Landgericht Osnabrück
Urt. v. 20.03.2003, Az.: 1 O 3324/02

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
20.03.2003
Aktenzeichen
1 O 3324/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 39647
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2003:0320.1O3324.02.0A

In dem Rechtsstreit

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück auf die mündliche Verhandlung vom 10.03.2003 durch den Richter am Landgericht ... als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung geltend. Am 7.11.2001 suchte der Kläger den Kfz-Betrieb der Beklagten in ... auf, um an dem Pkw Toyota Previa, amtliches Kennzeichen ... Winterreifen aufziehen zu lassen. Er stellte das Fahrzeug auf dem Kundenannahmestellplatz ab und begab sich sodann durch die geöffnete Tür in die Werkstatt, um einen Meister zu finden, dem er den Pkw-Schlüssel übergeben wollte. Da sich in der Werkstatt keine empfangsbereite Person befand, wollte er den Verkaufsraum aufsuchen. Er durchquerte die Werkstatt, um zu einer Tür zu gelangen, die von der Werkstatt in den Verkaufsraum führt. Quer zu dem von ihm gewählten Weg waren 2 Pkw hintereinander abgestellt. Um zur Tür zu gelangen, ging der Kläger durch den schmalen Freiraum zwischen den Fahrzeugen. Infolgedessen stürzte er in die unter den Pkw´s befindliche Montagegrube, fiel vornüber und schlug mit dem linken Arm und Schulterbereich auf eine Stahlkante. Dabei verletzte er sich schwer.

2

Der Kläger wirft den Beklagten vor, die Grube nicht ordnungsgemäß gesichert zu haben. Erforderlich wäre es seiner Auffassung nach gewesen, sie durch ein Gitter abzudecken, mittels einer Sicherheitskette abzusperren oder zumindest durch eine entsprechende farbliche Markierung ihrer seitlichen Stahlkante auf die Grube hinzuweisen. Schließlich wäre der Unfall seiner Auffassung nach auch dann vermieden worden, wenn die Fahrzeuge auf der Grube so nahe aneinander gestanden hätten, dass ein Durchgang unmöglich gewesen wäre. Der Zustand der Grube zum Schadenszeitpunkt stelle einen eklatanten Verstoß gegen die berufsgenossenschaftlichen Sicherheitsbestimmungen dar.

3

Infolge des Sturzes habe der Kläger eine proximale Humerusspiral-Fraktur links mit Beteiligung des Humeruskopfes erlitten. Die Erstversorgung sei am Unfalltag durch das Grafschafter Klinikum erfolgt. Es sei eine operative Versorgung mit Osteosynthese durchgeführt worden. Vom 7. bis zum 21.11.2001 habe der Kläger sich in stationärer Behandlung im ... Klinikum befunden. Demnächst werde das bei der Operation eingebrachte Metall entfernt werden. Es sei ein Dauerschaden eingetreten. Am linken Oberarm streckseitig befinde sich (operationsbedingt) eine 17 cm lange Narbe bis zum Olecranon. Es liege ein Bewegungsdefizit der Funktion des Oberarmes links gegenüber rechts vor. Der linke Arm könne nur bis 90 Grad vorwärts angehoben werden. Bei Abduktion und Adduktion lasse sich ebenfalls eine Seitendifferenz feststellen. Aktiv könne der linke Arm bis 90 Grad abduziert werden. Passiv sei die Beweglichkeit bis 110 Grad möglich. Die Adduktion sei enggradig um 10 % eingeschränkt. Drehbewegungen im Bereich des Schultergelenkes bei abduziertem Arm seien deutlich eingeschränkt. Das Drehen des Armes auf- und abwärts sei nur bis 10 Grad möglich. Hinsichtlich der Rückwärtsdrehung bestehe eine vollständige Bewegungseinschränkung. Es lägen radiologische Veränderungen im Bereich des Humeruskopfes vor. Der Kläger sei nicht mehr dazu in der Lage, mit dem linken Arm schwere Lasten zu tragen. Auch sonst könne er diesen Arm nicht bewegen, wie er es möchte. Er müsse sich mit dem linken Arm einer Schonung unterziehen. Gartenarbeiten seien nur bedingt möglich. Schwere Arbeiten könnten überhaupt nicht durchgeführt werden. In dem Betrieb, in dem er angestellt sei, könne der Kläger keine Kisten mehr aus dem Keller tragen. Aus höheren Regalen könne er -- da der Arm sich nicht entsprechend strecken lasse -- nichts entnehmen. Die Schmerzen seien nach wie vor ganz erheblich. Auch bestünden bei Wetterveränderungen Beschwerden im linken Arm. Nach dem Autofahren trete ein leichtes Taubheitsgefühl ein. Der Kläger stellt die Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichtes, wobei er sich ein Mitverschulden in Höhe von 30 % anrechnet.

4

Darüberhinaus sei dem Kläger der folgende Sachschaden entstanden:

5

1. Kleiderschaden 120,30 EUR

6

2. Ersatz der Fahrtkosten zur Krankengymnastik 83,70 EUR

7

3. pauschale Nebenkosten 20,00 EUR Sachschaden 224,00 EUR davon 70 % 156,80 EUR.

8

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 156,80 EUR nebst einem Schmerzensgeld, dessen Festsetzung der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach BGB zu zahlen.

9

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

10

Sie sind der Auffassung, sie treffe keine Haftung für den in Rede stehenden Unfall des Klägers. Denn zum einen seien sie nicht dazu verpflichtet, Betriebsfremde auf die Gefahren hinzuweisen, die von einer Kfz-Werkstatt ausgingen. Zum anderen habe der TÜV Nord ihnen anlässlich einer Begehung vom 14.12.2001 bescheinigt, dass die Montagegrube nicht zu beanstanden sei. Nach Ansicht der Beklagten müssen betriebsfremde Personen, die sich in einem fremden Bereich aufhalten, eine gesteigerte Aufmerksamkeit an den Tag legen und sich mit äußerster Vorsicht bewegen. Im übrigen seien ausreichende Hinweise darauf angebracht gewesen, dass das Betreten der Werkstatt auf eigene Gefahr erfolge. Hinzu komme, dass der Kläger -- unstreitig -- nicht das erste Mal in der Werkstatt der Beklagten gewesen sei und den direkten Weg durch die Werkstatt kenne, womit er Veranlassung gehabt habe, die Montagegrube bereits im Rahmen eines früheren Werkstattaufenthaltes wahrzunehmen. Mithin sei der Unfall einzig auf die fehlende Aufmerksamkeit des Klägers zurückzuführen.

11

Das Gericht hat die Lichtbilder Blatt 36, 37, 40 und 41 d. A. in Augenschein genommen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Schadensersatzanspruch wegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung zu:

13

Eine haftungsbegründende Pflichtverletzung der Beklagten kann nicht festgestellt werden. Es ist in Rechtsprechung und Literatur zu Recht seit Langem anerkannt, dass der Inhaber einer Kfz-Werkstatt zwar in Grenzen für die Sicherheit der Kunden während des Aufenthaltes auf dem Werkstattgelände verantwortlich ist. Er kann sich aber grundsätzlich darauf verlassen, dass der Kunde den durch die Örtlichkeiten offenkundigen Gefahren selbst Rechnung trägt (BGH VersR 1959, 899 (900); BGH VersR 1961, 715; RGRK -- Steffen. 12. Auflage. §823, Rdnr. 263 m. w. N.). Von den Beklagten waren keine weiteren Maßnahmen zum Schutze des Klägers zu verlangen. Es bedarf keiner Sicherungsmaßnahmen, wo ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch davon ausgehen darf, ein Gefahrenpunkt werde keine Schäden verursachen, was insbesondere dann gilt, wenn die Gefahr unschwer zu erkennen und leicht zu vermeiden ist (BGH VersR 1959, 899).

14

Unstreitig hatte sich der Kläger bereits mehrere Male vor dem in Rede stehenden Schadenstag in der Werkstatt der Beklagten aufgehalten. Das Vorhandensein der Montagegrube kann ihm mithin nicht entgangen sein. Darüberhinaus verfügt grundsätzlich jede Autowerkstatt über eine Montagegrube, womit derjenige, der die Werkstatträumlichkeiten betritt, mit dem Vorhandensein einer Arbeitsgrube zu rechnen und sein Verhalten darauf einzustellen hat. Damit bestand für die Beklagten kein Anlass, vor der Montagegrube zu warnen. Dem Kläger wurde diese nur deshalb zum Verhängnis, weil er -- ohne auf die Örtlichkeiten überhaupt zu achten -- die Werkstatt durchquerte. Betriebsfremde -- wie der Kläger --, die eine Werkstatt betreten und sich darin aufhalten, müssen mit dafür typischen Gefahrenquellen rechnen, die durch gesteigerte Vorsicht vermieden werden können. Das war dem Kläger möglich. Er hätte darauf achten müssen, wohin er seine Schritte setzt. Die Beklagten durften demgegenüber ihrerseits darauf vertrauen, dass sich ein Kunde -- wenn er sich schon in den Werkstattbereich begibt -- auf solche Gefahren, wie sie insbesondere von typischem "Werkstattzubehör" ausgehen, einstellt und waren nicht gehalten, ihn von vornherein der Werkstatt zu verweisen oder zusätzliche Schutzvorkehrungen gegen Gefahren dieser Art. zu treffen (vgl. dazu auch OLG Oldenburg, ZfS 1992, 197 (198)). Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Kläger im konkreten Fall nicht dazu aufgefordert worden war, die Werkstatt zu betreten. Mangels einer schuldhaften Pflichtverletzung durch die Beklagten scheiden Ersatzansprüche des Klägers bereits aus diesem Grunde aus.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §709 Satz 1, Satz 2 ZPO.