Landgericht Osnabrück
Urt. v. 13.01.2003, Az.: 1 O 2985/02

Amtshaftung für durch in der Straßensubstanz vorhandene Schlaglöcher verursachte Schäden bei Mißachtung des Sichtfahrgebots; Umfang der öffentlichen Verkehrssicherungspflicht auf Straßen von untergeordneter Bedeutung

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
13.01.2003
Aktenzeichen
1 O 2985/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 33805
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2003:0113.1O2985.02.0A

Fundstelle

  • JWO-VerkehrsR 2004, 11

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die beklagte Gemeinde wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.

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Er behauptet, er habe am 29. 1. 2001 zwischen 18.30 Uhr und 19.00 Uhr mit seinem Pkw Mercedes-Benz 230 E, amtliches Kennzeichen XXXXX, die Strasse "Am Langen Graben" in Wietmarschen befahren. Es sei dunkel gewesen und habe sehr stark geregnet. Zu Beginn der Strasse "Am Langen Graben" war - unstreitig - das Zeichen 123 zu § 40 StVO aufgestellt, welches auf einen Baustellenbereich hinweist. Plötzlich habe der Kläger mit seinem Pkw ein Schlagloch durchfahren. Dieses sei 16 cm tief, aber für ihn nicht zu erkennen gewesen, da das Schlagloch bis oben hin mit Wasser vollgestanden habe. Die beiden rechten Reifen sowie die entsprechenden Felgen des Pkw's seien beschädigt worden. Hierdurch sei ihm ein Schaden in Höhe von 910,99 EURO entstanden.

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Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 910,99 EURO nebst 4% Zinsen über dem Basiszinssatz nach der Basiszinssatz-Bezugsgrössenverordnung seit dem 21. 9. 2001 zu bezahlen.

4

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Sie ist der Auffassung, dass es dem Kläger unter Beachtung normaler Sorgfalt ein Leichtes gewesen wäre, den behaupteten Schaden zu vermeiden. Die vorhandene Fahrbahnvertiefung sei für einen halbwegs aufmerksamen Fahrzeugführer frühzeitig zu erkennen gewesen. Offensichtlich habe der Kläger dem Gebot, seine Geschwindigkeit den Witterungsverhältnissen und Sichtmöglichketien anzupassen, zuwider gehandelt. Zu erhöhter Sorgfalt sei er insbesondere deshalb angehalten gewesen, weil zum behaupteten Unfallzeitpunkt im Bereich der Strasse "Am Langen Graben" Baumaßnahmen durchgeführt wurden. Gerade im Verlauf einer Baustelle müsse jedoch jeder Verkehrtsteilnehmer mit einem schlechten Zustand auch des noch freigegebenen Strassenstückes rechnen. Mithin habe für ihn Veranlassung dazu bestanden, besonders langsam und vorsichtig zu fahren. Das Eigenverschulden des Klägers überwöge mithin in einem derartigen Masse, dass eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht komme.

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Die Akte XXXXX Amtsgericht Meppen hat zu Beweiszwecken vorgelegen.

7

Die Parteien haben ihr Einverständnis mit der Verwertung der Zeugenaussagen im Verfahren XXXXX Amtsgericht Meppen im Wege des Urkundsbeweises erklärt.

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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Lichtbilder Blatt 44, 45 d.A. sowie durch Einführung der Zeugenaussagen im Verfahren XXXXX Amtsgericht Meppen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

10

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 839 BGB i. V. mit Artikel 34 GG, § 10 NStrG zu.

11

Nach § 10 Abs. 1 des NStrG obliegen der Bau und die Unterhaltung der öffentlichen Strassen einschließlich der Bundesstrassen sowie die Überwachung ihrer Verkehrssicherheit den Organen und Bediensteten der damit befassten Körperschaften als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit. Diese öffentlich-rechtlich gestaltete Amtspflicht zur Sorge für die Verkehrssicherheit entspricht inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (vgl. BGHZ 60, 54 ). Ihr Umfang wird dabei von der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Sie umfasst die notwendigen Massnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Strassenbenutzer hinreichend sicheren Strassenzustandes. Grundsätzlich muß sich der Straßenbenutzer allerdings den gegebenen Strassenverhältnissen anpassen und sie Strasse so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muß in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (BGH, NJW 1980, 2193 (2194) [BGH 26.06.1980 - VII ZR 210/79][BGH 26.06.1980 - VII ZR 210/79]; BGH, NJW 1979, 2043 (2044)). Dabei kann eine mit zumutbaren Mitteln nicht erreichbare völlige Gefahrlosigkeit nicht verlangt werden (Sörgel/Zeuner, BGB, § 823 Rdnr. 161, 162 m.w.N.; Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 14. Kapitel, Rdnr. 37).

12

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist bereits zweifelhaft, ob die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Denn zum einen handelt es sich ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder sowie des Ortsplanes Blatt 30 d.A. bei der Strasse "Am Langen Graben" nicht um eine besonders wichtige Verkehrsverbindung. Dementsprechend sind die Anforderungen an den seitens der Beklagten zu gewährleistenden Strassenzustand reduziert. Darüberhinaus war der Kläger durch das Verkehrszeichen 123 darauf hingewiesen, dass in dem in Rede stehenden Straßenabschnitt Bauarbeiten stattfanden, womit er mit einem schlechten Strassenzustand zu rechnen hatte. Ob der Verkehrssicherungspflicht durch das Aufstellen des Zeichens 123 voll umfänglich Genüge getan worden ist oder aber ein Ausbessern der Schlaglöcher durch die beklagte Gemeinde erforderlich gewesen wäre, kann hier offenbleiben. Denn der Kläger hat sich ein so hohes Mass an Verschulden am Zustandekommen des Schadens anrechnen zu lassen, dass eine evtl. Pflichtverletzung der Beklagten dahinter zurückträte. Entweder war die Geschwindigkeit des Klägers zu hoch, so dass er dem Schlagloch deshalb nicht mehr ausweichen konnte, oder aber es fehlte an der notwendigen Aufmerksamkeit.

13

Nach § 3 Abs. 1 StVO hat ein Fahrzeugführer seine Geschwindigkeit den Strassen-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen. Entweder hat der Kläger dies nicht getan, denn eine Pfütze in den geschilderten Ausmassen ist auffällig genug, um von einem einigermaßen sorgfältig fahrenden Autofahrer erkannt zu werden. Oder aber der Kläger ist sorglos in die Pfütze hineingefahren, die ausweislich der Aussage des Zeugen XXX im Verfahren XXXXX Amtsgericht Meppen gut erkennbar war. Jemand, der praktisch blindlings in eine Wasserpfütze in dem Vertrauen hineinfährt, diese werde keine gefährliche Tiefe haben, hat sich den dadurch entstandenen Schaden aber selbst zuzurechnen (vgl. OLG Rostock NZV 2000, 333 f. [OLG Rostock 23.03.2000 - 1 U 169/98]; OLG Dresden NZV 2002, 92 f. [OLG Dresden 28.01.2000 - 6 U 3282/99]).

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.