Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 01.12.2000, Az.: 12 Sa 1849/95

Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund einer auflösenden Bedingung; Leiden an Hautallergie, die vor allem bei Einsatzfahrten im Rettungswagen auftritt; Ist-Besetzung einer Rettungswache; Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz im Innendienst (Telefondienst) ; Organisationshoheit des Arbeitgebers

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
01.12.2000
Aktenzeichen
12 Sa 1849/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 10958
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2000:1201.12SA1849.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Emden - 21.01.1993 - AZ: l Ca 312/92

Fundstelle

  • ZTR 2001, 523

hat
die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 01.12.2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht und
die ehrenamtlichen Richter
für Rechterkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Emden vom 21. Januar 1993 - l Ca 312/92 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

1

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses auf Grund einer auflösenden Bedingung. Der Kläger ist seit dem 01. Juni 1988 beim Beklagten als Rettungssanitäter beschäftigt. Er leidet an einer Hautallergie, die vor allem bei Einsatzfahrten im Rettungswagen auftritt. Auf seinen Antrag vom 02. Januar 1991 hin, gewährte ihm die X mit Bescheid vom 22. Juli 1991 Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit ab dem 01. Dezember 1990. Der Rentenbescheid wurde dem Kläger am 23. Juli 1991 zugestellt. Zuvor hatte das X einen Grad der Behinderung von 40 % anerkannt.

2

Mit Schreiben vom 24. September 1991 teilte der Beklagte unter Hinweis auf § 59 BAT - die Parteien haben arbeitsvertraglich die Geltung des BAT vereinbart - dem Kläger die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund Rentengewährung zum 31. März 1992 mit. Daraufhin stellte der Kläger am 20. März 1992 einen Gleichstellungsantrag, dem rückwirkend zum Zeitpunkt der Antragstellung durch Bescheid vom 13. April 1992 entsprochen worden ist. Die vorsorglich vom Beklagten beantragte Zustimmung der Hauptfürsorgestelle ist durch Bescheid vom 06. Oktober 1992 erteilt worden.

3

Der Kläger hat die Auffassung vertreten sein Arbeitsverhältnis bestehe fort.

4

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 21. Januar 1993, welches hiermit in Bezug genommen wird (Bl. 57 bis 63 d. A. ), die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das erkennende Gericht mit Urteil vom 04. März 1994 (Bl. 140 bis 148 d. A. ) die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/94 - auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 154 bis 160 R. d. A. ), das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 04. März 1994 - 12 Sa 478/93 - aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

5

Der Kläger macht nunmehr nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 30. November

6

1995 (Bl. 164, 165 d. A. ) und 28. Juni 1996 (Bl. 199 bis 205 d. A. nebst Anlagen Bl. 206 bis 208 d. A. ) geltend, zum Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung - hier am 31. März 1992 - sei ein freier Arbeitsplatz im Rettungsdienst des Beklagten vorhanden gewesen, da der Rettungsassistent Wiese für den Kläger in der Rettungswache Aurich eingestellt worden sei. Der Kläger hätte im Innendienst und zwar dort im Telefondienst in der Rettungswache dauernd beschäftigt werden können, ohne dass dies die Einsatzbereitschaft der Rettungswache beeinträchtigt hätte. Außerdem ergäbe sich ein freier Arbeitsplatz auch schon aus den von den Rettungssanitätern im Monat mindestens abgeleisteten 200 Überstunden, was dem Bedarf an einer zusätzlichen Stelle entspreche. Mittels einer einfachen Umstrukturierung in der Organisation hätte er seine Arbeit im Innendienst ohne weiteres fortsetzen können. Schließlich sei auch geplant gewesen, eine Rettungsleitstelle für die Rettungswachen Norden und Aurich zum 01. Januar 1993 einzurichten. In dieser Rettungsleitstelle würden qualifizierte Mitarbeiter, nämlich Rettungsassistenten mit einer feuerwehrtechnischen Zusatzausbildung ausschließlich als Telefonisten beschäftigt. Dass die Rettungsleitstelle tatsächlich erst zum 01. Januar 1994 eingerichtet worden sei, habe man im Frühjahr 1992 noch nicht absehen können.

7

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht am 31. März 1992 beendet worden ist, sondern darüber hinaus bis zum 28. Februar 1998 fortbestanden hat.

8

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

9

Er tritt den Ausführungen des Klägers nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 03. September 1996 (Bl. 209, 210 d. A. ) entgegen.

10

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien nach Zurückverweisung des Rechtsstreits wird auf den Inhalt ihrer vor dem Berufungsgericht gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften vom 07. Mai 1996 (Bl. 183 bis 186 d. A. ) und 01. Dezember 2000 (Bl. 245 bis 247 d. A. ) verwiesen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist nicht begründet.

12

Demgemäß war die Berufung erneut zurückzuweisen.

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Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat gemäß § 59 Abs. 2 BAT mit dem 31. März 1992 geendet, da ein freier Arbeitsplatz im Sinne der Vorgaben aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Juni 1995 für den Kläger nicht vorhanden gewesen ist. Die Kammer kann nicht feststellen, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers ab 31. März 1992 auf einem. freien Arbeitsplatz möglich gewesen ist.

14

Der Kläger beruft sich darauf, dass der Rettungsassistent für ihn eingestellt worden sei, was bedeute, dass dieser Arbeitsplatz für den Kläger frei gewesen wäre. Der Beklagte bestreitet demgegenüber eine Einstellung des Herrn B als Ersatz für den Kläger, räumt jedoch ein, dass der bisherige Urlaubs- und Krankheitsvertreter Herr B nach dem Ausscheiden des Klägers weiterbeschäftigt worden ist. Hieraus folgt, dass auf jeden Fall der Arbeitsplatz des Klägers ab 31. März 1992 wieder besetzt worden ist. Entgegen der Auffassung des Klägers kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich insoweit um einen "freien" Arbeitsplatz gehandelt hat. Sowohl der Rettungsassistent A als auch der Rettungsassistent B sind für den Fahrdienst eingestellt worden und nicht etwa ausschließlich für eine Tätigkeit im Innendienst zwecks Bedienung des Funktisches. Insoweit kann deshalb nicht angenommen werden, dass die vom Kläger ab Feststellung seiner Berufskrankheit vorgenommene Tätigkeit im Innendienst als freier Arbeitsplatz weiterhin vorhanden war. Der Beklagte hat - was unstreitig ist- den Rettungsdienst derart organisiert, dass die Rettungswache Aurich zum einen mit Verwaltungspersonal und zum anderen mit Fahrdienstpersonal besetzt ist. Die Stellen in der Verwaltung sind gemäß der Aufstellung "Ist-Besetzung der Rettungswache zum 31.03.1992" (Anlage l zum Sitzungsprotokoll vom 07. Mai 1996, Bl. 191 d. A. ) vollständig besetzt. Dies ergibt sich aus der "Stellenübersicht" (Anlage 2 zum Sitzungsprotokoll vom 07. Mai 199S, Bl. 192 d. A. ). Eine Stelle Innendienst/Funktisch enthält weder die Stellenübersicht noch die Ist-Besetzung der Rettungswache. Es ist deshalb davon auszugehen, dass bei der Rettungswache auf Dauer überhaupt keine Stelle für die alleinige Tätigkeit im Telefondienst vorhanden ist. Dies behauptet auch nicht der Kläger. Lediglich ab Bekanntwerden der Berufungsunfähigkeit des Klägers sind ihm wegen seiner Hautallergie Tätigkeit im Innendienst übertragen worden. Damit hat der Beklagte jedoch nicht auf Dauer eine Stelle ausschließlich für den Innendienst am Telefon/Funktisch geschaffen, sondern er nahm für eine gewisse Zeit auf das Leiden des Klägers, welches den Einsatz im Rettungswagen nicht zulässt, Rücksicht. Dass der Beklagte eine Stelle ausschließlich im Innendienst auch nicht auf Dauer schaffen wollte, erhellt bereits daraus, dass sowohl Herr A als auch Herr B als Rettungsassistenten eingestellt und beschäftigt worden sind. Das Vorhandensein eines freien, vergleichbaren Arbeitsplatzes setzt nicht nur voraus, dass ein Arbeitsplatz am 31. März 1992 in der Rettungswache unbesetzt gewesen ist, sondern dass er zu diesem Zeitpunkt auch bereits vorhanden gewesen ist. Daran mangelt es jedoch für den vom Kläger erstrebten Arbeitsplatz im Innendienst. Es ist anerkannt, dass zum Zwecke der Weiterbeschäftigung der Arbeitgeber einen neuen Arbeitsplatz nicht schaffen muss. Deshalb kann der Kläger auch nicht damit gehört werden, dass der Beklagte durch eine Umstrukturierung in der Organisation der Rettungswache für ihn eine Tätigkeit ausschließlich im Innendienst hätte schaffen können. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass es grundsätzlich in der Organisationshoheit des Arbeitgebers steht wie er die Arbeit durchführt. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Rettungswache derart besetzt hat, dass alle Mitarbeiter im Fahrdienst zum Einsatz kommen müssen. Dass die Rettungssanitäter insgesamt monatlich erhebliche Überstunden abgeleistet haben, verpflichtet den Beklagten nicht, eine zusätzliche Stelle im Innendienst einzurichten.

15

Hierfür ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich.

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Die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung des Klägers auf einem freien Arbeitsplatz im Innendienst (Telefondienst} ist auch nicht deshalb zu bejahen, weil der Beklagte ab 01. Januar 1994 die geplante Rettungsleitstelle eingerichtet hat und dort Rettungssanitäter ausschließlich als Telefonisten beschäftigt werden. Dies gilt auch dann nach Auffassung der Kammer, wenn zum Zeitpunkt 31. März 1992 mit einer Einrichtung der Rettungsleitstelle bereits per 01.01.1993 zu rechnen war. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 28. Juni 1995 darauf hingewiesen, dass freie Arbeitsplätze nicht nur solche sind, die zum Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung unbesetzt sind, sondern dass auch solche Arbeitsplätze zu berücksichtigen sind, bei denen im Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung feststeht, dass sie in absehbarer Zeit nach Ablauf der tarifvertraglichen Auslauffrist frei werden, sofern die Überbrückung dieses Zeitraums dem Arbeitgeber zumutbar ist. Auch war bereits 1992 die Einrichtung einer Rettungsleitstelle in Z zum 01. Januar 1993 geplant. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob bei einem Zeitraum von mindestens 9 Monaten, der im übrigen noch nicht ganz sicher gewesen ist, noch von einer absehbaren Zeit gesprochen werden kann. Dies kann jedoch dahinstehen, denn nach Auffassung der Kammer war dem Beklagten die Überbrückung eines Zeitraumes von mindestens 9 Monaten nicht mehr zumutbar. Zum einen hatte der Beklagte bereits in den vorangegangenen 9 Monaten vor dem 31. März 1992 wegen der beschränkten Einsatzfähigkeit des Klägers die Tätigkeiten in der Rettungswache umorganisieren müssen. Zum anderen hätte dieser Zustand mindestens weitere 9 Monate andauern müssen, ohne dass sicher festgestanden hätte, ob dann bereits die Leitstelle eingerichtet worden wäre und im übrigen ob der Kläger dort verwendbar war, da bei der Planung der Beklagte für die Mitarbeiter der Einsatzleitstelle nicht nur eine Rettungssanitäterausbildung voraussetzte, sondern auch zusätzlich eine fachgerechte feuerwehrtechnische Ausbildung, die der Kläger nicht aufweist. Der mögliche Arbeitsplatz in der noch einzurichtenden Rettungsleistelle ist deshalb nach Auffassung der Kammer nicht als "freier"Arbeitsplatz zu berücksichtigen.

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Weitere freie Stellen, auf denen er beim Beklagten eingesetzt werden könnte hat der Kläger nicht genannt, sodass von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien am 31. März 1992 auszugehen ist.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Streitwertbeschluss:

Streitwert: unverändert.