Landgericht Osnabrück
Urt. v. 12.06.2003, Az.: 1 O 1425/03

Schadensersatz wegen Beschädigung eines Fahrzeuges infolge des Überfahrens eines Feuerwehrwasserschlauchs; Vorrang der Brandbekämpfung vor der der unverzüglichen Abdeckung eines Wasserschlauchs mit Schlauchbrücken; Nichtbestehen einer gefährlichen Situation für Dritte bei der Verlegung eines Wasserschlauchs zur Brandbekämpfung; Einstandspflicht einer Gemeinde als Anstellungskörperschaft für die Bediensteten der Feuerwehr; Umfang der Verkehrssicherungspflicht von Bediensteten der Feuerwehr bei der Brandbekämpfung; Nachrang der Anforderungen an die Pflichten der freiwilligen Feuerwehr zu denen der Berufsfeuerwehr

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
12.06.2003
Aktenzeichen
1 O 1425/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 34647
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2003:0612.1O1425.03.0A

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 600,-- EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die beklagte Gemeinde wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.

2

Am 19. 12. 2002 gegen 21.40 Uhr wurde die Freiwillige Feuerwehr der Beklagten zu einem Brandbekämpfungseinsatz im Orteils N. gerufen. Ein Bauernhaus stand in hellen Flammen. Um 21.47 Uhr forderte der Gemeindebrandmeister der Freiwilligen Feuerwehr J. die Freiwillige Feuerwehr S. nach. Deren Fahrzeuge trafen gegen 22.00 Uhr an der Einsatzstelle ein. Das Löschgruppenfahrzeug 57/23 begann um 22.00 Uhr mit dem Aufbau einer Wasserversorgung von der Ortsmitte N. - der einzigen Wasserentnahmestelle zur Sicherung der Wasserversorgung für das betroffene Brandobjekt - zum Einsatzort. Im Zuge des Aufbaues dieser Wasserleitung, die wegen des Brandes äußerst schnell von Statten gehen musste, war die Absicherung dieser Leitung personell nicht möglich. Zu diesem Zeitpunkt waren die Polizei, der Bauhof B. und die Straßenmeisterei des Landkreises verständigt, aber noch nicht vor Ort.

3

Der Kläger behauptet, mit seinem Pkw Ford, amtliches Kennzeichen OS - , gegen 22.00 Uhr aus Richtung L.-See in Richtung N. unterwegs gewesen zu sein. Er sei in die G. Straße eingebogen. Hier habe sich auf der in seiner Fahrtrichtung gesehen rechten Fahrbahnhälfte ein Feuerwehrschlauch befunden. Er sei zunächst links an diesen Schlauch vorbeigefahren, habe dann aber verkehrsbedingt über den Schlauch fahren müssen, als ihm ein Feuerwehrfahrzeug entgegengekommen sei. Hierbei sei eine Schlauchkuppelung nach oben gegen den Fahrzeugboden des Ford geschlagen, wodurch es zu einem Ölverlust des Motors gekommen sei. Nach Passieren des Schlauches sei er zunächst 400 Meter weitergefahren, bis die Ölkontrollleuchte in seinem Fahrzeug aufgeleuchtet habe. Er habe den Wagen sodann sofort angehalten und festgestellt, dass eine Ölspur von seinem Pkw bis zu der in Rede stehenden Schlauchkuppelung geführt habe.

4

Der Kläger beziffert seinen Schaden wie folgt:

Unfallbedingte Reparaturkosten 3.049,43 EUR
Auslagenpauschale20,00 EUR
Nutzungsausfallentschädigung, 9 Tage a 43,-- EUR 387,00 EUR
Summe: 3.456,43 EUR.
5

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe ihm diesen Schaden zu ersetzen, da die Feuerwehr keine Absperrung vorgenommen und auch keinen Warnhinweis auf den Schlauch angebracht habe. So habe er darauf vertrauen dürfen, dass das Überfahren des Feuerwehrschlauches gefahrlos möglich sein würde.

6

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.456,43 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16. 1. 2003 zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie behauptet, der in Rede stehende Schaden könne nicht durch das Überfahren des Schlauches verursacht worden sein, da die Schlauchkupplungen lediglich eine Höhe von 120 mm aufwiesen. Darüberhinaus habe der Kläger sich einen Teil des ihm entstandenen Schadens selbst zuzurechnen, da er nach dem Überfahren des Schlauches noch ca. 500 Meter weitergefahren sei, obwohl er ein Geräusch im Bereich des Unterbodens gehört gehabt habe. Schließlich scheide eine Haftung der Beklagten auch deshalb aus, da der Schlauch für jeden Verkehrsteilnehmer ohne weiteres sichtbar gewesen sei, womit der Kläger angehalten gewesen wäre, von dem Überfahren des Schlauches Abstand zu nehmen. Auch sei er offenbar zu schnell gefahren, wodurch er die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes erhöht habe.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist unbegründet.

10

Als Rechtsgrundlage für eine Haftung der Beklagten kommt allein § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V. mit Art. 34 GG in Betracht, denn die Beklagte hat als Anstellungskörperschaft für die Bediensteten der Feuerwehr einzustehen, wenn diese ihnen obliegende Amtspflichten verletzt haben.

11

Die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr der Beklagten erfüllen bei Einsätzen hoheitliche Aufgaben. Die Rechtstellung der Feuerwehr im Land Niedersachsen beurteilt sich nach dem Niedersächsischen Gesetz über den Brandschutz und die Hilfeleistungen der Feuerwehren (Nds. Brandschutzgesetz - NBrandSchG -). Danach ist der Brandschutzdienst auf die Gemeinden übertragen, die sie als Aufgaben des eigenen Wirkungskreises wahrnehmen und zu diesem Zweck eine Feuerwehr zu unterhalten haben (§§ 1, 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NBrandSchG). Gemäß § 6 NBrandSchG gehört zu den Feuerwehren i. S. dieses Gesetzes auch die Freiwillige Feuerwehr. Sie wird bei Einsätzen, die unmittelbar der Feuerbekämpfung dienen, sowie bei Übungen zur Unterhaltung der Einsatzbereitschaft hoheitlich tätig.

12

Im Rahmen dieser Tätigkeit haben die Bediensteten der Beklagten bei Einsätzen und Übungen auch dafür Sorge zu tragen, dass die Sicherheit von Verkehrsteilnehmern nicht gefährdet wird. Die Verkehrssicherungspflicht ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft, zumutbare Maßnahmen treffen muss, die zur Abwehr der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind. Entstehen diese Gefahren infolge der Ausübung hoheitlicher Tätigkeit bei Übungen und Einsätzen der Feuerwehr, obliegt ihre Abwehr den Bediensteten der Beklagten als Amtspflicht gegenüber den betroffenen Verkehrsteilnehmern.

13

Gemessen an diesen Rechtsgrundsätzen liegen die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten nicht vor:

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Es kann der Beklagten nicht als Verletzung der Verkehrssicherungspflicht angelastet werden, dass sie den zur Brandbekämpfung dringend erforderlichen Wasserschlauch ausgelegt hat, ohne ihn sofort mit Schlauchbrücken zu versehen. Vordringliche Aufgabe der Freiwilligen Feuerwehr musste es nämlich sein, eine effektive Bekämpfung des Brandes in die Wege zu leiten. Unstreitig hatte sie nicht genug Personal, um zum einen die Brandbekämpfung durchzuführen und zum anderen darüberhinaus die Absicherung der Wasserleitung zu gewährleisten. In dieser Situation war es vordringlich, die durch das Feuer drohenden Gefahren zu bekämpfen.

15

Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht braucht die Beklagte zudem auch nur die Gefahren auszuräumen, die ein Dritter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht erkennen oder denen er selbst nicht begegnen kann. Eine solche gefährliche Situation besteht bei der Verlegung eines Wasserschlauches nicht. Es ist für jeden Verkehrsteilnehmer ersichtlich, dass die Feuerwehr, wenn sie zum Zweck der schnellen Brandbekämpfung Schläuche über die Straße legen muss, zunächst keine dem sonstigen Zustand entsprechenden, von jedem Fahrzeug risikolos zu benutzenden Überbrückungen anlegen kann. In einem solchen Fall muss der Benutzer eines Fahrzeuges selbst beurteilen, ob ein gefahrloses Passieren möglich ist. Dies gilt hier umso mehr, da der Kläger nach seinem eigenen Vortrag den Schlauch gesehen hatte und damit zur Einschätzung der durch das Überfahren gegebenenfalls hervorgerufenen Gefährdung in der Lage war.

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Unabhängig von den vorstehenden Überlegungen scheidet ein Schadensersatzanspruch des Klägers unter dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung aber auch deshalb aus, weil den Bediensteten der Freiwilligen Feuerwehr der Beklagten jedenfalls kein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann. Die Bediensteten der Freiwilligen Feuerwehr mussten in Interesse einer wirkungsvollen Brandbekämpfung schnell handeln. Dass ihnen hierbei hinsichtlich des eingetretenen Schadens ein Sorgfaltsverstoß zur Last fällt, kann nicht festgestellt werden. Ein Weiteres kommt hinzu: Die betreffenden Feuerwehrleute gehörten der Freiwilligen Feuerwehr an. Es ist anerkannt, dass die Anforderungen an die Pflichten dieser Feuerwehr geringer zu stellen sind als an die einer Berufsfeuerwehr (vgl. OLG Celle NJW 1960, 676; LG Aachen Vers 1991, 1175, 1176). Dies muss auch für die Anforderungen an die von den Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr zu beachtenden Sorgfaltspflichten gelten.