Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.11.2000, Az.: 8 Sa 1012/00

Kündigungsberechtigung eines Insolvenzverwalters bei Veräußerung des Geschäftsbetriebs

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
30.11.2000
Aktenzeichen
8 Sa 1012/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 10969
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2000:1130.8SA1012.00.0A

Fundstelle

  • ZInsO 2001, 776 (red. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Kündigungsberechtigung des Insolvenzverwalters bei Veräußerung des Geschäftsbetriebes der Insolvenzschuldnerin durch Personalabbau (§§ 112 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 111 S. 2 Nr. 1 BetrVG, 128 Abs. 2 InsO). Veräußert ist der Betriebe nur in dem durch den Personalabbau eingeschränkten, bestehen gebliebenen Umfang (§ 128 Abs. 2 InsO).

  2. 2.

    Zur groben Fehlerhaftigkeit des § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

In dem Rechtsstreit
hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2000
durch
die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 27. April 2000 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die schriftliche Kündigung des Beklagten vom 19. Januar 2000 (Bl. 5 f. d. A.), Insolvenzverwalter in dem am 6. August 1999 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma W. GmbH & Co. KG (74 IN 147/99 Amtsgericht Göttingen), das seit 1. April 1965 bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Insolvenzschuldnerin beendet hat:

mit der Firma E. M. GmbH i.G. konnte eine Gesellschaft gewonnen werden, die die Behälterproduktion und den Lifterbau ab 01.01.2000 am Standort in G. fortführen wird.

Aufgrund fehlender Aufträge, die mit Sicherheit zu nicht unerheblichen Anlauf Verlusten bei der Firma E. M. GmbH führen werden, war es nicht möglich, allen noch in - z. T. streitigen - Arbeitsverhältnissen stehenden Arbeitnehmern die Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Mit Rücksicht darauf wurde nach z. T. schwierigen Verhandlungen zwischen dem Betriebsrat und mir ein Interessenausgleich (mit Sozialplan) am 22.12.1999 abgeschlossen (§§ 125 InsO, 111 BetrG). Bei den Verhandlungen um eine ausgewogene Personalstruktur konnten Sie leider keine Berücksichtigung finden.

Der Abschluß eines Interessenausgleichs (mit Sozialplan) gibt dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer, der nicht weiterbeschäftigt werden soll, zu kündigen. Mit Rücksicht darauf erkläre ich die

Kündigung

des Arbeitsverhältnisses. Soweit Ihretwegen bereits ein oder mehrere Kündigungsschutzprozesse beim Arbeitsgericht anhängig sind, erfolgt die Kündigungserklärung vorbehaltlich der Feststellung der Unwirksamkeit früher ausgesprochener Kündigungen.

Aus der Veräußerung des beweglichen Anlagevermögens und des Materiallagers sowie der Rechte des Unternehmens an die Übernehmerin steht für einen Nachteilsausgleich der Arbeitnehmer, die endgültig ausscheiden müssen, ein Gesamtbetrag von DM 150.000,00 zur Verfügung. Wir werden uns darum bemühen, den daraus auf Sie entfallenden Betrag für den Verlust des Arbeitsplatzes so schnell wie möglich zu ermitteln. Wir kommen unverzüglich wieder auf Sie zu.

2

Gegen die vorausgegangene schriftliche Kündigung des Beklagten vom 27. August 1999 zum 30. November 1999 hat der Kläger erfolgreich Kündigungsschutzklage erhoben, Urteil vom 30. November 2000 in dem gleichzeitig verhandelten Rechtsstreit 8 Sa 668/00 (1 Ca 351/99 Arbeitsgericht Göttingen), auf das zur weiteren Darstellung des Sachverhalts Bezug genommen wird.

3

Nachdem sich im Dezember 1999 die Firma E. M. GmbH bereit erklärt hatte, den Betrieb der Insolvenzschuldnerin fortzuführen, hat der Beklagte mit dem Betriebsrat der Insolvenzschuldnerin unter dem 22. Dezember 1999 einen Interessenausgleich (mit Sozialplan) abgeschlossen, unterzeichnet vom Betriebsratsvorsitzenden H. und dem Beklagten (Bl. 12 bis 16 d. A.).

§ 1
Geltungsbereich

Der Interessenausgleich gilt für alle Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG denen vom Insolvenzverwalter im Zusammenhang mit der beabsichtigten Schließung des Betriebes der W. GmbH & Co. KG aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wurde und deren Arbeitsverhältnis nicht durch weitere Eigenkündigungen oder durch bereits abgeschlossene Aufhebungsverträge oder aus sonstigen Gründen zwischenzeitlich beendet wurden oder noch beendet werden.

§ 2
Veränderte Sachlage

(1)
Der Insolvenzverwalter konnte nach dem Ausspruch der Kündigungen zur Betriebsstillegung, seiner Fortführung des Geschäftsbetriebes nach Insolvenzeröffnung innerhalb der Kündigungsfristen mit teilweisen Freistellungen von Arbeitnehmern auf der Grundlage der von ihm eingeleiteten und umgesetzten Restrukturierungsmaßnahmen mit der Firma E. D. GmbH, in B. durch ihre Tochter, E. M. GmbH, ... G., eine im wesentlich gleichen Marktsegment tätige Interessentin zur Übernahme des Unternehmens durch Erwerb der sächlichen Betriebsmittel gewinnen. Die Übernahmeinteressentin beabsichtigt, das Unternehmen am Standort G. fortzuführen. Die Betriebsteile sollen mit einer ausgewogenen Personalstruktur erhalten bleiben, die allerdings dem vorhandenen und kurzfristig zu erwartenden Auftragsbestand entsprechen muß. Es ist eine Übernahme des Geschäftsbetriebes zum 01.01.2000 beabsichtigt.

(2)
Daraus ergibt sich als Aufgabe des Insolvenzverwalters mit dem Betriebsrat der W. GmbH & Co. KG nach Maßgabe der §§ 111 BetrVG, 125 InsO, diesen Anforderungen durch einen Interessenausgleich zu entsprechen.

Insolvenzverwalter und Betriebsrat haben hierzu bereits Vorgespräche geführt, auch mit dem Geschäftsführer der Übernahmeinteressentin, und nach sehr eingehenden Verhandlungen am 21.12.1999 Einigung über eine ausgewogene Personalstruktur gefunden.

§ 3
Arbeitnehmer ohne Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

(1)
Der vorhandene und kurzfristig zu erwartende Auftragsbestand wird nicht ausreichen, um alle Arbeitnehmer des Unternehmens im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG weiter zu beschäftigen. Zwar ist derzeit die Produktion des Unternehmens durch Hereinnahme von Fremdaufträgen zum Teil ausgelastet. Diese Aufträge laufen jedoch im Bereich der Lifter-Fertigung aus, eine Auslastung kann nur im Bereich der Behälterfertigung gewährleistet werden. Grund dafür war die unsichere Fortführungslage mit Beendigungszeitpunkt jedenfalls zum 31.12.1999, die den Insolvenzverwalter veranlaßte, keine neuen Aufträge hereinzunehmen.

Die Aufträge werden deswegen im Verlaufe des Monats Dezember bereits abgearbeitet sein. Danach kann es allenfalls noch zu Restarbeiten kommen für Aufträge, die noch während der Fortführungsphase hereingenommen wurden sowie Restarbeiten und Gewährleistungsarbeiten an früheren Aufträgen. Wegen der Insolvenzbefangenheit des Unternehmens und der Ungewissen Möglichkeit einer Übernahmelösung konnte hier also in den letzten Monaten nicht aquiriert werden, weswegen das dadurch ausgelöste Auftragsloch kurzfristig nur zu Teilauslastungen führen kann.

(2)
Insolvenzverwalter und Betriebsrat haben dieser Situation Rechnung getragen. Sie haben unter Beachtung der Kriterien nach § 125 Abs. 1 InsO eine soziale Auswahl der Arbeitnehmer im Hinblick auf ihre Dauer der Betriebszugehörigkeit, ihr Lebensalter und ihre Unterhaltspflichten vorgenommen.

(3)
Das Ergebnis der Verhandlungen ergibt sich aus der Anlage 1 zu diesem Interessenausgleich, die Bestandteil des Interessenausgleichs ist, und die eine namentliche Bezeichnung der Arbeitnehmer enthält, denen gekündigt werden soll.

Anlage

zum Interessenausgleich zwischen RA Dr. F. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der W. GmbH & Co. KG und dem Betriebsrat

Liste der nicht für eine Weiterbeschäftigung vorgesehenen Arbeitnehmer

1. Dr.

2. Fu.

3. He.

4. Ka.

5. K.

6. Ke.

7. Ki.

8. Kr.

9. Sc.

10. St.

11. We.

4

Auch diese Anlage ist vom Betriebsratsvorsitzenden H. dem Beklagten unterzeichnet.

5

Die Firma E. M. GmbH hat die Leitung des Betriebes ab 1. Januar 2000 übernommen, dies durch Rundschreiben an Kunden und Geschäftspartner mitgeteilt, und 16 Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin weiterbeschäftigt.

6

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Interessenausgleich vom 22. Dezember 1999 sei nicht wirksam zustande gekommen, die vorgenommene Sozialauswahl gerügt und gemeint, infolge des Betriebsübergangs auf die Firma E. M. GmbH habe der Beklagte die Kündigungsbefugnis verloren.

7

Zur sozialen Auswahl hat er vorgetragen: Später als er seien die Mitarbeiter A., He., H., S. und B. eingestellt worden. B. werde als Elektromechaniker beschäftigt, A. als Schlosser und Schweißer, Bö. als Schweißer, He. als Schlosser, S. und St. als Schweißer. Er, der Kläger sei als Feinblechner beschäftigt und könne die Arbeiten der Vorgenannten ausführen.

8

Der Kläger hat beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Kündigung vom 19. Januar 2000 nicht beendet wird, sondern weiterhin fortbesteht;

  2. 2.

    falls der Kläger mit dem Feststellungsantrag zu 1. obsiegt, die Beklagte zu verurteilen, ihn ab Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung bis zur Rechtskraft zu unveränderten Bedingungen als Schlosser weiterzubeschäftigen.

9

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Er hat die Auffassung vertreten, dass er aufgrund des abgeschlossenen Interessenausgleichs auch nach der Betriebsveräußerung noch berechtigt gewesen sei, die Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer, die nicht hätten übernommen werden sollen, zu kündigen, und dazu vorgetragen, dass andernfalls eine sanierende Übertragung nicht möglich sei.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage wegen fehlender Passivlegitimation des Beklagten abgewiesen, weil das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin infolge Betriebsübergangs im Sinne des § 613 a BGB auf die E. M. GmbH übergegangen sei.

12

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er trägt vor: Es seien keine zwingenden prozessualen Gründe ersichtlich, warum die Kündigungsschutzklage nicht gegen den Kündigenden, den Beklagten, sondern gegen den Betriebserwerber zu erheben sei. Zwar dürfte sein, des Klägers, Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin zum 1. Januar 2000 auf dem Betriebserwerber übergegangen sein. Eine vollständige Gewissheit hierüber habe indessen nicht bestanden, zumal die Firma E. M. GmbH in dem Rechtsstreit 3 Ca 211/00 Arbeitsgericht Göttingen hinsichtlich seines, des Klägers, Klagebegehrens auf Feststellung, dass zwischen ihr und ihm seit 1. Januar 2000 ein Arbeitsverhältnis bestehe, eine andere Ansicht vertrete.

13

Der Interessenausgleich zwischen dem Beklagten und dem Betriebsrat der Insolvenzschuldnerin sei nicht wirksam zustande gekommen, weil statt der ordentlichen Betriebsratsmitglieder Dr. und Ki. die Ersatzmitglieder He. und R. zu den Verhandlungen hinzugezogen worden seien. Ki. sei sowohl während der Verhandlungen am 21. Dezember als auch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs am 22. Dezember 1999 nicht zeitweilig verhindert gewesen; er sei zwar freigestellt, aber arbeitsfähig gewesen. Offensichtlich sei auch das Betriebsratsmitglied Dr. nicht zu den Betriebsratssitzungen am 21. und 22. Dezember 1999 geladen worden. Es fehle mithin ein wirksamer Betriebsratsbeschluss, so dass die Erleichterungen des § 125 InsO nicht anwendbar seien.

14

Die dem Interessenausgleich aufgeführte Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer sie grob fehlerhaft. Die soziale Auswahl sei nicht korrekt durchgeführt worden. Insbesondere die Mitarbeiter A., He., H. S. und B. seien sämtlich wesentlich kürzer als der Kläger beschäftigt und nach dessen Kenntnis auch jünger an Lebensjahren. Die vorgenannten Mitarbeiter würden auch auf Arbeitsplätzen beschäftigt, die mit denen des Klägers vergleichbar seien.

15

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Göttingen vom 27. April 2000 - 1 Ca 46/00 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 19. Januar 2000 nicht beendet worden ist, sondern fortbesteht.

16

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

17

Er verteidigt das angefochtene Urteil im Ergebnis. Zu Recht bejahe der Kläger seine, des Beklagten, Passivlegitimation und damit seine Kündigungsbefugnis. Im Ergebnis sei die Kündigungsschutzklage allerdings abzuweisen, weil die ausgesprochene Kündigung sozial gerechtfertigt sei.

18

Seine, des Beklagten, Kündigungsbefugnis folge aus dem abgeschlossenen Interessenausgleich (§§ 125 Abs. 1 S. 1, 113 Abs. 1 S. 2, 128 Abs. 1 S. 1 InsO). Dieser enthalte eine Betriebsänderung in Form einer erleichterten Personalreduzierung (§ 111 BetrVG), so dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht auf die E. M. GmbH übergegangen sei.

19

Der Interessenausgleich (§ 125 Abs. 1 InsO) sei wirksam vom Betriebsratsvorsitzenden unterzeichnet worden. Die Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden ihm gegenüber habe die Vermutung für sich, dass ein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrats gefasst sei. Die Ersatzmitglieder des Betriebsrats He. und R. seien für die verhinderten Betriebsratsmitglieder Dr. und Ki. eingetreten. Ki. sei krank gewesen. Dr. sei nicht anwesend gewesen, obwohl er es hätte sein können. Im Übrigen habe Dr. sich durch die Vereinbarung vom 24. Mai 2000 über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch fristgerechte betriebsbedingte Kündigung des Beklagten vom 19. Januar 2000 zum 30. April 2000 mit der Vorgehensweise entsprechend dem Interessenausgleich einverstanden erklärt.

20

Die Grundsätze der sozialen Auswahl seien beachtet, eine ausgewogene Personalstruktur geschaffen worden. Gemeinsam mit dem Betriebsrat - teilweise in Anwesenheit eines Vertreters der Gewerkschaft - habe er im Zeitpunkt des Interessenausgleichs noch zu berücksichtigende Arbeitsverhältnisse erörtert und im Einzelnen Daten und Verhältnisse eines jeden Arbeitnehmers gegeneinander abgewogen, bis Übereinstimmung erzielt worden sei:

lfd. Nr.NameGeb. DatumFam. St.KindAlterEintrittBetr. Zug. Jahr
1)A.verh.-5207.11.9008
2)As.verh.-6201.04.6930
3)Be.verh.2,54901.01.8415
4)Bö.verh.-4803.04.7821
5)Bü.verh.-2801.10.9701
6)Dr.led.-3512.02.8811
7)F.verh.-5901.12.6929
8)Hei.verh.-5901.03.6039
9)He.verh.-4411.09.7820
10)H.verh.-5601.09.7721
11)Kas.verh.1,03409.07.9009
12)Kau.verh.1,05101.07.7227
13)Ka.verh.-6011.09.7820
14)K.verh.1,54002.05.9108
15)Ke.led.-5001.04.6534
16)Ki.verh.2,04001.11.9107
17)Kr.verh.1,04421.09.7820
18)M.verh.1,05501.04.7128
19)N.verh.-5501.04.5940
20)Ri.verh.2,03819.07.9306
21)R.led.-4115.09.8612
22)Sc.verh.-5001.08.8712
23)S.verh.2,04918.03.7425
24)St.verh.-5401.04.6039
25)Sti.verh.1,05801.10.6830
26)Sto.led.-2301.08.9503
27)We.verh.-5801.04.5742
21

Die E. M. GmbH habe zunächst nur 13 Arbeitnehmer übernehmen wollen, ihm sei es indessen gelungen, die Zahl auf 16 zu erhöhen.

22

Der Kläger sei als Feinblechner in der Behälterwerkstatt tätig gewesen. Dort seien folgende Arbeitnehmer beschäftigt gewesen:

Betr. Zugeh.AlterFam. St.Kindsonstiges
Bö.2148verh.--
He.2044verh.-Betr. Rat, Nachrücker
H.2156verh.-Betr. Vors.
Kel.3450led.--
N.4055verh.--
S.2549verh.2-
St.3954verh.--
23

Im Ergebnis sei der Kläger gegenüber den übrigen Mitarbeitern als sozial stärker angesehen worden, weil er als einziger ledig sei, also keine Unterhaltspflichten zu erfüllen habe.

24

Im Lifterbau, dem zweiten Werkstattbereich, seien folgende Arbeitnehmer tätig gewesen:

NameGeb. DatumFam. St.AlterEintrittBetr.Zug.
1.A.verh.5207.11.9008Schlosser
2.B.verh.2801.10.9701Elektriker
3.Kas.verh. 1 Kind3409.07.9009Schlosser
4.Ri.verh. 2 Kinder3819.07.9306Elektriker
5.R.gesch. 1 Kind4115.09.8612Schlosser
25

Mit dem Mitarbeiter B. könne der Kläger nicht verglichen werden, weil dieser in einer anderen Betriebsabteilung tätig sei, anders als der Kläger Elektriker und neben dem Arbeitnehmer Ri. für die Fortführung des Unternehmens unentbehrlich sei. Ohne ihn sei der "Lifterbau" nicht möglich.

26

Mit dem Mitarbeiter A., der zwar erst 8 Jahre bei der Insolvenzschuldnerin tätig sei, könne der Kläger nicht verglichen werden, weil dieser mit 52 Jahren älter als der Kläger und verheiratet sei. Im Übrigen führe A. Schlosserarbeiten aus, zu denen der Kläger als Feinblechner nicht in der Lage sei. Im Werkstattbereich "Lifterbau" würden keine Behälter gebaut.

27

Der Mitarbeiter R. sei Spezialist für die Teleskop-Fertigung (Ausleger-Fertigung).

28

Eine ausgewogene Personalstruktur sei durch die Übernahme der älteren Arbeitnehmer As. H., N. und St. durch die Übernahme des Schwerbehinderten Kau. von den beiden Schwerbehinderten Ka. und Ki. sowie durch die Übernahme von drei Betriebsratsmitgliedern, nämlich He., H. und R., geschaffen worden.

29

Der Kläger erwidert: Er bleibe dabei, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung keine Kündigungsbefugnis mehr besessen habe, da das Arbeitsverhältnis der Parteien auf die E. M. GmbH übergegangen sei.

30

Sowohl aufgrund seiner Berufsausbildung als auch seiner praktischen betrieblichen Erfahrungen könne er Schlosser- und Schweißarbeiten ausführen. Aufgrund seines Alters von 50 Jahren und seiner Beschäftigungsdauer von 34 Jahren sei er sozial wesentlich schutzwürdiger als die genannten Mitarbeiter Bö., N., S., St., A., Kas., Ri. und R., so dass die getroffene soziale Auswahl grob fehlerhaft sei.

31

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil nebst den darin enthaltenen Verweisungen, die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze und die gerichtliche Niederschrift über die mündliche Berufungsverhandlung am 16. November 2000 im vorliegenden Rechtsstreit (Bl. 108 f. d. A. und des gleichzeitig verhandelten Rechtsstreits 8 Sa 668/00 - 1 Ca 351/99 Arbeitsgericht Göttingen - Bl. 182 bis 184 ds. A.), in der ein Widerrufsvergleich zur Beendigung dieser beiden vorgenannten Rechtsstreitigkeiten und des Rechtsstreits 3 Ca 211/00 Arbeitsgericht Göttingen zwischen dem Kläger und der E. M. GmbH auf Feststellung, dass zwischen diesen Parteien ab 1. Januar 2000 ein Arbeitsverhältnis bestehe, geschlossen worden ist. Der Kläger hat fristgerecht von dem ihm eingeräumten Widerrufsvorbehalt Gebrauch gemacht. In der mündlichen Berufungsverhandlung am 16. November 2000 haben die Akten 74 IN 147/99 Amtsgericht Göttingen vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

32

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

33

1.

Der Beklagte war am 19. Januar 2000 kündigungsbefugt. Das Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin war durch die sanierende Übertragung des Geschäftsbetriebes der Insolvenzschuldnerin entsprechend dem Interessenausgleich vom 22. Dezember 1999 nicht auf die E. M. GmbH übergegangen, sondern bei der Insolvenzschuldnerin verblieben. Die Veräußerung des Geschäftsbetriebes der Insolvenzschuldnerin hat nicht deren früheren gesamten Betrieb umfasst, sondern war mit einer Betriebsänderung durch Personalabbau (§§ 112 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 111 S. 2 Nr. 1 BetrVG, § 128 Abs. 2 InsO) verbunden. Veräußert ist der Betrieb der Insolvenzschuldnerin nur in dem durch den Personalabbau eingeschränkten, bestehen gebliebenen Umfang (§ 128 Abs. 2 InsO).

34

So wie der Beklagte als Insolvenzverwalter eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger vor dem 1. Januar 2000 wegen dringender betrieblicher Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Insolvenzschuldnerin entgegenstanden, hätte aussprechen können, ist er auch nach dem 1. Januar 2000 noch berechtigt gewesen, das bei der Insolvenzschuldnerin verbliebene Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu kündigen. Jedenfalls ergibt der Interessenausgleich nicht, dass der Personalabbau erst nach Übernahme durch die E. M. GmbH und dann durch diese durchgeführt werden sollte. Dagegen spricht, dass von den 11 in der Liste der Anlage zum Interessenausgleich aufgeführten Arbeitnehmern nach der vom Beklagten dem Betriebsrat am 19. August 1999 überreichten Liste "Arbeitnehmer ... W. GmbH & Co. KG" (Bl. 18 f. d. A. sowie Bl. 19 bis 22 der Akten 8 Sa 668/00 - 1 Ca 351/99 Arbeitsgericht Göttingen) bis auf die Mitarbeiter Dr., und Fu. alle von der Arbeitsleistung freigestellt waren. Das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer Fu. ist ohne Rechtsstreit beendet worden, dasjenige mit dem Arbeitnehmer Dr. durch außergerichtliche Vereinbarung vom 24. Mai 2000 (8 Sa 666/00 - 1 Ca 345/99 Arbeitsgericht Göttingen).

35

2.

Der Interessenausgleich ist nicht deshalb unwirksam, weil die beiden Ersatzbetriebsratsmitglieder He. und R. an dem Beschluss über den Interessenausgleich mitgewirkt haben. Dass der Betriebsratsvorsitzende H. insoweit zu Unrecht von einer zeitweiligen Verhinderung der (ordentlichen) Betriebsratsmitglieder Dr. und Kis. ausgegangen sei, hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Durch Nachfrage beim Betriebsratsvorsitzenden H. hätte er sich erkundigen können und müssen, welche Gründe dieser für eine zeitweilige Verhinderung angenommen habe. Dagegen, dass der Betriebsratsvorsitzende H. die Freistellung als Hinderungsgrund gewertet haben könnte, spricht, dass He. nach der oben erwähnten Aufstellung aus August 1999 von der Arbeitsleistung freigestellt war. Hinsichtlich des Mitarbeiters Dr. stellt der Kläger lediglich eine Vermutung auf. Die Behauptung, Kis. sei krank gewesen, ist zu allgemein, ebenfalls die Behauptung, beide, Dr. und Kis., hätten überhaupt nichts von der Beratung und der anschließenden Beschlussfassung erfahren, wenn sie informiert worden wären, hätten sie zur Verfügung gestanden. Es ist zu berücksichtigen, dass nur sehr wenig Zeit für den Abschluss des Interessenausgleichs zur Verfügung stand. Die Vorberatungen haben am Abend des 20. Dezember 1999 (Montag) begonnen und sind am Dienstag in Anwesenheit des Gewerkschaftssekretärs B. fortgeführt worden.

36

Der Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer Kis. ist durch gerichtlichen Vergleich vom 16. November 2000 beendet worden.

37

Da der Kläger nicht substantiiert vorgetragen hat, aufgrund welcher Tatsachen der Betriebsratsvorsitzende Hermann die Betriebsratsmitglieder Dr. und Kis. als verhindert angesehen hat, kann auch nicht festgestellt werden, ob es sich überhaupt um einen groben Verstoß gegen die ordnungsgemäße Heranziehung der zuständigen Betriebsratsmitglieder gehandelt hat. Angesichts der insgesamt nur von Freitag bis Mittwoch zur Verfügung stehenden Zeit bleibt die Möglichkeit, dass der Betriebsratsvorsitzende H. vergeblich versucht hat, die Betriebsratsmitglieder Dr. und Kis. telefonisch zu erreichen.

38

3.

Die getroffene soziale Auswahl ist nicht grob fehlerhaft im Sinne des § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Bezogen auf den Altersaspekt ist die Personalstruktur ausgewogen.

39

Von den beiden über 60-Jährigen ist der Arbeitnehmer As. übernommen worden, der Arbeitnehmer Ka. nicht. Von den 12 Arbeitnehmern aus der Altersgruppe 50 bis 60 Jahre (A., Fu., Hei., H., Kau., der Kläger, M., N., Sc., St. Sti. und We.) ist die Hälfte nicht übernommen worden, nämlich Fu., Hei. (beide 59 Jahre alt), der Kläger, Sc. (beide 50 Jahre alt), St. und We. (beide 58 Jahre alt), von den acht 40- bis 50-jährigen Arbeitnehmern sind drei (K., Kis. und Kr.) nicht übernommen worden, von den drei 30- bis 40-Jährigen ist ein Arbeitnehmer (Dr. - 35 Jahre alt) nicht übernommen worden. Von den beiden Schwerbehinderten Kis. (40 Jahre alt) und K. (51 Jahre alt) ist der letztere übernommen worden.

40

Dass der Beklagte und der Betriebsrat innerhalb der Altersgruppe 50 bis 60 Jahre, in die der Kläger fällt, den Arbeitnehmer A., tätig im Werkstattbereich Lifterbau und dem Betrieb 8 Jahre zugehörig, für schutzwürdiger angesehen haben als den Kläger und dabei stärker gewichtet haben, dass dem Kläger keine Unterhaltspflicht obliegt, als die Differenz zwischen den Zeiten der beiderseitigen Betriebszugehörigkeit, lässt unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auf dem Arbeitsmarkt das Lebensalter die Vermittelbarkeit bestimmt und nicht die Zeit der Betriebszugehörigkeit, sowie der Intention des Gesetzgebers für die Erleichterungen des § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO, "aus Gründen der Rechtssicherheit für die Richtigkeit der Auswahl der Beurteilung der Betriebspartner eine hohe Präferenz" einzuräumen (BAG Urteil vom 21. Januar 1999 - 2 AZR 624/98 - NZA 1999, 866 f., 868) [BAG 21.01.1999 - 2 AZR 624/98], nicht jegliche Ausgewogenheit vermissen. Gleiches gilt für den 56-jährigen verheirateten H., dessen Betriebszugehörigkeit 13 Jahre geringer ist als diejenige des Klägers. N. und St. weisen höhere Zeiten der Betriebszugehörigkeit auf als der Kläger. Gegen die Beurteilung des Beklagten und des Betriebsrats, M. und Kau. nicht in die Namensliste der Anlage zum Interessenausgleich aufzunehmen, hat der Kläger nichts vorgebracht.

41

Auch in der Altersgruppe der 30- bis 40-Jährigen haben der Beklagte und der Betriebsrat das Kriterium der Unterhaltspflicht stärker gewichtet als die Zeit der Betriebszugehörigkeit. Der in die Liste der Anlage zum Interessenausgleich aufgenommene Mitarbeiter Dr. ist ledig und gehört dem Betrieb der Insolvenzschuldnerin 11 Jahre an, während Ka. dem Betrieb 9 Jahre angehört, verheiratet ist und ein Kind zu unterhalten hat, und R. dem Betrieb seit 6 Jahren angehört, verheiratet ist und zwei Kinder zu unterhalten hat. Auch wenn die beiden Letztgenannten gegenüber Kindern unterhaltspflichtig sind und die Differenzen zwischen den Zeiten der Betriebszugehörigkeit und derjenigen des Klägers geringer sind als im Vergleich zwischen A. und dem Kläger, bestätigt die Auswahl doch eine konsequente Gewichtung.

42

In der Altersgruppe der 40- bis 50-Jährigen haben der Beklagte und der Betriebsrat sich zwar für die Übernahme des ledigen R. entschieden, dagegen nicht für die verheirateten und zwischen einem und zwei Kindern unterhaltspflichtigen Arbeitnehmern K., Kis. und Kr.. Das ist indessen nicht zu beanstanden. Unbestritten hat der Beklagte vorgetragen, R. Weiterbeschäftigung sei wegen dessen Spezialkenntnissen für den Lifterbau unbedingt erforderlich.

43

Hinsichtlich des vom Kläger weiter erwähnten übernommenen Arbeitnehmers S., mit 49 Jahren ebenfalls in die Altersgruppe der 40- bis 50-Jährigen gehörig, liegt eine abwegige Gewichtung der sozialen Kriterien im Verhältnis zum Kläger nicht vor. S. ist verheiratet und zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig.

44

Jegliche Ausgewogenheit lässt auch die Gewichtung der sozialen Kriterien der Arbeitnehmer Bö. und He. nicht vermissen. Beide gehören mit 48 bzw. 44 Jahren in die Altersgruppe der 40- bis 50-Jährigen, sind verheiratet und gehören dem Betrieb - in der Behälterwerkstatt - 21 bzw. 20 Jahre an. Die Differenz der Zeit der Betriebszugehörigkeit zu derjenigen des Klägers ist mit 13 bzw. 14 Jahren erheblich geringer als die Differenz im Vergleich A. Kläger. Deshalb kann hier auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

45

In seinem Erwiderungsschriftsatz vom 8. November 2000 hat der Kläger sich nicht mehr ausdrücklich auf eine grob fehlerhafte Gewichtung der Sozialindikatoren im Verhältnis zu dem 28 Jahre alten und erst ein Jahr bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigten B. berufen. In der ersten Instanz hatte der Kläger selbst vortragen, dass B. als Elektromechaniker beschäftigt werde. Der Kläger hat nicht substantiiert behauptet, dass er Elt-Arbeiten ausführen könne.

46

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

47

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen (§ 72 a ArbGG).