Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.08.2000, Az.: 16a Sa 378/00

Klage eines Arbeitnehmers (LKW-Fahrer) auf Zahlung von Gewinnbeteiligungsansprüchen für einen bestimmten Zeitraum gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der früheren Firma; Übergang einer Gewinnbeteiligungszusage bei einem Betriebsübergang; Einordnung einer Gewinnbeteiligungszusage als Rechte und Pflichten "aus dem Arbeitsverhältnis" gem. § § 613a Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
30.08.2000
Aktenzeichen
16a Sa 378/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 21934
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2000:0830.16A.SA378.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hameln - 23.11.1999 - AZ: 1 Ca 130/99

In dem Rechtsstreit
hat die 16a. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 30.08.2000
durch
den Richter am Arbeitsgericht Schmedt und
die ehrenamtlichen Richter Ohms und Junge
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1)

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 23.11.1999 (Az: 1 Ca 130/99) abgeändert.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.000,00 DM netto nebst 8 % Zinsen jährlich ab 01.01.1995 zu zahlen.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

  2. 2)

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Gewinnbeteiligungsansprüchen für den Zeitraum von 1973 bis 1980 gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der früheren Firma S.

2

Der Kläger war seit dem 05.12.1963 bei der Firma S. in H. als LKW-Fahrer tätig. Mit Datum vom 01.09.1994 übernahm die Beklagte die Firma Sü... im Wege des Betriebsüberganges.

3

Unter dem Datum vom 02.08.1994 schlossen die Parteien einen neuen schriftlichen Arbeitsvertrag. Neben der Anwendbarkeit der Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages der Süßwarenindustrie wurde in Ziffer 13 weiter normiert: "Dieser Vertrag tritt mit Wirkung vom 01. September 1994 in Kraft. Alle anderen Verträge, gleich welcher Art, verlieren hiermit ihre Gültigkeit." Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag vom 02.08.1994 Bezug genommen.

4

Der Kläger hat im Rahmen des Arbeitsverhältnisses bei der Firma S. in der Zeit von 1973 bis 1980 Gewinnbeteiligungsansprüche in Höhe von 11.000,00 DM netto erarbeitet und verbrieft bekommen mit der Maßgabe, dass die insgesamt aufgelaufenen Gewinnbeteiligungen als Darlehen dem Arbeitgeber belassen wurden mit einer Verzinsung von jährlich 8 % auf den jeweiligen Darlehensbetrag.

5

Grundlage für den Anspruch des Klägers war ein Schreiben der Rechtsvorgängerin vom 17.01.1966.

6

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 17.01.1966 inhaltlich verwiesen.

7

Der Kläger erhielt in den Jahren 1973 bis einschließlich 1980 eine Gewinnbeteiligung in Höhe von netto 11.000,00 DM insgesamt. Zinsen zahlte die Rechtsvorgängerin bis einschließlich 1994. Über die jährlichen Beträge erhielt der Kläger eine entsprechende Urkunde. Darin heißt es beispielsweise für das Geschäftsjahr 1973 und insofern auch gleichlautend für die Folgejahre: "Herr B. ... ist am zu versteuernden Reingewinn des Geschäftsjahres 1973 der Firma. Sü... mit brutto DM 3.000,- gleich DM 2.000,- netto beteiligt."

8

Die Gewinnbeteiligungen waren darüber hinaus in den Lohnabrechnungen als Bruttobeträge ausgewiesen und der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeitragspflicht unterworfen worden.

9

Mit Schreiben vom 12.12.1994, das an die Rechtsvorgängerin gerichtet worden war, kündigte der Kläger "die Urkunden aus den Geschäftsjahren" 1973 bis 1980 über zusammen 11.000,00 DM. Der Kläger erhob im Februar 1997 gegenüber der Beklagten Klage, nahm diese jedoch aufgrund der Überlegung, dass ein Rückzahlungsanspruch noch nicht fällig sei, am 11.06.1997 zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 20.06.1997 kündigte der Kläger dann gegenüber der Beklagten das Darlehen bzw. die Überlassung der Gewinnbeteiligungen zum 31.12.1998. Mit der beim Arbeitsgericht Hameln am 12.03.1999 eingegangenen Klage, die der Beklagten am 17.03.1999 zugestellt worden ist, hat der Kläger weiter die Zahlung von 11.000,00 DM netto begehrt.

10

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Anspruch auf Zahlung von 11.000,00 DM aus der Gewinnbeteiligungszusage in Verbindung mit dem erfolgten Betriebsübergang folge. Es handele sich um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis.

11

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 11.000,00 DM netto nebst 8 % Zinsen ab dem 01.01.1995 zu zahlen.

12

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Die Beklagte hat gemeint, dass es sich vorliegend nicht um eine Forderung aus dem Arbeitsverhältnis handele, sondern aus gesellschaftsähnlicher Beziehung. Der Arbeitsvertrag sei nur Anlass bzw. Motiv gewesen. Darüber hinaus sei der Anspruch des Klägers aufgrund der Ziffer 13 des Arbeitsvertrages vom 02.08.1994 ausgeschlossen und im übrigen verjährt, da der Kläger bereits am 12.12.1994 eine Kündigung ausgesprochen habe, die Mitte Dezember 1994 zugegangen sei. Zudem sei die Ausschlussfrist des § 14 des Manteltarifvertrages für die Süßwarenindustrie nicht eingehalten worden.

14

Mit Urteil vom 23.11.1999, welches dem Kläger am 31.01.2000 zugestellt worden ist, hat das Arbeitsgericht Hameln die Klage abgewiesen und insbesondere darauf abgestellt, dass eine Umwandlung des Nettoauszahlungsanspruchs in ein Darlehen stattgefunden habe und dadurch die Verbindung zu dem arbeitsrechtlichen Hintergrund gelöst worden sei, so dass nicht mehr von einem Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 613 a BGB auszugehen sei. Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 22.02.2000 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 12.04.2000 am selben Tag begründet.

15

Mit der Berufung macht der Kläger weiterhin geltend, dass es sich bei der Forderung des Klägers um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis handele. Die streitgegenständliche Zahlungsverpflichtung resultiere aus dem Gewinnbeteiligungsanspruch des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis verbunden mit der Zielsetzung des Arbeitgebers, eine Vermögensbeteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmens vermögen zu erreichen. Aus dieser Verpflichtung folge im Zusammenhang mit der Kündigungsfrist von einem Jahr, dass es sich eben nicht um eine Darlehensgewährung seitens des Arbeitnehmers an das Unternehmen handele, sondern um eine aus der Verpflichtung des Arbeitsverhältnisses resultierende Gewinnbeteiligung mit der im Rahmen einer Schuldabänderung getroffenen Sonderregelung, dass zunächst nur die Zinsen dem Arbeitnehmer zufließen sollten, nicht jedoch der Kern der jährlichen Gewinnbeteiligung. Der unmittelbare Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis folge auch aus den Lohnabrechnungen, in denen jeweils die Gewinnbeteiligung als Bestandteil der Vergütung ausgewiesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 12.04.2000 Bezug genommen.

16

Der Kläger beantragt,

die Beklagte und Berufungsbeklagte wird unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hameln vom 23.11.1999, Az 1 Ca 130/99, verurteilt, an den Kläger und Berufungskläger 11.000,00 DM nebst 8 % Zinsen jährlich ab dem 01.01.1995 zu zahlen.

17

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

18

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit der Maßgabe, dass durch die vereinbarte Umwandlung eines Teiles des Nettoverdienstes in ein Darlehen die Verbindung zu einem arbeitsrechtlichen Hintergrund gelöst worden sei.

Gründe

19

I.

Die nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden sowie ordnungsgemäß und rechtzeitig begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG; 518, 519 ZPO).

20

II.

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Er hat einen Anspruch auf Zahlung von 11.000,00 DM aufgrund der Gewinnbeteiligungszusage vom 17.01.1966 in Verbindung mit § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber der Beklagten.

21

1)

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte Rechtsnachfolgerin des ursprünglichen Arbeitgebers des Klägers ("Sü...") aufgrund eines am 01.09.1994 stattgefundenen Betriebsüberganges geworden ist. Streitig ist zwischen den Parteien, ob die Beklagte aufgrund dieses Betriebsüberganges in die Rechte und Pflichten aus der Gewinnbeteiligungszusage vom 17.01.1996 der Rechtsvorgängerin eingetreten ist.

22

2)

Nach dem Wortlaut des § 613 a Abs. 1 BGB tritt der neue Betriebsinhaber "in die Rechte und Pflichten" aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis ein. Das Arbeitsverhältnis geht dabei in der Form und mit dem Inhalt über, in dem es zum früheren Betriebsinhaber bestanden hat (Soergel-Raab, 12. Auflage, § 613 a BGB Rn. 74). Dabei ist vom Schutzzweck der Norm grundsätzlich davon auszugehen, dass der Eintritt des Erwerbers in die Arbeitgeberstellung ein "totaler" ist (Staudinger-Richardi, 13. Auflage, § 613 a BGB Rn. 143). Der neue Arbeitgeber schuldet Erfüllung aller aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden, zur Zeit des Inhaberwechsels noch bestehenden Verpflichtungen, gleichgültig auf welcher Rechtsgrundlage sie beruhen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass § 613 a Abs. 1 BGB ausdrücklich nur von einem Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ausgeht. Deshalb gehen solche Rechtsverhältnisse nicht kraft Gesetzes auf den neuen Betriebsinhaber über, die auf einem besonderen Rechtsakt außerhalb des Arbeitsverhältnisses beruhen (Staudinger-Richardi, 13. Auflage, § 613 a BGB Rn. 143). In Abgrenzung dazu ist andererseits aber auch die Formulierung des Gesetzes "aus dem Arbeitsverhältnis" nicht zu eng zu interpretieren. Der Eintritt beschränkt sich nicht auf Ansprüche, die unmittelbar ihren Rechtsgrund im Arbeitsvertrag haben, sondern er gilt auch für solche Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen (Staudinger-Richardi, 13. Auflage, § 613 a BGB Rn. 143).

23

Unter Beachtung dieses damit zum Ausdruck kommenden Spannungsverhältnisses hat das Arbeitsgericht angenommen, dass vorliegend von einer Schuldumschaffung nach § 607 Abs. 2 BGB auszugehen sei und deshalb der damit begründete Darlehensrückzahlungsanspruch seine Grundlage nicht mehr im Arbeitsverhältnis habe und somit die Beklagte nicht in diese Rechte und Pflichten nach § 613 a BGB eingetreten sei.

24

3)

Dem kann die Kammer in diesem besonderen Fall nicht folgen.

25

a)

Sie ist der Auffassung, dass der Rückzahlungsanspruch des Klägers weiterhin so eng mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung steht, dass er noch als ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis i.S.d. § 613 a Abs. 1 BGB zu verstehen ist.

26

Die Betriebsveräußerin hat den Mitarbeitern mit Schreiben vom 17.01.1966 eine Gewinnbeteiligung zugesagt, um damit eine Vermögensbildung der Mitarbeiter zu erreichen. Die Zusage der Gewinnbeteiligung ist nach den im Schreiben vom 17.01.1966 aufgestellten Voraussetzungen daran geknüpft, dass in den ersten zwei Jahren der Beschäftigungszugehörigkeit kein Anspruch auf Gewinnbeteiligung besteht und diese nur für volle Kalenderjahre des bestehenden Arbeitsverhältnisses gezahlt wird. Damit knüpft die Gewinnbeteiligungszusage unmittelbar an die arbeitsrechtlichen Beziehungen der Parteien an. Der Grund der Zahlung ist abhängig von der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses. Daraus folgen für den Arbeitgeber auch entsprechende Einwendungen, die sich jedoch nicht nur im Hinblick auf den eigentlichen Gewinnbeteiligungsanspruch erschöpfen, sondern auch noch gegenüber dem Darlehensrückzahlungsanspruch bestehen bleiben sollten. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der mögliche Einwand des Arbeitgebers in einem bestimmten Jahr hätten die Anspruchsvoraussetzungen für eine Gewinnbeteiligung gar nicht bestanden, durch eine Umwandlung des Gewinnbeteiligungsanspruchs in eine Darlehensforderung beseitigt werden sollte. Daraus folgt, dass vorliegend nicht von einer Schuldumschaffung nach § 607 Abs. 2 BGB in dem Sinne auszugehen ist, wonach die alte Schuld durch eine Darlehensschuld ersetzt werden sollte (Novation). Vielmehr sollte die bisherige Schuld fortbestehen und nur wie ein Darlehen behandelt werden, und zwar auch hinsichtlich Verzinsung und Kündbarkeit, ohne jedoch die Rechtsgrundlage der Verbindlichkeit umzuwandeln. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass bestehende Einwendungen weiterhin geltend gemacht werden können (Soergel-Häuser, 12. Auflage, § 607 BGB Rn. 255). Aus diesem Grunde spricht deshalb schon vieles dafür, dass sich der Rückzahlungsanspruch des Klägers nicht verselbständigt hat und losgelöst vom Arbeitsverhältnis der Parteien zu betrachten ist.

27

b)

Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in zwei Entscheidungen (BAG vom 23.09.1992 - 5 AZR 569/91 - NZA 1993, 936 und BAG vom 23.02.1999 - 9 AZR 737/97 - AP Nr. 4 zu § 611 BGB Arbeitnehmerdarlehen) ausgeführt, dass Darlehensverträge zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern meist mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis abgeschlossen werden, beide jedoch in aller Regel rechtlich selbständig sind. Die Kammer hat schon Zweifel, ob dieser Grundsatz in der Allgemeingültigkeit Bestand haben kann. Nicolai ("Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes auf "nichtarbeitsrechtliche Beziehungen" zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer?", ZIP 1995, 359) hat insoweit schon zutreffend darauf hingewiesen, dass Darlehensverträge zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber keineswegs identisch sind mit solchen Verträgen zwischen anderen Privatrechtssubjekten. Sie enthalten vielmehr häufig Vertragsbestimmungen, die allein darauf beruhen, dass zwischen den Vertragsparteien gerade ein Arbeitsverhältnis besteht. Vorliegend tritt dieser Gesichtspunkt sogar noch stärker zu Tage. Dies zeigt insbesondere der Vergleich zur Entscheidung des BAG vom 23.02.1999. Dort hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage zu befassen, ob ein Anspruch aus einem vom Arbeitgeber mit Sonderkonditionen gewährten Baudarlehen ein solcher "aus dem Arbeitsverhältnis" ist. Dies hat das Bundesarbeitsgericht verneint, weil das Baudarlehen unabhängig vom Bestand des Arbeitsverhältnisses geschlossen worden sei. Das Baudarlehen wurde zwar mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis (Sonderkonditionen) gewährt, es hatte aber spätestens nach der Gewährung keine Beziehung mehr zum arbeitsrechtlichen Vertragsverhältnis, weil es weder mit diesem verknüpft war noch vom Inhalt her einen arbeitsrechtlichen Bezug hatte. Hier besteht nach Auffassung der Kammer jedoch der grundlegende Unterschied zum vorliegenden Rechtsstreit.

28

Im Gegensatz zu einem Baudarlehen, welches der Arbeitnehmer nach Prüfen der Konditionen abschließen kann oder nicht, war er vorliegend verpflichtet, den Gewinnbeteiligungsanspruch "im Unternehmen als Darlehen stehen zu lassen". Der Arbeitnehmer konnte deshalb den Gewinnbeteiligungsanspruch nur verwirklichen, wenn er bereit war, insoweit dem Unternehmen ein Darlehen zu gewähren. Dies unterscheidet ihn schon grundlegend von einem Baudarlehensnehmer und zeigt die enge Bindung zum arbeitsvertraglichen Rechtsverhältnis. Hinzu kommt, dass die Gewährung des Gewinnbeteiligungsanspruches und des Darlehens gerade aus Sicht des damaligen Arbeitgebers dazu dienen sollte - neben der Vermögensbildung - einen besonderen Anreiz zur Leistungsmotivation zu geben. Ausdrücklich ist im Schreiben vom 17.01.1966 formuliert worden:

"... Wir alle haben es also in Zukunft selbst in der Hand, wie hoch unser Einkommen ausfällt. Es ist selbstverständlich, dass wir alle versuchen werden, die Umsätze zu steigern, um somit den Gewinn zu erhöhen. Wesentlich wichtiger ist es jedoch, dass alle mithelfen, Kosten zu sparen. Es dürfte nicht schwerfallen, dass jeder Mitarbeiter allein auf seinem Arbeitsplatz jährlich mindestens DM 500,- einsparen kann, die er dann in Form von GB zusätzlich am Jahresende bekommt. Wir werden Ihnen laufend durch Rundschreiben über Möglichkeiten zur Kostensenkung berichten. Wenn wir alle fleißig und ehrlich unsere Pflicht erfüllen und immer bestrebt sind, Kosten zu sparen, wird es bestimmt möglich sein, einen ansehnlichen Betrag für jeden zu erwirtschaften. ..."

29

Daraus wird deutlich, dass das "Verdienen" der jährlichen Gewinnbeteiligung und der daraus nach Kündigung entstehende Rückzahlungsanspruch unmittelbar Einfluss nehmen sollte auf die Arbeitsleistung der Mitarbeiter. Insofern war das Darlehen keine autarke Vergünstigung, wie das Baudarlehen, sondern unmittelbar aus Sicht des Gewährenden verknüpft mit einer der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Der Arbeitsvertrag war also nicht nur Anlass oder Motiv für das Darlehen - wie es die Beklagte meint -, sondern die Gewinnbeteiligung und das Darlehen sollten vielmehr sogar Einfluss auf das Arbeitsverhältnis nehmen.

30

Schließlich kommt der unmittelbare Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis der Parteien auch daraus zum Ausdruck, dass die Gewinnbeteiligungsurkunden des jeweiligen Jahres, die nach dem Schreiben vom 17.01.1966 den Darlehensvertrag darstellen sollen, den Anspruch des Klägers im Sinne einer Entgeltforderung dokumentieren. Der Gewinnbeteiligungsanspruch wurde unstreitig in den Lohnabrechnungen als Bruttobetrag ausgewiesen und danach die gesetzlichen Abzüge vorgenommen. Die Urkunden als Darlehensvertrag übernehmen diese Unterscheidung und weisen den Brutto- und den Nettobetrag gesondert aus. Daraus wird deutlich, dass die Forderung des Klägers den Charakter einer Lohnforderung beibehalten sollte und somit noch als Modalität des Arbeitsentgelts anzusehen ist.

31

c)

Aus diesen Überlegungen heraus ist vorliegend der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Gewinnbeteiligungen nicht als rein schuldrechtliche Kapitalforderung anzusehen, sondern als ein Anspruch "aus dem Arbeitsverhältnis" im Sinne des § 613 a Abs. 1 BGB. In diese daraus resultierende Rechte und Pflichten ist die Beklagte mit dem Betriebsübergang am 01.09.1994 eingetreten.

32

3)

Der Anspruch des Klägers, der der Höhe nach unstreitig zwischen den Parteien ist, ist auch nicht verjährt oder verwirkt nach den tariflichen Ausschlussfristen.

33

a)

Der Kläger hat das Darlehen am 20.06.1997 zum 31.12.1998 gegenüber der Beklagten gekündigt und damit - wie die obigen Ausführungen zeigen - erstmals gegenüber dem Betriebserwerber und zuständigen Anspruchsgegner, da der Betriebsübergang bereits am 01.09.1994 stattfand. Selbst unter Berücksichtigung, dass die kurze Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB anzuwenden ist, ist die bereits am 12.03.1999 erfolgte Klageerhebung in jedem Fall noch innerhalb dieser zweijährigen Verjährungszeit, da der Anspruch des Klägers auch erst mit dessen Entstehung (§ 198 und § 199 BGB), also nach der fristgerechten Kündigung zum 31.12.1998, beginnen konnte zu verjähren. Insofern ist es unerheblich, dass der Kläger selbst bereits am 12.12.1994 eine Kündigung ausgesprochen hatte. Denn diese Kündigung war adressiert an die Betriebsveräußerin, die jedoch bei Zugang des Schreibens im Dezember 1994 aufgrund des Betriebsüberganges im September 1994 schon nicht mehr der rechtlich erhebliche Adressat war. Die Arbeitgeberstellung hatte bereits die Beklagte übernommen.

34

b)

Schließlich hat der Kläger unter Bezugnahme auf die vorherigen Ausführungen auch die Ausschlussfrist des § 14 des Bundesmanteltarifvertrages für die Süßwarenindustrie eingehalten.

35

§ 14 lautet:

"Gegenseitige Ansprüche aller Art aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten seit Fälligkeit schriftlich geltend zu machen ..."

36

Der Anspruch des Klägers ist erst mit der Kündigung zum 31.12.1998 fällig geworden. Durch die Klageerhebung vom 05.03.1999, die der Beklagten am 17.03.1999 zugestellt worden ist, hat der Kläger die dreimonatige Ausschlussfrist eingehalten.

37

c)

Schließlich steht dem Anspruch des Klägers auch nicht Ziffer 13 des zwischen ihm und der Beklagten geschlossenen Arbeitsvertrages vom 02.08.1994 entgegen. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ist es schon mehr als fraglich, ob darin eine allgemeine Ausgleichsklausel zu sehen ist, die auch Gewinnbeteiligungsansprüche des Klägers erfasst.

38

Ziffer 13 regelt nur, dass "dieser Vertrag mit Wirkung vom 01. September 1994 in Kraft tritt. Alle anderen Verträge, gleich welcher Art, verlieren hiermit ihre Gültigkeit." Aus dieser Formulierung ergibt sich jedoch keine umfassende Ausgleichsklausel im Hinblick auf Ansprüche des Klägers aus dem vorher mit dem Betriebsveräußerer bestehenden Arbeitsverhältnis. Vielmehr kann aus Ziffer 13 nur entnommen werden, dass der schriftliche Arbeitsvertrag vom 02.08.1994 an die Stelle der vorherigen vertraglichen Beziehungen treten soll. Satz 2 der Ziffer 13 spricht diese sich aus Satz 1 ergebende Rechtsfolge aus. Insofern liegt in dieser Klausel kein Verzicht des Klägers auf mögliche Ansprüche, sondern nur die Schaffung einer neuen Vertragsgrundlage. Die Regelung wäre im übrigen auch zu unbestimmt, denn der Umfang des Verlustes des Rechts muss sich für den Betroffenen aus der Klausel selbst oder den Umständen bei ihrer Unterzeichnung eindeutig und unmissverständlich ergeben (Küttner-Eisemann, Personalhandbuch 2000, Ausgleichsquittung Rn. 6). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, denn eine eindeutige Regelung der Gewinnbeteiligung ist nicht im Ansatz im Vertrag vom 02.08.1994 enthalten. Die darüber hinaus nicht einmal unmissverständlich als Ausgleichsklausel überhaupt zu wertende Ziffer 13 kann deshalb erst recht nicht eine ausreichend bestimmte Verzichtsklausel hinsichtlich der Gewinnbeteiligungsansprüche des Klägers beinhalten.

39

Selbst wenn dem nicht gefolgt würde, hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. u. a. BAG vom 29.10.1985 - 3 AZR 485/83 - DB 1986, 1779; BAG vom 12.05.1992 - 3 AZR 247/91 - DB 1992, 2038) entschieden, dass der Arbeitnehmer durch Vereinbarung mit dem Erwerber grundsätzlich nicht auf bestehende Ansprüche verzichten kann. Dies folgt aus dem zwingenden Schutzzweck des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB der Erhaltung der Rechte aus dem Arbeitsverhältnis, weil die Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang im besonderen Maße auf diesen Schutz angewiesen sind, um nicht durch den Druck neue Arbeitsverträge abschließen zu müssen, ungewollt auf bestehende Ansprüche zu verzichten. Zutreffend hat das BAG in der Entscheidung vom 12.05.1992 darauf hingewiesen, dass damit zwar ein Eingriff in die Vertragsfreiheit verbunden ist, dies jedoch aufgrund zwingenden Rechts hinzunehmen ist, weil nur so der erforderliche Schutz erreicht werden kann. Dies gilt vorliegend um so mehr, als der Kläger im Laufe der Jahre durch eine entsprechende Arbeitsleistung Ansprüche sich verdient hat, die es für ihn nicht zumutbar erscheinen lassen, allein durch einen Betriebsübergang dieser Ansprüche verlustig zu werden. Auch soweit das Bundesarbeitsgericht eine Ausnahme von dieser Rechtsprechung in dem Falle gemacht hat, dass die Einschränkungen durch sachliche Gründe gerechtfertigt sind, gilt vorliegend nichts anderes. Denn die Beklagte hat ersichtlich nichts dazu dargetan, das der (unterstellte) Verzicht auf die Gewinnbeteiligungsansprüche sachlich gerechtfertigt ist, z. B. dass dadurch die Erhaltung von Arbeitsplätzen ermöglicht wird.

40

4)

Da die Beklagte weder die Höhe der Forderung noch den Zinsanspruch des Klägers bestritten hat und der Kläger auch entsprechend des Schreibens vom 17.01.1966 die 12-monatige Kündigungsfrist zum Jahresende mit der Kündigung vom 20.06.1997 zum 31.12.1998 eingehalten hat, war nach den obigen Ausführungen dem Kläger die geltend gemachte Forderung im vollen Umfange zuzusprechen.

41

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 97 ZPO.

42

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

Schmedt,
Ohms,
Junge