahmen des Ermessens zur einseitigen Bestimmung der Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistung. Das Interesse des Klägers an einer Weiterbeschäftigung an seinem bisherigen Arbeitsplatz überwiege das gegenläufige Interesse der Beklagten. Die von dieser vorgetragenen dienstlichen oder betrieblichen Umstände seien nicht derart gewichtig, dass die auf Seiten des Klägers eintretende Beeinträchtigung seiner privaten Lebensumstände dahinter zurücktreten müsse. Der Kläger müsste nach über 17-jähriger Tätigkeiten an der IGS ... für die verbleibenden restlichen Jahre seiner Lebensarbeitszeit die Schule wechseln, sich in ein neues Arbeitsumfeld einarbeiten und einen erheblichen längeren Anfahrweg in Kauf nehmen. Es komme hinzu, dass er nicht mehr wie bisher mit seiner Ehefrau zusammen ein Schulobjekt betreuen könnte und daher auch die Möglichkeit einer flexibeleren Zeiteinteilung entfalle. Es müsse auch berücksichtigt werden, aus welchem konkreten Anlass die Beklagte die Versetzung verfügt habe. Dabei müsse beachtet werden, dass die Beklagte vom Kläger nicht verlangen könne, dass dieser die Dienstwohnung beziehe. Dies sei nämlich im Arbeitsvertrag nicht vereinbart worden. Die Argumente, mit denen der Kläger den Bezug der Dienstwohnung ablehne, seien nachvollziehbar. Im übrigen sei es höchst zweifelhaft, ob durch die Anwesendheit eines Hausmeisters in der Dienstwohnung die Schule gegen Straftaten besser abgesichert sei.

7

Wegen der weiteren rechtlichen Erwägungen, die das Arbeitsgericht zu seinem Ergebnis haben gelangen lassen, wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 55 bis 58 d. A.) verwiesen.

8

Gegen dieses hier am 06. Juli 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 27. Juli beim Berufungsgericht eingegangen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einem am 25. August 1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangen Schriftsatz begründet hat.

9

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 24. August 1999 (Bl. 67 bis 70 d. A.) und ihres Schriftsatzes vom 11. Januar 2000 (Bl. 99 bis 102 d. A.) weiter; die Kammer nimmt auf den Inhalt dieser Schriftsätze Bezug.

10

Die Beklagte meint insbesondere, sie habe bei der Umsetzung die Grenzen des § 315 BGB nicht überschritten, sondern sich im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens bei der Interessenabwägung gehalten.

11

Die Beklagte weist darauf hin, dass bis zur normalen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 55 Abs. 1 BMT-G noch 7 Jahre und 5 Monate zu arbeiten gewesen seien, also rund 44 % seiner bisherigen Arbeitszeit. Der um gerade 2 Kilometer längere Anfahrtsweg dürfte in einer Stadt von der Größe der Beklagten nicht ins Gewicht fallen. Der Gesichtspunkt der möglichen flexibleren Zeiteinteilung sei für die Interessenabwägung irrelevant, weil der Kläger eine feste Arbeitszeit habe. Die Beklagte meint weiter, wenn das Arbeitsgericht die "Versetzung" des Klägers an die ... als Reaktion der Beklagten auf die Ablehnung des Klägers werte, die Dienstwohnung zu beziehen, so verwechsele das Gericht die Ursache mit der Wirkung.

12

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 08. Juni 1999 - 1 Ca 183/99 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

13

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

14

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungsschrift vom 31. Oktober 1999 (Bl. 83 bis 86 d. A.), auf deren Inhalt die Kammer ebenfalls Bezug nimmt.

15

Die Parteien haben in der Berufungsverhandlung berichtet, es zeichne sich auf Grund der Änderung des Altersteilzeitgesetzes ab, dass der Kläger auf seinen Antrag bis zum 31. Januar 2002 arbeite, sodann bis zum 31. Januar 2003 freigestellt werde und sodann ausscheide.

Gründe

16

Die Berufung ist begründet.

17

Der Kläger kann nicht verlangen, dass die Beklagte die Verfügung vom 5. März 1999 (Bl. 23 d. A.) zurücknimmt und den Kläger weiterhin in der IGS ... als Hausmeister einsetzt. Die Anordnung, dass der Kläger zukünftig in der ... Schule arbeiten soll, ist nicht zu beanstanden.

18

I.

Zwischen den Parteien besteht zurecht kein Streit darüber, dass die Maßnahme dem Direktionsrecht der Beklagten unterliegt, weil in dem Arbeitsvertrag der Parteien eine Festlegung, wo der Kläger seinen Dienst zu verrichten hat, nicht erfolgt ist. Die Schulmeistertätigkeit an der ... Schule ist von dem Arbeitsvertrag der Parteien ebenso gedeckt wie die bisherige Tätigkeit des Klägers, und das Direktionsrecht der Beklagten ist auch nicht dadurch eingeengt, dass der Kläger von Anfang an an der IGS Franzsches Feld eingesetzt worden ist, sondern diese Tatsache ist allein im Rahmen der Ausübung billigen Ermessens nach § 315 BGB zu berücksichtigen.

19

II.

Zu Recht hat die Beklagte bereits in erster Instanz darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Beteiligung des Personalrates die Zustimmungsfiktion des § 68 Abs. 2 NPersVG eingreift, weil entgegen § 26 Abs. 2 NPersVG die Stellungnahme des Personalrats allein vom Vorsitzenden und nicht auch von einem Vertreter der Gruppe der Angestellten unterschrieben worden ist.

20

III.

Die Beklagte macht zurecht geltend, dass sie sich im Rahmen des billigen Ermessens gehalten hat, als sie vom Kläger verlangte, zukünftig an den Berufsbildenden Schulen V/Technikerschule seinen Hausmeisterdienst zu verrichten. Das Interesse der Beklagten, an der IGS ... einen Hausmeister zu beschäftigen, der bereit ist, die neu hergerichtete Hausmeisterwohnung zu bewohnen, ist höher zu veranschlagen als das Interesse des Klägers, bis zu seinem Ruhestand in der gewohnten Umgebung weiter arbeiten zu können.

21

Zunächst ist es evident, dass die Beklagte ihr Interesse in die Abwägung im Rahmen der Ausübung billigen Ermessens einbringen darf, dass ein Hausmeister Dienst tut, der auch die nahegelegene Hausmeisterwohnung bewohnt. Die Beklagte braucht dazu keinen Beweis zu führen, ob, gegebenenfalls wie nachhaltig Einbrüche in das Schulgebäude zurückgehen, wenn die Hausmeisterwohnung bewohnt ist. Es ist der Beklagten bereits zuzugestehen, dass sie den Versuch unternimmt, durch die Präsenz eines Hausmeisters in der Hausmeisterwohnung eine höhere Hemmschwelle in Bezug auf derartige Straftaten zu erreichen.

22

Darüber hinaus ist die Zielsetzung der Beklagten ohne Einschränkung plausibel. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten kam es allein 1999 zu zwei Einbrüchen, bei denen die Täter offenbar über viele Stunden hinweg völlig ungestört in der Schule verweilten. Des Weiteren kam es zu etlichen vandalistischen Aktivitäten auf dem Schulgelände. Mit Recht erhofft sich die Beklagte von einer bewohnten Hausmeisterwohnung, dass die Sorglosigkeit der Straftäter abnimmt.

23

Demgegenüber kann der Kläger kein Interesse von beachtlichem Gewicht ins Feld führen. Seine Tätigkeit bleibt die gleiche. Der Kläger hat offenbar gute Arbeit geleistet. Das bietet Gewähr dafür, dass die Arbeit des Klägers in dem neuen Umfeld schnell geschätzt werden wird, zumal für jedermann deutlich ist, dass der Wechsel des Klägers an die ... nicht auf Vorbehalten gegenüber der Person oder der Leistung des Klägers beruhte.

24

Zurecht wendet sich die Beklagte gegen das vom Arbeitsgericht aufgegriffene Argument des Klägers, es entfielen bei einem Wechsel des Klägers an eine andere Schule die "Möglichkeiten einer flexibleren Zeiteinteilung" dadurch, dass der Kläger nicht mehr wie bisher mit seiner Ehefrau zusammen ein Schulobjekt betreuen könnte. Dieser Gesichtspunkt hat keine Grundlage, weil der Kläger, wie die Beklagte zurecht einwendet, eine feste Arbeitszeit hat. Im übrigen hat sich in der mündlichen Berufungsverhandlung bei der Diskussion über eine Kompromisslösung mit dem Inhalt, der Ehefrau des Klägers einen Wechsel an die ... zu ermöglichen, herausgestellt, dass der Kläger diesem Gesichtspunkt kein Gewicht beimisst. Der um ca. 2 Kilometer längere Anfahrtsweg von seiner Wohnung zu der neuen Arbeitsstätte ist bei der Ermessungsausübung von untergeordneten Gewicht.

25

Auch die Tatsache, dass nunmehr verabredet zu sein scheint, dass der Kläger nur noch bis zum 31. Januar 2002 arbeiten wird, lässt das Interesse des Klägers an einem Verbleiben an der IGS ... nicht schwerer wiegen als das oben erläuterte Interesse der Beklagten. Die verbleibenden gut 2 Jahre sind eine genügend lange Zeitdauer für den Kläger, sich in dem neuen Umfeld zurecht zu finden. Andererseits ist aber eine etwa zu verzeichnende Belastung - zum Beispiel durch den etwas längeren Anfahrtsweg - leichter zu verkraften. Selbst wenn man daher der Beklagten entgegenhalten müsste, dass auch für sie 2 Jahre (etwa durch befristete Vermietung) leichter zu überbrücken sind als (jetzt noch) 6 Jahre, so korrespondierte damit also eine leichter verkraftbare Einschränkung der Interessen des Klägers. Anders wäre allenfalls bei einer nur noch für sehr kurze Dauer vorgenommenen Umsetzung zu entscheiden gewesen.

26

IV.

Als unterlegende Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

27

Gesetzliche Gründe, die Revision zu zulassen, liegen nicht vor. Gegen dieses Urteil ist daher ein Rechtsmittel nicht gegeben. Diese Entscheidung kann selbstständig nach Maßgabe des § 72 a ArbGG mit der Nichtzulassungsbeschwerde zur Überprüfung gestellt werden.