Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.02.2000, Az.: 11 Ta 740/99

Entstehen einer Vergleichsgebühr, wenn in dem abgeschlossenen Vergleich lediglich dem Klagebegehren entsprochen wird

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
07.02.2000
Aktenzeichen
11 Ta 740/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 22445
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2000:0207.11TA740.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Celle - 25.10.1999 - AZ: 1 Ca 232/99

Amtlicher Leitsatz

Keine Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO, wenn in dem abgeschlossenen Vergleich lediglich dem Klagebegehren entsprochen wird.

In dem Rechtsstreit wurde
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Celle vom 25.10.1999 - 1 Ca 232/99 - teilweise abgeändert.

Die gemäß §19 BRAGO vom Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner noch zu erstattenden Kosten werden auf 168,20 DM

nebst 4 % Zinsen seit dem 01.10.1999 festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde kostenpflichtig zurückgewiesen, soweit sie sich auch gegen die Festsetzung der noch zu erstattenden Kosten in Höhe von 168,20 DM wendet.

Der Wert für die Gebührenberechnung wird - soweit die Beschwerde erfolglos war - auf 168,20 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

I.

Der Kläger ist seit dem 15.09.1979 bei der Beklagten, zuletzt als Bohrmeister zu einem Grundgehalt von 6.100,00 DM beschäftigt. Mit Schreiben vom 26.03.1999 sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber eine fristgemäße Änderungskündigung zum 30.09.1999 aus. In dem Kündigungsschreiben bot sie dem Kläger ab dem 01.10.1999 eine Tätigkeit als Schichtführer zu einem Grundgehalt von 5.083,00 DM an. Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit der Klage vor dem Arbeitsgericht Celle gewehrt.

2

In der ersten Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht Celle, am 09.09.1999, schlossen die Parteien nach Erörterung der Sach- und Rechtslage folgenden Vergleich:

  1. 1.

    Die Parteien stimmen darin überein, dass die Beklagte aus der Änderungskündigung vom 26.03.1999 keine Rechte herleitet und das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

  2. 2.

    Damit ist der Rechtsstreit erledigt.

3

Da die Rechtsschutzversicherung des Klägers sich weigerte, eine Vergleichsgebühr für seinen Prozessbevollmächtigten zu übernehmen, beantragte der Beschwerdegegner Kostenfestsetzung nach § 19 BRAGO. Diesem Antrag hat der Rechtspfleger in dem angefochtenen Beschluss vom 25.10.1999 stattgegeben und die von dem Kläger an seinen Prozessbevollmächtigten noch zu erstattenden Kosten auf 1.264,40 DM festgesetzt, worin auch eine Vergleichsgebühr gemäß § 23 BRAGO enthalten ist.

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Gegen diesen ihm am 27.10.1999 zugestellten Beschluss hat der Kläger und Beschwerdeführer am 3. November 1999 sofortige Beschwerde eingelegt.

Gründe

5

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Der im Kammertermin vom 09.09.1999 abgeschlossene Vergleich hat eine Gebühr nach § 23 BRAGO nicht ausgelöst. Eine Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 BRAGO steht dem Antragsteller, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers vor dem Arbeitsgericht Celle, nicht zu.

6

Der Rechtsanwalt hat nach § 23 BRAGO Anspruch auf die Vergleichsgebühr, wenn er bei Abschluss eines Vergleichs i. S. des § 779 BGB mitgewirkt hat, d. h. an einer Einigung der Parteien, die einen Streit oder eine Ungewissheit zwischen ihnen durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt. Ein Nachgeben liegt schon dann vor, wenn die Parteien, um zur Einigung zu gelangen, überhaupt Zugeständnisse machen. Es genügt, wenn das Nachgeben gering ist, z. B. die Fälligkeit der Forderung, die Zinsen oder Kosten betrifft. Zum gegenseitigen Nachgeben ist es aber notwendig, dass jeder Teil dem anderen ein Opfer bringt, wobei jedes Opfer genügt, das eine Partei auf sich nimmt, mag es auch ganz geringfügig sein und objektiv ein Opfer überhaupt nicht vorliegen (vgl. BGHE 1, 57 (62, 63) m. w. Nachw.; BGH 70, 1122 (1124); Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., § 779 Rd.Ziff. 9, 10 m. w. Nachw.). Jede Partei muss also deshalb nachgegeben haben, weil auch die andere Partei dies getan hat.

7

Ein solches gegenseitiges Nachgeben ist hier nicht feststellbar, denn im Vergleich ist dem Klagebegehren voll Rechnung getragen worden (so auch LAG Düsseldorf, Beschluss vom 15.10.1998 - 7 Ta 285/98 - in JurBüro 1999, 361; andere Ansicht LAG Hamm, Beschluss vom 30.04.1997 - 9 Ta 535/96 - AnwBl 97, 568). Der Ansicht des Landesarbeitsgerichts Hamm, die bei der vorliegenden Konstellation ein Nachgeben des Arbeitgebers darin gesehen hat, dass eine einseitige Rücknahme der Kündigung rechtlich nicht möglich ist, sondern es dazu der Mitwirkung des Gekündigten bedarf, kann hier nicht gefolgt werden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat nicht vorgetragen, dass vor Abschluss des Vergleichs der Umstand, dass eine einseitige Rücknahme der Kündigung nicht zulässig ist, dem Beklagten gegenüber ins Feld geführt worden ist, noch dass dieser Umstand bei Vergleichsverhandlungen irgendeine Rolle gespielt hat. Im Gegenteil hat der Kläger in der Beschwerdebeantwortung mit Schriftsatz vom 11.11.1999 vorgetragen, dass die Rücknahme der Änderungskündigung von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt erklärt worden ist.

8

Ein Nachgeben des Klägers gegenüber der Beklagten ist auch nicht darin zu sehen, dass im Vergleich nicht eine volle Kostenübernahme durch die Beklagte aufgenommen worden ist, so dass von einer Aufhebung der Kosten gegeneinander auszugehen ist (§ 98 ZPO).

9

Im Hinblick darauf, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren 1. Instanz jede Partei die Kosten ihres Prozessbevollmächtigten selbst trägt und angesichts der Tatsache, dass der Kläger lediglich für die Hälfte der entstandenen Auslagen von 11,00 DM (1 Zustellungsurkunde) herangezogen werden könnte und dieser Betrag unter den Kleinbetrag-Erlass fällt, so dass er nicht eingezogen wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich bei Vergleichsabschluss bewusst war, ein Opfer zu bringen und so dem Beklagten entgegenkommen wollte (vgl. LAG Düsseldorf a.a.O. m. w. N.).

10

Ein Nachgeben des Klägers liegt entgegen der Auffassung der Beschwerdegegner auch nicht darin, dass der Kläger auf ein Urteil verzichtet und damit offengeblieben ist, ob die von der Beklagten vorgenommene Sozialauswahl, bei der verschiedene Mitarbeiter von der Beklagten in Bezug auf den Kläger nicht für vergleichbar gehalten worden sind, weil sie angeblich spezielle Erfahrungen und Fähigkeiten hätten, richtig gewesen ist. Selbst wenn der Kläger ein Interesse daran gehabt hätte, dass für eventuelle spätere Rechtsstreite gerichtliche Feststellungen getroffen werden, ist dies rechtlich ohne Bedeutung, denn die Überprüfung der Sozialauswahl in einem gerichtlichen Verfahren hat keine Präjudiz-Wirkung für weitere oder andere Prozesse. Der Verzicht auf die Nachprüfung der Überlegungen des Arbeitgebers ist daher kein Nachgeben im Sinne von § 775 BGB.

11

Unerheblich ist auch, ob der Kläger z. B. durch Anerkenntnis-Urteil eine andere Beendigung des Rechtsstreits zu seinen Gunsten kostengünstiger hätte erreichen können. Bei dem hier im Streit stehenden Anspruch auf Kostenerstattung für eine Vergleichsgebühr ist nicht entscheidend, ob der Kläger überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte, den Rechtsstreit auch durch Anerkenntnisurteil, was immerhin ein Anerkenntnis der Beklagten vorausgesetzt hätte, beenden zu können. In diesem Verfahren geht es lediglich darum, ob eine Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO entstanden ist. Dies ist nicht der Fall.

12

Nach alledem war auf die sofortige Beschwerde des Klägers der Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Celle um eine Vergleichsgebühr in Höhe von 945,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer, also insgesamt um 1.096,20 DM, zu mindern. Insoweit ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei. In Höhe von 168,20 DM war der Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Celle jedoch aufrecht zu erhalten, weil der bisher gezahlte Vorschuss in Höhe von 2.260,84 DM durch den Kläger um diesen

13

Betrag zu niedrig ist. Insoweit war die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

14

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 78 Abs. 2 ArbGG).

Nimmerjahn