Landgericht Osnabrück
Urt. v. 10.02.2003, Az.: 1 O 2082/02
Schmerzensgeld wegen Sturzes in eine Grube im "Hasepark" Osnabrück; Ermittlung der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht bei einem Sturz in einen durch Wellblech abgedeckten Schacht auf einem abseits der Straße gelegenen städtischen Grundstück; Anrechnung eines Mitverschuldenens aufgrund eines unsorgfältigen Handelns des Geschädigten; Einschätzbarkeit einer erhöhten Gefährdung durch das Betreten eines Wellblechs auf einem abseits der Straße gelegenen ausgetreten Pfad; Anforderungen an die Bemessung der Höhe eines Schmerzensgeldes
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 10.02.2003
- Aktenzeichen
- 1 O 2082/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 34645
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2003:0210.1O2082.02.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 34 GG
- § 282 BGB
- § 839 BGB
- § 847 BGB
- § 10 NStrG
Tenor:
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 150,-- EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 4. 7. 2002 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 2.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300,-- EUR abwenden, wenn der Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 350,-- EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.
Er behauptet, am 18. 11. 2001 auf dem Gelände des "Haseparks" in Osnabrück unterwegs gewesen und in einen direkt neben dem Weg befindlichen ca. 1 - 1,5 Meter tiefen Schacht, der lediglich mit Wellpappe abgedeckt gewesen sei, gestürzt zu sein. Unstreitig zog er sich hierdurch starke Prellungen sowie Abschürfungen an Knie und Unterschenkel zu. Hierfür verlangt er von der Beklagten ein Schmerzensgeld, dessen Höhe er mit 1.500,--EUR für angemessen erachtet.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld
nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 9. 12. 2001 zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, dass das in Rede stehende Grundstück von ihren Bediensteten jeden Freitag kontrolliert und gesäubert werde. Mithin habe zwei Tage vor dem in Rede stehenden Vorfall eine Untersuchung stattgefunden. Dabei hätten ihre Mitarbeiter keinen offenen Schacht bemerkt.
Darüber hinaus ist die Beklagte der Auffassung, dass eine evtl. Verkehrssicherungspflichtverletzung vollständig vom Mitverschulden des Klägers überlagert sei. Denn zum einen habe sich der behauptete Vorfall abseits der Straße und damit in einem Bereich ereignet, den Fußgänger normalerweise nicht nutzen. Zum anderen führe der Kläger als Hundebesitzer seinen Hund täglich auf diesem Gelände aus, womit davon auszugehen sei, dass ihm die offene Grube -so sie denn bestanden habe- bekannt gewesen sei, womit er bei der gebotenen Sorgfalt den behaupteten Sturz hätte vermeiden können.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme von Lichtbildern sowie durch Vernehmung von 8 Zeugen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG, § 10 NStrG zu.
Nach § 10 Abs. 1 des Niedersächsischen Straßengesetzes obliegen der Bau und die Unterhaltung der öffentlichen Straßen einschließlich der Bundesfernstraßen sowie die Überwachung ihrer Verkehrssicherheit den Organen und Bediensteten der damit befassten Körperschaften als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit. Diese öffentlich-rechtlich gestaltete Amtspflicht zur Sorge für die Verkehrssicherheit entspricht inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (vgl. BGHZ 60, 54).
Ihr Umfang wird dabei von der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Sie umfasst die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Straßenbenutzer hinreichend sicheren Straßenzustandes und bezieht sich nicht lediglich auf die Straße selbst, sondern darüber hinaus auf den angrenzenden Seitenraum sowie Gehwege. Der Verkehrssicherungspflichtige muß in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten läßt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (BGH NJW 1980, 2193 (2194); BGH NJW 1979, 2043 (2044) ). Auf Grund der Beweisaufnahme steht fest, dass am 18. 11. 2001 im Hasepark und damit im Verantwortungsbereich der Beklagten dadurch ein verkehrsunsicherer Zustand bestanden hat, dass der im Bereich der blauen Brücke befindliche Schacht nicht ordnungsgemäß durch eine tragfähige Platte abgedeckt war. Dies haben die Zeuginnen M. und T. bestätigt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Zeuginnen wahrheitswidrig ausgesagt haben, bestehen nicht.
Der Beklagten ist demgegenüber der ihr in entsprechender Anwendung des § 282 BGB obliegende Beweis dafür, dass der festgestellte objektiv verkehrsunsichere Zustand nicht auf ein sorgfaltspflichtwidriges Verhalten ihrerseits zurückzuführen ist, nicht gelungen. Denn die Beweisaufnahme hat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ergeben, dass die Beklagte den in Rede stehenden Bereich mit der gebotenen Sorgfalt in der erforderlichen Frequenz kontrolliert hat. Zwar haben die vernommenen Mitarbeiter der Beklagten A. , S. , H. und E. übereinstimmend ausgesagt, jeden Freitag im Rahmen der im Hasepark durchgeführten Säuberungsmaßnahmen überprüft zu haben, ob der betreffende Schacht ordnungsgemäß abgedeckt ist. Demgegenüber haben die Zeugen M. und T. jedoch bekundet, den Schacht über einen längeren Zeitraum hinweg offengesehen zu haben. Anhaltspunkte dafür, dass eine der entgegengesetzten Sachverhaltsschilderungen glaubhafter als die jeweils andere ist, hat das Gericht nicht. Kann mithin nicht festgestellt werden, ob die Beklagte ihrer Kontrollpflicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, so geht dieses offene Beweisergebnis zu Lasten der Beklagten als der beweispflichtigen Partei. Dies bedeutet, dass dem Kläger grundsätzlich ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagte zusteht.
Der Kläger hat sich jedoch ein hälftiges Mitverschulden anrechnen zu lassen. Denn zum einen ist er abseits der Straße auf einem ausgetretenen Pfad gegangen, wo er eher als auf der Straße mit Gefährdungen zu rechnen hatte. Zum anderen hatte er -nach seiner eigenen Darstellung- die Eternitpappe erkannt, bevor er auf sie getreten ist. In Anbetracht der Tatsache, dass er nicht wissen konnte, was sich unter dieser Eternitpappe befand, hätte ein sorgfältig handelnder Passant vom Betreten dieser Wellpappe Abstand genommen.
Hinsichtlich der Höhe des dem Kläger gemäß § 847 BGB zustehenden Schmerzengeldes gilt das Folgende:
Das Schmerzensgeld soll den Verletzten in die Lage versetzen, sich Erleichterungen und andere Annehmlichkeiten anstelle derer zu verschaffen, deren Genuss ihm durch die Verletzung unmöglich gemacht wurde. Bemessungsgrundlagen sind Ausmaß und Schwere der psychischen und physischen Störungen, also das Maß der Lebensbeeinträchtigung, die Größe, Dauer und Heftigkeit der Schmerzen, Leiden und etwaigen Entstellungen, die Dauer der stationären Behandlung und der Arbeitsunfähigkeit sowie die etwaige Fraglichkeit der endgültigen Heilung. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint ein Schmerzensgeld in Höhe von 300,--EUR ausreichend, das sich auf Grund des Mitverschuldens des Klägers auf 150,-- EUR reduziert. Der Kläger hat eine grobe Prellung am rechten Unterschenkel und Knie mit Schürfungen und Quetschmarken erlitten. Seine Erstbehandlung erfolgte am 19. 11. 2001. Zur auf den 21. 11. 2001 festgesetzten Kontrolluntersuchung erschien er nicht mehr. Dieser Beeinträchtigung ist unter Berücksichtigung des Mitverschuldens des Klägers mit einem Schmerzensgeld in Höhe von 300,--EUR hinreichend Rechnung getragen.
Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286, 288 BGB.