Landgericht Osnabrück
Urt. v. 23.09.2003, Az.: 2 O 1272/02
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 23.09.2003
- Aktenzeichen
- 2 O 1272/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 39650
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2003:0923.2O1272.02.0A
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht auf Zahlung von materiellem Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.
Die Klägerin befand sich mehrere Jahre bei dem Beklagten, einem Facharzt für Frauenheilkunde, in gynäkologischer Behandlung. 1997 gebar die Klägerin ihr drittes Kind. Nachdem sich die Klägerin bei dem Beklagten nach Möglichkeiten der Schwangerschaftsverhütung - die Klägerin und ihr Ehemann wünschten sich aus wirtschaftlichen Gründen keine weiteren Kinder - erkundigt hatte, wurde ihr am Anfang 1998 in der Praxis des Beklagten das Antikonzeptivum "Depo-Clinovir" mit Depotwirkung verabreicht. Zuvor war bei der Klägerin ein Schwangerschaftstest mit negativem Ergebnis durchgeführt worden. Im April 1998 wurde die Anwendung des Antikonzeptivums "Depo-Clinovir" bei der Klägerin wiederholt. Im Juni 1998 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft in der 23. Woche festgestellt. Im Herbst 1997 wurde die Klägerin von ihrem 4. Kind entbunden.
Die Klägerin wirft dem Beklagten einen Behandlungsfehler dahingehend vor, er habe sie vor Gabe des Verhütungsmittels "Depo-Clinovir" nicht darüber aufgeklärt, dass dieses Antikonzeptivum eine Schwangerschaft nicht zu 100 % verhindere. Dazu behauptet sie, dass sie nach der Geburt ihres dritten Kindes den Beklagten in dessen Praxis erstmals Anfang 1998 aufgesucht habe. Sie habe dem Beklagten mitgeteilt, dass sie keine weiteren Kinder mehr wünsche und deshalb ein Verhütungsmittel benötige. Der Beklagte habe ihr darauf erklärt, dass er ein Verhütungsmittel mittels einer Spritze verabreichen könnte. Dieses Verhütungsmittel würde zu 100 % eine Schwangerschaft verhindern. Eine Aufklärung über andere mögliche Verhütungs-methoden habe es nicht gegeben. Des Weiteren habe der Beklagte nicht darauf hingewiesen, dass, sofern nach Verabreichen der Verhütungsspritze die Monatsblutung ausbleibe, ihre sofortige Vorstellung in der Praxis erforderlich sei. Nachdem in der Folgezeit nach Gabe des Verhütungsmittels Depo-Clinovir bei ihr die Monatsblutung ausgeblieben sei, habe ihr Mann mehrfach in der Praxis des Beklagten angerufen und auf diesen Umstand hingewiesen. Der Beklagte selbst habe bei diesem Telefonaten erklärt, dass diesem Umstand keine Bedeutung zukomme, da das Ausbleiben der Monatsblutung "an der Spritze" liege. Die vorgenannten Gespräche seien ausschließlich mit dem Beklagten geführt worden; auch die erste Gabe des Verhütungsmittels habe der Beklagte selbst durchgeführt. Dagegen sei sie in dem vorgenannten Zeitraum nicht von der Zeugin A. behandelt worden. Die Zeugin A. habe in ihrer Eigenschaft als Vertreterin des Beklagten erst im April 1998 ihr ein weiteres Mal das Verhütungsmittel "Depo-Clinovir" gespritzt. Letztlich sei sie trotz der vom Beklagten versprochenen 100 %-igen Sicherheit des Verhütungsmittels "Depo-Clinovir" erneut schwanger geworden. Die Klägerin vertritt insofern die Auffassung, dass der Beklagte aufgrund dieser fehlerhaften Aufklärung verpflichtet sei, ihr die von ihr und ihrem Ehemann für das Kind erbrachten Unterhaltsleistungen im Wege des Schadensersatzes zu ersetzen. Insofern macht die Klägerin einen Schadensersatzanspruch, den sie in ihren Schriftsätzen vom 09.06.2002 und 11.11.2002 näher beziffert, in Höhe von 7.909,69 EUR geltend. Soweit ihr Ehemann Inhaber dieses Schadensersatzanspruches sei, habe er diesen an sie abgetreten; sie habe diese Abtretung angenommen. Des Weiteren wirft die Klägerin dem Beklagten einen Behandlungsfehler dahingehend vor, dass er das Antikonzeptivum "Depo-Clinovir" entweder fehlerhaft verabreicht oder ihr das Verhütungsmittel gespritzt habe, obwohl es schadhaft, zum Beispiel durch fehlerhafte Produktion, Lagerung oder mangelnden Transport, gewesen sei. Dazu behauptet die Klägerin, dass ihr Kind an körperlichen Beeinträchtigungen leide, nämlich an einer Fehlbildung des Penis, einer ZKS-Muskel-Hypertonie und einer Tachykardie. Diese körperlichen Beeinträchtigungen seien auf die Gabe des Verhütungsmittels "Depo-Clinovir" während ihrer Schwangerschaft zurückzuführen. Aufgrund dieser Behinderungen und der damit verbundenen entgangenen Lebensfreude stehe ihrem Sohn gegen den Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000.-- EUR zu. Dieser Schmerzensgeldanspruch, welcher ihr Sohn an sie abgetreten habe, werde hilfsweise gegen den Beklagten geltend gemacht.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 7.909,69 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 06.08.2001 und 5 % Zinsen über dem Leitzinssatz der EZB seit dem 01.01.2002 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, dass zwischen ihm und der Klägerin sowie deren Ehemann im Herbst 1997 zwei ausführliche Gespräche stattgefunden hätten, die mögliche Empfängnisverhütungsmaßnahmen zum Gegenstand gehabt hätten und in denen er die Eheleute ausführlich über die verschiedenen Möglichkeiten der Empfängnisverhütung beraten habe. Unter anderem habe er auf eine Verhütung mittels Sterilisation, Kupferspirale und Antibabypille hingewiesen und mitgeteilt, dass diese Antikonzeptiva keine 100 %-ige Sicherheit böten. Nachdem diese Verhütungsmethoden von der Klägerin abgelehnt worden seien, habe er daraufhin die Anwendung von Depo-Clinovir, ein Progesteron, empfohlen. Das Mittel Depo-Clinovir besitze zwar eine sehr hohe Erfolgsquote, gewähre, wie alle anderen Verhütungsmethoden auch, jedoch keine 100 %ige Sicherheit vor einer Schwangerschaft. Dieses Risiko habe er in dem Gespräch mit der Klägerin und deren Ehemann betont. Abschließend habe er den Hinweis erteilt, dass die Klägerin sofort kommen solle, falls die Monatsblutung ausbleibe. In dem zweiten Gespräch habe sich die Klägerin jedoch noch für keine Verhütungsmethode entscheiden können. Danach habe er sich bis Mitte April 1998 wegen eine Erkrankung nicht in seiner Praxis befunden. In der vorgenannten Zeit sei er durch die Zeugin A. vertreten worden, die auch die weitere Behandlung der Klägerin übernommen habe. Anfang 1998 sei die Klägerin von seiner Vertreterin beraten worden. Es sei erneut die Frage einer Verhütung besprochen worden. Auch die Zeugin habe in diesem Beratungsgespräch darauf hingewiesen, dass eine Verhütung mit dem Mittel Depo-Clinovir keine 100 %-ige Sicherheit vor einer Schwangerschaft gewähren würde und die Klägerin dementsprechend bei Ausbleiben der Regelblutung sich unbedingt wieder vorstellen müsse. Die Klägerin habe sich dann für die Verhütungsmethode mit dem Mittel Depo-Clinovir entschieden. Nach Gabe des Verhütungsmittels habe sich weder die Klägerin noch deren Ehemann gemeldet, um mitzuteilen, dass die Monatsblutung der Klägerin ausgeblieben sei. Darüber hinaus habe nicht die Zeugin A. , sondern er selbst im April 1998 der Klägerin die zweite Dosis des Verhütungsmittels gespritzt. Die Zeugin sei zum damaligen Zeitpunkt in seiner Praxis nicht mehr tätig gewesen. Sofern bei dem Sohn der Klägerin Fehlbildungen vorlägen, seien diese nicht auf die Gabe des Verhütungsmittels Depo-Clinovir zurückzuführen. Denn die von der Klägerin behaupteten Nebenwirkungen des Präparates seien bei dessen Anwendung bisher nicht festgestellt worden. Soweit die Klägerin ihren Klageantrag auf einen an sie abgetretenen Schmerzensgeldanspruch des Sohnes stützt, erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung. Insofern führt der Beklagte aus, dass die Klägerin unstreitig bereits vor der Geburt am 27.09.1998 von den von ihr behaupteten Nebenwirkungen des Mittels Depo-Clinovir wusste und dementsprechend - sofern die behaupteten Beeinträchtigungen bei dem Sohn vorlägen - mit dem Tag der Geburt des Sohnes die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen begonnen habe.
Hinsichtlich der erhobenen Einrede der Verjährung vertritt die Klägerin die Auffassung, dass ein Schmerzensgeldanspruch ihres Sohnes gegen den Beklagten noch nicht verjährt sei, da seine körperlichen Beeinträchtigungen fortdauerten.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten sowohl aus eigenem als auch aus abgetretenem Recht keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz. Ein solcher Schadensersatzanspruch ergibt sich weder aus einer positiven Vertragsverletzung des zwischen den Parteien geschlossenen Behandlungsvertrages noch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 831 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB ggfls. i.V.m. § 398 BGB.
II.
Die Klägerin kann den von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht auf ihre Behauptung stützen, der Beklagte oder die Zeugin A. hätten sie vor Gabe des Verhütungsmittels Depo-Clinovir nicht darauf hingewiesen, dass das Verhütungsmittel nicht zu 100 % vor einer Schwangerschaft schütze. Ob der Beklagte selbst die Klägerin auf die beschränkte Wirksamkeit des Verhütungsmittels aufmerksam gemacht hat, kann dahinstehen. Die vor der Kammer durchgeführte Beweisaufnahme hat nämlich ergeben, dass die Zeugin A., die zum damaligen Zeitpunkt als Praxisvertreterin für den Beklagten tätig war, die Klägerin und deren Ehemann darauf hingewiesen hat, dass das vorgenannte Verhütungsmittel nicht zu 100 % Schwangerschaften verhindern könne und die Klägerin deshalb aufgefordert hat, nach dem Ausbleiben der Monatsblutungen sofort vorstellig zu werden. Die Zeugin A. hat ausgesagt, dass sie den Beklagten in seiner Praxis in der Zeit von Mitte Dezember bis Ende März 1998 vertreten habe. Die Klägerin sei bei ihr in der Praxis des Beklagten Anfang 1998 vorstellig geworden. Die Klägerin habe ihr gegenüber den Wunsch geäußert, zur Schwangerschaftsverhütung ein Depot- Mittel gespritzt zu bekommen. Bei diesem Gespräch habe sie bemerkt, dass die Klägerin bereits hinsichtlich dieses Verhütungsmittels aufgeklärt gewesen sei und auch die anderen Möglichkeiten einer Schwangerschaftsverhütung gekannt habe. Sie - die Zeugin - habe sie dann aber auch selbst noch einmal auf die verschiedenen Möglichkeiten einer Schwangerschaftsverhütung angesprochen und ihr diese erklärt. Trotz ihres Hinweises, dass auch mit einer Depot- Spritze nicht zu 100 % eine Schwangerschaft verhindert werden könne, habe die Klägerin darauf bestanden, dass bei ihr dieses Depot gespritzt werde. Sie - die Zeugin - habe noch einmal die Klägerin darauf hingewiesen, dass es ein Problem geben könne, wenn das Medikament neu eingesetzt werde. Lediglich bei Patienten, denen das Medikament bereits sei längerer Zeit erfolgreich verabreicht worden sei, könnte mit höherer Wahrscheinlichkeit von einer sicheren Schwangerschaftsverhütung ausgegangen werden. Zusätzlich sei bei der Klägerin die Möglichkeit zu beachten gewesen, dass die Klägerin bereits hätte schwanger sein können. Aus diesem Grund habe sie die Klägerin darauf aufmerksam gemacht, dass sie bei Ausbleiben der Monatsblutung sofort vorstellig werden müsse. Sie sei auch sicher gewesen, dass die Klägerin ihre Hinweise verstanden habe. Nach ihrer Erinnerung habe der Ehemann der Klägerin nach Gabe des Depot-Mittels im Januar 1998 nicht angerufen und erklärt, dass die Regelblutung seiner Frau ausgeblieben sei. Wäre derartiges geschehen, hätte sie die Ehefrau sofort einbestellt.
Weiter hat die Zeugin bekundet, dass der Beklagte jedenfalls im Januar 1998 wegen seiner Erkrankung keinen Dienst in seiner Praxis gemacht habe. Es könne höchstens sein, dass er abends in die Praxis gekommen sei, um nach dem Rechten zu schauen. Sie gehe allerdings nicht davon aus, dass er bei diesen Gelegenheiten Telefonanrufe von Patienten oder Patientenangehörigen angenommen habe. Das Gericht hält die Aussage der Zeugin A. für glaubhaft und die Zeugin selbst für glaubwürdig. Die Zeugin A. hat eine in sich schlüssige und widerspruchsfreie Aussage getätigt. Für das Gericht waren keine unberechtigten Entlastungs- oder Belastungstendenzen zu Gunsten oder zu Ungunsten einer Partei, insbesondere hinsichtlich des Beklagten, erkennbar. Die Aussage der Zeugin war vielmehr von dem großen Bemühen gekennzeichnet, die Wahrheit zu sagen und das tatsächlich stattgefundene Geschehen im Januar/ Februar 1998 aufzuklären. Das gesamte Verhalten der Zeugen während und nach ihrer Aussage vor dem hiesigen Gericht hat den Eindruck vermittelt, dass es sich bei der Zeugin um eine gründlich und gewissenhaft arbeitende Ärztin handelt. Anhaltspunkte dahingehend, dass die Zeugin ein tatsächlich vor der Gabe des Depot- Mittels nicht stattgefundenes Aufklärungsgespräch konstruiert hat, um sich und den Beklagten zu entlasten, liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin sprechen auch die schriftlichen Aussagen, die die Zeugen nach ihrer Vernehmung an das Gericht übersandt hat, nicht gegen, sondern vielmehr für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage. Denn auch in diesen Schreiben war das große Bemühen der Zeugin zu erkennen, keine falschen Angaben zu machen. Dabei ist der Klägerin zwar zuzugeben, dass die Zeugin ihre Angaben, ob sie - die Zeugin - der Klägerin das Depot- Mittel verabreicht habe, eingeschränkt hat. Ihre Aussage, dass sie vor Gabe des Depot- Mittels die Klägerin Anfang 1998 im vollem Umfang über die Wirksamkeit des Verhütungsmittels aufgeklärt hat, hat sie jedoch aufrecht erhalten. Dieser Teil der Aussage war von ihren nachträglichen Einschränkungen nicht betroffen. Wenn aber die Zeugin im nachhinein diverse Unterlagen über Geschehnisse, die bereits Jahre zurückliegen, sichtet und dann zu dem Ergebnis kommt, dass sie einen Teil ihrer Aussage korrigieren muss, erhält dadurch der Teil ihrer Aussage, der von dieser Korrektur nicht betroffen ist, eine noch höhere Glaubhaftigkeit.
Gegen die Aussage der Zeugin A. spricht auch nicht die Aussage des Ehemanns der Klägerin in der mündlichen Verhandlung. Der Zeuge hat ausgesagt, dass die Klägerin entgegen der Behauptung des Beklagten im Zeitraum Oktober/November 1997 nicht bei diesem in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Vielmehr sei die Klägerin am Anfang 1998 durch den Beklagten behandelt worden. Er sei sich deshalb sicher, weil er bei der Behandlung zugegen gewesen sei. Die Zeugin A. habe seine Frau zum damaligen Zeitpunkt nicht behandelt, sondern erst die zweite Spritze im April 1998 verabreicht. Bei den Gesprächen mit dem Beklagten im Januar 1998 sei nicht über andere Möglichkeiten der Schwangerschaftsverhütung, z. B. Sterilisation und Spirale, gesprochen worden. Es könne sein, dass sie - die Klägerin und er - bei dem Besuch im Januar 1998 in der Praxis des Beklagten gezielt eine Verhütung durch eine Depot-Spritze angesprochen hätten. Der Beklagte habe daraufhin erklärt, die Spritze sei absolut sicher. Sofern wider Erwarten die Zeugin A. die Behandlung durchgeführt habe, habe sie keinesfalls gesagt, dass die Depot- Spritze nicht zu 100 % sicher sei. Der Beklagte habe bei der Beratung im Januar 1998 auch nicht darauf hingewiesen, dass sich die Klägerin bei Ausbleiben der Regelblutung bei ihm melden solle. Vielmehr habe er im Februar 1998, als die Periode bei der Klägerin ausgeblieben sei, in der Praxis des Beklagten angerufen. Es habe sich zunächst die dort als Arzthelferin tätige Ehefrau des Beklagten gemeldet, welche ihn mit dem Beklagten verbunden habe. Er habe daraufhin dem Beklagten mitgeteilt, dass bei seiner Ehefrau die Regelblutung ausgeblieben sei. Der Beklagte habe daraufhin geantwortet, er brauche sich keine Sorgen zu machen, das läge an der Depot-Spritze. Im Anschluss daran habe er wegen des Ausbleibens der Regelblutung noch mehrmals in der Praxis des Beklagten angerufen. Diese Aussage des Zeugen ist für das Gericht nicht glaubhaft. Die Aussage des Zeugen war für das Gericht erkennbar davon gezeichnet, eine für die Klägerin - seine Ehefrau - günstige Aussage herbeizuführen. Dementsprechend war der Zeuge nicht bemüht, eine sachliche und objektive Aussage abzugeben. Dies wurde bereits dadurch deutlich, dass der Zeuge, nachdem der Beklagte erklärt hatte, er habe die Klägerin im Oktober/November 1997 behandelt, mit den Worten geantwortet hat: "Das ist doch ein Pfuscher." Gegen die Aussage des Zeugen spricht auch, dass der Beklagte die Zeiten seines Krankenhaus-/Kuraufenthaltes mit Bescheinigungen belegen konnte. Dies schließt zwar nicht zwingend aus, dass der Beklagte in diesem Zeitraum in seiner Praxis tätig war. In Verbindung mit der Aussage der Zeugin, welche die Abwesenheit des Beklagen bestätigt hat, begründen diese Bescheinigungen an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen erhebliche Zweifel. Hinzu kommt, dass der Zeuge ausgesagt hat, die Zeugin A. habe die Klägerin im April 1998 behandelt.
Die Zeugin A. hat dagegen mehrere Bescheinigungen vorgelegt, wonach sie im April 1998 nicht mehr in der Praxis des Beklagten tätig war, sondern in München. Auch insoweit glaubt die Kammer den mit entsprechenden Bescheinigungen belegten Vortrag der Zeugin A. mehr als der Aussage des Zeugen. Darüber hinaus wird die Aussage der Zeugin A. gestützt durch die Aussage der Ehefrau des Beklagten. Die Zeugin hat ausgesagt, dass der Beklagte von Ende 1997 bis Mitte März 1998 erkrankt gewesen sei. Dementsprechend habe er in der Zeit nicht in seiner Praxis gearbeitet. Sie könne sich auch noch an die Klägerin erinnern, die im Januar 1998 in der Praxis gewesen sei. Die Zeugin Frau A. habe sie behandelt. Nach Gabe des Verhütungsmittels habe sie im Januar 1998 keine Telefonate des Ehemanns der Klägerin entgegengenommen. Die Zeugin konnte zwar keine unmittelbaren Angaben zu einem etwaigen Aufklärungsgespräch zwischen der Klägerin und der Zeugin A. machen. Sie hat aber den Vortrag des Beklagten und die Aussage der Zeugin A. dahin gehend bestätigt, dass sich der Beklagte im Januar 1998 nicht in seiner Praxis aufgehalten habe, sondern die Behandlung der Klägerin durch die Zeugin A. durchgeführt worden sei.
Demnach steht fest, dass die Klägerin vor Gabe des Verhütungsmittels Depo-Clinovir darüber informiert war, dass dieses Antikonzeptivum keine 100 %- ige Sicherheit vor einer Schwangerschaft bietet und sie deshalb mit dem Eintreten einer erneuten Schwangerschaft und der Geburt eines weiteren Kindes rechnen musste. Wenn die Klägerin jedoch trotz Einnahme eines Verhütungsmittels mit der Zeugung eines weiteren Kindes rechnen musste, kann sie den von ihr geleisteten Unterhalt für das dann gezeugte und anschließend geborene Kind nicht von dem Beklagten einfordern.
III.
Die Klägerin kann ihren Klageantrag auch nicht darauf stützen, dass ihrem Sohn gegen den Beklagten ein Schmerzensgeldanspruch gem. § 847 Abs. 1 BGB zusteht. Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob dem Kind durch einen Behandlungsfehler des Beklagten ein Schaden entstanden ist, der zu einem Schmerzensgeldanspruch des Kindes führen könnte. Denn ein solcher Schmerzensgeldanspruch wäre gem. § 852 Abs. 1 BGB verjährt. Die Klägerin hat den Schmerzensgeldanspruch ihres Sohnes erstmals mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11.11.2002 geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war die gem. § 852 Abs. 1 BGB geltende dreijährige Verjährungsfrist abgelaufen. Die Verjährungsfrist beginnt mit Kenntnis des Betroffenen vom Eintritt eines Schadens zumindest dem Grunde nach, von seiner eigenen Schadensbetroffenheit und von der Person des Ersatzpflichtigen (vgl. BGH NJW 1993, Seite 648; NJW 1996, Seite 117), wobei bei Geschäftsunfähigen oder Geschäftsbeschränkten die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters maßgebend ist (vgl. Palandt- Thomas, § 852, Rn. 5). Die Klägerin und ihr Ehemann als gesetzliche Vertreter des Kindes hatten vom Eintritt des Schadens zumindest dem Grunde nach, von der Schadensbetroffenheit ihres Sohnes und von der Person des Ersatzpflichtigen spätestens mit der Geburt Kenntnis. Es ist von der Klägerin nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich, dass die behaupteten Behinderungen des Sohnes, insbesondere die Fehlbildung des Penis, erst später erkannt wurden. Selbst wenn diese Fehlbehandlungen erst 1 Jahr nach der Geburt des Sohn erkannt worden wären, wäre die Verjährungsfrist gem. § 852 Abs. 1 BGB im September 2002 abgelaufen. Die Klägerin und ihr Ehemann hatten auch bei der Geburt des Sohnes im September 1998 Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen. Denn die Klägerin und ihr Ehemann wussten bereits vor der Geburt des Sohnes um die angebliche schädigende Wirkung des von der Zeugin A. oder dem Beklagten verabreichten Verhütungsmittels auf den Nasciturus. So hat die Klägerin vorgetragen, dass die Frauenärztin Dr. B. sie im Juni 1998 untersucht und festgestellt habe, dass sie in der 23. Woche schwanger sei. Dieses Ergebnis sei für sie zunächst niederschmetternd gewesen, da sie und ihr Ehemann stark um das körperliche Wohlbefinden des Nasciturus, dem das schädigende Mittel "Depo-Clinovir" verabreicht worden sei, fürchteten. Sie habe darauf mehrere Untersuchungen vornehmen lassen.
Ob die von der Klägerin behaupteten Behinderungen des Sohnes noch andauern, hat auf den Lauf der Verjährungsfrist gem. § 852 Abs. 1 BGB keine Auswirkung. Sind spätere, fortdauernde oder sich wiederholende Schadensfolgen durch eine abgeschlossene, unerlaubte Handlung verursacht worden, beginnt die Verjährungsfrist auch für nachträglich auftretende Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Kenntnis vom Schaden als möglich voraussehbar waren, mit diesem Zeitpunkt (vgl. BGH NJW 2000, Seite 861); nur solche Schadensfolgen, die auch für Fachleute nicht voraussehbar waren, sind vom allgemeinen Schadenskenntnisstand nicht erfasst; für sie läuft eine besondere Verjährung vom Tag ihrer Kenntnis und der Kenntnis ihres ursächlichen Zusammenhangs mit der unerlaubten Handlung in der Person des Verletzten selbst (vgl. BGH NJW 1997, Seite 2448; NJW 2000, Seite 861). Bei den von der Klägerin behaupteten Behinderungen des Sohnes handelt es sich um fortdauernde Schadensfolgen, die bereits im Zeitpunkt der Kenntnis vom Schaden voraussehbar gewesen waren. Denn die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass die von ihr geschilderten Beeinträchtigungen des Sohnes für Fachleute nicht voraussehbar waren. Vielmehr hat die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 09.06.2002 dargelegt, dass die Ärzte aufgrund der Gabe des Mittels "Depo-Clinovir" bereits während der Schwangerschaft der Klägerin um das körperliche Wohlbefinden des Sohnes gefürchtet hatten. Aufgrund der bereits eingetretenen Verjährung braucht auf die Frage, ob der Sohn einen Schadensersatzanspruch wirksam an die Klägerin abtreten konnte, nicht eingegangen zu werden.