Landgericht Osnabrück
Urt. v. 18.06.2003, Az.: 12 O 1454/03
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 18.06.2003
- Aktenzeichen
- 12 O 1454/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 39645
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2003:0618.12O1454.03.0A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird festgestellt, dass der Kläger gegen den Beklagten keine finanziellen Ansprüche aus der per Fax erteilten sog. "selbstschuldnerische Bürgschaft" vom 18. 8. 1992 hinsichtlich einer Darlehensforderung in Höhe von 300.000,00 DM gegen den Beklagten zustehen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf bis zu 154.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Unter dem 18.08.1992 schlossen der Kläger und ein Herr B. einen Darlehensvertrag. Nach dem schriftlichen Vertrag gewährte der Kläger dem Darlehensnehmer ein Darlehn in Höhe von 300.000,00 DM, welches am 20.09.1992 zur Rückzahlung fällig gestellt wurde. Gleichzeitig bestätigte der Darlehensnehmer in der Urkunde durch seine Unterschrift, den Darlehensbetrag am 18.08.1992 erhalten zu haben. Eine Verzinsung ist in dem Vertrag nicht vorgesehen.
Am gleichen Tage übernahmen der Beklagte sowie ein Herr A. und ein R. wegen der Darlehensforderung unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage eine selbstschuldnerische Bürgschaft. Der Text der Bürgschaft wurde dem Beklagten zugefaxt. Dieser setzte auf das ihn erreichende Telefax seine Unterschrift und faxte diese an Rechtsanwalt X. zurück. Eine Bürgschaftsurkunde, welche die Unterschrift des Beklagten im Original enthält, hat der Beklagte zu keinem Zeitpunkt in den Verkehr gebracht.
Der Darlehensnehmer ist zwischenzeitlich verstorben. Dessen Erben haben die Erbschaft ausgeschlagen.
Der Kläger behauptet, das Darlehn sei zur Auszahlung gelangt, Rückzahlungen seien hingegen nicht erfolgt. Mit dem Darlehn hätten verschiedene Bauprojekte in Nigeria durchgeführt werden sollen. Er ist der Ansicht, dass das Bürgschaftsversprechen des Beklagten wirksam sei. Die Schriftform sei gewahrt, da der Beklagte auf der zugefaxten Bürgschaftsurkunde seine Unterschrift gesetzt hätte. Letztlich würden die strengen Formvorschriften des § 766 BGB für den Beklagten aber auch nicht gelten, da dieser zur damaligen Zeit Geschäftsführer einer GmbH gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.000,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seitdem 17. 3. 2003 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auf die Widerklage beantragt der Beklagte,
festzustellen, dass dem Kläger gegen den Beklagten keine finanziellen Ansprüche aus der per Fax erteilten sog. "selbstschuldnerische Bürgschaft" vom 18. 8. 1992 hinsichtlich einer Darlehnsforderung in Höhe von 300.000,00 DM gegen den Beklagten zustehen.
Der Kläger beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf die Formunwirksamkeit der Bürgschaftsurkunde. Desweiteren trägt er vor, dass es sich bei dem Darlehensvertrag um ein sittenwidriges Scheingeschäft gehandelt habe, mit dem unlautere bzw. gesetzwidrige Ziele verfolgt worden seinen. Mit dem Betrag hätten nämlich Schmiergelder an Beamte in Nigeria gezahlt werden sollten, um Gelder des Prinzen N-MBOFU nach London zu transferieren. Dies sei dem Kläger bekannt gewesen. Diese Schmiergelder sollten dann nach einem Monat eine Rendite in Höhe von 500 % erbringen. Mangels wirksamer Entstehung einer Hauptschuld sei deshalb auch aus diesem Grund das Darlehen unwirksam.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Gemäß § 766 BGB ist zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages eine schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich. Die Bürgschaft unterliegt somit der Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB . Das heißt, die Urkunde muss von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden. Diese schriftliche Erklärung der Bürgschaft wird aber nur dann i. S. des § 766 BGB erteilt, wenn zusätzlich zu dem Skripturakt seitens des Versprechers eine Entäußerung der Originalurkunde gegenüber dem Gläubiger erfolgt. Die Bezugnahme auf bereits in den Händen des Gläubigers befindliche Urkunden genügt. Die Übersendung von Abschriften, Telegrammen oder die Übermittlung mittels Telefax genügt hingegen nicht, weil sich der Absender damit nicht der Verfügungsmacht über die Originalurkunde zugunsten des Gläubigers begibt (vgl. insofern schon BGHZ 121, S. 224 ff.). Denn eine Telekopie enthält keine eigenhändige Unterzeichnung. Die Unterschrift ist nur vom Original übernommen und verbleibt bei dem Absender. Dies entspricht weder dem Sinn noch dem Zweck des § 766 BGB. Die Formbedürftigkeit der Bürgschaftserklärung hat ihren gesetzgeberischen Grund im Schutzbedürfnis des Bürgen, der zu größerer Vorsicht angehalten und vor nicht ausreichend überlegten Erklärungen gesichert werden soll. Dieser Schutzzweck verbietet eine Übertragung der Rechtsprechung zur Wahrung von Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen durch den Einsatz fernmeldetechnischer Übertragungsmittel, u. a. Telekopien, auf die Bürgschaft. Denn dem mit der Schriftform bezweckten Schutz vor Übereilung und unzureichender Folgenabwägung bei Übernahme einer Bürgschaft kommt heute im Vergleich zur Zeit der Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuches keine geringere Bedeutung zu (siehe auch BGHZ a. a. O., S. 220 f.).
Der vorliegende Fall ist letztlich identisch mit dem von Bundesgerichtshof entschiedenen Fallgestaltung. Hier wie dort war die Schriftform des § 126 BGB durch Unterzeichnung der Bürgschaftssurkunde zwar gewahrt, es fehlte aber an einer wirksamen Entäußerung, da das Dokument lediglich mittels Telefax übersandt wurde.
Dieser Formmangel macht die Bürgschaftserklärung gemäß § 125 Satz 1 BGB grundsätzlich nichtig.
Daran vermag auch der klägerische Hinweis auf die Kaufmannseigenschaft des Beklagten nichts zu ändern. Gemäß § 350 HGB ist eine Bürgschaft eines Kaufmannes formfei möglich, soweit es sich hierbei um ein Handelsgeschäft des Kaufmannes handelt. Handelsgeschäfte sind gemäß § 343 BGB alle Geschäfte eines Kaufmannes, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes führen. Nach den klägerischen Darlegungen war der Beklagte zu dem in Frage stehenden Zeitpunkt als Automobilverkäufer tätig. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass die Bürgschaftserklärung zwecks Absicherung eines Darlehens für angebliche Baugeschäfte in Nigeria zum Betrieb des seitens des Beklagten zum damaligen Zeitpunkt ausgeübten Gewerbes gehörten. Daran ändert sich auch auf Grund der Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB nichts. Danach sind die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig. § 344 HGB ist aber gegenstandslos für Handelsgesellschaften, da deren Geschäfte immer im Betrieb ihres Handelsgewerbes vorgenommen werden. Folglich könnte sich, wollte man der klägerischen Argumentation folgen, die Vermutung für ein Handelsgeschäft nur auf die seitens des Beklagten damals geführte GmbH und nicht auf ihn persönlich beziehen.
Die Berufung auf den Formmangel stößt auch nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Gegen Treu und Glauben kann die Berufung auf den Formmangel ausnahmsweise dann verstoßen, wenn z. B. Nebenabreden nicht beurkundet worden sind oder die Bürgschaft jahrelang als bestehend behandelt wurde. In Betracht zu ziehen wäre ein Verstoß gegen Treu und Glauben auch, wenn der Bürge längere Zeit wirtschaftliche Vorteile aus dem Geschäft gezogen hat und sich nun unter Berufung auf den Formmangel seiner Verpflichtung entziehen will (vgl. Palandt-Sprau, § 766 Rdnr. 5). Diesbezüglich hat der Kläger aber nichts vorgetragen.
Ein Zahlungsanspruch steht dem Kläger auch nicht gemäß § 826 BGB wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Beklagten zu. Dazu fehlt es an einem hinreichenden Vortrag der Klägerin. Da selbst der Kläger darauf hinweist, dass beide Parteien in nicht unerheblichem Umfang am Wirtschaftsleben teilnehmen, dürfte ihm die Einhaltung von Formvorschriften nicht unbekannt gewesen sein. Es hätte ihm freigestanden, das Geld erst dann zur Auszahlung zu bringen, wenn ihm die seitens des Beklagten übersandte Bürgschaftserklärung im Original mit entsprechender Unterschrift des Beklagten vorgelegt wurde.
Der mit der Widerklage erfolgte Feststellungsantag ist zulässig und begründet. Das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 und 2 ZPO folgt aus dem Umstand, dass die Wirksamkeit zwischen den Parteien streitig ist und nicht auszuschließen ist, dass sich der Kläger nach diesem Verfahren aus dem streitigen Rechtsverhältnis weiterer Ansprüche berühmt. Durch die Feststellungswiderklage kann die Rechtskraft der Entscheidung hinsichtlich der Klage auf das gesamte Rechtsverhältnis ausgedehnt werden. Da sich aus den o. g. Gründen ergibt, dass das Bürgschaftsversprechen insgesamt unwirksam ist, folgt daraus dann die Begründetheit des Widerklageanspruches.