Landgericht Osnabrück
Urt. v. 24.02.2003, Az.: 1 O 2861/02
Schadenersatzanspruch eines Radfahrers wegen Sturzes auf einem als Gehweg und Radweg genutzten unbestreuten Radweg; Streupflicht des Trägers der öffentlichen Straßenbaulast auf Radwegen; Begriff der gefährlichen Fahrbahnstelle i.S.d. § 52 Abs. 1 S. 3c Niedersächsisches Straßengesetz (NStrG)
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 24.02.2003
- Aktenzeichen
- 1 O 2861/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 33943
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2003:0224.1O2861.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 839 BGB
- Art. 34 GG
- § 52 Abs. 1 S. 3c NStrG
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm nach seiner Behauptung dadurch entstanden ist, dass er am 6. 1. 2002 gegen 10.15 Uhr in Papenburg auf dem Weg vor dem Rathaus der Beklagten als Radfahrer zu Fall gekommen ist. Eine Haftung der Beklagten nach § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG, § 52 Abs. 1 Satz 3 c NStrG als der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage besteht nicht. Dies gilt unabhängig davon, ob der in Rede stehende Geh- und Fahrweg zum behaupteten Unfallzeitpunkt in ausreichendem Masse gestreut war oder nicht. Denn die von der Beklagten gegebenenfalls verletzte Streupflicht bestand nicht gegenüber dem Kläger. Gemäss § 52 Abs. 1 Satz 3 c NStrG. gehört zur Strassenreinigungspflicht auch das Bestreuen der Gehwege, Fussgängerüberwege und der gefährlichen Fahrbahnstellen mit nicht unbedeutendem Verkehr. Radwege sind dort nicht aufgeführt. Radfahrer haben auf Radwegen, anders als Fussgänger auf Gehwegen und Fussgängerüberwegen, also keinen generellen Anspruch auf das Bestreuen des ihnen zur Verfügung stehenden Verkehrsraumes. Mithin bestand eine Streupflicht gegenüber dem Kläger für die Beklagte nur, wenn es sich bei dem von ihm befahrenen Weg um eine "gefährliche Fahrbahnstelle" i. S. des § 52 Abs. 1 Satz 3 c NStrG handeln würde. Das ist jedoch zu verneinen. Gefährliche Fahrbahnstellen sind nach allgemeiner Auffassung solche, an denen Kraftfahrer erfahrungsgemäss bremsen, ausweichen oder sonst ihre Fahrtrichtung oder Geschwindigkeit ändern, weil gerade diese Umstände bei Schnee und Eisglätte zum Schleudern oder Rutschen und damit zu Unfällen führen können (vgl. BGHZ 112, 74 (84) [BGH 05.07.1990 - III ZR 217/89], BGH VersR 1975, 349). Dass der in Rede stehende Weg solche Gefahrenpunkte aufweist, behauptet der Kläger nicht.
Gegenüber dem Kläger als Radfahrer oblag der Beklagten hier auch nicht deshalb eine Streupflicht, weil er den Weg in zulässiger Weise mit dem Fahrrad benutzt hat. Eine Streupflicht bestand für die Beklagte hier nur deshalb, weil der Weg (auch) von Fussgängern genutzt wird und damit als "Gehweg" i. S. des § 52 Abs. 1 Satz 3 c NStrG bestreut werden muss. Von dem Schutzbereich dieser Streupflicht sind Radfahrer jedoch nicht erfasst (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 6. Dezember 2002 - 6 U 150/02 -). Radfahrer haben anders als Fussgänger generell keinen Anspruch auf das Abstreuen der ihnen zur Verfügung stehenden Verkehrsflächen. Das beruht darauf, dass sich das Gefahrenpotential eines Radfahrers wegen seiner grösseren Geschwindigkeit, der geringeren Auflagefläche auf der Fahrbahn und seiner anderen Gleichgewichtssituation erheblich von dem eines Fussgängers unterscheidet. Ein Radfahrer kann die Sturzgefahr aber dadurch mindern, dass er bei glatter oder gefährlicher Fahrbahn erlaubtermassen den Radweg verlässt oder absteigt und zu Fuss geht (vgl. BGH VersR 1995, 721 (722); OLG Celle NJW - RR 2001, 596 [OLG Celle 22.11.2000 - 9 U 104/00]; OLG Oldenburg, Urteil vom 6. 12. 2002 - 6 U 150/02 - ). Diese besondere Gefahrenlage für Radfahrer macht einen wirksamen Streudienst für Gemeinden nicht mehr zumutbar. Eine Streupflicht auf Radwegen besteht deshalb aus gutem Grunde nicht.
Nichts anderes kann nach Auffassung des Gerichtes, das sich insoweit der Ansicht des Amtshaftungssenates des OLG Oldenburg anschliesst, gelten, wenn es sich - wie hier - um eine Fahrbahn handelt, die gemeinsam von Radfahrern und Fussgängern genutzt wird. Ein Radfahrer darf sich demzufolge auch auf kombinierten Fuss- und Radwegen nicht darauf verlassen, dass die Fahrbahn ausreichend bestreut ist. Denn nur als Fussgänger darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Fläche für diese Art der Nutzung ordnungsgemäss bestreut ist. Wenn er sich aber dafür entscheidet, auch bei Glätte mit dem Fahrrad zu fahren, tut er dies auf eigene Gefahr.
Hieran ändert sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nichts dadurch, dass der in Rede stehende Unfallbereich im Eigentum der Beklagten steht, womit diese insoweit privatrechtlich verkehrssicherungspflichtig ist. Denn der Umfang der Streupflicht richtet sich unabhängig davon, ob diese eine Privatperson oder aber die öffentliche Hand trifft, nach § 52 Abs. 1 Satz 3 NStrG. Erfasst der Schutzbereich des § 52 Abs. 1 Satz 3 NStrG aber -wie dargestellt- keine Radfahrer, so bedeutet dies, dass ein Schadensersatzanspruch eines Radfahrers, der beim Fahren eines Geh- bzw. Radweges stürzt, grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlagen in §§ 708 Nr. 11, 711, 713, 543 ZPO.