Landgericht Osnabrück
Urt. v. 09.05.2003, Az.: 13 O 105/03
Pauschalvereinbarung über ein die Mindestsätze der HOAI unterschreitendes Ingenieurhonorar; Wirksamkeit von Parteivereinbarung trotz Verstoßes gegen die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 09.05.2003
- Aktenzeichen
- 13 O 105/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 32872
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2003:0509.13O105.03.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Oldenburg - 04.09.2003 - AZ: 8 U 103/03
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 2 HOAI
- § 817 S. 2 BGB
Fundstelle
- BauR 2004, 553
Die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Osnabrück
hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2003
durch
die Richter Pirnay, Melius und Winter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.021,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist für beiden Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 47.125,98 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht restliches Ingenieurhonorar geltend. Die Parteien streiten, ob die Klägerin an eine mit der Beklagten getroffene, die Mindestsätze der HOAI unterschreitende Pauschalvereinbarung gebunden ist. Die Beklagte forderte die Klägerin zur Abgabe eines Angebots für Ingenieurleistungen auf. Die Klägerin bot ihre Leistungen mit Schreiben vom 16. Januar 2001 pauschal zuzüglich 2 % Nebenkosten und Umsatzsteuer an. Unter Bezugnahme darauf bot die Beklagte der Klägerin die Übernahme der Ingenieurleistungen mit Schreiben vom 22. Januar 2001 an, in dem es u.a. heißt:
"Die Vergütung erfolgt pauschal in Höhe von 90.000,00 DM netto inklusive Nebenkosten entsprechend dem Leistungsfortschritt. Die Schlussrechnung wird nach mängelfreier Übergabe des Bauvorhabens an den Bauherrn gestellt. Zahlungsfrist für sämtliche Rechnungen: 14 Tage.
Das Honorar in Höhe von 90.000,00 DM basiert auf geschätzten Herstellungskosten in Höhe von DM 1.100.000,00 netto. Sollten die tatsächlichen Herstellkosten von den geschätzten Herstellkosten um mehr als 15 % abweichen, erfolgt eine Honoraranpassung. Grundlage für eine evtl. Honoraranpassung ist die HOAI, Honorarzone I, von Satz, sowie das o. g. Angebot.
..."
Dieses Angebot nahm die Klägerin am 24. Januar 2001 an. Die Klägerin erbrachte ihre Leistungen. Die Herstellungskosten betrugen 1.364.066,30 DM. Die Beklagte zahlte auf den Vergütungsanspruch der Klägerin netto 85.000,00 DM brutto 98.600,00 DM. Die Klägerin stellte ihre Arbeiten unter dem 17. Juli 2002 auf der Grundlage von § 73 HOAI in Höhe von 251.272,69 DM in Rechnung. Von den nach Abzug der nur in Höhe der Nettobeträge berücksichtigten Zahlungen in Höhe von danach 85.000,00 DM verbleibenden 166.272,69 DM = 85.013,88 EUR beansprucht sie im Wege der Teilklage einen erstrangigen Teilbetrag in Höhe der Klageforderung. Sie hält dafür, dass die Pauschalvereinbarung unwirksam sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 42.506,94 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB) seit dem 1. August 2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt ihrer Inanspruchnahme und der Rechtsauffassung der Klägerin entgegen. Die Mehrkosten hätten in Höhe eines Teilbetrages von 52.947,51 DM netto ihre Ursache darin, dass der Bauherr teurere Beleuchtungskörper gewünscht habe. Sie tritt ihrer Inanspruchnahme hilfsweise mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 9.034,05 DM brutto entgegen, den sie darauf stützt, dass sie in diesem Umfang gegenüber dem die Arbeiten ausführenden Unternehmer kein Skonto habe ziehen können, da die Klägerin die Rechnungen säumig geprüft habe.
Wegen aller Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Klageschrift vom 18. Dezember 2002 und die Schriftsätze der Klägerin vom 4. und 19. März 2003 sowie auf diejenigen der Beklagten vom 6. und 26. März 2003 Bezug genommen, und zwar sämtlich einschließlich aller Anlagen. Die Akten des vor der Kammer in gleicher Besetzung geführten Rechtsstreits des die Arbeiten ausführenden Unternehmers gegen die Beklagte, in dem es u.a. darum ging, ob die Beklagte Skonto ziehen durfte, lagen im Haupttermin zu Informationszwecken vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat teilweise Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung in Höhe von 18.021,96 EUR. Anspruchsgrundlage ist die Parteivereinbarung. Entscheidungsgrundlage ist das unstreitige Parteivorbringen. Im Einzelnen gilt Folgendes.
I.
Der zuerkannte Anspruch und seine Berechnung
1.
Grundlage des zuerkannten Anspruchs ist der durch Angebot der Beklagten vom 22. Januar 2001 und Annahme des Angebots seitens der Klägerin am 24. Januar 2001 geschlossene Vertrag. Der Vertrag ist im Verhältnis der Parteien dieses Rechtsstreits ungeachtet eines möglichen Verstoßes gegen die Bestimmung des § 4 Abs. 2 HOAI wirksam. Die Beklagte wäre auf Grund des sich aus der Bestimmung des § 817 Satz 2 BGB ergebenden allgemeinen Rechtsgedankens gehindert, dem nach dem Vertrag ausbedungenen Honoraranspruch unter Berufung auf eine Unwirksamkeit der Parteivereinbarung entgegenzutreten. Wer sich selbst außerhalb der Rechtsordnung stellt, genießt deren Schutz nicht. So liegen die Dinge hier. Keine der Parteien kann sich erfolgreich auf Unkenntnis berufen. Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte müssen die HOAI kennen. Die Klägerin unterhält ein Ingenieurbüro. Der Geschäftsführer der Beklagten ist diplomierter Ingenieur.
2.
Die Parteien haben ausgehend von Herstellungskosten für Gebäudetechnik in Höhe von netto 1.100.000,00 DM eine Nettovergütung von 90.000,00 DM vereinbart. Bei einer Abweichung in Höhe von mehr als 15 % sollte eine Anpassung erfolgen. Grundlage der Anpassung sollte die HOAI Honorarzone I sowie das Angebot der Klägerin vom 16. Januar 2001 sein. Danach gilt Folgendes:
a)
Die Herstellungskosten betragen 1.364.066,30 DM. Das ist unstreitig. Unerheblich und ohne Einfluss auf die Höhe der zugrundezulegenden Herstellungskosten ist der Umstand, dass ein Mehraufwand in Höhe von 52.947,51 DM allein deshalb angefallen ist, weil auf Grund eines Sonderwunsches des Bauherrn teurere Beleuchtungskörper eingebaut worden sind. Sonderwünsche sind eine wesentliche Ursache für Mehrkosten am Bau.
b)
Die tatsächlichen Herstellungskosten überschreiten die geschätzten Herstellungskosten um 24 %. Das hat eine Honoraranpassung zur Folge. Eine lineare Anpassung entsprechend dem Angebot vom 16. Januar 2001 ergibt folgende Berechnung:
aa) | Angebotspreis | 90.000,00 DM |
---|---|---|
bb) | 24 % davon ergeben | 21.600,00 DM |
cc) | Zwischensumme aa) bis bb) | 111.600,00 DM |
dd) | 16 % Mehrwertsteuer ergeben | 17.856,00 DM |
ee) | Gesamtbrutto | 129.456,00 DM |
ff) | abzüglich gezahlter | 98.600,00 DM |
gg) | ergeben | 30.856,00 DM |
hh) | mithin geteilt durch 1,95583 | 15.776,42 EUR |
c)
Eine lineare Interpolation gemäß den §§ 5a, 74 Abs. 1 HOAI führt zu folgendem Ergebnis:
aa) | Angebotspreis | 90.000,00 DM |
---|---|---|
bb) | Honorarsprung für Mehrkosten in Höhe von 264.066,30 DM gemäß den §§ 5a, 74 HOAI | 29.172,64 DM |
cc) | Zwischensumme | 119.172,24 DM |
dd) | 16 % Mehrwertsteuer darauf ergeben | 19.067,56 DM |
ee) | Gesamtbrutto | 138.239,79 DM |
ff) | abzüglich gezahlter | 98.600,00 DM |
gg) | ergeben | 39.639,79 DM |
hh) | mithin geteilt durch 1,95583 | 20.267,50 EUR |
d)
Der Mittelwert von b) und c) ergibt (15.776,42 EUR + 20.267,50 EUR : 2 =) 18.021.96 EUR. Das ist der Klägerin nach dem Vertrag zustehende und zuerkannte Betrag.
e)
Soweit die Beklagte ihren Berechnungen offenbar zugrundelegen will, dass die ersten 15 % umsonst seien, vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Die 15 %-Klausel folgt der Erfahrung, dass ein Mehraufwand des Ingenieurs bzw. des Architekten bei nur geringfügig höheren Baukosten nicht feststellbar ist, sondern erst bei einer nennenswerten Baukostenüberschreitung in Betracht kommt. Das ist hier mit 24 % der Fall. Soweit die Parteien nach der im Haupttermin geäußerten Vorstellung der Beklagten etwas anderes gemeint haben, hat dies in dem schriftlichen Vertragswerk keinen Niederschlag gefunden. Die Vermutung streitet indes dafür, dass die schriftliche Vereinbarung der Parteien das Gewollte richtig und vollständig wiedergibt. Davon zugunsten der Beklagten abzuweichen, besteht hier schon deshalb kein Anlass, weil sie die Vertragsgrundlage schriftlich niedergelegt hat.
3.
Gegenansprüche der Beklagten sind unbegründet. Der Beklagten steht ein Anspruch gegen die Klägerin unter Berufung darauf, diese habe Rechnungen säumig geprüft, weshalb kein Skonto habe gezogen werden können, nicht zu.
a)
Die Rechnungen des die Werkleistungen ausführenden Unternehmens vom 6. und 20. Dezember 2001 sowie vom 28. Januar 2002 hat die Klägerin noch rechtzeitig am 14. Dezember 2001 sowie am 3. Januar und 4. Februar 2002 geprüft. Die Skontofrist wurde maßgeblich deshalb überschritten, weil die Beklagte erst 14, acht bzw. 30 Werktage nach Eingang der geprüften Rechnungen bei ihr überwiesen hat. Das fällt der Beklagten zur Last.
b)
Soweit die Klägerin die Rechnung vom 30. August 2001 erst am 21. September 2001 geprüft hat, begründet diese Säumnis gleichwohl keinen Schadensersatzanspruch der Beklagten. Denn auch die Beklagte hat selbst eine weitere Verzögerung der Zahlung dadurch bewirkt, dass sie den Betrag der geprüften Rechnung erst eine weitere Woche nach dem Eingang der Rechnung bei ihr überwiesen hat.
II.
Keine weiteren Ansprüche
Weiter gehende Honoraransprüche der Klägerin sind unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütungen ihrer Leistungen entsprechend der Schlussrechnung vom 17. Juli 2002. Dem steht die Pauschalpreisvereinbarung vom 22./24. Januar 2001 entgegen. Unbeachtlich ist, ob die Pauschalpreisvereinbarung unwirksam ist. Ein Ingenieur, der auf eine Anfrage eines gewerblichen Nachfragers seine Leistungen unterhalb der Mindestsumme der HOAI pauschal anbietet und auf dieser Grundlage eine die Mindestsumme der HOAIüberschreitende Pauschalvereinbarung mit seinem Auftraggeber trifft, ist gehindert, nach Erbringung seiner Leistungen diese nach Mindestsätzen abzurechnen, wenn die Pauschalpreisvereinbarung unwirksam ist. Darüber kann es nach dem Verständnis der erkennenden Kammer für Handelssachen keine Unklarheiten geben. Dieses Ergebnis folgt ungeachtet der Rechtsprechung des für das Honorarrecht der Architekten und Ingenieure zuständigen VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs aus dem sich aus § 817 Satz 2 BGB ergebenden allgemeinen Rechtsgrundsatz. Wer sich bewusst außerhalb der Rechtsordnung stellt, kann deren Schutz nicht in Anspruch nehmen. So liegen die Dinge hier. Darüber können sich die Verantwortlichen der Klägerin ernstlich auch nicht im Unklaren sein.
III.
Nebenentscheidungen
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 709 Satz 1 und 2 ZPO sowie auf § 19 Abs. 3 GKG. Der hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Betrag in Höhe 9.034,05 DM, mithin 4.619,04 EUR ist für die Bemessung des Gegenstandswertes der Klageforderung in Höhe von 42.506,94 EUR hinzuzurechnen, so dass sich dafür ein Betrag in Höhe von 47.125,98 EUR ergibt. Die Beklagte ist davon in Höhe des zuerkannten Betrages von 18.021,96 EUR sowie mit dem erfolglos zur Aufrechnung gestellten Betrag in Höhe von 4.619,04 EUR, mithin insgesamt mit 22.641,00 EUR, somit zu 48 % unterlegen. Das führt zur Kostenaufhebung.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 47.125,98 EUR festgesetzt.
Melius
Winter