Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.05.2000, Az.: 7 Sa 1523/99
Vergütung von Fahrtzeiten zu auswärtigen Gastspielorten als Arbeitszeit; Beschäftigung als Bühnentechniker bei der Landesbühne Hannover; Anwendung des "Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe" (BMT-G II); Festlegung des sog. Sammelplatzes durch den Arbeitgeber; Voraussetzungen eines Anspruchs aus "betrieblicher Übung"; Anwendung der Grundsätze der "betrieblichen Übung" auf den Öffentlichen Dienst; Konstitutive bzw. deklaratorische Bedeutung der Schriftformerfordernis
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 16.05.2000
- Aktenzeichen
- 7 Sa 1523/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 28096
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2000:0516.7SA1523.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 03.06.1999 - AZ: 10 Ca 196/99
Rechtsgrundlagen
- § 14 Abs. 6 BMT-G II
- § 15 Abs. 1 BMT-G II
- § 611 BGB
- § 242 BGB
- § 4 Abs. 2 BMT-G II
- § 4 Abs. 1 BMT-G II
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Festlegung des Sammelplatzes i. S. s. §§ 14 Abs. 6, 15 Abs. 1 BMT-G II kann kraft Direktionsrecht durch Dienstvereinbarung oder einzelvertraglich erfolgen.
- 2.
Durch die jahrelange Einbeziehung der Reisezeit eines Bühnentechnikers von dem Betriebssitz zu einem Gastspielort und zurück in den Dienstplan ist eine entsprechende betriebliche Übung entstanden.
- 3.
§ 4 Abs. 2 BMT-G II steht nicht entgegen, da die Bezahlung der Reisezeit als Arbeitszeit die Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses betrifft.
In dem Rechtsstreit
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 16.05.2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter K.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 03.06.1999, 10 Ca 196/99, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte entsprechend einer Handhabung in der Vergangenheit weiterhin verpflichtet ist, die Fahrtzeiten des Klägers von der Betriebsstätte des Beklagten in Hannover zu auswärtigen Gastspielorten als Arbeitszeit zu vergüten.
Der Kläger ist seit 1982 bei dem Beklagten als Bühnentechniker beschäftigt. Die Landesbühne Hannover hat ihren Sitz in Hannover. Aufführungen finden jedoch nicht nur in Hannover, sondern auch an anderen Spielorten in Niedersachsen und den benachbarten Bundesländern, den sogenannten Abstecherorten, statt.
In der Vergangenheit wurden die Fahrten der Bühnentechniker von Hannover zu den auswärtigen Spielorten als Arbeitszeit vergütet. Es wurde jeweils ein Dienstplan erstellt, der für die Bühnenarbeiter als Arbeitsbeginn die Abfahrzeit vom Betriebssitz in Hannover und als Arbeitsende den Zeitpunkt der Rückkehr in Hannover vorsah. Ensemble und Techniker trafen sich jeweils an der Landesbühne und fuhren mit betriebseigenen Fahrzeugen zu den jeweiligen Aufführungsorten.
Festgelegt wurde diese Handhabung u. a. in einer "Hausverfügung für alle Technischen Mitarbeiter" vom 04. April 1999, deren Ziff. 2 wie folgt lautet:
"Die bisherige Praxis von Aufrundungen von Zeiten wird nicht beibehalten. Die Arbeitszeit wird spitz, d. h. nach Minuten, abgerechnet. Für den Abstecherdienst bedeutet die Ankunftszeit laut Tacho - Scheibe gleichzeitig den Dienstschluss. Für den Betrieb im Hause und für Herrenhausen hat der diensthabende Bühnenmeister den Dienstschluss gegenzuzeichnen."
Durch Dienstanweisung vom 07.12.1995 wurde u. a. folgendes angeordnet:
"2.
Generell ist zu stempeln bei Dienstbeginn und bei Dienstende....
Verlängerung der Dienstzeit durch späte Rückkehr von einem Abstecherort ist vom Abstecherleiter in das Änderungsbuch einzutragen und vom Meister gegenzuzeichnen.
Vorzeitiges Dienstende mit Genehmigung eines Meisters ist nicht in das Änderungsbuch einzutragen. Auch die vorzeitige Rückkehr von einem Abstecherort ist nicht einzutragen, hier zählt als Dienstende die Erfassung im Terminal.
...
Bei Übernachtungen in einem Spielort zählt als Dienstende dieAnkunft im Hotel und als Dienstbeginn am nächsten Tag dieAbfahrt vom Hotel. Diese Zeiten trägt der Abstecherleiter in das Änderungsbuch ein."
Mit Schreiben vom 17. November 1998 (Bl. 9 d. A.) teilte der Beklagte mit, dass mit Wirkung vom 18. November 1998 die Fahrtzeiten anlässlich von Abstechern für die nach BMT-G beschäftigten Mitarbeiter nicht mehr als Arbeitszeit gerechnet würden. Die Arbeitszeit beginne mit der Ankunft am Spielort und ende mit der Abfahrt vom Spielort. Der Beklagte sah sich zu dieser Maßnahme "im Hinblick auf die dringend erforderlichen Sparmaßnahmen gezwungen".
Seit diesem Zeitpunkt erhalten die bei dem Beklagten beschäftigten Bühnentechniker die Fahrten zu den Abstecherorten nicht mehr als Arbeitszeit bezahlt. Im Gegensatz hierzu behandelt der Beklagte jedoch die Fahrtzeiten von Garderobieren und Aushilfskräften zu Abstecherorten und zurück als Arbeitszeit. Des gleichen wird bei auswärtigen Märchenaufführungen durch den Beklagten die Fahrzeit als Arbeitszeit vergütet.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossene Tarifvertrag über die Arbeitsbedingungen der Arbeiter der Landesbühne Hannover vom 29. November 1990 (Bl. 4 bis 8 d. A.) Anwendung. In diesem Haustarifvertrag ist die Anwendung des Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vereinbart, soweit nachstehend nicht abweichendes bestimmt ist. § 2 des Haustarifvertrages bestimmt:
"(1)
Der Arbeiter ist verpflichtet, an Abstechern und Gastspielreisen teilzunehmen.Für den Kläger fielen in der Zeit vom 18. November bis 6. Dezember 1998 insgesamt 11,4 Stunden Fahrtzeit von den Betriebssitz des Beklagten zu Abstecherorten an, die nicht als Arbeitszeit vergütet wurden. Der Kläger errechnet hieraus einen Zahlungsanspruch von 306,75 DM.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 306,75 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.01.1999 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat durch eine den Parteien am 20. Juli 1999 zugestelltes Urteil vom 03. Juni 1999, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 38 bis 51 d. A.), die Beklagte zur Zahlung von 306,75 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 21.01.1999 aus dem Nettobetrag verurteilt und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger erbringe seine Arbeitsleistung an wechselnden Arbeitsplätzen im Sinne des § 15 Abs. 1 BMT-G II. Die Arbeitszeit beginne und ende deshalb an dem jeweils vorgeschriebenen Sammelplatz. Diesen Sammelplatz habe der Beklagte festgelegt durch die Anweisung, die jeweiligen Arbeitszeiten mit Antritt der Fahrt und mit Fahrtende zu und von den Abstecherorten in Tageszetteln festzuhalten, entsprechend abzustempeln und mit Einlegen in der Tacho - Scheibe einen Abgleich der Arbeitszeiten zu ermöglichen. Der Beklagte habe damit die Tarifvorschrift praktisch angewandt und den Kläger durch schlüssige Handlung angewiesen, sich an der Betriebsstätte in Hannover einzufinden, um die Verpflichtung zur Teilnahme an Abstechern und Gastspielreisen im Sinne des § 2 des Haustarifvertrages zu erfüllen. Der Beklagte habe damit in der Vergangenheit konkrete Regelungen getroffen, was Beginn und Ende der Arbeitszeit und die Vergütung anbelangt. Eine Änderung dieser Regelung über Beginn und Ende der dienstplanmäßigen und betriebsüblichen Arbeitszeit bei Abstecherfahrten und Gastspielreisen unterliege dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats, weil die Tarif Vorschrift einen Handlungsspielraum eröffne und damit ein Mitbestimmungsrecht gegeben sei.
Der Anspruch bestehe auch, wenn man zugunsten des Beklagten unterstelle, Arbeitsstelle sei der jeweilige Arbeitsplatz am Abstecherort. § 14 Abs. 6 BMT-G II lasse nämlich eine abweichende betriebliche Vereinbarung zu. Diese sei in der tatsächlichen Handhabung der Arbeitszeit in der Vergangenheit zu sehen. Hierdurch habe der Beklagte eine Betriebsübung begründet, die nur durch Änderungskündigung und unter Beachtung der aufgezeigten Mitbestimmungsrechte des Personalrates zu beseitigen sei.
Hiergegen richtet sich die am 19. August 1999 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20. Oktober 1999 am 20. Oktober 1999 begründete Berufung des Beklagten.
Der Beklagte ist der Auffassung, er stelle den Bühnenarbeitern lediglich eine Mitfahrmöglichkeit zu den Abstecherorten zur Verfügung in dem PKW/LKW, der die Requisiten zu den Abstecherorten befördere. Diese Fahrzeuge ständen, wenn der Fahrer zur dienstplanmäßig vorgegebenen Arbeitszeit in der Bullstraße erscheine, fertig beladen auf dem Hof. In der Regel nützten die Mitarbeiter die angebotene Mitfahrmöglichkeit, falls es im übrigen anders besser passe, kämen sie auch direkt zum Abstecherort.
Sammelplatz für die Mitarbeiter des Beklagten sei bei gelegentlichen Aufführungen an Abstecherorten der Platz, an dem die Aufführung am Abstecherort stattfinde. Nach 14 BMT-G gelte bei einem Einsatz am auswärtigen Geschäftsort nur die Zeit der dienstlichen Inanspruchnahme als Arbeitszeit. Der Umstand, dass der Beklagte die tarifliche Arbeitszeitregelung bis November 1998 falsch angewandt habe, gebe dem Kläger keinen Anspruch auf weitere Falschanwendung in der Zukunft. Eine von tariflichen Bestimmungen abweichende tatsächliche Übung lasse im Bereich des öffentlichen Dienstes keine betriebliche Übung zu. Da tariflich festgelegt sei, dass der Weg zu und von der Arbeitsstelle nicht in die regelmäßige Arbeitszeit eingerechnet werde, sei kein Raum für eine Mitbestimmung des Personalrates.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, Sammelplatz für die Mitarbeiter des Beklagten sei der Betriebsort in Hannover. Aufgrund der Hausverfügung und der zusätzlichen Dienstanweisung des Beklagten habe er davon ausgehen können, dass der beklagte Zweckverband eine verbindliche Regel für die entsprechende Vergütung der Arbeitszeit aufgestellt habe. Hierdurch habe sich der Beklagte selbst gebunden und könne sich hiervon nicht mehr einseitig lösen.
Gründe
Die Berufung des Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 518, 519 ZPO, 64, 66 ArbGG.
Sie ist jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Beklagten zur Zahlung von 306,75 DM brutto nebst Zinsen verurteilt. Der Beklagte ist nämlich weiterhin verpflichtet, die Fahrtzeiten des Klägers von Hannover zu den jeweiligen Einsätzen an sogenannten Abstecherorten als Arbeitszeit zu vergüten.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden unstreitig der Haustarifvertrag vom 29. November 1990 sowie der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) Anwendung. Nach § 2 des Hausvertrages ist der Kläger verpflichtet, an Abstechern und Gastspielreisen teilzunehmen. Die Kammer läßt dahinstehen, ob aus dieser Verpflichtung zur Teilnahme an Gastspielreisen bereits folgt, dass auch die Reisezeit nach dem Willen der Tarifvertragsparteien als Arbeitszeit zu bewerten ist. Hierfür könnte sprechen, dass der Tarifvertrag eine Verpflichtung zur Teilnahme an einer Reise verpflichtet und nicht lediglich die Verpflichtung aufstellt, die Arbeitsleistung auch an auswärtigen Abstecherorten zu erbringen.
Unabhängig von diesen Überlegungen ergibt sich der Anspruch des Klägers vorliegend aus den §§ 14 Abs. 6, 15 Abs. 1 BMT-G II in Verbindung mit der entsprechenden tatsächlichen Handhabung in der Vergangenheit, die zum Inhalt des Arbeitsvertrages der Parteien geworden ist.
§ 14 Abs. 6 BMT-G II stellt den allgemeinen Grundsatz auf, dass der Weg zu und von der Arbeitsstelle (dem Sammelplatz) in die regelmäßige Arbeitszeit nicht eingerechnet wird. Satz 2 dieser Vorschrift beinhaltet allerdings eine ausdrückliche Öffnungsklausel, nach der "Abweichungen... betrieblich vereinbart werden" können.
Nach § 15 Abs. 1 BMT-G II beginnt und endet die Arbeitszeit an dem vorgeschriebenen Arbeitsplatz, bei wechselnden Arbeitsplätzen an dem jeweils vorgeschriebenen Arbeits- oder Sammelplatz. Zu Recht hat das Arbeitsgericht insofern ausgeführt, dass der Kläger an wechselnden Arbeitsplätzen in diesem Sinne tätig wird, und dass der Beklagte den vorgeschriebenen Sammelplatz in der Vergangenheit in Hannover festgelegt hat. Durch die im Tatbestand zitierte Hausverfügung, durch die Dienstanweisung vom 07.12.1995 und durch die wöchentliche Dienstplangestaltung, nach der Beginn und Ende der Arbeitszeit am Betriebssitz in Hannover vorgesehen war, hat der Beklagte den Sammelplatz für die bei ihm beschäftigten Mitarbeiter festgelegt auf den Betriebssitz des Beklagten in Hannover.
Entgegen der von dem Beklagten vertretenen Auffassung ist die tarifliche Arbeitszeitregelung hierdurch bis November 1998 nicht falsch angewandt worden. Der Tarifvertrag selbst legt nämlich nicht fest, wo im einzelnen der Sammelplatz sich befindet. Geregelt ist lediglich, dass die Arbeitszeit an diesem Sammelplatz beginnt und endet, und dass der Weg zu und von dem Sammelplatz nicht in die regelmäßige Arbeitszeit eingerechnet wird. Die Festlegung des Sammelplatzes wird demgegenüber tariflich nicht geregelt, sondern richtet sich nach den betrieblichen Verhältnissen.
Die Festlegung des Sammelplatzes kann dabei entweder einseitig kraft Direktionsrechts des Arbeitgebers oder durch Dienstvereinbarung mit dem Personalrat, wie auch die Öffnungsklausel des § 14 Abs. 6 BMT-G II zeigt, oder einzelvertraglich durch ausdrückliche Regelung, Gesamtzusage oder Betriebsübung erfolgen.
Wie auch das Arbeitsgericht geht die erkennende Kammer vorliegend davon aus, dass die Bezahlung der Reisezeit zu und von den Abstecherorten vorliegend Inhalt des von den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages geworden ist. Der Beklagte hat nämlich durch die regelmäßige entsprechende Handhabung in den vergangenen Jahren zu erkennen gegeben, dass er die Fahrtzeit als Arbeitszeit ansehen will. Hierdurch ist eine entsprechende betriebliche Übung entstanden.
Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen seine Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus dem Verhalten des Arbeitgebers, das als seine Willenserklärung zu werten ist, die von den Arbeitnehmern stillschweigend gem. § 151 BGB angenommen worden ist, erwachsene vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordene Leistung oder Vergünstigung. Dabei kommt es für die Begründung eines solchen Anspruchs durch betriebliche Übung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen gehandelt hat oder ob ihm ein solcher Wille gerade fehlt. Denn die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr nicht lediglich deshalb ein, weil der Erklärende einen bestimmten Willen gehabt, sondern weil er einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen gegenüber dem Erklärungsempfänger geäußert hat. Ob sich der Arbeitgeber binden wollte oder nicht, ist danach zu beurteilen, inwieweit Arbeitnehmer dies aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie aller Begleitumstände schließen dürfen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. statt vieler BAG vom 11.10.1995, 5 AZR 802/94, AP Nr. 9 zu § 611 BGB Arbeitszeit mit weiteren Nachweisen).
Für Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes gelten diese Grundsätze nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allerdings nicht uneingeschränkt. Begründet wird dies damit, dass die durch die Festlegungen des Haushaltsplans gebundenen öffentlichen Arbeitgeber gehalten sind, die Mindestbedingungen des Tarifrechts und die Haushaltsvorgaben bei der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse zu beachten. Im Zweifel gilt deshalb Normvollzug, was bedeutet, dass ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes grundsätzlich davon ausgehen muss, dass ihm sein Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Ohne besondere Anhaltspunkte darf der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst deshalb auch bei langjähriger Gewährung von Vergünstigungen, die den Rahmen rechtlicher Verpflichtungen überschreiten, nicht darauf vertrauen, die Übung sei Vertragsinhalt geworden und werde unbefristet weiter gewährt. Der Arbeitnehmer muss damit rechnen, dass eine fehlerhafte Rechtsanwendung korrigiert wird (BAG vom 14.09.1994, 5 AZR 679/93, AP Nr. 46 zu § 242 BGB betriebliche Übung).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze muss vorliegend von dem Bestehen einer betrieblichen Übung ausgegangen werden. Der Kläger konnte wie auch die übrigen Bühnenarbeiter das Verhalten des Beklagten nur so werten, dass die Reisezeit zu den Abstecherorten als Arbeitszeit angesehen werden soll. Dies folgt u. a. aus der Hausverfügung des Beklagten vom 04. April 1991, in der der Beklagte ausgeführt hat, die Arbeitszeit solle genau nach Minuten abgerechnet werden, für den Abstecherdienst bedeute die Ankunftszeit laut Tachoscheibe gleichzeitig den Dienstschluss. Auch die Festlegung in der Dienstanweisung vom 07. Dezember 1995, dass der Dienstplan Dienstbeginn und Dienstende vorsieht, sowie die detaillierten Regelungen in dieser Dienstanweisung für den Fall einer späten oder vorzeitigen Rückkehr von einem Abstecherort, konnten von dem Kläger so verstanden werden, dass der Beklagte die Reisezeit als Arbeitszeit auf Dauer vergüten will. Eine betriebliche Übung ist mithin hierdurch entstanden.
Die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes führen vorliegend nicht zu einer anderen Wertung. Der Beklagte hat nämlich nicht, wie dargelegt, eine Leistung gewährt, zu der er tarifrechtlich nicht verpflichtet war. Die Handhabung entsprach vielmehr dem Tarifvertrag. Diese einheitliche, gleichmäßige Handhabung der tarifvertraglichen Regelungen in einer bestimmten Art musste bei den Bühnenarbeitern den berechtigten Eindruck erwecken, dass es sich um ein auf Dauer angelegtes Verhalten handelt. Einen irgendwie gearteten Vorbehalt hat der Beklagte zu keinem Zeitpunkt erklärt.
Die vorliegende Fallgestaltung ist insofern vergleichbar mit dem Fall, den das Bundesarbeitsgericht in dem Urteil vom 13. November 1986 (6 AZR 567/83, AP Nr. 27 zu § 242 BGB betriebliche Übung) entschieden hat. In diesem Fall ging es um die Berechtigung einer Arbeitgeberin, den Umfang der von den Klägern als Hausmeistern im Rahmen der Betreuung von außerschulischen Veranstaltungen in der Vergangenheit erbrachten Leistungen zu kürzen. Tariflich war die Verpflichtung der Schulhausmeister geregelt, Bereitschaftsdienst bei Belegung der Schule mit außerschulischen Veranstaltungen zu leisten. Das Bundesarbeitsgericht ist aus der entsprechenden Handhabung in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass eine betriebliche Übung darauf entstanden ist, dass bei außerschulischen Veranstaltungen Bereitschaftsdienst gegen Zahlung der tariflichen Vergütung zu leisten ist. Die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes führten in dem entschiedenen Fall zu keiner anderen Wertung, da die dortige Beklagte keine Leistung über die tarifvertraglich vorgesehenen hinaus erbracht, sondern sich im Rahmen der Tarifregelungen gehalten hat. Dies gilt, wie dargelegt, auch für die Konstellation des vorliegend zu entscheidenden Rechtsstreits.
§ 4 Abs. 2 BMT-G II steht dem Entstehen einer betrieblichen Übung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift sind Nebenabreden nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Es handelt sich hierbei um eine konstitutive Schriftform im Sinne des § 126 BGB, die für den Bereich von Nebenabreden das Entstehen einer betrieblichen Übung grundsätzlich ausschließt.
Keine Nebenabrede liegt allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor, wenn die Hauptrechte und Hauptpflichten der Arbeitsvertragsparteien im Sinne des § 4 Abs. 1 BMT-G II betroffen sind. Für derartige Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses hat die Schriftform des § 4 Abs. 1 BMT-G II nur deklaratorische Bedeutung (BAG vom 06.09.1972, 4 AZR 422/71, AP Nr. 2 zu § 4 BAT). Nebenabreden sind mithin Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien, die weder die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers noch die Gegenleistung des Arbeitgebers unmittelbar betreffen, während die das Entgelt des Arbeitgebers für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers betreffenden Vereinbarungen nicht der Schriftform bedürfende Hauptabreden sind (BAG vom 07.05.1986, 4 AZR 464/83; BAG vom 07.05.1986, 4 AZR 456/83, AP NrBAG vom 07.05.1986, 4 AZR 456/83, AP Nr. 12 zu § 4 BAT).
Die Bezahlung der Reisezeit des Klägers von Hannover zu den Abstecherorten und zurück als Arbeitszeit betrifft die Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses. Es geht nämlich um die Frage, ob bereits die Reisezeit als Arbeitszeit des Klägers anzusehen und dementsprechend von der Beklagten zu vergüten ist. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten bei dem Beklagten, die darin zu sehen sind, dass in nicht unerheblichem Umfang Gastspiele an auswärtigen Orten stattfinden, beinhaltet die Festlegung des Sammelplatzes nicht lediglich die Bestimmung des Arbeitsortes, an dem die im übrigen arbeitsvertraglich vereinbarte bzw. tarifliche Arbeitszeit beginnt. Vielmehr wird mit der Festlegung des Sammelplatzes gleichzeitig festgelegt, ob die Fahrten zu und von den Gastspielorten in die Arbeitszeit eingerechnet wird oder nicht. Damit handelt es sich um eine Regelung, die die Verpflichtung des Beklagten zur Vergütung der Arbeitsleistung betrifft. Mithin sind die Hauptpflichten des Arbeitsvertrages betroffen, so dass eine Nebenabrede im Sinne des § 4 Abs. 2 BMT-G II nicht vorliegt.
Die Berufung des Beklagten war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1 i. V. m. § 72 a Abs. 1 Ziff. 2 ArbGG.